Vilnius
Am 21. Februar 1980 versammelten sich eine große Menge von Gläubigen und etwa sechzig Priester in der Kirche der hl. Theresa in Vilnius. Einige der Priester kamen aus der Erzdiözese Vilnius, die anderen aus den verschiedenen Teilen des Landes. Während des Gottesdienstes wurden Gebete zur Temperenz der Nation gesagt. Die meisten Teilnehmer der Andacht faßten den Entschluß zur Abstinenz oder Mäßigung.
Zur Initiative der Priester von Vilnius, die der Temperenzbewegung sehr zugute kam, kann man nur gratulieren.
Vilnius
Frau Alfreda Zutkutė, wohnhaft in Vilnius, wird aufgrund ihrer religiösen Überzeugung terrorisiert, und es werden Anstrengungen gemacht, sie in eine Psychiatrische Klinik einzuweisen. In einer Erklärung vom 15. Januar 1980 an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion beschreibt Frau Zutkutė, wie KGB-Beamte sie und ihren Sohn in eine Psychiatrische Klinik zur Untersuchung brachten, und daß die Ärztekommission Mutter und Sohn als gesund bezeichneten und es ablehnten, sie im Krankenhaus zu behalten. Laut Aussagen der KGB-Beamten beeinträchtige Frau Zutkutė ihren Sohn mit religiösen Vorstellungen, aufgrund dessen er der Mutter weggenommen werden müsse.
Kaunas
An den Genossen L. Breshnew, Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR: Ich, Terese Pluiraitė, Tochter des Petras, geboren im Jahre 1971 — Ich, Tomas Pluira, Sohn des Petras, geboren im Jahre 1972 — Ich, Tadas Pluira, Sohn des Petras, geboren im Jahre 1974 und unsere Mutter, Aldona Pluirienė, Tochter des Antanas, wenden uns anläßlich des Internationalen Jahres des Kindes mit folgender Bitte an Sie: Wir bitten um Amnestierung unseres Vaters, Petras Plumpa, Sohn des Vladas, der im Jahr 1973 zu acht Jahren Haft wegen religiöser Literatur verurteilt wurde. Er büßt seine Haftstrafe als Gefangener in einem Arbeitslager ab — Permes sr. Cusovskij raj., st. Vsesviatskaya VS 389/35.
Er fehlt uns sehr. Es ist nicht leicht für uns ohne ihn. Wir warten auf ihn und bitten Sie inständig, uns zu helfen.
Unsere Adresse: Litauische SSR
Kaunas — Kulautuva 234321 Akciju g. Nr. 23, Apt. 2
18. Januar 1980
Der Ministerrat der Litauischen SSR gab folgende Antwort: »Wir teilen Ihnen mit, daß Ihr Gnadengesuch für Ihren Mann in Erwägung gezogen und abschlägig behandelt worden ist.«
Vilnius
Anfang Januar 1980 unterbreiteten die Kanzleien der Bischöflichen Ordinariate dem Büro des Bevollmächtigten für religiöse Angelegenheiten Situationsberichte über die Pfarreien.
Die bischöfliche Kanzlei in Telšiai sowie die örtlichen sowjetischen Behörden erhielten keinerlei Daten der Vikariate Mažeikiai, Plungė und Šilutė. Aus dem Vi-kariat Tauragė lagen lediglich Angaben über Einkommen und Ausgaben vor. Desgleichen legten andere Vikariate unvollständige Daten vor, da nicht alle Pfarreien der Aufforderung der Datenübermittlung nachgekommen waren. Kanzleien anderer Diözesen lieferten konstruierte Informationen über die Pfarreien, da sich eine beträchtliche Zahl der Priester geweigert hatte, irgendwelche Angaben an Atheisten weiterzugeben. Wir können uns nur über diese »Berichte« aus den Diözesen an den Kommissar wundern, vor allem, wie sie zustande kommen. Wann werden die Kanzleien den Mut aufbringen, die Herausgabe solcher Informationen zu verweigern, seien sie nun realistisch oder erfunden?
Kėdainiai
Im Februar dieses Jahres erging an die Priester des Rayons Kėdainiai folgender Bescheid: »Am 18. Februar 1980, um 14.00 Uhr, findet ein Treffen zwischen Priestern und Angestellten des Exekutivkomitees des Rayons statt. Ort ist der Konferenzraum des Exekutivkomitees des Rayons. Es wird erwartet, daß Sie an dem Treffen teilnehmen.«
Von 15 Priestern des Rayons erschienen nur vier. Doch nachdem sie ihren Irrtum einsahen, gingen sie sofort wieder zurück.
Am darauffolgenden Tag ließ der Vizevorsitzende des Komitees, Juškevičius, den Pfarrer Kęstutis Daknevičius aus der Pfarrei Kėdainiai zu sich bestellen. Vater Daknevičius kam am 20. Februar. Vizevorsitzender: »Wieso kamen Sie nicht?« Vater Daknevičius: »Wir hatten eine Beerdigung.«
Vizevorsitzender: »Das ist keine Entschuldigung.« Vater Daknevičius: »Ich glaube doch.«
Vizevorsitzender: »Sie hätten den Leuten sagen müssen, daß das Rayon Sie einbestellt hatte. Nein, nicht das hätten Sie sagen sollen, sondern, daß Sie zu beschäftigt seien und keine Zeit hätten. Sie haben das zu befolgen, was man Ihnen sagt. Sie müssen wissen, wo Ihr Platz ist.« Vater Daknevičius: »Ich war an meinem Platz.«
Nach diesem Wortwechsel forderte der Vizevorsitzende ihn auf, eine Erklärung schriftlich niederzulegen. Der Priester entgegnete jedoch, daß er schriftliche Erklärungen nur seinem Bischof gegenüber abzulegen habe. Ohne sein Vorhaben ausgeführt zu haben, gab der Vizevorsitzende Vater Daknevičius eine schriftliche Verwarnung, die der Priester selbstverständlich nicht unterzeichnete.
Am 21. Februar wurde Vikar Antanas Lileika aus Kėdainiai auch zu einem Gespräch geladen, doch auch er widerrief nicht seine »Beleidigung«.
Kybartai
Für den 28. Februar 1980 war eine atheistische Konferenz im Kulturzentrum des staatlichen Landwirtschaftsbetriebes »Šilupe« geplant. Da man befürchtete, daß die Gläubigen dieser Versammlung fernbleiben würden, benutzten die Atheisten des Rayons Vilkaviškis eine List. In den Einladungen stand, daß es sich um eine theoretische Konferenz handele, und es wurde davon gesprochen, daß man das Kochen behandeln würde. Diejenigen Katholiken, die als besonders streng galten, erhielten Einladungen.
Bronius Jauniškis aus Vilnius war der Hauptreferent der Konferenz. Nach seinen Aussagen sollen 242 Nonnen in Kaunas leben, 68 in Panevėžys. Vilnius solle fünf Orden für Nonnen haben, Priester sollen kleine Orden in der Nähe ihrer Pfarrhäuser eingerichtet haben.
Der dritte Sekretär Tėvelis des Komitees des Rayons Vilkaviškis wandte sich besonders aufgebracht an die Versammlung. Er griff insbesondere die sogenannten reaktionären Priester an, die es im Rayon Vilkaviškis gäbe. Diese reaktionären Priester hätten den verstorbenen Vater Jaugelis am Kirchturm begraben und ihn zum Heiligen gemacht, obwohl er in Wirklichkeit nichts weiter als ein Krimineller sei, der antisowjetische Literatur verbreitet hätte. Vater Jalinskas, Pfarrer von Pajevonis, hätte in seiner Predigt gesagt, daß »Herodes ihn zu Tode gemartert hätte«.
Am Eingang zum Kulturzentrum wurden alle Zuhörer anhand von vorher erstellten Listen registriert. Jede Organisation, Vertretung und alle staatlichen landwirtschaftlichen Güter mußten eine bestimmte Anzahl von Frauen zu dieser Versammlung schicken.
Šiauliai
Am 21. Februar 1979 suchten der Vorsitzende der Wahlkommission sowie der Parteisekretär den in Šiauliai wohnhaften Juozas Šileikis auf, um ihn zu befragen, warum er nicht zur Wahl erschienen sei. Herr Šileikis erklärte, daß er ein Gläubiger sei und er keinen Grund sähe, die von Atheisten aufgestellten Kandidaten zu wählen, die nicht im Interesse der Gläubigen ihre Ziele verfolgten, sondern sie im Gegenteil bekämpften.
Adutiškis (Rayon Švenčioniai)
Am 15. November 1979 schickte Vater Bronius Laurinavičius, Mitglied der Helsinki-Gruppe, an den Generalstaatsanwalt der UdSSR ein Schreiben, dessen Inhalt sich mit dem Prozeß von Fräulein Angelė Ramanauskaitė in Astravas befaßte. Es enthielt ferner die Bitte, die Handlungsweise des Gerichtes in Astravas zu ändern, da Fräulein Ramanauskaitė weder sowjetische noch internationale Gesetze übertreten habe, als sie Kinder über Gott unterrichtete. Der Brief behandelte ausführlich die Komödie dieses Prozesses, der nur mit dem Ziel geführt wurde, alle religiösen und nationalen Gedanken unter den Litauern in Belorussia zu unterdrücken (siehe Chronik Nr. 40).
Skuodas
In Skuodas besuchen Priester weder Kranke in den Krankenhäusern, noch führen sie Beerdigungen aus und lassen auch keine Glocken läuten. Petras Palšis, Dekan von Skuodas, beschwerte sich am 17. April 1979 in Telšiai bei dem Kommissar für religiöse Angelegenheiten, Anilionis, daß all das zuvor Genannte durch das Exekutivkomitee von Skuodas verboten sei. Zuvor hatte der Kommissar allen Dekanen versprochen, diese Angelegenheit zu untersuchen und zu korrigieren. Doch ist seitdem ein Jahr verstrichen, ohne daß der Kommissar sein Versprechen wahr gemacht hat. Die Priester sollten mehr Mut beweisen, wieder Beerdigungen ausführen, die Kirchenglocken läuten lassen usw. Es ist an der Zeit aufzuwachen. Es ist sehr bezeichnend, daß in der Stadt Skuodas sowie in gewissen anderen großen Pfarreien des Rayons (wie z. B. Ylakiai) keine Kinder die Messe besuchen und keine Mädchen das Sakrament anbeten.
Tryškiai (Rayon Telšiai)
Während der letzten zehn Jahre ging kein einziges Kind in der großen Pfarrei von Tryškiai zur ersten heiligen Kommunion. Die Kirche befindet sich in einem traurigen Zustand. Seit zwanzig Jahren wurde hier nichts repariert oder angestrichen. Der Pfarrer des Ortes, Henrikas Sirtautas, weist Eltern an, ihre Kinder nicht mit in die Kirche zu bringen, da dies laut Gesetz verboten sei.
Klaipėda
Bei Anbetungen des heiligen Sakramentes beteten die Gläubigen (besonders die Jugend) von Klaipėda den Rosenkranz mit der Bitte, daß Maria Fürsprecherin für die Rückgabe ihrer beschlagnahmten Kirche sein möge. Das kurze Rosenkranzgebet lautete folgendermaßen: »Heilige Jungfrau Maria!
Wir bitten Dich, daß wir den Herrn in der Friedenskönigin-Kirche verehren dürfen, die einst für die ganze Nation errichtet wurde; daß wir für den Weltfrieden und unser aller Errettung beten dürfen; daß die Menschen in dieser Kirche an der Ostsee eine geistige Erneuerung finden mögen und daß diese Kirche Vorbild für einen allumfassenden Frieden werden möge.«
Telšiai
Die Friedhofsdiener des Hauptfriedhofes des Rayons Telšiai sind angewiesen, Bericht zu erstatten, wenn ein Priester bei Beerdigungen anwesend ist. Dazu erging ein Befehl von Zusmanas Šapiro, dem Direktor des Ordnungsamtes in Telšiai. Diese Beobachtungen werden seit mehreren Jahren gemacht. Dieser Befehl gilt natürlich nicht für normale Beerdigungen.
Vilnius
Im August 1979 machte die Arbeitsgemeinschaft der Poliklinik Nr. 5 aus Vilnius einen Ausflug mit dem Bus. Die Ärzte besuchten historische und volkskundliche Orte in Litauen. Unterwegs hielt der Bus in Šiluva, wo eine Gedächtnispause eingehalten wurde. Nach der Rückkehr wurden Teilnehmer des Ausfluges in Vilnius verhört und verfolgt. Sie sollten aussagen, warum in Šiluva angehalten wurde und wer diesen Ausflug organisiert habe. Die Leute wurden vor das städtische Parteikomitee beordert. Erklärungen wurden von ihnen verlangt. Sogar der Busfahrer mußte eine schriftliche Erklärung abgeben.
Alytus
Am Abend des 27. Dezember 1979, gegen 22.00 Uhr, erfolgte ein zweiter chemischer Brandanschlag auf die Kirche in Alytus. Nur durch reinen Zufall wurde der Brandherd entdeckt.
Die Täter wurden erkannt und der Miliz übergeben. Es handelte sich dabei um zwei 17- und 18jährige Jugendliche, deren atheistische Erziehung sie soweit gebracht hatte, nicht nur Feuer zu legen, sondern auch fünf Einbruchsversuche in die Kirche in diesem Jahr zu verüben.
Ukmergė
Gemäß den bestehenden Vorschriften für religiöse Vereinigungen erstellten Regierungsvertreter des Rayons Ukmergė eine ihren Vorstellungen entsprechende Liste aller religiösen Gemeinschaften. Die Bezirksvorsitzenden gingen in die Häuser und Geschäfte und erschwindelten sich Unterschriften unter dem Vorwand, für die Reparatur der Kirche Unterschriften zu sammeln. Tatsächlich diente die Liste dazu, amtliche Regierungsstellen zu veranlassen, neue Verträge zur staatlichen Kontrolle der Kirchen auszuarbeiten.
Mit dieser unfairen Methode wurden Unterschriften von Gläubigen in Taujėnai, Žemaitkiemis, Ukmergė, Krikštėnai, Pabaiskas, Vepriai und Deltuva erschlichen. Daraufhin protestierten die Gläubigen schriftlich gegen diese Täuschung und widerriefen ihre Unterschriften.
Vilnius
Das Rundfunk- und Fernsehkomitee Vilnius kritisierte am 7. Januar 1980 das Verhalten zweier Angestellter, welches unvereinbar mit der Ethik sowjetischer Künstler sei. Aleksas Skurevičius und Janina Bogdanienė, beide Nichtmitglieder der Partei, wurden in Anwesenheit des Personalleiters Didžiariekis von der Partei »bearbeitet«, weil sie für schuldig befunden wurden, in der Kirche Orgel gespielt und gesungen zu haben.