Riga (Lettland)

Am Abend des Palmsonntags, den 4. April 1982, wurde der Pfarrer der St.-Joseph-Kirche in Riga Valfredas Vinbergas von einem unbekannten Mann an der Umzäunung des Kirchhofes überfallen und stark zusammen­geschlagen. Der Priester mußte sich ins Krankenhaus begeben und sich operieren lassen, weil das Bauchfell gerissen war. Der Priester Valfredas Vinbergas sagte den Gläubigen nicht, wer ihn überfallen habe, möglicher­weise hat er den Angreifer auch nicht erkannt. Die Pfarrkinder zweifeln aber nicht daran, daß es eine Tat des KGB ist, weil sie schon mehrmals Tschekisten beobachtet hatten, die den Pfarrer verfolgten. Ein Zeuge be­hauptet, gesehen zu haben, wie zwei Tschekisten auf der Straße den Priester Alfredas Vinbergas mit Gewalt in ein Auto hineindrängten und wegbrachten.

Die Gläubigen machen sich ernste Sorgen, daß der Priester Valfredas Vin­bergas von den Tschekisten ermordet werden könnte.

Weißrußland

Armoniškės (Rayon Voronovo)

Die Kirche von Armoniškės wird von der Regierung als nichtarbeitend und geschlossen betrachtet, trotzdem versammeln sich jeden Sonntag die Leute darin zu einem gemeinsamen Gebet. Der Sicherheitsdienst des Rayons und der Stellvertreter des Vorsitzenden des Exekutivkomitees Kuzmic drohen den Gläubigen von Armoniškės. Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Exekutivkomitees Kuzmic schrie am Sonntag die alten Frauen, die als letzte die Kirche verließen, an:

»Du hast die Schlüssel?! Gib sie her, und ich möchte euch hier nicht mehr sehen!«

Während der Fastenzeit 1982 beteten die Gläubigen von Armoniškės im Haus von Wladislaw Grischka gemeinsam den Rosenkranz. Kuzmic und die Ortsverwaltung drangen in das Zimmer ein, beschimpfen die versammelten Leute und jagten sie hinaus. Den Eigentümer des Hauses Wladislaw Grisch­ka bestraften sie mit 50 Rubel Strafe, weil er erlaubte, in seinem Haus zu beten.

Dudos (Rayon Iwija)

Die Kirche von Dudos war in ein Getreidelager umgewandelt. Im Jahre 1981 gingen die Leute gemeinsam in die Kirche hinein und schafften das Getreide hinaus in den Hof. Als sie das Innere in Ordnung gebracht hatten, begannen sie zu beten. Die Miliz, die Rayonverwaltung und die Ortsver­waltung versuchten auf jede Art und Weise, die Gläubigen auseinander zu bringen: Sie schüchterten sie ein, drohten mit Gefängnis.. . Die Leute wichen einige Tage lang nicht aus der Kirche. Weil die Gläubigen das Ge­betshaus aktiv verteidigt hatten, war die Ortsverwaltung gezwungen, für das Getreide ein Lager zu finden. Bislang beten die Gläubigen der Pfarrei Dudos in ihrer Kirche, entschlossen vorbereitet, sich gegen neue Ausfälle des Si­cherheitsdienstes und der Regierung zu verteidigen.

Trakeliai (Rayon Voronovo)

Die Kirche von Trakeliai ist 12 km von Voronovo entfernt. Das ist ein schönes und gemütliches Kirchlein, dessen Hauptaltar ein wundertätiges Marienbild schmückt. Während eines Brandes verbrannte der Hauptaltar, das Marienbild aber blieb erhalten. Es verbrannte nur das rechte Eck des Bildes, wo jetzt ein Bild des hl. Kasimir schön hineinkombiniert ist. Als der Priester der Pfarrei Trakeliai 1958 nach Polen gegangen war, arbeitete die Kirche offiziell noch bis 1968. Nachdem dann die Kirche geschlossen wurde, versuchten die Pfarrkinder wenigstens die Schlüssel der Kirche aufzubewahren, die sie oft vor den Regierungsbeamten verstecken mußten. Bis 1980 beteten die Gläubigen von Trakeliai am Kirchhof, weil die Re­gierung strengstens verbot, die Kirche zu betreten. Im Jahre 1980 gingen die Leute vor dem Allerseelentag organisiert in die Kirche und haben dort gebetet. Bald erschienen die Rayon- und Ortsverwaltungen, jagten die Leute hinaus und sperrten die Kirche zu. Die Leute waren verärgert über derartiges Benehmen der Regierung und sind zwei Tage lang nicht in der Arbeit er­schienen. Endlich war die Rayonverwaltung einverstanden, den Gläubigen zu erlauben, in der Kirche zu beten; eine schriftliche Bewilligung gaben sie aber nicht.

Während der Ablaßfeier der Heimsuchung Mariae 1982 versammelten sich in der Kirche einige tausend Menschen, obwohl kein Priester dabei war. Etwas später, als die Gläubigen das Dach der Sakristei auszubessern begon­nen haben, erschien der Staatsanwalt des Rayons, der Untersuchungsrichter und die Miliz und verlangten, man solle die Schlüssel der Kirche abgeben. Die Leute weigerten sich, zu gehorchen und gaben die Schlüssel nicht ab. Nach einigen Tagen wurde der Einwohner von Trakeliai Mykolas Tragys in das Rayonexekutivkomitee nach Voronovo vorgeladen. Die Rayonbeamten fragten den Vorgeladenen aus, woher sie das Material für die Renovierung bekommen hätten; sie beschuldigten die Gläubigen der Verletzung der Ge­setze, weil sie ohne die Regierung um eine Erlaubnis gebeten zu haben, mit den Renovierungsarbeiten begonnen hatten. Bis zum Jahr 1980 hatten aber die Gläubigen von Trakeliai nicht nur nach Minsk, sondern auch nach Moskau zahlreiche Gesuche gerichtet, die Kirche zu registrieren und einen Priester zuzulassen. Wie immer überließ Moskau alles der Ortsverwaltung zur Regelung, die aber nur zur Schließung der Kirche fähig ist.

Zur Zeit versammeln sich in der Kirche von Trakeliai an Sonntagen bis zu 200 Menschen, aber einen Priester hierher zu bekommen, um in dieser Kirche Gottesdienst zu feiern, ist ebenso wie in anderen von der Regierung geschlossenen Kirchen Weißrußlands, gesetzlich verboten.

Die Sorgen der litauischen Katholiken in Weißrußland

Als im Sommer 1978 der Pfarrer der Pfarrei Gervėčiai Priester Stanislovas Chodykas starb, begann das Pfarrkomitee Erklärungen zu schreiben und Delegationen an verschiedene Instanzen der sowjetischen Regierung zu schicken, damit man einen Priester bekomme, der die litauische Sprache beherrscht, weil die Pfarrei schon seit alten Zeiten litauisch ist. Die polnische Sprache hat niemand nach dem Krieg mehr gelehrt und die Gläubigen ver­stehen sie nicht. In Weißrußland gab es einen solchen Priester nicht. Man mußte einen aus Litauen bitten. Die Regierungsvertreter konnten aber nicht einverstanden sein, daß die Litauer in Weißrußland litauisch beten dürfen.

In einem Brief vom 25. 1. 1979 an den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Rates der UdSSR L. Breschnew haben die Gläubigen geschrieben: »(...) Wir haben uns an das Rayonexekutivkomitee von Astravą gewandt, an den Bevollmächtigten des RfR von Gardinas, an den Bevollmächtigten des RfR der SSR Weißrußland, an das Präsidium des Obersten Rates der SSR Weißrußland und neunmal an den Bevollmächtigten des RfR bei dem Ministerrat der UdSSR. Alle unsere Erklärungen, gleichgültig, wo wir sie hingeschickt haben, sind an die Gebietsverwaltung von Gardinas zurückge­schickt worden, und die uns feindlichen örtlichen Regierungsorgane denken nicht einmal daran, unsere Erklärungen zu berücksichtigen (...)« Obwohl diese Erklärung 2067 Gläubige unterzeichnet haben, half sie nichts — die Regierung des »demokratischsten Landes der Welt« schenkte den Bitten des Volkes kein Gehör. Die Leute haben aber die Hoffnung nicht verloren — sie richteten an den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Rates der UdSSR L. Breschnew am 10. 4. 1979, am 25. 5. 1979 und am 23. 8. 1979 wieder neue Erklärungen.

Nach langem Bitten bat der Bevollmächtigte des RfR für das Gebiet von Gardinas Lyskov, Kandidaten aus Litauen für die Stelle des verstorbenen Priesters vorzuschlagen. Das Pfarrkomitee schlug Priester Mykolas Petra­vičius, Priester Juozas Lunys, Priester Bronius Laurinavičius vor, aber die sowjetische Regierung akzeptierte keinen Kandidaten aus Litauen, mit der Begründung, sie seien alle schlecht.

Der Bevollmächtigte des RfR für das Gebiet von Gardinas Lyskov suchte selbst, ohne die kirchliche Obrigkeit, einen jungen Priester aus, der die litauische Sprache nicht kennt, und ernannte ihn zum Priester der Pfarrei Gervėčiai. Mit Grund beklagen sich die Gläubigen, daß sie es schwer haben, denn der Pfarrer feiert die Gottesdienste nur polnisch, und die Leute ver­stehen während der Predigt sowie auch beim Beichten kein Wort.

Der Priester Bronius Laurinavičius, der die Lage der Pfarrei Gervėčiai gut kennt, versuchte, noch gut begründete Erklärungen an den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Rates der UdSSR Breschnew zu schreiben, aber auch das hat nichts geholfen. Die gläubigen Litauer der Pfarrei Ger­vėčiai konnten sich nicht das Recht erkämpfen, in ihrer Sprache beten zu dürfen, wie ihre Eltern und Ahnen gebetet haben.

Ukraine

Prozeß Nr. 2-71 1981. Auszug aus dem Gerichtsbeschluß.

Im Namen der Sowjetischen Sozialistischen Republik Ukraine:

Das Gerichtskollegium für Kriminalprozesse des Gebiets Lwow, unter dem Vorsitz von Romaniuk P. O., unter der Teilnahme der Volksräte: Zabaznowa K. S., Michailow W. J., als Sekretär Bordun A. J., unter der Teilnahme des Staatsanwaltes Boras W. M., des öffentlichen Anklägers Grigorjew J. M. und den Verteidigern: Sotenskow B. W. und Zolubaka M. W. behandelte in einer öffentlichen auswärtigen Sitzung am 28. Oktober 1981 in Lwow die Strafakte gegen:

1.     Kawaciw Wasilij Michailowitsch, geb. 1934 im Gebiet Lwow, Rayon Strijsk, Dorf Jablunivka, Ukrainer, Bürger der UdSSR, parteilos, mit spe­zieller mittlerer Ausbildung, unverheiratet, früher nicht verurteilt, tätig ge­wesen im dritten Krankenhaus der Stadt Lwow als Heizer, wohnhaft in der Stadt Lwow, Janka Kupala 36-3, angeschuldigt gemäß § 138 Teil II und § 209 Teil I des StGB der SSR Ukraine.

2.     Esip Roman Stepanowitsch, geb. 1951 im Gebiet Lwow, Rayon Pusto-mitiwsk, Dorf Woden, Ukrainer, Bürger der UdSSR, parteilos, mit spezieller mittlerer Ausbildung, wehrpflichtig, unverheiratet, früher nicht verurteilt, während der Festnahme ohne Arbeit, wohnhaft in der Stadt Lwow, Janka Kupala 36-3, angeschuldigt gemäß § 138 Teil II und § 209 Teil I des StGB der SSR Ukraine.

Das Gerichtskollegium hat festgestellt:

Die Angeklagten Kawaciw W. M. und Esip R. S. wollen Priester des grie­chisch-katholischen Ritus sein.

In der Zeit von 1974 bis 1981 haben Kawaciw und Esip, ungeachtet des Verbotes durch die Regierung, verbotene religiöse Tätigkeiten unter den ukrainischen Katholiken organisiert, indem sie bei Tag und bei Nacht an Ar­beits- und an Ausgangstagen in den Dörfern des Gebiets von Lwow illegale

Gottesdienste in den von der Regierung nichtregistrierten Gemeinschaften der Gläubigen, auf Friedhöfen und in Wohnungen, wie auch in den von der Regierung registrierten orthodoxen Kirchen ohne deren Erlaubnis abhielten.

Die Angeklagten Kawaciw und Esip haben nicht nur Gottesdienste organi­siert und durchgeführt, sondern auch minderjährige Kinder Glaubenswahr­heiten gelehrt wie auch, unter der Ausnützung der Beichte, den Gläubigen als Buße befohlen, viele Male verschiedene Gebete zu wiederholen, damit sie sie auswendig lernen.

Außerdem schädigten die Angeklagten Kawaciw und Esip, unter Aus­nützung der Beichte, die Minderjährigen, indem sie diese als Buße ver­pflichteten, zu fasten (von Fleischgerichten sich zu enthalten), und in der Fastenzeit den Kindern verboten haben, den Klub zu besuchen, Fernsehen zu schauen, ins Kino zu gehen.

Die Angeklagten Kawaciw und Esip bekannten sich gemäß § 138 Teil II teilweise als schuldig, sie haben zugegeben, Priester zu sein. Als Priester müßten sie die Gläubigen versorgen. Wegen der Durchführung der Gottes­dienste und der Abnahme der Beichte fühlen sie sich nicht schuldig. Gemäß § 209 Teil I bekannten sie sich nicht als schuldig, was die Schädigung der Minderjährigen unter Ausnützung der Beichte betrifft. Sie halten dies für Verleumdung, weil die Enthaltsamkeit von Fleischgerichten auch von der Medizin propagiert wird.

Das Gerichtskollegium hat beschlossen:

Kawaciw Wasilij Michailowitsch und Esip Roman Stepanowitsch gemäß § 138 Teil II und § 209 Teil I des StGB der SSR Ukraine für schuldig zu erkennen und sie zu je 5 Jahren Freiheitsentzug und 3 Jahren Verbannung, mit der Beschlagnahme des ganzen Eigentums zu verurteilen. Die Strafe ist in einem Arbeitslager mit allgemeinem Regime zu verbüßen.

- Die religiösen Gegenstände und die religiöse Literatur sind an das Mu­seum für Geschichte der Religionen und des Atheismus in Lwow zu über­geben.

- Wertvollere Sachen, die für das Museum ungeeignet sind (Radioapparat, Magnetophongeräte u. a.) sind zugunsten des Staates zu konfiszieren.

- Minderwertige Sachen, die keinen Museumswert oder Nutzen für den Staat haben, sind zu vernichten.

(Die Unterschriften des Gerichtskollegiums)

Obwohl die Gerichtssitzung öffentlich war, sind von den Gläubigen nur weni­ge in den Saal hineingekommen, obwohl noch freie Plätze vorhanden waren.

Den größten Teil der Teilnehmer machten zwangsweise eingeladene Mitar­beiter der Fabriken aus, der Schulen, des Technikums wie auch anderer Behörden aus. Aber auch unter ihnen befanden sich solche, die Mitleid mit den Angeklagten hatten.

Der Gerichtsvorsitzende schikanierte andauernd die versammelten Gläubigen, verspottete sie, kontrollierte ihre Papiere und ließ sie fotografieren.

Ein großer Teil der minderjährigen Kinder verwarf die Aussagen, die sie während der Untersuchungsverhöre gemacht hatten. Sie sagten, sie hätten das Protokoll nicht gelesen, der Untersuchungsbeamte konnte aber hinein­schreiben, was er nur wollte. Das bezeugte auch eine Lehrerin. Sie hat an einem Untersuchungsverhör teilgenommen und vor Gericht bezeugt, daß die Schülerin Babus nicht das gesprochen habe, was von den Untersuchungs­beamten im Protokoll eingeschrieben wurde.

Die minderjährigen Kinder wurden im Gericht eingeschüchtert, ihnen wurde gedroht, daß ihr Betragen — der Widerruf der bei den Verhören gemachten Aussagen — einen Einfluß auf die Bewertung ihrer Leistungen und auf die weitere Zukunft haben könnte. Außerdem nötigte der Richter die Kinder vor Gericht, indem er von ihnen verlangte zu sagen, was sie der Priester während der Beichte gelehrt habe und was für Buße er auferlegt habe.

Die Behauptung des Gerichts, daß die Enthaltsamkeit von Fleischgerichten der Gesundheit schadet, ist widersinnig. Warum sind dann in den öffentlichen Verpflegungseinrichtungen zweimal in der Woche Fischgerichte eingeführt? Die Priester waren beschuldigt, den Kindern Kino und Fernsehen zu ver­bieten, was aber keiner der Zeugen bestätigte.

Die Tätigkeit der Verurteilten Priester Kawaciw und Esip darf man auch deswegen nicht als Vergehen betrachten, weil sie keine Anmeldebescheini­gungen besaßen. Sie haben sich nicht geweigert, sich anzumelden, die Re­gierung hat sie aber nicht registriert, obwohl die Gläubigen Unterschriften sammelten und sich an die Regierungsorgane mit der Bitte wandten, die Gebetshäuser zu registrieren und den Priestern Zeugnisse auszustellen.

Es gibt viele Katholiken des griechischen Ritus in der Ukraine. Sie wollen und haben das vollkommene Recht, eigene Kirchen mit griechischem Ritus und eigene Priester zu haben.

Ähnliche Beispiele, wie die ukrainischen Katholiken des griechischen Ritus verfolgt werden, gibt es sehr viele.

Die Kinder, die die Kirche besuchen, werden verspottet, eingeschüchtert, daß sie schlechte Charakteristiken und schlechte Zeugnisse bekommen wür­den, daß sie in keine Hochschule eintreten könnten, keine Arbeit bekommen würden usw.

Die Atheisten sind der Meinung, daß die Kirche des griechisch-katholischen Ritus in der Ukraine schon vernichtet ist. Sie irren sich aber. Die Griechisch-Katholische Kirche in der Ukraine lebt ungeachtet der Verfolgung der Gläubigen und ungeachtet des Terrors gegen die Priester.