Eingabe der Eltern der Kirchengemeinde von Valkininkai, Rayon Varėna, über die Diskriminierung von Schulkindern

Eltern des Pfarrsprengels Valkininkai beschwerten sich bei der Rayons-Verwal­tung darüber, daß ihre Kinder in der Schule wegen ihrer religiösen Einstellung zu leiden hätten. Wir geben den gesamten Inhalt der Erklärung wieder:

An den Vorsitzenden des Exekutivkomitees des Rayonsowjets der Werktätigen­deputierten von Varėna

Erklärung

Im September d.Js. (1971) beklagten sich unsere Kinder nach der Schule, daß sie dort einem Verhör unterzogen worden seien. Man hätte sie ausgefragt, ob sie in die Kirche gingen und wer sonst noch dahin gehe, anschließend wurde ihnen mit einer Herabsetzung der Betragensnote sowie der Eintragung eines Vermerks gedroht, falls sie zur Kirche gingen.

Der Tochter von J.Griežė, einem Mitverfasser der Erklärung, wurde in der Mittelschule von Valkininkai von den Lehrerinnen Kliukaitė und Butkienė sowie der Schuldirektorin die Frage gestellt, ob sie und ihre jüngere Schwester zur Kirche und zur Beichte gingen. Vor einem Jahre wurde dieser Tochter mit­geteilt, daß sie an den Prüfungen nicht teilnehmen dürfe, wenn sie die Kirche besuche.

Von der Schülerin der Achtklassenschule von Urkoniai, der Tochter von Frau Andriuškevičienė — einer weiteren Mitverfasserin dieser Erklärung — wollte die Lehrerin Saulėnienė wissen, wann sie zur Ersten Kommunion gegangen sei und ob sie die Kirche besuche. Die Lehrerin gab ihr zu verstehen, daß dies in der Beurteilung vermerkt werde und sich bei der Arbeitssuche auswirken könne.

Die beiden Söhne von Frau J. Kazliauskienė — ebenfalls Mitverfasserin der Ein­gabe — aus dem Dorfe Plekstorė sind von der Lehrerin Kliukaitė, der Schul­direktorin und von Rayonsfunktionären gefragt worden, ob sie die Erste Kom­munion erhalten hätten, wer von den Knaben und Mädchen sonst noch zur Kir­che ginge und wer sie zur Erstkommunion vorbereitet habe. Bei Frau J. Blažu-lionienes Sohn und ihrer Tochter (Dorf Užperkasė) erkundigte sich die Lehrerin Butkienė, die Schuldirektorin sowie Angehörige aus dem Rayon nach der Erst­kommunion, wer sie unterrichtet habe, welche Kinder teilgenommen hätten.

In der Schule von Naniškiai wurde den Eltern in einer Elternversammlung nahe­gelegt, ihre Kinder nicht mehr in die Kirche mitzunehmen. Der Schüler Jurgele­vičius (aus dem Dorfe Mistunai) erzählte zu Hause, daß die Lehrer in der Schule den Schülern gesagt hätten: „Kinder, wenn ihr in die Kirche geht, dann erhält der Pfarrer zwei Jahre Gefängnis."

Kinder wurden manchmal über eine Stunde lang verhört. Wir Eltern sind der Meinung, daß niemand das Recht hat, unsere Kinder ohne unser Einverständnis nach ihrer kirchlichen Einstellung zu fragen und sie zu ängstigen. Die Kinder weinen und können nicht mehr ruhig schlafen. Jedes Verhör schüchtert die Kin­der ein und ist ein Verstoß gegen die Gewissensfreiheit und gegen unsere elter­liche Erziehungsgewalt. Sollten sich unsere Kinder etwas zuschulden kommen lassen, dann müssen wir, die Eltern, ja auch dafür geradestehen. Die Erziehung der Kinder gehört zu unseren heiligsten Pflichten. Wir gläubige Eltern sind der Auffassung, daß unsere Religiosität uns bei der Erziehung unserer Kinder unter­stützt. Die Kinder sind wie ausgewechselt, wenn sie nach der Andacht aus der Kirche nach Hause kommen. Dort sehen und hören sie nur Schönes und Gutes.

Haben die erwähnten Lehrer das Recht, derart mit unseren Kindern umzusprin­gen, sie zu verhöhnen und ihnen zu drohen, nur weil sie zur Kirche gehen und am Altardienst teilnehmen? Sie gehen in die Kirche unter unserem Geleit und auf unser Geheiß. Wir haben das elterliche, uns von der Verfassung zugestan­dene Recht, die Kinder in die Kirche zu führen, und uns obliegt die Pflicht, sie richtig zu erziehen. Weshalb wird gegen unsere Rechte, die wir als gläubige El­tern wahrnehmen, verstoßen?

Wir wenden uns an Sie, sehr geehrter Vorsitzender, mit der Bitte, uns darüber zu informieren, ob es rechtmäßig ist, unsere Kinder Verhören auszusetzen, und uns beizustehen, damit sich solche Vorfälle in Zukunft nicht wiederholen.

Valkininkai, 10. Oktober 1971

Es folgen neun Unterschriften von Eltern der betroffenen Kinder.

Der Vorsitzende des Exekutivkomitees des Rayons Varėna schickte den Eltern nach Ablauf von zehn Tagen folgendes Antwortschreiben:

„Die Überprüfung Ihrer Erklärung ergab keine Bestätigung eines mit Ihren Kin­dern angestellten Verhörs. Die Lehrer erkundigen sich lediglich bei den Kindern, wie diese ihre Freizeit verbringen und womit sie sich außerhalb der Schulzeit be­schäftigen. Das ist völlig legal, da die Lehrer verpflichtet sind, sich darum zu kümmern, was ihre Schüler treiben, und sich ständig der Erziehung der Schüler annehmen müssen.

Außerdem haben Sie kein Recht, zu verlangen, daß die Lehrer der Religionspro­paganda Vorschub leisten. Wie Ihnen bestens bekannt sein dürfte, sind Kirche und Staat getrennt und an allen Schulen wird eine atheistische Erziehung der Schüler nach den modernen Erkenntnissen der Wissenschaft durchgeführt.

19. November 1971                                                          Z. Voroneckas

Vorsitzender des Exekutivkomitees des Rayon Verena"

Die Antwort des Exekutivkomitee-Vorsitzenden des Varėna-Rayons führte den Eltern der Schulkinder noch einmal vor Augen, wie rechtlos Katholiken der Willkür von Amtspersonen ausgeliefert sind.

Und nun sehen wir uns eine andere Beschwerde an. die vier Monate später von gläubigen Eltern aus der Kirchengemeinde von Lukšiai verfaßt wurde, zu einem Zeitpunkt also, als die Obrigkeit der litauischen Sowjetregierung bereits über die Unterschriftensammlung unter das Memorandum der litauischen Katholiken informiert war.