Anfang Februar 1978 haben die Priester in Litauen dem Apostolischen Admini­strator der Erzdiözese Kaunas, Bischof J. Labukas, einen Brief übergeben. In dem Brief wird geschrieben, daß die Priester besorgt sind über die unerträg­lich gewordene Lage im Priesterseminar zu Kaunas, die dadurch entstanden ist, daß die Regierungsbeamten sich ständig in die Angelegenheiten des Seminars einmischen. Die Verwalter der Bistümer fürchten die Rache des Sicherheitsdien­stes und wagen nicht, die Kleriker vom Seminar zu entfernen, die vom KGB an­geworben sind. Die Autoren des Briefes danken dem Rektor des Priestersemi­nars für die Entlassung des Klerikers Akutis und bedauern, daß der Kleriker Rudis nicht entlassen wurde, der ein permanenter Übertreter der Seminarord­nung ist und von allen Klerikern für einen KGB-Agenten gehalten wird. Der Kleriker des dritten Kursus, Kazlauskas, wird ebenfalls für einen KGB-Agenten gehalten, den man sofort aus dem Seminar entfernen müsse. Ähnliche Kleriker wie die oben erwähnten gäbe es auch in den anderen Kursen des Seminars. Nach Auffassung der Briefautoren machen die Verwalter der Bistümer einen großen Fehler, wenn sie Kleriker von zweifelhafter Eignung zu Priestern wei­hen.

Die Priester machen dem Apostolischen Administrator der Erzdiözese Kaunas, Bischof J. Labukas, zum Vorwurf, daß er bei Versetzungen von Priestern in die Pfarreien am meisten die Wünsche der Regierungsbeamten berücksichtige. Es wird als Beispiel der Pr. Izidorius Butkus angeführt. Dieser Priester wurde auf Druck von Regierungsbeamten der Erzdiözese Kaunas als Kanzler aufgezwun­gen, und jetzt ist er auch noch zum Pfarrer der Pfarrei St. Antonius ernannt. Die Priester sind besorgt, daß zum Bischofsamt solche Priester in Litauen nomi­niert werden, die für diese Pflichten vollständig ungeeignet sind. In dem Brief wird ebenfalls Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht, weil die Bistumsverwalter in Litauen den Priestern Litauens nicht erlauben, in die Mis­sionen nach Rußland zu gehen.

Zu Beginn des Jahres 1978 haben die Zeitungen der Rayons einen Artikel vom Bevollmächtigten des Rates für die religiösen Angelegenheiten, K. Tumėnas, abgedruckt: Socializmas garantuoja sazines laisve (Sozialismus garantiert GeWissensfreiheit). Dieser Artikel von K. Tumėnas zeigt, daß die Politik der Besat­zungsregierung gegenüber der Kirche keine wesentliche Änderung erfahren hat. Kirche und Gläubige werden verfolgt — aber mit raffinierteren Mitteln, obwohl manchmal auch grober Terror nicht gemieden wird, und das alles versucht man mit schönen Worten zu verschleiern.

K. Tumenas schreibt, daß »der Staat sich in die kanonische und liturgische Tä­tigkeit der Kirche nicht einmischt«, aber am Karsamstag (d. 25. März) ist er zum Priesterseminar gekommen und hat die Leitung des Seminars gezwungen, zwei Kleriker zu entlassen — P. Ražukas und V. Pūkas, obwohl sie kein Vergehen begangen hatten. Ihre einzige Schuld: V. Pūkas hat dem P. Ražukas seine Schreibmaschine ausgeliehen, und dieser versuchte, religiöse Literatur für sich zu vervielfältigen. KGB hat in diesen Klerikern seine potentiellen Gegner gewit­tert und beschlossen, die »antisowjetischen Nester« im Seminar zu zerstören. Andererseits bemüht sich das KGB, seinen Agenten, den ehemaligen Kleriker R. Jakutis, in das Priesterseminar zurückzuschicken. Besonders eifrig wird das KGB in dieser Angelegenheit von Msgr. C. Krivaitis, Pr. A. Gutauskas und an­deren Priestern unterstützt. Von jetzt ab hat die Leitung des Seminars nicht mehr das Recht, ohne Einverständnis der Bistumsverwalter einen Kleriker aus dem Priesterseminar zu entlassen. Dieser Beschluß wird nur für den KGB nütz­lich sein, denn wenn die Regierung einen guten Kleriker entfernen will, dann werden die Bistumsverwalter schweigen, wie sie am Karsamstag geschwiegen haben, als P. Ražukas und V. Pūkas entlassen wurden; und wenn man die Agenten des KGB aus dem Seminar herausjagen muß, dann wird es jemanden aus den Bistumsverwaltern geben, wie Msgr. C. Krivaitis, der für die Kollabora­teure des KGB eintreten wird; und die restlichen Bistumsverwalter werden aus Angst schweigen, wie sie in der letzten Zeit geschwiegen haben. Der Bevollmächtigte für Religionsangelegenheiten behauptet, daß die katholi­sche Geistlichkeit an den »Kampfbewegungen für den Frieden« teilnehme. Es stimmt, daß einige Geistliche daran teilnehmen, aber sie vertreten weder die Gläubigen noch die Priester Litauens, sondern fahren gefügig zu den Friedens­kongressen, unterschreiben die Verlautbarungen oder stimmen ab, so wie das KGB anweist. Die Katholiken Litauens wollen den Frieden, aber sie verabscheu­en die Ketten der Sklaverei. Kann man einen Menschen mehr erniedrigen, insbe­sondere einen Geistlichen, dem man alles wegnimmt, einen Strick um den Hals hängt und befiehlt, den »Frieden zu verteidigen«?!

Heuer werden es 10 Jahre nach Erscheinen der ersten Nummer der Chronik der laufenden Ereignisse. In der Zeit hat sie die Sympathien aller Menschen gewon­nen, welche die Freiheit und Gerechtigkeit lieben. Die Katholiken Litauens sind der Chronik der laufenden Ereignisse sehr dankbar, denn sie hat die Welt stän­dig über Ereignisse und Verletzungen der Rechte der Gläubigen in Litauen in­formiert.

Anläßlich dieses ehrenvollen Jubiläums beten die Gläubigen in Litauen zu Gott für die »CHRONIK DER LAUFENDEN EREIGNISSE« um reichen Segen und Ausdauer in ständigen Prüfungen!

Schriftleitung der Chronik der LKK 

Am Morgen des 2. März 1978 eilte Marytė Vitkūnaitė zur Medizinschule. Auf dem Rathausplatz stand ein »Volga« Nr. 84—82 und neben ihr drei Männer. Plötzlich hat einer von ihnen M. Vitkūnaitė an der Hand ergriffen und mit Ge­walt in den Wagen hineingezerrt. Neben ihr haben zwei Angreifer Platz genom­men und erklärt, daß sie Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes seien. Als M. Vit­kūnaitė nach Papieren verlangt hat, zog ein Sicherheitsbeamter ein rotes Büch­lein hervor, ließ aber keine Einsichtnahme zu. Unterwegs ist noch ein Wagen des Sicherheitsdienstes aufgetaucht, in dem drei Männer und eine Frau saßen. Bei M. Vitkūnaitė angekommen, haben sie ihr den Wohnungsschlüssel abge­nommen, das Zimmer selbst aufgeschlossen und sind alle hereingekommen. M. Vitkünaite bekam den Befehl, auf der Couch sitzen zu bleiben und sich nicht von der Stelle zu rühren. Major Urbonas verlas den Durchsuchungsbefehl: Man sei gekommen, um Literatur antisowjetischen Inhalts und das Vervielfältigungs­mittel zu beschlagnahmen. Die Schreibmaschine stand auf dem Tisch, deshalb genügte es, daß Vitkūnaitė mit einer Handbewegung bedeutet hat: »Nehmt mit.«

Die Durchsuchung wurde sehr sorgfältig durchgeführt. Die Sicherheitsbeamten haben jeden Fetzen Papier untersucht, die Bilder von den Wänden abgehängt, eins sogar auseinandergerissen und geschaut, ob inwendig nichts verborgen ist, die Couch abgedrückt, die Kissen, die Bettdecken aus den Bezügen herausge­nommen, alle Bücher durchgesehen, den Kühlschrank, alle Regale und den klei­nen Abstellraum durchstöbert. Sie waren über den Fund von Aušra (Morgenrö­te) Nr. 9 sehr erfreut. Und noch größer war ihre Freude, als sie 20 Seiten Ab­schrift von Aušra Nr. 9 gefunden haben.

Vladas Lapienis schreibt:

». . . Vom 9. Dezember 1977 bis zum 27. Januar d. J. (1978) war ich im Kran­kenhaus.

Am 17. Februar d. J. hat der Lagerleiter gesagt, daß die >Ärztekommission< (die ich nicht gesehen habe) mich als gesund, voll arbeitsfähig befunden habe und mir die Invalidität der dritten Kategorie zuerkannt habe, die ohne Einschrän­kung der Administration der Kolonie das Recht gewähre, zu jeder beliebigen Arbeit einzuteilen. Man hat mir sofort befohlen, in den Heizungsraum zu gehen und als Heizer zu arbeiten. Diese Arbeit ist nicht leicht: man muß von draußen die Kohle heranschleppen, Holz sägen, die ausgebrannte Kohle und Asche nach draußen bringen und Tag und Nacht den im Heizraum befindlichen Ofen hei­zen. Ich habe ihm geantwortet, daß ich wegen fortgeschrittenen Alters und schwacher Gesundheit (ständiges Ohrensausen, öfters vorkommende und lästi­ge Kopfschmerzen, niedriger Blutdruck, Radikulitis und Herzschwäche) nicht imstande sei, eine solche Arbeit zu leisten. Dann wurde der Lagerleiter wütend und hat mit Karzer und anderen Strafen gedroht. Und in der Tat hat die Admi­nistration der Kolonie dafür, daß ich nicht als Heizer gearbeitet habe, mir eine schriftliche Mißbilligung erteilt, mich sieben Tage lang in den Karzer einge­sperrt, den Empfang eines Lebensmittelpakets in diesem Jahr verboten und im Monat Februar das Einkaufen von Lebensmitteln in der Lagerkantine verboten. In den anderen Monaten war es erlaubt, in der Lagerkantine für fünf Rubel Lebensmittel einzukaufen.

Einen Menschen zu bestrafen, der wegen fortgeschrittenen Alters und schwa­cher Gesundheit keine schwere Arbeit mehr zu leisten vermag, und für ein Ver­gehen sogar mit vier Strafen zu belegen, ist eine grobe Verletzung der elementar­sten Menschenrechte. Diese Tatsachen bezeugen, wie in unserem Lande die Menschenrechte respektiert werden. Ich habe doch schon beinahe 10 Jahre vor meiner Verhaftung nicht mehr gearbeitet und eine Rente bezogen. Deshalb nicht mehr gearbeitet, weil ich nicht mehr konnte. Einem jeden gesund denkenden Menschen ist es klar, daß nach Verlauf von mehr als 11 Jahren, von denen ich anderthalb hinter Gittern verbracht habe, meine Gesundheit keineswegs besser werden konnte. In Wirklichkeit hat sich meine Gesundheit merklich verschlech­tert. Und außerdem habe ich keine Ärztekommission gesehen. Nach Ankunft im Krankenhaus hat ein Arzt einige Minuten Zeit für Fragen nach meiner Ge­sundheit benötigt, ähnlich war es auch bei der Entlassung aus dem Kranken­haus. Eine sonderbare Ärztekommission! Wie kann ein einziger Arzt eine Ärztekommission bilden?

 (Auszug aus den Gerichtsakten des Obersten Gerichtes der Litauischen SSR)

Gerichtsvorsitzender — S. Raziūnas, Volksräte — V. Burokevičienė und B. Kilius, Sekretärin — O. Jablonskaitė, Staatsanwalt — J. Bakučionis.

Angeklagte — 1. Vladas Lapienis, (Sohn des) Antano, geb. am. 6. Juni 1906, angeklagt gemäß § 68 Abs. 1 des StGB der Litauischen SSR; 2. Ona Pranskūnaite, (Tochter des) Jono, geb. am 2. Januar 1935, angeklagt gemäß § 199—1 des StGB der Litauischen SSR.

Das Gericht hat folgendes festgestellt:

In der Litauischen SSR wurden in den Jahren 1972—1976 illegal 25 Nummern von Chronik der Litauischen Katholischen Kirche herausgegeben, die vervielfäl­tigt und verbreitet wurden. In diesen Sammlungen der »Chronik der LKK« wird ein Stoff dargeboten, der tendenziös gesammelt und eindeutig verleumderisch ist, mit dem die Innenpolitik der UdSSR gegenüber der katholischen Kirche in Litauen verzerrt wiedergegeben wird, durch den versucht wird, eine angebliche Unterdrückung der Gewissensfreiheit sowie Verfolgung der Gläubigen zu sugge­rieren und damit gegen die Sowjetregierung Stimmung zu machen. Die Sammlungen der »Chronik der LKK« wurden an die antisowjetischen bour-geoisen Emigrantenzentren im Ausland weitergeleitet, welche den verleumderi­schen Stoff in ihrer zersetzenden Tätigkeit gegen die UdSSR benutzt haben, in­dem sie den abgedruckt und kommentiert haben in Darbininkas (Der Arbeiter, Litauisches Wochenblatt; Anm. d. Übers.), Draugas(Der Freund; Litauische Tageszeitung), in USA und anderen reaktionären Zeitungen und auch in den antisowjetischen Programmen von Rundfunkanstalten (Radio Vatikan u. a.) wiedergegeben haben.

Paringys (Ray. Ignalina)

Am 27. Dezember 1977 ist auf dem Kirchhof von Papilis, Rayon Biržai, ein neuer Grabhügel emporgewachsen. Er hat die sterblichen Reste des verst. Prie­sters Antanas Mačiulis aufgenommen. Diesem edlen Arbeiter im Weinberge Christi die letzte Ehre zu erweisen und für seine Seelenruhe zu beten, ist nicht nur eine zahlreiche Menge der Gläubigen zusammengekommen, sondern auch die Bischöfe J. Steponavičius und J. Krikščiūnas mit noch 82 Priestern haben daran teilgenommen. Der verstorbene Pr. Antanas Mačiulis hat das Priestertum durch Kampf mit großen Schwierigkeiten erstrebt, die von Regierungsbeamten bereitet wurden. Der Verstorbene wurde 1941 geboren, hat in Švenčionys, Auš­ros Vartai und in Paringys als Pfarrer gearbeitet, von wo aus der Herr ihn nach fünf Priesterjahren (geweiht 1972) zu sich gerufen hat. Vor seinem Tod, bei vol­lem Bewußtsein und in Erkenntnis der Folgen von Krebskrankheit, hat er er­zählt:

»1959 habe ich die Mittelschule von Papilis absolviert und wollte in das inter-diözesane Priesterseminar zu Kaunas eintreten. In diesem Jahr konnte ich aber nicht eintreten, denn ich mußte abwarten, wie die Frage meines Militärdienstes geregelt wird. Ich habe angefangen, als Lagerverwalter in der MTS (Maschinen und Treckerstation; Anm. d. Übers.) von Papilis zu arbeiten und später — in der Melioration — als Vorarbeiter.

Telšiai

Die 1977 begonnene verstärkte Verfolgung von gläubigen Schülern hört immer noch nicht auf. Ungeachtet dessen, daß die Lehrer, Inspektoren, sogar Direkto­ren die Schüler verhört, sie oft vor der ganzen Klasse verhöhnt haben (so wird hier § 52 der neuen Verfassung befolgt — keinen Haß zu schüren im Zusam­menhang mit religiösen Kulten), ungeachtet der Drohungen, daß die gläubigen Schüler solche Charakterbeurteilungen bekämen, daß sie nicht auf den Hoch­schulen anfangen könnten, sind die Schüler nicht erschrocken und besuchen die Kirche weiter.

Ein solches Benehmen ist ein antikommunistisches Vergehen. Solche Schüler, die täglich zur Kirche gehen, werden den Organen des Staatssicherheitsdienstes übergeben. Die Sicherheitsbeamten haben jede Woche den Schüler der X. Klas­se der VI. Mittelschule, V. Mėmis, den Schüler der IX. Klasse der V. Mittel­schule, Remeza, die Schülerin Juškaitė und andere verhört. Hatten sie sich ge­weigert, zum Sicherheitsdienst hinzugehen, wurden sie mit Gewalt direkt aus den Unterrichtsstunden geholt. Das alles geschah mit Wissen der Pädagogen! Die Tschekisten haben keine ernst zu nehmenden Beschuldigungen erhoben, sie haben die Jugendlichen lediglich bedroht, ihnen unter den Kameraden zu schnüffeln befohlen und die Reden der Klassenkollegen wiederzugeben. Die Bemühungen des KGB, Schüler als Spione anzuwerben, sind eines der größ­ten Vergehen, das die Moral der heranreifenden Jugend zersetzt.

Bistum Kaišiadorys

I. 1941 von den russischen Soldaten gemarterte Priester:

1. Pr. Andrius Juknevičius, Dekan von Merkinė — aus dem Haus herausge­führt und auf dem Feld erschossen.

2. Pr. Matas Lajauskas, Dekan von Molėtai — aus dem Haus herausgeführt, ermordet und versteckt.

3. Pr. Jonas Daugėla, Pfarrer von Stirniai — aus dem Haus herausgeführt und am See erschossen.

4. Pr. Jonas Tutinas, Pfarrer von Palomenė — auf dem Kirchplatz mit Sei­tengewehren erstochen, das Gedärm herausgezogen. Nach Abzug der Sol­daten ist der Gemarterte gestorben.

5. Pr. Valentinas Balčius, Pfarrer von Pusnė — mit seinem Bruder aus dem Hause herausgeführt und erschossen.

1. Aušra (Morgenröte) Nr. 9 (49);

2. Rūpintojėlis (Schmerzensmann) Nr. 3 und Nr. 4;

3. Tiesos kelias (Weg der Wahrheit) Nr. 6 und Nr. 7;

4. Dievas ir Tėvynė (Gott und Vaterland) Nr. 6.

Litauer, vergiß es nicht!

P. Plumpa, N. Sadūnaite, S. Kovaliovas, O. Pranskūnaitė, V. Lapienis, V. Pet­kus, B. Gajauskas und andere tragen die Fesseln der Gefangenschaft, damit Du frei leben und glauben kannst!