Die Kommunisten verdammen den Vatikan und Papst Pius XII.
In den Nachkriegsjahren haben die Behörden der Regierung die Priester in Litauen gezwungen, folgendes von den Kommunisten verfaßte Dokument zu unterschreiben:
„Wir verurteilen entschlossen und protestieren!
Der römische Papst Pius XII. hat ein Dekret erlassen, das am 13. Juni 1949 von der sogenannten Kongregation des Hl. Stuhles des Vatikans herausgegeben wurde. Dies bedeutet den Ausschluß der Katholiken, die dem Kommunismus nahestehen und aller ihrer Sympathisanten, aus der katholischen Kirche. Das Dekret verbietet den Katholiken, in die Partei einzutreten, sie zu unterstützen, verbietet die Herausgabe, Verbreitung und das Lesen von kommunistischen Büchern, Zeitungen und Zeitschriften, ebenso dafür zu schreiben; das Dekret befiehlt, den der obengenannten Taten verdächtigen Katholiken keine Kommunion und keine anderen Sakramente zu spenden. Das Erscheinen eines dem Geiste des Mittelalters ähnlichen Dekrets, das breite Schichten der Katholiken sehr entschlossen verurteilen, ist Ausdruck der Besorgnis der Leitung der katholischen Kirche darüber, daß Millionen von Katholiken den reaktionären Kurs verlassen, den mit einer solchen Inbrunst der Vatikan steuert. Sie widersprechen der reaktionären Politik des Vatikans, einer Politik der Unterstützung von aggressiven imperialistischen Zielen. Die werktätigen Katholiken auf der ganzen Welt erheben immer stärker ihre Stimme für den Frieden, gegen den Krieg; eben damit wird die Zustimmung und Unterstützung der progressiven Organisationen erklärt, die für den Frieden und das Wohl der Völker eintreten, vor allem der Arbeiter- und der kommunistischen Parteien, die im Kampf um Frieden und Demokratie in der Avantgarde marschieren.
Der Vatikan glaubt seinen schwindenden Einfluß auf die Massen der Gläubigen durch Drohungen und Repressalien wieder festigen zu können. Mit seinem Dekret hat Papst Pius XII. über etwa ein Drittel der Menschheit den Bann ausgesprochen. Nach dem wirklichen Inhalt der Verordnung des Vatikans müßte man die 70 Millionen Gewerkschaftsmitglieder und auch die 600 Millionen Menschen, die durch ihre Delegierten vertreten waren und zusammen mit den Kommunisten am Kongreß des Weltfriedensrates teilnahmen, aus der katholischen Kirche ausschließen. Außerdem droht der Papst jedem Bürger des Landes mit dem Bann, wenn er Befehle einer Regierung ausführt, in der sich auch Kommunisten befinden. Die Kampagne Pius' XII. ist beileibe keine zufällige. Die Macht im Lager des Friedens und der Demokratie ist die Einheit, die Geschlossenheit der Volksmassen, der Werktätigen aller Länder, der Werktätigen, die die aggressiven anglo-amerikanischen Pläne zur Weltbeherrschung verwerfen und verurteilen. An der Friedensbewegung nehmen alle progressiven Menschen teil, Männer wie Frauen, unabhängig von ihren politischen Einstellungen und religiösen Überzeugungen.
Die Front der Friedenskämpfer zu spalten, die Geschlossenheit der Volksmassen zu zerstören, das ist die Aufgabe der Reaktion. Diese Aufgabe versucht jetzt der römische Papst Pius XII. zu erfüllen.
Das vatikanische Dekret ist eine große Verletzung der religiösen Gefühle gegenüber gläubigen Menschen. Die Entscheidung des Vatikans ist gegen diejenigen gerichtet, die im Namen von Freiheit und Unabhängigkeit die größten Lasten im Kampf gegen die hitlerischen Barbaren auf ihren Schultern getragen haben.
Und noch mehr. Es ist doch allen bekannt, daß eben in bezug auf Faschismus und Nazismus, in deren Namen die blutigsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte verübt wurden, der Vatikan die Position der vollen Zustimmung und Duldung bezog, ja im Grunde diese ganz offen bejaht hat. Gerade deshalb ruft dieser Beschluß eine so tiefe Abscheu bei den Gläubigen hervor.
Die Beschlüsse des Vatikans, ebenso wie der Nordatlantische Pakt und andere Akte politischer Aggression, stimmen den Interessen jener imperialistischen Hochburgen zu, die wegen ihrer Habgier und ihrer Profit- und Herrschsucht über die ganze Welt danach trachten, einen neuen Kriegsherd zu entfachen. Deshalb wurde der Beschluß des Vatikans von einer überwältigenden Mehrheit der Gläubigen und der gesamten Öffentlichkeit Europas als Angriff auf das Recht des Gewissens und als Versuch, dunkle Praktiken mittelalterlicher Tendenzen wiederzubeleben, bewertet. Wir Priester der Litauischen SSR verurteilen entschieden die vatikanische Politik der Hetze auf einen neuen Weltkrieg, die Politik der Spaltung einer Einheitsfront im Kampf um Frieden, die gegen werktätige Menschen gerichtet ist und das Ziel verfolgt, die Imperialisten und die Monopole zu unterstützen.
Wir Priester der Litauischen SSR protestieren entschlossen gegen das Dekret Papst Pius' XII., mit dem er der katholischen Kirche einen unübersehbaren Schaden zugefügt und sich selbst als Anstifter zu einem neuen Weltkrieg für ewig an den Schandpfahl gebunden hat. Der Satan des Krieges, der sich irgendwann einmal in das junge Herz Pius' XII. eingeschlichen hat, läßt ihm auch jetzt im Alter keine Ruhe. Wir Priester der Litauischen SSR rufen das werktätige Volk auf, Katholiken und Nichtkatholiken, Gläubige und Ungläubige, ohne Unterschied von Rasse und Volk, in Einheit den Kampf gegen den Krieg und für den Frieden noch weiter voranzutreiben. Es lebe die Einheit aller Werktätigen im Kampf gegen Imperialisten und Ausbeuter!
Im Jahre 1949." Reaktion der Priester
Die Mehrzahl der Priester handelte, als sie gezwungen wurde, den Papst ungerecht zu verurteilen, folgendermaßen:
Der Pfarrer von Rūdiškes, Hochw. Jonas Skardinskas, vom Vorsitzenden des Exekutivkomitees nach Trakai vorgeladen und mit dem oben vorgelegten Text bekannt gemacht, hat folgendes den dort anwesenden Beamten gesagt: „Ihr jungen Menschen kennt die Grundwahrheiten des Katechismus nicht. Der Papst ist das Oberhaupt der Kirche, der Stellvertreter Christi auf Erden. Und ihr wollt mich, einen alten Priester, dazu veranlassen, ein Schreiben zu unterzeichnen, das den Papst verurteilt. Ihr jungen Menschen, so etwas ist sehr ungehörig. Macht das bitte nie wieder!" Der Pfarrer von Valkininkai, Pranas Bielauskas, vom Vorsitzenden des Exekutivkomitees vorgeladen und über sein Anliegen informiert, hat den Vorsitzenden gebeten, das zu unterzeichnende Schreiben vorzulesen. Danach bat Pfarrer Bieliauskas darum, ihm zu erklären, was der Satz bedeutet: „Der Satan des Krieges, der sich irgendwann einmal in das junge Herz Pius' XII. eingeschlichen hat, läßt ihm auch jetzt im Alter keine Ruhe." Der Vorsitzende sagte stotternd, er wüßte nicht, wie er es erklären solle. Daraufhin meinte Pfarrer Bieliauskas: „Vorsitzender, wir beide gehören zu den intelligenten, gebildeten Menschen. Was wir tun, das machen wir überlegt, mit vollem Verstand. In diesem Schreiben gibt es für uns unverständliche Dinge. Sagen Sie, darf ein Gebildeter ein Schreiben unterzeichnen, das er nicht voll verstanden hat? Also werde ich es nicht unterzeichnen!" Der Pfarrer der St. Theresienkirche in Vilnius, Juozas Vaiciünas, stellte, nachdem der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten, B. Pušinis, ihm das Schreiben ausgehändigt hatte, die Frage:
— Bevollmächtigter, ich halte Sie für einen Kommunisten und Idealisten. Ich bin Idealist und Priester. Ich würde es niemals wagen, Ihnen zu empfehlen, die Partei oder Lenin zu beschimpfen. Wenn Sie das aber tun würden, würde ich Ihnen ins Gesicht spucken. Wie können Sie es wagen, von mir zu verlangen, daß ich das Oberhaupt der katholischen Kirche, den Stellvertreter Christi, verachten soll? Ich hätte niemals gedacht, daß Sie sich so erniedrigen würden.
Präl. Jonas Ušila, der ca. 40 Jahre Rektor des Priesterseminars in Vilnius gewesen ist, wurde vom Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten, B. Pušinis, zusammen mit Kanonikus J. Elertas vorgeladen, um das Schreiben gegen Pius XII. zu unterzeichnen. Der Prälat stand auf und sagte:
— Herr Minister, Sie bekleiden ein so hohes Amt und gehen so unrühmlich vor. Sie wagen uns zu empfehlen, ein Schreiben zu unterzeichnen, das so unkultiviert gegen den Papst gerichtet ist. Für wen halten Sie uns? Wir sind Vertreter der katholischen Kirche, alte Priester. Ich habe mein Leben lang die Priesteramtskandidaten und Gläubigen gelehrt, den Hl. Vater zu ehren und ihm zu gehorchen. Sie wollen, daß ich am Ende meines Lebens (der Prälat stand im 80. Lebensjahr — Red.) alles das verachte, was für mich das Teuerste ist, was ich geglaubt, geliebt und verkündet habe. Das kommt überhaupt nicht in Frage. Wir protestieren mit aller Entschiedenheit gegen die Verachtung des Papstes, des Oberhauptes der Kirche, der Kirche selbst und ihrer Priester. Sie verfolgen die Kirche, sie haben unsere herrlichen und kostbaren Heiligtümer geschändet, geschlossen, die Denkmäler voll Schönheit und Kunst in Lagerräume verwandelt, die Schätze der Kirche — Orgeln, liturgische Geräte und Gewänder — vernichtet, die theologischen Werke — Bücher vom unschätzbaren Wert — in den Bibliotheken des Priesterseminars und der Universität zu Altpapier gemacht. Das Priesterseminar in Vilnius habt ihr verboten, die Klöster geschlossen, ihnen ihre Häuser und das gesamte Eigentum weggenommen, die Ordensmänner und -frauen vertrieben, sie gezwungen, Erklärungen zu unterschreiben, in denen die Klöster verurteilt werden, ihr habt sie obdachlos gelassen, ohne Arbeit, ohne Brot; Priester und Gläubige zwingt ihr zum Spionieren, gegen ihr Gewissen zu handeln. Ihr versucht, die Kirche von innen her auseinanderzusprengen, ihr sucht nach Verrätern unter Priestern und Gläubigen. Überall sind sie möglich und vorhanden — auch in euren Reihen fehlt es daran nicht. Die an den katholischen Grundsätzen Festhaltenden verleumdet ihr, bringt sie in Gefängnisse, verfrachtet sie in Lager. Merkt euch aber, durch solche Terrormaßnahmen werdet ihr den Glauben aus unseren Herzen nicht herausreißen. Das Schilf wird wanken und knicken, aber die Eichen werden standhalten und wieder junge Eichen hervorbringen, noch kräftiger und widerstandsfähiger. Die Kirche hat viele Verfolgungen überstanden. Aus jeder Verfolgung ist sie leuchtender und kräftiger hervorgegangen. Sie wird auch diese Welle des Terrors glorreich überstehen. Durch eure Kirchenverfolgung werdet ihr gegenteilige Resultate erzielen: es werden neue heldenhafte Blutzeugen kommen, die durch ihr Leiden und Blut die Flecke der Willensschwächen und Karrieristen entfernen und die Kirche mit einem Ehrenkranz des Martyriums, der Liebe und Treue schmücken werden. Daran wird es bei uns nicht fehlen. Habt ihr die einen gemartert, werden an ihre Stelle andere treten. Nicht nur in den ersten Jahrhunderten nach Christus ist das Blut der Christen der Same zum Wachstum des Christentums gewesen, sondern dies hat sich ständig wiederholt und wird sich auch künftig wiederholen . .. Welch schreckliche und abscheuliche Methoden ihr auch anwenden möget, den Glauben werdet ihr nicht ausrotten, denn der Glaube ist nicht das Werk des Menschen, sondern von Gott. So wie Gott ewig ist, so ist es auch der Glaube. Wehe euch, die ihr versucht, gegen Gott zu kämpfen. Ich bin fertig. Jetzt könnt ihr mich verhaften.
Nach diesen Worten sind Prälat J. Ušila und Kanonikus J. Elertas weggegangen und ließen den Bevollmächtigten mit dem unehrsamen Schreiben in den Händen zurück.
Man muß zugeben, daß es den einen oder anderen Priester gegeben hat, die dieses Schreiben unterzeichnet haben. Sie wurden als „fortschrittliche" und „den Geist der Zeit gut verstehende" Priester bezeichnet. Wenn die sowjetischen Würdenträger in Litauen die Priester zwingen konnten, ein Schreiben gegen den Papst zu unterzeichnen, dann darf man sich
nicht wundern, daß sie gegenwärtig die Priester zwingen, an den Konferenzen der Friedensbewegung teilzunehmen oder in den USA zu verbreiten, daß in Litauen die Kirche nicht verfolgt werde. Alle Ehre aber denjenigen, die sich dem Terror nicht beugen!
INFORMATION
Am 19. März 1975 sind schon drei Jahre seit dem Erscheinen der ersten Nummer der „Chronik der LKK" vergangen. Wir danken allen, die auf irgendeine Weise zum Erscheinen und zur Verbreitung der „Chronik" beigetragen haben. Gott möge es allen vergelten.