Am 19. April 1977, gegen 9 Uhr, wurde Antanas Miklyšius, wohnh. in Kau­nas, Linkuvos 77-2, von seiner Arbeitsstelle abgeholt und nach Hause gefah­ren. Nach dem Vorzeigen einer Haussuchungsorder, für die der Oberuntersu­chungsführer, Major Markevičius, verantwortlich zeichnete, wurde die Woh­nung samt Keller und Abstellräumen unter der Leitung von Oberleutnant Gavėnas durchsucht. Die Hausdurchsuchung dauerte ca. 7 Stunden. Daran nahmen vier Sicherheitsleute und zwei hinzugezogene Zeugen teil. Folgendes wurde beschlagnahmt: ein Notizbüchlein, drei Bücher — „Am Kreuze der Hoffnung", „Aus der Kirchen- und Päpste-Geschichte" und „Tagebuch", außerdem Schreibmaschinenseiten des Textes „Der Kaunaer Erzbischof und der Metropolit" und eines Artikels von Girnius „Die Geschichte wiederholt sich" u. a. m.

Nach Beendigung der Hausdurchsuchung wurde A. Miklyšius zur Verneh­mung in den Sicherheitsdienst gebracht.

Am 19. April holten Sicherheitsbeamte Jonas Repšys von seinem Arbeits­platz nach Hause, um dort, nach Vorzeigen einer Order, gezeichnet von Major Markevičius, eine Haussuchung vorzunehmen. Die Sicherheitsleute fahndeten nach der „Aušra" (Morgenröte), der „Chronik der LKK" und nach anderen illegalen Publikationen. Die Fahndung dauerte 2 Stunden, als deren Ergebnis wurden das Buch „Die Kultur der Seele" und ca. 20 Bandauf­zeichnungen konfisziert. Danach wurde Jonas Repšys in den Sicherheits­dienst zum Verhör gebracht.

Am 19. April wurde der Arzt Povilas Butkevičius um 8 Uhr auf seinem Gang zur Arbeit von einem Sicherheitsfunktionär, der aus einem Auto sprang, an­gehalten und zurück zu seiner Wohnung in Kaunas, Moliėtu 18, gebracht. Eine Frau und ein Mann, die im gleichen Sicherheitsdienst-Fahrzeug mitge­fahren waren, verschafften sich an der Wohnungstüre Einlaß mit den Worten: „Wir sind von Alfonsas". Erst danach zeigten sie ihre Dienstausweise der Sicherheitsbehörde vor und riefen noch fünf weitere, außerhalb postierte Männer herein. Bei der nun folgenden Haussuchung wurde die „Chronik der LKK", Nr. 25, beschlagnahmt, außerdem die „Chronik der laufenden Er­eignisse", Nr. 40, eine Schreibmaschine sowie eine Abschrift aus der „Auš­ra", Nr. 5. Während der Haussuchung erschien Liudas Simutis in der Woh­nung, der sofort in das Sicherheitskomitee abgeführt wurde. Dorthin wurde auch P. Butkevičius gebracht, jedoch wegen seines schlechten Gesundheits­zustandes nur kurz verhört. Während dieses kurzen Verhörs erkundigte man sich, woher er die bei der Haussuchung gefundenen Publikationen habe, ob er nicht etwa ein Mitarbeiter der „Aušra" und der „Chronik der LKK" sei? Außerdem wurde er gefragt, ob er am 22. Februar in Viduklė beim Empfang von Liudas Simutis, der 22 Jahre Gefängnishaft hinter sich hatte, dabei gewe­sen sei?

Am gleichen Tage wurde die Medizinstudentin Ramunė Butkevičiūtė aus den Vorlesungen im Kaunaer Medizinischen Institut einmal um 15 Uhr, das andere Mal um 18 Uhr in das Sicherheitskomitee zitiert. Ihr wurde vorgewor­fen, am Empfang für L. Simutis in Viduklė und an einer Versammlung, wo der Schlacht bei Žalgiris (bei Tannenberg, 1410) gedacht wurde, teilge­nommen zu haben. Es wurde ihr mit der Exmatrikulierung, obwohl sie bereits im dritten Studienjahr ist, gedroht.

Vidmantas Butkevičius wurde von seinem Arbeitsplatz im Dsershinski-Werk für Werkmaschinen in das Sicherheitskomitee gebracht. Man befragte ihn über die Teilnahme an illegalen Zusammenkünften und Exkursionen. Die Lehrerin Ona Butkevičienė wurde am nächsten Tag, dem 20. April, aus der Kaunaer 25. Mittelschule herausgerufen. Bei der Vernehmung im Sicher­heitskomitee erkundigte man sich bei ihr nach den während der Haussuchung beschlagnahmten Sachen. Es wurde ihr während des Verhörs gedroht. Am 20. April wurde Viktoras Snieška telefonisch in den Sicherheitsdienst be­stellt. Das Verhör dauerte 7 Stunden. Ohne ihn darüber aufzuklären, in welcher Angelegenheit er hier sei, und ohne ein Protokoll zu erstellen, wurde Snieška gefragt, an welchen touristischen Unternehmungen er, oder jemand anders außer ihm, teilgenommen und was man dabei so geredet habe. Es wurde ihm gedroht, ihn aus der Wasserballmannschaft hinauszuwerfen, ihn nicht ins Ausland fahren zu lassen und dgl. mehr. Man fragte ihn, ob er die „Chronik der LKK" und die „Aušra" kenne; man beschuldigte ihn, an der Verbreitung dieser Publikationen, an anderen antisowjetischen Tätigkeiten sowie an einem Freundeskreis zum Studium der litauischen Geschichte teilge­nommen zu haben. Die Sicherheitsbediensteten erkundigten sich bei ihm, auf welchem Wege er seine Freunde, ja sogar seine Frau kennengelernt habe. Man wisse sowieso alles, man wolle von ihm nur noch das Bekannte bestätigt erhalten, ins Gefängnis würde sowieso einer von ihnen gesteckt. Viktoras durfte nur deshalb die Sicherheitsbehörde verlassen, weil er an den Repu­blikswettspielen teilnehmen mußte. Man könnte ihn dann ja vom Arbeits­platz zum nächsten Verhör holen.

Am 19. April, um 11. Uhr, wurde im Sicherheitskomitee auch die Medizin­studentin des sechsten Studienjahres, Birutė Žemaitė, verhört. Man warf ihr die Teilnahme am Empfang von L. Simutis in Viduklė vor. Das Verhör, in dessen Verlauf die Studentin Kränkungen und Beleidigungen hinnehmen mußte, dauerte 9 Stunden.

Gleichfalls am 19. und am 20. April wurden die Frauen Elena Kilikevičiūtė und Liucija Šinkūnaitė verhört.

Am 19. April fand eine Haussuchung bei Antanas Patackas statt, ein Verhör schloß sich an.

Am 20. April mußte sich Aušra Rugeviučiūtė, Medizinstudentin des ersten Semesters, im Kaunaer Medizinischen Institut einem Verhör stellen. Man be­fragte sie über ihre Beziehungen zur Familie Butkevičius. Am 20. April ver­hörten die Sicherheitsleute Zita Visbergaitė, Medizinstudentin des fünften Studienjahres. Die Studentin verneinte, am Empfang in Vuduklė von L. Si­mutis teilgenommen zu haben.

Am 20. April wurde Asta Borisaitė, eine Schülerin der 9. Klasse, aus dem Unterricht der Mittelschule von Naujalis herausgerufen. Man fragte sie, ob sie die Familie Butkevičius kenne. Die ihr vorgeworfenen Anschuldigungen wies Asta zurück.

Am 20. April, um 10 Uhr, wurde Danutė Borutienė, wissenschaftliche Mitar­beiterin des Lehrstuhls für Leichtindustrie am Kaunaer Politechnischen Insti­tut, in den Sicherheitsdienst gerufen. Man beschuldigte sie der Teilnahme an illegalen Zusammenkünften. Während des sich über sechs Stunden hinzie­henden Verhörs wurde ihr eine bereits vorgefertigte Liste vorgelegt, die An­gaben darüber enthielt, wer, wann und an welchen Versammlungen teilge­nommen habe. Die Polizeibeamten verlangten nun von ihr, diese Liste abzu­schreiben und mit der eigenen Unterschrift versehen, wieder an sie zurückzu­geben.

Am gleichen Tage wurde der Hochschullehrer des Kaunaer Politechnischen Instituts, Povilas Martinaitis, verhört. Ihm wurde vorgeworfen, abendliche Zusammenkünfte zu antisowjetischer, nationalistischer Stimmungsmache ge­nutzt zu haben. Die Tschekisten drohten P. Martinaitis mit einem Gerichts­verfahren.

Am 21. April wurde Šarūnas Boruta verhört. Ihm legte man zur Last, die „Aušra" und die „Chronik der LKK" gelesen und verbreitet und seine natio­nalistischen Ansichten während touristischer Ausflüge und bei anderen Zu­sammenkünften verkündet zu haben. Die Verhörer forderten ihn auf, ein Ge­ständnis abzulegen, da sie ja schon alles wüßten. Er könne frei aussagen, da wegen „touristischer Unternehmungen" niemand ins Gefängnis käme. Gleichfalls einem Verhör im Sicherheitsdienst wurde Juozas Dapkevičius ausgesetzt. Man befragte auch ihn nach den Ausflügen, nach einem Silvester­ball und dgl. mehr. Zu einem zweiten Verhör im Sicherheitsdienst sollte J. Dapkevičius am 27. April erscheinen.

Am 22. April wurde in Kulautuva, Komsomolzenstr. 12, bei Stasė Jasiūnaitė eine Haussuchung vorgenommen. Vier Leute vom Sicherheitsdienst und zwei auswärtige Zeugen, nämlich Birutė Vilčinskienė und Algimantas Vyšniaus­kas, durchsuchten ihre Wohnung, den Holzschuppen und den Keller. Man fand zwei Exemplare einer Broschüre von 24 Schreibmaschinenseiten über Romas Kalanta, sowie die Broschüre „Die Liquidierung der litauischen Un­abhängigkeit ist ein Akt der Imperialpolitik der Sowjetunion", des weiteren den zweiten Teil der von J. Jasiūnaitė verfaßten „Erzählungen, die das Leben schrieb" von insg. 620 Schreibmaschinenseiten, nebst 41 Schulheften des Ma­nuskripts zu diesem Buche und andere handschriftliche Aufzeichnungen. S. Jasiūnaitė wurde während der Haussuchung von dem Oberbevollmächtig­ten, Polzei-Major V. Zarskis, gefragt, ob sie für ihre Werke ein Honorar be­käme. Die Angeschuldigte verneinte dies; weil ihre Bücher nicht im Druck erschienen, bekäme sie für diese auch kein Honorar.

„Hier werden sie nicht gedruckt, aber dafür im Ausland, im Draugas (Der Freund), erwiderte voll Ironie der Major. Da Major Žarskis jedoch nicht ge­sagt hatte, was für und wessen Arbeiten er damit meine, bestritt Jasiūnaitė diese Anschuldigungen.

Nach der Haussuchung wurde Jasiūnaitė in das Sicherheitskomitee in Kaunas zum Verhör gebracht.

Am 19. April drangen der Sicherheitsfunktionär Česnavičius mit anderen Männern in die Wohnung, Banaitis-Str. 5-14, des im Ruhestand lebenden, ehemaligen Lehrers der 7. Mittelschule, Bronius Juška, ein und durchsuchten sie, ohne eine Haussuchungsorder vorzulegen. Den Lehrer beschuldigten sie der Verbreitung nationalistischer Ideen. Er habe den Jugendlichen über die Schlacht bei Žalgiris (Tannenberg) erzählt, dies erregte offentsichtlich das äußerste Mißfallen der Tschekisten. Ob man denn bei Tisch mit seinen Gästen nicht auch ein Gespräch führen könne, das sich auf sowjetische Ge­schichtsangaben stütze, fragte er die Leute des Sicherheitsdienstes voll Unmut.