Am 5. Dezember 1979 erhielt Vater A. (Antanas) Gražulis folgenden Verweis, zu­geschickt vom Exekutivkomitee des Rayons Prienai:

»Es wurde festgestellt, daß in der Pfarrkirche zu Prienai laufend Schulkinder an­gehalten werden, religiösen Andachten beizuwohnen. Am 6. September dieses Jahres erhielten Sie diesbezüglich eine schriftliche Verwarnung (die Sie sich wei­gerten zu unterzeichnen). Trotzdem besuchten am 18. November 19 Kinder die Messe und am Abend desselben Tages waren 12 Kinder bei der Messe anwesend. Am 25. November dieses Jahres besuchten 12 Kinder die Messe. Außerdem gibt es Beispiele, wo Schulkinder gesucht wurden, um im Kirchenchor zu singen.

Wir warnen Sie noch einmal, da sonst Maßnahmen ergriffen werden müssen, die Anhänger von religiösen Kulten daran hindert, die Vorschriften für religiöse Ver­einigungen zu übertreten.

Außerdem machen wir Sie auf den Tatbestand aufmerksam, daß Sie am Abend des 4. November dieses Jahres grundlos den Vorstand der Mittelschule Nr. 2 in Prienai, A. Mickas, von der Kanzel der Kirche in Prienai verleumdet haben.«

Unterzeichnet von dem Vorsitzenden des Exekutivkomitees,

A. Budbergis

Am 16. Januar 1980 erhielt Vater A. Gražulis erneut einen Verweis vom Exeku­tivkomitee in Prienai:

»Entgegen unseren Verwarnungen vom 6. September und 5. Dezember 1979 in bezug auf die Teilnahme von Schulkindern an Gottesdiensten in der Kirche von Prienai haben am 13. Januar (Sonntag) wieder 13 Kinder am morgendlichen und 6 am abendlichen Gottesdienst teilgenommen.

Wir warnen Sie davor, da sonst geeignete Maßnahmen gegen diese dreiste Verlet­zung der Vorschriften für religiöse Vereinigungen ergriffen werden müssen. Ferner weisen wir auf die Tatsache, daß Sie am obengenannten Sonntag in Ihrer

Abendpredigt führende Angestellte des Rayons (die Genossen A. Budbergis, A. Bužinskienė, K. Morkvėnas, A. Mickas) ungerechtfertigt angegriffen und die Prinzipien der Kindererziehung kommunistischer Familien in Mißkredit gebracht haben. Dies ist nicht die Aufgabe eines Angestellten für Religion in einer religiö­sen Gemeinschaft.«

Unterzeichnet von K. Morkvėnas, Vizevorsitzender des Exekutivkomitees

An das Zentralkomitee der Litauischen Kommunistischen Partei: Protestschrift

Wir, die unterzeichneten Gläubigen der Pfarrei in Prienai, bringen hiermit unse­ren Protest gegen die Verfolgung unseres Priesters, Antanas Gražulis, zum Aus­druck.

Am 8. Januar 1980 druckte die Rayon-Zeitung von Prienai »Naujas Gyvenimas« (Neues Leben) den maliziösen Artikel: »Ko Siekia Vikaras Gražulis?« (Was beab­sichtigt Vikar Gražulis?). Dieser Artikel stammte vom atheistischen Ratsvorsit­zenden des Rayons, A. A. Matulaitis. Darin wird unser Priester beschuldigt, Kin­der zum Singen im Kirchenchor versammelt zu haben, Kinder zum Gottesdienst und zu Prozessionen veranlaßt zu haben und das alles, um die wissenschaftliche atheistische Propaganda »unter Beschuß zu nehmen«.

Wir möchten klarlegen, daß unser Vikar, Vater A. Gražulis, sorgfältig die Pflich­ten eines Priesters versieht und darauf achtet, daß unsere Kinder als anständige und gläubige Menschen aufwachsen.

Atheistischer Druck brachte nichts Gutes für Litauen, er schadete vielmehr. Man müßte schon blind sein, um den atheistischen Einfluß nicht sehen zu wollen, wie zum Beispiel betrunkene Teenager, jugendliche Verbrecher, Insassen von Besse­rungsanstalten usw.

Obwohl wir Gläubigen nicht der Meinung sind, daß unsere Kinder ohne Gott auf­wachsen sollen, hindern wir keinen Nichtgläubigen daran, seine Kinder nach sei­nen Vorstellungen zu erziehen. Deshalb wollen wir auch nicht, daß Atheisten uns daran hindern, unsere Kinder auf katholische Weise zu erziehen. Wir protestieren dagegen, daß Kinder katholischer Eltern unter dem Deckmantel der Wissenschaft von einer völlig unwissenschaftlichen Weltanschauung beein­flußt werden. Für uns ist dies um so schmerzlicher, da dergleichen in zunehmen­dem Maße verstärkt geschieht. Wir protestieren gegen die Art von »Freiheit der Überzeugung«, die Atheisten erlaubt,das zu tun, was ihnen gefällt, Gläubige je­doch zu zweitklassigen Staatsbürgern und Stiefkindern der Nation degradiert. Wir fordern, daß wir, die Kinder unserer Gläubigen und unser Vikar, Vater Anta­nas Gražulis, in Frieden gelassen werden.

Januar 1980        Unterzeichnet von 1026 Gläubigen der Pfarrei Prienai