CHRONIK DER KATHOLISCHEN KIRCHE LITAUENS Nr. 8,1973 

EIN ITALIENISCHER JOURNALIST IN LITAUEN

„Auf Einladung der Presseagentur Novosti hielt sich der Redakteur der katholischen Wochenzeitschrift Italiens, Ruggiero Orfeo, in Sowjetlitauen auf. Der Gast aus Rom besuchte das Baukombinat von Vilnius, besichtigte die neuen Wohnviertel Lazdynai und Karoliniškės, die Baudenkmäler der Altstadt und nahm auch am Gottesdienst in verschiedenen Kirchen teil. Am Schluß seines Aufenthaltes hat R. Orfeo erklärt: „Mich hat die Lage der Katholiken unter sozialistischen Verhältnissen sehr interessiert. Ich war während des Gottesdienstes in den Kirchen St. Peter und Paul und in St. Anna. Nachdem ich mit eigenen Augen die religiösen Zeremonien gesehen habe, konnte ich mich überzeugen, daß die Katholiken nicht ver­folgt werden und frei ihre Pflichten erfüllen können. Diesen meinen Ein­druck hat auch ein langes und offenes Gespräch mit dem Verwalter des Erz­bistums Vilnius, Monsignore C. Krivaitis, bestätigt. Der hohe geistliche Würdenträger hat mir objektiv über die Tätigkeit der römisch-katholischen Kirche berichtet. Die vorgebrachten konkreten Tatsachen haben mich über­zeugt, daß das Leben der katholischen Kirche in der Sowjetrepublik Litauen normal abläuft. Leider wird in Italien von vielen Seiten eine falsche Infor­mation verbreitet, deren Ziel es ist, die Wirklichkeit eines sozialistischen Landes anzuschwärzen und zu verdrehen. Nach meiner Rückkehr in die Heimat werde ich meine positiven Eindrücke über die Errungenschaften in Litauen weit verbreiten" Gimtasis Kraštas (Das Geburtsland) vom 8. 11. 1973.

Um ein vollständigeres Bild über die Lage der katholischen Kirche in Litauen zu ermöglichen, möchten wir ergänzend dazu einige Anmerkungen machen:

1.     Die Redaktion hat aus unverständlichen Gründen den Titel der katholi­schen Zeitschrift verschwiegen, deshalb hat man den Eindruck, daß der ge­nannte Redakteur ein Mitarbeiter von L'Unita ist. Seit wann ist die Agen­turNovosti bestrebt, der Welt eine „objektive" Information durch katho­lische Journalisten zu vermitteln?

2.     Hat der genannte Gast aus eigenem Antrieb die geschilderte Wahrheit gefunden, oder hat ihm vielleicht der Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten, K. Tumėnas, dabei „geholfen"?

3.     Hat R. Orfeo keinen Verdacht geschöpft, daß es durch viele Jahre hin­durch immer dieselben wenigen Priester sind, die der Welt eine „objek­tive" Information über die Lage der Kirche in Litauen vermitteln?

4.     Wir bitten den Gast aus Italien, falls er an einer objektiven Darstel­lung interessiert ist, alle Nummern der „Chronik der katholischen Kirche Litauens" einzusehen.

5.     R. Orfeo hat lediglich zwei Kirchen in Vilnius besucht und glaubt da­bei ein „objektives" Bild über die Lage der katholischen Kirche gewonnen zu haben. Wie schade, daß er nicht bemerkt hat, daß das Meisterwerk von Stuoka-Jucevičius, die Kathedrale von Vilnius, zu einer Gemälde­galerie umfunktioniert worden ist, die künstlerisch wertvollen Kirchen St. Katharina, Trinitarier, Allerheiligen und andere zu Konzertsälen oder Lagerräumen und die St. Kasimir-Kirche zum atheistischen Museum ge­macht worden sind.

6.     Es wäre wünschenswert, daß die kleine Priestergruppe in Litauen, die schon jahrelang ausländischen Journalisten Interviews gibt, ihre „objek­tiven" Informationen mit neuen Tatsachen aus dem Leben der Katholiken Litauens ergänzte und berichtigte. Für sie ist diese Nummer der „Chronik der katholischen Kirche Litauens" bestimmt.

DIE RELIGIÖSE „FREIHEIT" IN LITAUEN

Das Komitee des Staatssicherheitsdienstes hat am 14. November 1973 be­schlossen, Massendurchsuchungen durchzuführen, um die im Untergrund erscheinende Lietuvos Kataliku Bažnyčios Kronika (Chronik der katholi­schen Kirche Litauens) sowie die ebenfalls im Untergrund tätigen Zentren für Gebetbücher und religiöse Literatur zu vernichten.

DURCHSUCHUNGSSTÜRME

Noch vor Morgengrauen kamen am 20. November 1973 Sicherheitsbeamte zum Pfarrer von Kabeliai, J. Lauriūnas, um eine Haussuchung vorzuneh­men. Die Leitung hatte der Hauptmann der Untersuchungsabteilung des Komitees für Staatssicherheitsdienst, Kazanavičius. Die Sicherheitsbeam­ten brachten aus Druskininkai zwei Männer mit, Vytautas Žukauskas und Juozas Šlikas, die praktisch während der Durchsuchung Pflichten von Sicher­heitsbeamten wahrgenommen haben. Im Wohnhaus und in den Wirtschafts­gebäuden hat man Dokumente und Literatur gesucht, die die sowjetische Ordnung schmähen. Bei der Durchsuchung wurden beschlagnahmt: eine Schreibmaschine, neun Farbbänder, eine größere Menge Schreibpapier und etwa zehn religiöse Bücher Niekšybės paslaptis (Das Geheimnis der Bosheit),

Kristus ir krikščioniškoji asmenybė (Christus und die christliche Persön­lichkeit), Viešpatie ateik (Komm Herr) u. a., die mit der Schreibmaschine abgeschrieben waren, etwa 20 metallene Heiligenbildchen und verschie­dene Schriftstücke. In einem Zimmer wurde sogar der Fußboden aufge­brochen. Die Sicherheitsbeamten führten außerdem eine Leibesvisitation bei Pfarrer Lauriūnas durch. Nach der Haussuchung wurde der Pfarrer bereits zweimal vernommen, und es bleibt ungewiß, wie lange diese Proze­dur noch andauern wird.

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Am frühen Morgen des 20. November 1973 erschienen im Pfarrhaus von Valkininkai der Untersuchungsbeamte der Ermittlungsabteilung, Oberleut­nant V. Kontrimas, mit Helfern und Dazugeladenen, O. Važgytė, V. Novikov und dem Gemeindevorsitzenden von Valkininkai, M. Marke­vičiene. Ziel der Haussuchung war es, bedeutsames Material für die Straf­akte Nr. 345 zu beschlagnahmen. Da Pfarrer A. Keina nicht zu Hause war, haben die Sicherheitsbeamten den Durchsuchungsbefehl der Haushälterin vorgezeigt und bis 18 Uhr eine sorgfältige Durchsuchung des Wohnhauses und der Wirtschaftsgebäude vorgenommen. Bei der Durchsuchung wurden beschlagnahmt: eine Schreibmaschine, vier Nummern der „Chronik der katho­lischen Kirche Litauens", 50 Gebetbücher Melskimės (Laßt uns beten), 40 Sveika Marija (Gegrüßt seist du Maria) von K. Žitkus, 6 ExemplareJaunuolio Religija (Religion des jungen Menschen) von T. Toth und etwa 80 religiöse Bücher, mit der Schreibmaschine geschrieben oder fotokopiert, Netikinčiųjų Katekizmas (Katechismus der Ungläubigen), Marijos garbe (Marienlob), Milžinas, didvyris, žmogus (Riese, Held, Heiliger / Anmer­kung des Übersetzers), Kunigas Dievo ir žmonių tarnyboje (Priester im Dienste Gottes und der Menschen), Rekolekcijos apie Kristaus bičiulyste(Exerzitiengedanken über die Christenfreundschaft), Dievo Avinėlis (Lamm Gottes), Bažnyčia ir pasaulis (Kirche und Welt), Deimančiukai (Kleine Diamanten), Žodžiai broliams (Worte an Brüder), Tėve Mūsu (Vater unser),Sekmadieniu ir švenčiu pamokslai (Predigten für Sonn- und Feiertage), Kataliku katekizmas (Katholischer Katechismus), O vis dėlto šv. Raštas teisus (Und die Bibel hat doch recht) u. a. Es wurden auch einige Bücher aus der Vorkriegszeit beschlagnahmt: Tautinis auklėjimas (Nationale Er­ziehung), Jaunos sielos auklėjimas(Erziehung der jungen Seele). In die Säcke der Sicherheitsbeamten wanderten auch 3 Tonbänder, viele religiöse Bildchen, religiöse Alben, ein Stapel Schreibpapier, verschiedene Notizen, Handschriften, eine Mappe mit Zeitungsausschnitten, verschiedene Doku­mente, Beprotybes klausimas (Die Frage des Wahnsinns) u. a. In der Zeit, als sich die Sicherheitsbeamten ausruhten, kehrte auch Pfarrer A. Keina zurück. Es wurde ihm nicht erlaubt, für die versammelten Gläu­bigen die heilige Messe zu zelebrieren. Er wurde sofort nach Varėna ab­transportiert. Das Verhör wurde auch auf den folgenden Tag ausgedehnt. Etwa 20 Gläubige der Pfarrei Valkininkai, die ihren Pfarrer suchen ge­kommen waren, haben den Sicherheitsbeamten nicht wenig Angst eingejagt.

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An dem denkwürdigen Morgen eilte der Priester Boleslavas Babrauskas zum Omnibusbahnhof Smilgiai (Rayon Biržai). Unterwegs wurde er von Sicherheitsbeamten angehalten, die ihn sprechen wollten. Der Priester lehnte es jedoch ab. Daraufhin brachten sie ihn mit Gewalt in die Amtsräume der nächsten Verwaltungsstelle, und nachdem sie ihm den Durchsuchungs­befehl vorgezeigt hatten, durchsuchten sie seine Taschen und seine Akten­tasche. Dann führten sie den Pfarrer in die Sakristei, wo er seine Woh­nung hatte, denn das Pfarrhaus ist von der Regierung beschlagnahmt wor­den. Etwa 15 Sicherheitsbeamte mit 2 mitgebrachten „Dazugeladenen" durchstöberten alle Winkel des Wohnhauses einschließlich Dachbodens. Der Pfarrer durfte keine Zeugen einladen. In der Sakristei wurden alle religiö­sen Bücher auf den Boden geworfen. Danach sind die „Gäste" in den ersten Stock gestiegen, wo der Pfarrer sein Schlafzimmer hatte, und dort wur­den Bücher hervorgezerrt und nach unten geworfen. Auch der Wohnraum der Haushälterin wurde durchsucht. Ihr wurden das Gebetbuch, die Hei­lige Schrift und andere religiöse Literatur, sogar solche aus der Vorkriegs­zeit, abgenommen. Im Schlafzimmer des Pfarrers wurde der Fußboden auf­gebrochen. Die Kirche wurde ohne Anwesenheit des Vertreters des Kirchen­komitees durchsucht. Sogar der Tabernakel in der Kirche wurde eingesehen, ein Teil der Noten und sämtliche Kirchenlieder wurden mitgenommen. Die Sicherheitsbeamten schleppten die auf dem Speicher der Kirche vorgefun­dene religiöse Literatur in die Sakristei. Auch die Wirtschaftsgebäude wur­den nicht vergessen. Die Funktionäre nahmen Tonbänder und Diapositive mit. In ihre Säcke wanderten auch religiöse Bildchen. An religiösen Büchern wurden etwa 1000 Exemplare mitgenommen. In das Durchsuchungsproto­koll wurden nur die Nummern der „Chronik der katholischen Kirche Litauens" und einige Säcke mit Büchern eingetragen. Alle anderen Bücher, unordentlich in 10 Säcke verstaut, kamen in den Lastwagen der Sicher­heitsbeamten. Nach der Haussuchung wurde der Pfarrer B. Babrauskas ver­hört, woher er die religiöse Literatur und die „Chronik der katholischen Kirche Litauens" bekommen habe?

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Am 20. November wurde der Emeritus von Krinčinas in Šiauliai von Sicherheitsbeamten festgenommen und in seine Wohnung gebracht, wo eine Haussuchung vorgenommen wurde, in deren Verlauf dem Priester Jonas Buliauskas religiöse Literatur abgenommen wurde. In das Protokoll trug der Priester seinen Protest ein, denn die Verfassung der UdSSR garan­tiert Religions- und Pressefreiheit, und erklärte, daß er bei der Verneh­mung schweigen werde. Der Priester wurde bis jetzt noch nicht zum Verhör vorgeladen.

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Am frühen Morgen des 20. November 1973 kam eine Gruppe von Sicher­heitsbeamten zu AugustinasJaugelis, wohnhaft in Kaunas, Linkuva-straße 16 und durchsuchten um 7 Uhr das Wohnhaus und das Wirtschafts­gebäude. Auch auf den Hauswirt selbst wurde die Durchsuchung ausge­dehnt. Zweck der Haussuchung war es, Material zu beschlagnahmen, das lügenhaft den sowjetischen Staat und seine Gesellschaftsordnung schmäht. Major V. Raudys, der die Haussuchung leitete, führte im Protokoll nur 9 religiöse Bücher und 6 Jahrgänge der Zeitschrift aus der Vorkriegszeit Ateities spinduliai (Strahlen der Zukunft) auf. Die verschiedenen Jahr­gänge der Zeitschriften Šaltinis (Quelle), Saleziečiu žinios (Nachrichten der Salesianer),Žvaigžde (Stern), Liurdas (Lourdes), Pranciškonu pasaulis (Welt der Franziskaner), Misijos (Missionen), Šv. Pranciškaus varpelis (Glöckchen des hl. Franziskus), eine Schreibmaschine, einige Bücher religiö­sen Inhalts(Visi mes broliai — Wir alle sind Brüder, Žmonės ir žvėrys — Menschen und Tiere, Mokslininku pasaulėžiūra —Weltanschauung der Wissenschaftler, u. a.), Mappen mit Zeitungsausschnitten, Notizbücher u. a. wurden lediglich in Listen vermerkt, die aber weder vom Major Raudys noch von den „Dazugeladenen" unterzeichnet wurden. A. Jaugelis mußte nur das Protokoll unterschreiben.

Während der Haussuchung bezeichneten die Sicherheitsbeamten die Gläu­bigen als Fanatiker.

„Wäret ihr an der Regierung, würdet ihr uns die Köpfe abschlagen", sagte der Untersuchungsbeamte, — „Würden wir euch die Pressefreiheit geben, dann verlangtet ihr, daß die Priester in den Schulen Religionsunterricht er­teilen und daß eine christliche Partei gegründet wird... Durch eure ver­leumderischen Schriften schädigt ihr unsere Wirtschaft. Wir brauchen Tech­nik, Computer, aber der amerikanische Kongreß macht uns Schwierig­keiten wegen eurer verleumderischen Propaganda über die angebliche Ver­folgung der Gläubigen."

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Am 20. November 1973 um 7.30 Uhr begann Hauptmann Žilakauskas mit anderen Beamten des Sicherheitsdienstes mit der Haussuchung bei

Virgilijus Jaugelis, wohnhaft in Kaunas, Kalnu Straße 7, Wohnung 4. Zweck der Haussuchung war es, Material, das für einen Prozeß bedeut­sam war, zu beschlagnahmen.

Bei der Durchsuchung wurden beschlagnahmt: Bücher — Moraline teologija (Moraltheologie), Dogmine teologija(Dogmatische Theologie), Evangelija gyvenime (Evangelium im Leben), Ivadas i filosofija (Einführung in die Philosophie), Stigmatizuotoji Terese Neumanite (Die stigmatisierte Therese Neumann), Katalikas esu (Ich bin ein Katholik), Jaunuolio büdas (Charak­ter des jungen Menschen), Tikybos pirmamokslis (Der kleine Katechismus) u. a., ein unbenutztes Matritzenblatt, Notizen, Schreibpapier u. a. Während der Durchsuchung erklärte V. Jaugelis, daß das unbenutzte Matrizenblatt und andere im Reisesack gefundenen Sachen nicht ihm ge­hörten, sondern daß sie ihm von einem unbekannten Mann zur Aufbewah­rung übergeben wurden.

Gleich nach der Haussuchung hat V. Jaugelis ein Protestschreiben an den Staatsanwalt der Sowjetrepublik Litauen wegen der beschlagnahmten reli­giösen Bücher gerichtet. In seinem Schreiben weist Jaugelis darauf hin, daß das Vorgehen der Sicherheitsbeamten rechtswidrig sei und von dem Staatsanwalt verfolgt werden müsse, denn die Sowjetregierung garan­tiere die Freiheit des Gewissens, des Wortes und der Presse.

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Am frühen Morgen des 20. November 1973 sind bei dem Einwohner von Kaunas, Arimantas Reškevičius, 4 Beamte des Staatssicherheitsdienstes er­schienen und suchten 7 Stunden lang nach Literatur. Bei der Durchsuchung wurden beschlagnahmt: eine Schreibmaschine, viele Handschriften, andert­halb Sack Literatur religiösen Inhalts, eine Nummer der Chronik der katholischen Kirche Litauens. Nach der Haussuchung wurde Ari­mantas anderthalb Tag im Gebäude des Sicherheitsdienstes verhört, woher er die religiöse Literatur habe.

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Am Nachmittag des 19. November 1973 kamen 6 Beamte des Sicherheits­dienstes mit 2 Dazugeladenen zu Nijolė Cicenaitė und T. Maciukienė. Zwei Beamte brachten die Nacht im Zimmer zu, und am folgenden Morgen schlössen alle die Durchsuchung ab. Mitgenommen wurden: Gedichte, Noti­zen, ein Gebetbuch, eine neue Ausgabe der Heiligen Schrift, eine Menge religiöser Bücher. Später folgten Verhöre.

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Am frühen Morgen des 20. November 1973 kamen 5 Beamte des Sicher­heitsdienstes zu dem Bürger von Kaunas, Juozas Turauskas, und durch­suchten 3 Stunden lang seine Wohnung. Bei der Durchsuchung wurden be­schlagnahmt: die litauische Trikolore, Briefe, ein Heft mit Liedern, 5 Kate­chismen, 3 Gebetbücher und einige Bücher religiösen Inhalts: Liturgika (Liturgik), Jaunuolio kovos (Kämpfe des jungen Menschen) u. a. Nach der Haussuchung wurde Turauskas verhört.

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Am 20. November 1973 fanden die Sicherheitsbeamten Monika Gavenaitė nicht zu Hause, deshalb versiegelten sie ihre Wohnung (Kaunas, Kapsu Straße 43) und warteten auf ihre Rückkehr. Am 26. November durch­suchte Major Aleinikovas mit anderen Sicherheitsfunktionären die Woh­nung von Gavenaitė. Bei der Durchsuchung wurde eine Menge religiöser Literatur beschlagnahmt: Šventųjų Mišių liturgija (Liturgie der heiligen Messe),Mano malda (Mein Gebet), Visa apimanti meile (Die einfache Weise zum Betrachten), Kristaus gyvenimas (Das Leben Christi), Jėzus Kristus (Jesus Christus), Kristus mano gyvenimas (Christus mein Leben), Atlaidų rinkinys(Ablaßsammlung) u. a. Die Funktionäre nahmen auch Briefe, kleinere Schriften, Schreibpapier u. a. mit. Die Durchsuchung dauerte dreiundhalb Stunden. Nach der Haussuchung wurde Monika Gavenaitė einige Male verhört. Der Untersuchungsrichter drohte ihr mit weiteren Ver­hören.

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Am Nachmittag des 19. November 1973 begann der Untersuchungsrichter des Komitees des Staatssicherheitsdienstes, Hauptmann Marcinkevičius, mit anderen Funktionären eine Haussuchung bei Pluira, Petras, wohnhaft in Kaunas, Basanavičius Allee 50, Wohnung 208. Zweck der Durchsuchung war es, Material zu beschlagnahmen, das bedeutsam für den Prozeß gegen Pluira sein könnte.

Bei der Haussuchung wurden beschlagnahmt: „Chronik der katholischen Kirche Litauens" Nr. 7 und deren Ubersetzung ins Russische sowie reli­giöse Bücher: Krikščioniškoji šeima gyvenime (Christliche Familie im Leben), Meiles ugnis (Feuer der Liebe), Šv. Mergelės Marijos gyenimas (Das Leben der allerseligsten Jungfrau Maria), Atlaidų rinkinys (Ablaßsammlung), fotokopierte Broschüren, Notizbücher, verschiedene Aufzeichnungen, Papier­stücke mit Spuren vom Vervielfältigungsapparat u. a. Abgesehen von dem Text „Wie verhalte ich mich beim Verhör" war die beschlagnahmte Lite­ratur religiösen Inhalts.

Während der Haussuchung kam in  die Wohnung von Pluira Ona Česnulevičiūtė, in deren Handtasche das Gebetbuch Valandėle su Jėzumi (Stunde mit Jesus) gefunden und beschlagnahmt wurde.

Die Haussuchung dauerte etwa 4 Stunden lang. Danach wurde Petras Pluira zum Gebäude des Sicherheitsdienstes abtransportiert und nicht mehr freigelassen. Er wird nach Paragraph 68 des Strafgesetzbuches beschuldigt, falsche und die sowjetische Staatsordnung herabsetzende Behauptungen zu verbreiten.

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Am 20. November 1973 führte der Funktionär des Sicherheitsdienstes, Oberleutnant Gudas, eine Haussuchung bei Vladas Lapienis, wohnhaft in Vilnius, Dauguviečio Straße 5, Wohnung 11 durch. Bei der Haussuchung wurden 4 Säcke mit fotokopierten oder mit der Schreibmaschine geschrie­benen religiösen Büchern, eine Schreibmaschine, viele religiöse Bildchen, 10 Exemplare der „Chronik der katholischen Kirche Litauens" u. a. beschlag­nahmt.

Während der Haussuchung kam bei V. Lapienis der Priester J. Zubrius vorbei, der auch durchsucht wurde. Bei ihm wurden Jaunuolio religija (Reli­gion des jungen Menschen) sowie einige Notizbücher und Blättchen religiö­sen Inhalts beschlagnahmt.

Die Haussuchung dauerte vier Stunden lang. Danach wurde V. Lapienis schon zahlreiche Male verhört, woher er so viele religiöse Literatur und die Nummern der „Chronik der katholischen Kirche Litauens" bekommen habe. Viele der Untersuchungsrichter gingen mit ihm sehr grob um und drohten mit Gefängnis, Ausweisung aus Vilnius und ähnlichem.

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Am 20. November 1973 wurde eine Haussuchung bei dem Bürger von Vilnius, Zenon Urbon, wohnhaft in Baltarusiu-Straße durchgeführt. Die Durchsuchung dauerte 10 Stunden lang. Es wurden beschlagnahmt: Matrizen mit dem Text des Gebetbuches Marija, gelbėk mus! (Maria, rette uns!), eine selbstgebaute Druckmaschine, einige angefangene Druckbogen eines Gebet­buches und viele religiöse Bildchen.

Beim Verhör sagte Z. Urbon aus, daß er selbst die Druckgeräte erworben und Gebetbücher hergestellt habe, um den Gläubigen zu helfen, die Gebetbücher benötigten.        

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Am frühen Morgen des 20. November 1973 begannen Sicherheitsdienst­beamte mit der Haussuchung bei dem Einwohner von Salininkai (Rayon

Vilnius) Jonas Stašaitis. Während der 7stündigen Haussuchung wurden Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude gründlich durchsucht. Beschlagnahmt wurden einige religiöse Bücher, zwei Gebetbücher, Notizbücher, religiöse Bildchen und anderes. Nach der Haussuchung wurde J. Stašaitis beim Sicher­heitskomitee (Vilnius, Leninprospekt Nr. 40) verhört. Am 4. Dezember ist J. Stašaitis vom Verhör nicht mehr zurückgekehrt. Zwei Tage später erhielt die Ehefrau folgendes Schreiben vom Sicherheitsdienst­komitee:

„Gemäß der Prozeßordnung des Strafgesetzbuches der Sowjetrepublik Litauen, teilen wir Ihnen mit, das Jonas Stašaitis, Sohn des Juozas, am 4. Dezember 1973 vom Komitee des Staatssicherheitsdienstes beim Minister­rat der Sowjetrepublik Litauen wegen Vergehen gegen Paragraph 18 und 162 des Strafgesetzbuches der Sowjetrepublik Litauen festgenommen und unter folgender Adresse festgehalten wird: Vilnius, erster Untersuchungs­richter des 17. Komitees des Staatssicherheitsdienstes V. Pilelis."

Am 6. Dezember 1973 wurde die Wohnung des Priesters Prokofjevas in Vilnius durchsucht. Während der Haussuchung wurden alte Adressen, Bild­chen und anderes beschlagnahmt. Beim Verhör drohte man ihm mit Ge­fängnis dafür, daß er mit einer Abordnung in Kirchenangelegenheiten nach Moskau gefahren wäre. Der Priester Prokofjevas erklärte, daß es kein Vergehen sei, sich an die Regierung seines Landes zu wenden.

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Am Morgen des 20. November 1973 begannen 3 Beamte des Sicherheits­dienstes mit der Haussuchung bei Stefa Kriaučiūnaitė in Panevėžys. Im Wohnzimmer und auf dem Dachboden wurde eine Menge religiöser Bücher gefunden. Sieben Sicherheitsdienstbeamte durchsuchten einen ganzen Tag lang.

Bei der Untermieterin von S. Kriaučiūnaitė, O. Norkutė, fanden die Sicher­heitsfunktionäre einige Gebetbücher, 18 religiöse Bücher, Bilder u. a. Nor­kute wurde des Schwarzhandels beschuldigt.

Von Lidu Razminaitė hat der Sicherheitsdienst 17 religiöse Bücher mit­genommen. Die Haussuchung dauerte bis 21 Uhr.

Am gleichen Tag durchsuchte der Sicherheitsdienst die Wohnung einer gewis­sen Nastute, die die Kirche der Altstadt reinigt. Die Haussuchung dauerte drei Stunden; Rosenkränze und sogar aus der Zeitschrift Žvaigždė(Stern) ausgeschnittene religiöse Bilder wurden beschlagnahmt.

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Am 20. November 1973 durchsuchten Beamte des Sicherheitsdienstes aus Panevėžys in Ramygala die Wohnung von Julija Mickeliūnaitė, Wäscherin von Kirchengewändern. Dabei wurden einige mit der Schreibmaschine ge­schriebene religiöse Bücher, Notizbücher, Broschüren u. a. beschlagnahmt. Am 20. November 1973 durchsuchte der Oberleutnant des Sicherheits­dienstes, Bankauskas, die Wohnung von Zita Razminienė in Šiauliai, Komunaru Straße 35, Wohnung 65. Zweck der Haussuchung war es, Material für die Strafakte Nr. 345 wegen Verbreitung von „lügnerischen Behauptungen", die die Sowjetunion diffamieren, zu beschlagnahmen. Die Haussuchung dauerte etwa 8 Stunden lang. Dabei wurden beschlagnahmt: eine Schreibmaschine, Bücher Jaunoms širdims (An junge Herzen), Deiman­čiukai (Kleine Diamanten), Moters gyvenimo ruduo (Herbst eines Frauen­lebens),Kęstutis, Kataliku tikybos kursas (Lehrgang des katholischen Glau­bens), Mažasis tobulybes kelias (Der kleine Weg zur Vollkommenheit), Jau­nuolio religija (Religion des jungen Menschen), Geroji kančia (Das heil­bringende Leiden), Dora (Sittlichkeit) u. a., einzelne Nummern der Zeit­schrift Židinys (Der Herd), Pranciškonu gyvenimas (Welt der Franziska­ner), Saleziečiu žinios (Nachrichten der Salesianer), Misijos (Missionen), Draugija(Gesellschaft), Sargyba (Die Wacht), Žvaigždute (Der kleine Stern), Briefe, Postkarten, Notizbücher, Fotografien, religiöse Bildchen u. a. Nach der Haussuchung wurde Z. Razminiene zahlreiche Male verhört.

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Am frühen Morgen des 20. November 1973 begannen Beamte des Sicher­heitsdienstes mit der Haussuchung bei Juozas Kopūstas in Semeliškis. Die Durchsuchung dauerte vier Stunden. Gesucht wurde eine geheime Drucke­rei. Bei der Haussuchung wurden zwei Gebetbücher, das Büchlein Tikiu (Ich glaube) und andere religiöse Bücher beschlagnahmt. Kopūstas wurde verhört, woher er die religiösen Bücher habe.

Am 20. November 1973 wurde in Vievis die Wohnung von Antanas Jasenas durchsucht. Gefunden wurden Werkzeuge zum Büchereinbinden und viele noch nicht fertig gebundene Gebetbücher Aukštyn Širdis (Erhebet die Herzen).

Am Morgen des 20. November 1973 begannen die Beamten des Sicherheits­dienstes mit einer Haussuchung bei den Bürgern von Kapsukas (früher Marijampole), Dambrauskas und Kačergis, wohnhaft in der Kranto Straße.

Gesucht wurden religiöse Literatur und „brisantes Material". Die Funktio­näre durchwühlten den Kartoffelvorrat und das Brennholz und wollten sogar den Fußboden aufbrechen. Sie ließen jedoch davon ab, nachdem Dam­brauskas protestierte. Für einen Prozeß notwendiges Material wurde nicht gefunden.

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Am 20. November 1973 durchsuchten zwei Beamte des Sicherheitsdienstes das Haus von Kiementina Misiūnaitė in Kaunas. Die Haussuchung dauerte sieben Stunden lang. Eine Schreibmaschine und die gesamte religiöse Lite­ratur wurden beschlagnahmt.

Sechs Stunden lang durchsuchte der Sicherheitsdienst die Wohnung von Ona Tamulynaitė. Es wurde nichts gefunden.

Bei dem Bürger von Kaunas, Juozas Urbonas, wurde eine Menge religiö­ser Literatur gefunden. Nach der Haussuchung wurde er lange verhört. Bei Stasys Sipkus in Šiauliai wurde die gesamte Bibliothek vom Sicherheits­dienst beschlagnahmt.

Zehn Stunden lang dauerte die Durchsuchung bei Antanas Retkevičius in Pasvalys. Die gesamte Literatur wurde mitgenommen. Im Dorfe Viršužiglis wurde bei Regina Stravinskienė eine Schreibmaschine und eine Menge Schreibpapier beschlagnahmt.

Der „Chronik der katholischen Kirche Litauens" ist es nicht gelungen, sämt­liche Haussuchungen zu registrieren. Nachträge veröffentlicht die Chronik in der folgenden Nummer.

Nachrichten über die Verhaftung und das Verhör von Povilas Petronis feh­len.

Die von den Organen des Staatssicherheitsdienstes durchgeführten Haus­suchungen zeigen, wie groß die Anstrengungen der Sowjetregierung sind, das religiöse Leben zu unterdrücken und die Wahrheit über die heutige Lage der katholischen Kirche in Litauen zu verschleiern.

 

ERZDIÖZESE VILNIUS

Mielagėnai

An den Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten der Sowjet­republik Litauen K. Tumėnas.

An den Verwalter des Erzbistums Vilnius Hochw. C. Krivaitis

Erklärung

der Gläubigen der Pfarrei Mielagėnai, Rayon Ignalina.

Da unser Pfarrer Vincentas Miškinis bereits 80 Jahre alt ist und von vie­lerlei Krankheiten geplagt wird, ist er nicht mehr in der Lage, uns zu be­treuen.

Vor zwei Jahren, in der Fastenzeit, kamen Priester aus den Nachbargemein­den, um bei uns auszuhelfen (Beichte hören, predigen). Daraufhin hat die Vorsitzende des Exekutivkomitees von Ignalina, Frau Gudukienė, den Priester V. Miškinis vorgeladen und ihm deshalb Vorhaltungen gemacht, daß andere Priester in Mielagėnai aushelfen.

Vorigen Sommer mußte sich unser Pfarrer einer Heilbehandlung unter­ziehen. Während dieser Zeit wurde fast an allen Sonntagen kein Gottes­dienst in unserer Kirche abgehalten. Wir wandten uns an das General-vikariat des Erzbistums, um einen anderen dienstfähigen Priester zu erhal­ten. Wir verpflichteten uns, beide Priester zu unterhalten (denn alten und arbeitsunfähigen Priestern sowie Sakristanen gewährt der Staat keine Ren­ten oder Pensionen, obwohl die Kultdiener hohe Steuern an den Staat ent­richten müssen).

In diesem Jahr ist unser Pfarrer schon seit 2 Monaten schwer krank und bettlägrig. An Sonntagen halten Priester aus den Nachbargemeinden bei uns den Gottesdienst und eilen anschließend wieder nach Hause, denn Prie­ster fehlen überall. In der großen Pfarrei von Adutiškis waren früher immer zwei Priester tätig, jetzt aber waltet dort nur einer seines Amtes. Kačer-giškė hat überhaupt keinen Preister mehr, seitdem unter dem Bevollmäch­tigten Rugienius 1961 die Kirche dort geschlossen wurde. Einige Priester, z. B. die von Ignalina, müssen sogar zwei Kirchen betreuen. Es ist nur ver­ständlich, daß sie nicht noch zusätzlich unsere Pfarrei, unsere Kranken be­treuen können.

Wahrscheinlich teilt uns der Verwalter des Erzbistums, C. Krivaitis, nur deshalb keinen Pfarrer zu, weil diese überall fehlen.

Wir hören aber, daß es noch Priester gibt, die die Gläubigen versorgen könnten, jedoch erlaubt ihnen die Regierung nicht, ihren Pflichten nachzu­gehen.

So arbeitet zum Beispiel der Priester Vytautas Merkys schon seit mehr als 10 Jahren in den Baumschulen von Vilnius.

Wenn aber diesen Priestern gestattet wird, in staatlichen Betrieben zu arbeiten, warum wird ihnen nicht gestattet, uns Gläubige zu versorgen?
Wofür werden wir bestraft, da doch unsere Verfassung die Gewissensfreiheit garantiert?        

Wir wissen nicht, wofür unser Bischof Steponavičius amtsenthoben wurde und warum in unserer Pfarrkirche in Mielagėnai schon 35 Jahre lang kein Firmungssakrament mehr gespendet wurde? Es ist uns sehr schmerzlich, daß in unserer Kirche kein regelmäßiger Gottesdienst gehalten wird, daß unsere Kranken manches Mal ohne Sterbesakramente sterben müssen und daß wir keinen Priester mehr in unserer Gemeinde haben, bei dem wir eine Messe bestellen könnten.

Es wäre uns Gläubigen jedoch nicht so schwer, wenn wir nicht wüßten, daß es Priester und Bischöfe gibt, die an ihrer Amtsausübung gehindert werden. Sie sind zum Bevollmächtigten bestellt, der für unsere Angelegenheiten zu sorgen hat. Deshalb bitten wir Sie, die aus ihrem Amt entfernten Bischöfe und Priester wieder arbeiten zu lassen. Wir bitten, daß der Verwalter des Erzbistums auch für unsere Pfarrei in Mielagėnai einen arbeitsfähigen Prie­ster einsetzen möge, der in der Lage wäre, alle Gläubigen zu betreuen, wie es die Menschlichkeit und die Verfassung verlangt.

Mielagėnai, den 15. Oktober 1973

 

Diese Eingabe wurde von etwa 1000 Menschen unterschrieben, nicht nur von katholischen Litauern, sondern auch von nichtkatholischen Russen. Die Eingabe wurde jedoch vom Bevollmächtigten für Religionsangelegenheiten, K. Tumėnas, aus folgenden Gründen nicht zugeleitet:

Am 19. Oktober 1973 haben der Vorsitzende des Staatssicherheitskomitees im Rayon Ignalina, M. Kolesničenko, und der stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees des Rayon, A. Vaitonis, eine Jagd auf diejenigen eingeleitet, die diese Eingabe unterschrieben hatten.

In der Bauernschaft Miečionis wurde Fräulein Elena Jakštaite eine ganze Stunde lang verhört, wer diese Eingabe organisiert habe, und man ver­langte von ihr die Herausgabe des Schreibens mit den Unterschriften. Sie widersetzte sich jedoch dieser Forderung. Daraufhin drohten ihr die „Gäste" mit Gefängnis und Haussuchung. Davon eingeschüchtert, gab die Frau die Eingaben heraus.

Die Sicherheitsfunktionäre wußten offenbar, wer die Unterschriften sam­melte, denn direkt von Miečionis fuhren sie zu Kostas Bajorūnas in der Bauernschaft Buckūnai. Kostas war sehr aufgeregt und erklärte, daß er die Eingabe Frau Marijona Milik^niene weitergegeben habe. Danach sind die Beamten des Sicherheitsdienstes zu Familie Milikėnai in der Bauern­schaft Malikai gefahren, Marijona war nicht zu Hause. Die ganze Last des Terrors fiel auf ihren Mann Stanislovas. Dieser wollte nicht so leicht nachgeben, aber leider waren die Eingaben nicht versteckt, so daß sie be­schlagnahmt werden konnten.

An diesem Tage wurden die Eingaben mit mehreren Hunderten von Unter­schriften nur in den Bauernschaften Miečionis, Bernotai, Mešonis, Buckūnai und Solomianka beschlagnahmt; in anderen Ortschaften ist es dem Sicher­heitsdienst nicht gelungen, der Eingaben mit den Unterschriften habhaft zu werden.

Unter den Gläubigen entstand eine große Panik. Einige erklärten öffent­lich, daß jetzt das Schicksal eines gläubigen Menschen in Litauen härter sei, als das eines Leibeigenen in früheren Zeiten — die Gläubigen dürfen nicht einmal um einen Pfarrer für ihre Pfarrgemeinde bitten. Die Menschen lie­ßen sich jedoch nicht entmutigen und sammelten weiter Unterschriften. Der Sicherheitsdienst vergaß auch nicht, den Vorstand des Kirchenkomitees in Mielagėnai, Juozas Bajorūnas, zu „streicheln". Er wurde in grober Weise ausgeschimpft und man erklärte ihm, daß es verboten sei, solche Eingaben zu machen und die Menschen aufzustacheln. Zum 22. Oktober wurde J. Bajorūnas nach Ignalina bestellt, um sich zu rechtfertigen. Zu der Rayon­verwaltung fuhr er jedoch nicht selbst, sondern schickte seine Frau Ona Bajorūnienė. Der stellvertretende Vorsitzende im Rayon, Vaitonis, schimpfte sie ebenfalls aus und erklärte: „Warum macht ihr Eingaben nach Vilnius? Schreibt doch an uns. Ihr Weiber wißt, wohin man sich wenden muß. Eure Kinder sind in Vilnius, deshalb seid ihr so schlau."

Nachdem der Sicherheitsdienst die Eingaben mit den Unterschriften einge­zogen hatte, brachte am 20. Oktober der Dekan Julius Baltušis dem Pfar­rer von Paringis, Antanas Mačiulis, ein Schreiben des Verwalters vom Erzbistum Vilnius, C. Krivaitis, mit, in dem bestimmt wurde, daß der Prie­ster A. Mačiulis die Gläubigen von Mielagėnai zu versorgen habe, bis dieser Gemeinde ein Geistlicher zugeteilt werde. Diese Anweisung erfolgte ohne Rücksicht darauf, daß Paringis von Mielagėnai 12 km entfernt liegt und nur einmal am Tage ein Omnibus dorthin verkehrt.

Der Sicherheitsdienst und die Atheisten hatten ihr Ziel erreicht. Nachdem das Generalvikariat einen Priester für Mielagėnai — wenn auch nur aus­hilfsweise — zugewiesen hatte, erschien es den Gläubigen nicht mehr ange­bracht, die Eingabe abzuschicken, denn sowohl das Generalvikariat als auch der Bevollmächtigte K. Tumėnas würden ihnen antworten, daß sie einen Priester zugeteilt bekommen hätten.

Während der Unterschriftenaktion befand sich der Pfarrer von Mielagėnai, V. Miškinis, im Krankenhaus von Švenčionys. Er war auf dem Wege der Besserung, als er aber von dem Vorgehen des Sicherheitsdienstes gegen seine Pfarrkinder hörte, regte er sich so auf, daß er am 27. Oktober 1973 verstarb.

 

Rūdiškės

Der Priester Konstantinas Molis bereitete die Kinder zur ersten hl. Beichte und Kommunion vor. Am 27. Mai 1973 kam in die Kirche von Rūdiškės, in der etwa 50 Kinder versammelt waren, eine Kommission von 6 Per­sonen. Die Mitglieder der Kommission waren sehr höflich: in der Kirche hörten sie nur zu und warteten, bis der Priester seine Erklärungen beendet hatte. Als er die Kinder entließ, sprachen die Kommissionsmitglieder die Eltern an. Sie wollten wissen, zu welchem Zweck die Kinder dort versam­melt waren und notierten sich die Namen und Adressen der Eltern. Nach zwei Tagen wurden viele Kinder zum Staatsanwalt im Rayon Trakai vorgeladen. Auch der Priester K. Molis wurde vorgeladen. Beim Verhör gab der Priester zu, den Kindern Unterricht erteilt zu haben. Das zu tun, hätten ihm sein Gewissen und seine priesterliche Pflicht befohlen. Davon erschreckt, richteten die Gläubigen eine Eingabe an den Staats­anwalt des Rayon Trakai, die von 20 Personen unterschrieben war. In der Eingabe erklärten sie, daß der Priester Molis unschuldig sei, denn die Eltern hätten ihn gebeten, ihre Kinder zu unterrichten.

Am 28. Juni 1973 hat die Administrativkommission des Exekutivkomitees Trakai den Priester mit einer Geldbuße von 30 Rubel belegt. Alle Mit­glieder der Kommission verhielten sich höflich und sprachen wenig. Der Vor­sitzende soll den Priester gefragt haben, ob er sich schuldig fühle. Der Prie­ster habe nicht geantwortet. Nach einer Minute Schweigen setzte der Vor­sitzende fort: „Nach internationalem Recht sind Sie unschuldig, aber nach unseren Instruktionen — schuldig. Da Sie aber nach unserer Verwarnung die Kinder nicht mehr unterrichtet haben und für solche Vergehen bisher nicht bestraft waren und versprechen, daß Sie in Zukunft nicht mehr unter­richten werden sowie in Anbetracht anderer Faktoren, erhalten Sie nur eine Geldstrafe von 30 Rubel."

Die Administrativkommission händigte dem Beschuldigten das Urteil nicht aus, sondern befahl ihm lediglich, bei der Bank 30 Rubel einzuzahlen. Die Bankangestellten würden die Einzahlung ohne besondere Erklärung anneh­men.

 

Adutiškis

An den Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten beim Ministerrat der UdSSR Tarasov;

An S. E. den apostolischen Administrator des Erzbistums Kaunas, Bischof J. Labukas;

An das Generalvikariat des Erzbistums Vilnius;

An den Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten K.Tumėnas;

An die Vorsitzende des Exekutivkomitees des Rayon Švenčionys Pur-vaneckaitė

Erklärung

des Pfarrers B. Laurinavičius, wohnhaft in der Sowjetrepublik Litauen, Rayon Švenčionys, Adutiškis.

Am 16. Juli 1973 verlangte der Gemeindevorsitzende von Adutiškis, A. Laurinavičius, die Kirchenschlüssel. Nach dem Zweck befragt, antwortete er: „Ein hoher Gast aus Moskau ist gekommen — Tarasov. Er will die Kirche besichtigen."

Auf dem Kirchplatz bin ich ihnen, dem Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten in der Sowjetrepublik Litauen, K. Tumėnas, der Vorsitzenden des Exekutivkomitees des Rayon Švenčionys, Purvaneckaitė, einem unbekannten Mann und dem Gemeindevorsitzenden von Adutiškis, A. Laurinavičius, begegnet. Diese haben mir Fragen gestellt:

1.        Auf die Frage „Wie viele kommen zur Kirche?" antwortete ich, daß ich es nicht wüßte, da ich nicht zähle. Damit ich Ihre Frage beantworten kann, haben wir am 22. Juli 1973 722 Personen gezählt. Daraus kann man aber keine Schlüsse ziehen, denn viele kommen nicht in die Kirche, da sie einen weiten Weg haben und keine Transportmöglichkeiten bestehen, und es gibt auch viele Hindernisse. So hat mir eines meiner Pfarrkinder,Feliksas Kairys, als es mich am 14. April 1973 von einem Krankenbesuch nach Hause brachte, fast unter Tränen erzählt: „Ich habe hart gearbeitet und mir einen Anzug gekauft, aber was habe ich davon? Schon zwei Jahre habe ich vor, ihn anzuziehen und in die Kirche zu gehen. Leider kann ich es nicht, denn mich verfolgt die Angst. Der Direktor der Sowchose von Jakeliai, Galvydis, drohte mir im Frühjahr: „Wenn du am Sonntag nicht zur Arbeit kommst, erhältst du weder ein Pferd für die Bestellung deines privaten Ackers, noch für das Einfahren des Brennholzes, auch bekommst du weder Heu für deine Kuh, noch den Mähdrescher für die Gerste."
Povilas Burokas aus der Sowchose von Jakeliai bekam nur deshalb weder Heu für seine Kuh noch eine Prämie, weil er an Sonntagen in die Kirche ging.        

P. Burokas und die Familien Steponėnas und Trečiokas bekamen aus der Sowchose auch keinen Weizen zum ermäßigten Preis, weil sie sonntags zur Kirche gingen.

Die Kirchgänger wurden auf der Schandtafel angeprangert.

2.        Auf die Frage „Wie viele Gläubige gibt es in der Pfarrei?" antwortete ich, daß ich es nicht wüßte. Schon seit Jahren ist es uns verboten, die Pfarrkinder zu besuchen, zu kollektieren; eine genaue Liste der Pfarrangehörigen kann man aber nur bei Familienbesuchen erstellen. Ich kann nur soviel sagen, daß es vor dem Kriege in der Pfarrei über 9000 Gläubige gab.

3.        Sie fragten „Wozu werden die Bretter verwendet?" In der Kirche muß der Fußboden erneuert werden. Sie aber antworteten, daß der Fußboden noch gut sei. Ich habe es ihnen bewiesen, daß er vom Pilz befallen ist. DiePfarrei macht keine unnötigen Ausgaben, denn sie hat kein Geld.
Danach haben Sie unterstrichen, daß die Kirche ein staatliches Gebäude sei, in dem ohne Erlaubnis kein Nagel eingeschlagen werden dürfe.

Bei der Verstaatlichung der Kirche wurde auch das zur Kirche gehörende Wohnhaus enteignet. Dieses Haus wurde von den Vorfahren der Pfarr­angehörigen gebaut und ist ihnen daher teuer. Die Gläubigen sind darüber besorgt, daß es nun verwahrlost und vernachlässigt wird. Daher hat sich das Kirchenkomitee an die heutigen Hausherren gewandt — an das Exe­kutivkomitee der Gemeinde von Adutiškis. Auch ich, als Mieter, habe mich mehrere Male (am 31. 5. 1968, 24. 2. 1969, 28. 1. 1970, 24. 7. 1972) an sie gewandt, denn es regnet durch, und der Schornstein ist baufällig. Ob­wohl ich eine monatliche Miete von 56,45 Rubel zahlen muß, ist das Dach bis heute noch nicht repariert. Sowohl dem Kirchenkomitee als auch mir wurde mündlich geantwortet: „Es gibt keine Organisation, die die Renovierung ausführen könnte." Merkwürdig, zum Geldkassieren gibt es eine Organisation, aber zum Renovieren nicht!

Die Kirchplatzmauer war, besonders von der Straßenseite, schon seit mehre­ren Jahren baufällig. Es hätte leicht ein Unglück entstehen können, aber die Verantwortlichen im Rayon hatten das nicht bemerkt. Das Kirchenkomitee wandte sich an die Rayonverwaltung mit der Bitte, Zement kaufen zu dürfen. Den Bittstellern wurde geantwortet: „Bei uns fehlt der Zement für wichtigere Aufgaben." Manchmal stehen in der Rayon­zeitung Annoncen, daß Baustoffe frei verkauft werden, will man aber wel­che kaufen, heißt es: „Für die Kirche wird nichts verkauft." So antwortete im Januar dieses Jahres der Leiter des Baustofflagers im Rayon Švenčionys. Die Gläubigen haben erkannt, daß die Kirchengebäude nur deshalb ver­staatlicht worden sind, damit sie schneller verfallen (auf diese Weise sind zahlreiche Kirchen in Weißrußland zerstört worden), deshalb kaufen sie selbst die Baustoffe und helfen tatkräftig bei der Renovierung mit. Obwohl die Kirchengebäude verstaatlicht sind, fühlen sich die Pfarrange­hörigen auch jetzt noch als rechtmäßige Eigentümer, denn ihre Vorfahren haben selbst die Kirche ohne fremde Unterstützung gebaut.

4.        Nachdem Sie erfahren hatten, daß am 15. Juli dieses Jahres in der Kirche von Adutiškis das Kirchweihfest gefeiert wurde, machten Sie zu mir die Bemerkung: „Sie halten sich nicht an die sowjetischen Gesetze. Sie habenohne Erlaubnis der Rayonverwaltung Priester zum Kirchweihfest eingeladen."

Ich habe keine Erlaubnis eingeholt, denn ich stütze mich auf den zwischen dem Kirchenkomitee und dem Exekutivkomitee des Rayon Švenčionys ge­schlossenen Vertrag. Im zweiten Absatz des genannten Vertrages heißt es deutlich: „Somit wird die Möglichkeit zum ausschließlichen Gebrauch für Kultzwecke allen anderen Personen desselben Glaubensbekenntnisses gege­ben, aber der Vollzug von religiösen Zeremonien ist den Kultdienern nicht gestattet, die nicht beim Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegen­heiten der Sowjetrepublik Litauen registriert sind." Die Priester habe ich also rechtmäßig eingeladen.

Daraufhin fragten Sie den Bevollmächtigten der Sowjetrepublik und die Vorsitzende des Exekutivkomitees: „Kann das im Vertrag so stehen?" Diese antworteten, wie Sie auch, daß es nicht möglich sei. Es ist sehr bedauerlich, daß weder Sie, noch Ihre Begleiter, denen die Kirche unterstellt ist, wissen, was uns erlaubt ist. Ich riet Ihnen, den Kirchensekretär herbeizuholen, damit wir an Ort und Stelle klären könnten, wer recht hätte, aber Sie antworteten nur halblaut: „Wenn das so ist, wird der Vertrag eingezogen." Es ist bedauerlich, daß alles einseitig gemacht wird. Was nach dem Ver­trag erlaubt ist, wird jetzt verboten.

Zum Beweis, daß nicht Sie und Ihre Begleiter im Recht waren, sondern ich, füge ich diesem Schreiben eine Abschrift des genannten Vertrages bei. In der Sowjetunion ist die Kirche vom Staat getrennt, aber es gibt wohl keinen anderen Staat auf der Welt, der sich so viel in das Leben der Kir­che einmischt.

Es ist verständlich, daß der Staat so reagiert, wie er will, aber es ist ein Unglück, daß er keine schriftlichen Gesetze erläßt, sondern eine unbe­schränkte Gewalt den Stellvertretern der Rayonkomitees überträgt, ja manchmal sogar den Vorsitzenden der Dorfgemeinden, die alles nach eige­nem Gutdünken auslegen. Diese regieren und belehren die Priester sogar, wie man religiöse Zeremonien vollzieht.

Es ist allen bekannt, daß in der Sowjetunion Spezialisten nur von Spezia­listen ausgebildet werden, aber die Unterweisung der Priester ist in der Sowjetunion Personen anvertraut, die in keiner Weise dafür kompetent, sondern fanatische Atheisten sind. Die Atheisten belehren die Priester, wie sie religiöse Zeremonien zu vollziehen haben.

Während meiner Tätigkeit in Švenčionėliai belehrte mich der Vorsitzende des Exekutivkomitees V. Bukielskis: „Wenn du einen Verstorbenen zum Friedhof geleiten willst, mußt du die Priestergewänder ablegen und am Schwanz des Volkes marschieren." Auf meine Frage, worauf sich diese Auf­fassung gründe, antwortete er: „Das ist Anordnung der Regierung." Was würden denn die Gläubigen denken und sagen, wenn ich einen Toten zum Friedhof geleiten und nur das Schlußgebet „Herr, gib ihm die ewige Ruhe!" verrichten würde, wie mich die Vorsitzende des Exekutivkomitees des Rayon Švenčionys am 2. Oktober 1972 belehrte?

Ich kann die Zeremonien nicht anders vollziehen, als sie im „Rituale für die römisch-katholischen Bistümer Litauens" niedergelegt, von der litauischen

Kommission der Bistümer Litauens redigiert, von den sowjetischen Orga­nen zensuriert und von der heiligen Ritenkongregation approbiert sind. In Sowjetlitauen existiert noch die kirchliche Hierarchie — die bischöflichen Ordinariate, sogar die Ritenkommission, aber nicht die Ordinariate, nicht die Ritenkommission erteilt Anordnungen, sondern Organe, die in keiner Weise dafür kompetent sind; die Ordinariate haben nur das Recht, Inter­views zu geben.

Wenn ein Priester der Regierung nicht genehm ist, wird er ihr Opfer. Ich bin moralisch und materiell geschädigt worden. Hier die Tatsachen: Vom Amt des Pfarrers in Švenčionėliai bin ich durch Erpressung beseitigt wor­den: „Wenn du Švenčionėliai nicht verläßt, kannst du als Priester nicht mehr wirken." So sagte mir der Bevollmächtigte für Religionsangelegen­heiten Rugienius.

Das Haus, das ich bei der Kirche von Švenčionėliai gebaut hatte, wurde unrechtmäßig beschlagnahmt.

Am 16. Juli habe ich erklärt, daß wir früher um Erlaubnis baten, Prie­ster zum Kirchweihfest einladen zu dürfen. Mit der Zeit haben wir damit aufgehört, denn die offizielle Persönlichkeit, der im Rayon die Kirchen­angelegenheiten anvertraut waren, begann uns zu verspotten. Der stellver­tretende Vorsitzende des Exekutivkomitees des Rayon Švenčionėliai, Telyčėnas, hat die Erlaubnis erteilt, an einem und demselben Tag in allen Pfarreien des Rayon geistliche Übungen abzuhalten. Sein Ziel war klar — diese Übungen zu sabotieren. Aber niemand hat das höhnische Vorgehen dieses Funktionärs verurteilt. Um dieses Vorgehen zu rechtfertigen, haben Sie schlauer geantwortet: „Sie konnten doch Priester aus anderen Rayons, aus Vilnius, Palanga oder sogar aus anderen Republiken einladen." Ihre Antwort war nicht minder höhnisch. Die Priester in Vilnius haben dort Arbeit genug. Palanga ist zu weit entfernt (463 km), und außerdem sind dort nur 2 Priester tätig. Einige Rayons, z. B. Ignalina, lassen Priester aus anderen Rayons gar nicht hinein.

An Palanga und andere Rayons, ganz zu schweigen an andere Repu­bliken, war also gar nicht zu denken. Die Priester anderer Republiken sind beim Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten der Sowjet­republik Litauen nicht registriert und können daher laut oben genanntem Vertrag in Litauen überhaupt nicht arbeiten.

Wir Priester wollen nichts anderes, als nur gemäß Paragraph 124 der Ver­fassung der Sowjetunion und gemäß Paragraph 96 der Verfassung der Republik Litauen arbeiten und die Zeremonien nach dem oben erwähnten Rituale vollziehen.

Am 16. Juli 1973 wurde im Rayon erklärt, daß 2 oder 3 Priester die Er­laubnis erhalten würden, am Kirchweihfest auszuhelfen, aber wie hätten 2 oder 3 Geistliche am 15. Juli bei anderthalbtausend Menschen die Beichte hören können?

In Litauen ist es schon vorgekommen, daß nach einem Kirchweihfest Prie­ster wegen Übermüdung gestorben sind, so z. B. der Priester Ražanskas in Šeduva, und der Priester K. Garuckas ist schwer erkrankt. Deshalb habe ich so viele Priester eingeladen, wie mich die Bestimmungen der Synode des Erzbistums Vilnius verpflichten, damit die Gläubigen leicht beichten und schnell wieder nach Hause gehen können, und vor allem, daß sie an Wochentagen nicht stundenlang am Beichtstuhl stehen müssen, denn viele wären an Arbeitstagen gekommen. Ich habe so viele Priester eingeladen, damit die Menschen zufrieden sind und weder gegen die Regierung noch gegen mich murren. Die Rayonverwaltung hat dadurch keine Nachteile gehabt, denn ich habe sie um keine Unterstützung für die Bewirtung der Priester gebeten.

Zur Zarenzeit mußten die Priester eine Erlaubnis haben, wenn sie zum Kirchweihfest kommen wollten, wie Bischof M. Valančius in seinem Buch Maskoliams katalikus persekiojant (Als die Moskowiter die Katholiken verfolgten), Kaunas 1929, S. 32 und A. Alekna Bažnyčios istorijoje (Kirchen­geschichte), Tilžė, 1920, S. 223 berichten: „1863 wurde es verboten, neue Kirchen zu bauen oder alte zu renovieren, und den Priestern zum Kirch-weihfest zu kommen."

Lenin hat, als er alle vom Zaren erlassenen Dekrete abschaffte, zweifellos auch dieses abgeschafft, wodurch es verboten war, Priester zum Kirchweih­fest einzuladen, und in der Zwischenzeit wurde ein solches oder ähnliches Dekret nicht erlassen.

 

Adutiškis, den 31. Juli 1973

Pfarrer B. Laurinavičius

Vilnius

Aus der Arbeit wurden entlassen:

1.     Bronė Papkevičiūtė, Kandidatin der Erziehungswissenschaften, die als leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsinstitut für Pädago­gik tätig war. Am 7. Mai 1973 hat der Direktor des Instituts, V. Rajeckas, unter Druck des Staatssicherheitsdienstes, ihr vorgeschlagen, eine Kündi­gung auf eigenen Wunsch einzureichen. B. Papkevičiūtė wird beschuldigt, eine Ordensfrau zu sein.

2.     Domicelė Gailiušytė, Lehrerin der französischen Sprache mit akademi­scher Ausbildung, die in der Mittelschule von Naujoje Vilnia gearbeitet hat. Im Mai 1973 wurde sie aus dieser Arbeitsstelle entlassen. D. Gailiušytė wurde beschuldigt, eine Ordensfrau zu sein.

3.     Elena Šuliauskaitė, Oberlaborantin an der historischen Fakultät der Uni­versität Vilnius (mit akademischer Bildung). Im Mai 1973 hat ihr der Pro­rektor B. Sudavičius mitgeteilt, daß sie an der Universität keine pädago­gische Tätigkeit mehr ausüben könne, da sie eine Ordensfrau sei.

4.     Šidla Voldemaras, mit Abschluß des Studiums der Wirtschaftswissenschaf­ten, war Direktor einer Handelsschule. Ende Mai 1973 wurde er entlassen, weil er zwei Schüler aus der Schule nicht entfernt hatte, die den 16. Februar begehen wollten (am 16. Februar 1918 wurde die Unabhängigkeit des litaui­schen Staates proklamiert).

 

ERZBISTUM KAUNAS

Kaunas

1973 hat die Regierung der Leitung des Priesterseminars erlaubt, 12 Kandi­daten in das interdiözesane Priesterseminar in Kaunas aufzunehmen. Zwei Kandidaten wurden vom Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegen­heiten K. Tumėnas gestrichen. Die Entscheidung für die Aufnahme der Kandidaten in das Priesterseminar trifft der Sicherheitsdienst. Wenn ihm ein Kandidat aus bestimmten Gründen mißfällt, wird ihm der Eintritt ver­weigert. Ende 1973 haben 48 Kandidaten im Priesterseminar in Kaunas studiert.

Die Sowjetregierung wartet darauf, daß es in Litauen keine Kandidaten mehr für das Priesterseminar gibt. Dann würde sie die Beschränkung auf­heben, und jeder, der wollte, könnte eintreten.

Der Leitung des Priesterseminars wurde angeboten, die Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit zu übernehmen. Früher hat das Priesterseminar einige Jahre lang diese Kirche benutzt; sie war renoviert worden, aber die Regierung hat sie dann beschlagnahmt und als Lagerraum verwendet. Auf diese Weise wurde sie vollkommen vernachlässigt, nicht einmal das schadhafte Dach wurde repariert. Es dürfte wohl sicher sein, daß die Regierung, wenn das Priesterseminar die Kirche erneut renovieren würde, diese später wieder beschlagnahmen würde. Der Bischof hat die Renovierung der Kirche abge­lehnt — wer den Schaden verursacht hat, der soll ihn auch beheben! Am 3. Oktober 1973 haben die Arbeiter des Baukombinats für Holzbear­beitung gestreikt. In der Morgenschicht sind 320 Arbeiter in den Ausstand getreten und in der Abendschicht etwa 340. Die Ursache für den Streik war die Herabsetzung der Löhne.

Am Streiktag kamen zum Kombinat Funktionäre der Miliz und des Sicher­heitsdienstes sowie Vertreter des Exekutivkomitees der Stadt Kaunas. Sie versuchten, die Arbeiter im guten zur Arbeit zu bewegen, aber auch den aus dem Ministerium inzwischen hinzugekommenen Beamten gelang es nicht, die Arbeiter zu überreden. Am folgenden Tag wurden die Löhne wieder heraufgesetzt.

Die Schuld an dem Streik wurde der Jugend zugeschrieben, aber fast alle Streikenden waren Erwachsene, ja sogar zum Teil ergraute Menschen.

 

Šiauliai

Der in Litauen berühmte Burghügel Meškuičiai wird heute Kreuzberg ge­nannt. Dort standen immer Kreuze, die von vielen Litauern errichtet waren, aber die Atheisten haben diese heilige Stätte wiederholt geschändet, die Kreuze niedergerissen und verbrannt. Die Bevölkerung hat immer erneut kleine und große Kreuze auf diesem den Litauern so teuren Hügel aufge­richtet.

Der Kreuzberg war nach der Verwüstung im Jahre 1961 nahezu vollständig wiederhergestellt. Leider erfolgte Ende April 1973 eine neue Verwüstung; kein einziges Kreuz war stehen geblieben. Der traurige und geschändete Hügel hielt ringsum Ausschau, bis gläubige Hände und liebende Herzen sein Haupt erneut mit dem Zeichen des Heiles, mit dem Kreuze, krönen würden. In der Nacht des 19. Mai 1973 um 24 Uhr erschien am Stadtrand von Šiau­liai eine ungewohnte Prozession. Eine Schar junger Männer und Mädchen trug ernst und schweigend ein Kreuz, und betete still den Rosenkranz. Das 3 Meter lange, 45 kg schwere Kreuz übernahm von Zeit zu Zeit ein anderer auf seine Schultern. Das Kreuz war mit symbolischen Zeichen geschmückt: ein Herz von 2 Schwertern durchbohrt, auf deren Schäften je ein Haken­kreuz und ein fünfzackiger Stern zu sehen waren.

Die Jugend Litauens trug das Kreuz, nicht um Gesundheit zu erbitten, son­dern als Sühne für die Schändung des Kreuzes, für die Sünden unseres Volkes. Sie trug das Kreuz als Zeichen des Sieges. In dieser Nacht haben viele von diesem Kreuztragen gewußt und eine Stunde für die Verehrung des Kreuzes bestimmt. In dieser Stunde haben viele mit gefalteten Händen im Geiste das Kreuz Christi getragen. Alle Kreuzträger hatten am Vorabend die heilige Kommunion empfangen.

Bei den Vorbereitungen zum Kreuztragen hatte man erfahren, daß ein Bürger den Sicherheitsdienst benachrichtigt hätte. Die Funktionäre des Si­cherheitsdienstes haben die ganze Nacht über die Strecke Šiauliai—Kreuzberg abgefahren. Das gute Gelingen ihres Vorhabens erschien daher den Kreuz­trägern wie ein Wunder. Am 20. Mai 1973 um 2.30 Uhr war der Kreuzberg wieder mit einem neuen schönen Kreuz geschmückt. Um das Kreuz herum waren Blumen gepflanzt und eine Kerze angezündet. Alle hatten sich nieder­gekniet und beteten: „Christus, König, Dein Reich komme in unser Land!"

 

Um 6.45 Uhr wurde das Motorengeräusch eines Autos hörbar. Die Funktio­näre rieben sich die Augen — die ganze Nacht hatten sie nach dem Kreuz gefahndet, und nun stand es da. Böse Hände rissen das Kreuz heraus und transportierten es weg. Aber um die Mittagszeit stand wieder ein anderes Kreuz da. Die Atheisten haben die Kreuze immer wieder vernichtet, aber die Kreuze sind stets erneut wie aus dem Erdboden hervorgewachsen.

Verhöre wegen des Kreuztragens im Mai 1973

Am Abend des 20. Mai 1973 kamen Funktionäre des Sicherheitsdienstes zu dem Bürger der Stadt Šiauliai, Mečislovas Jurevičius, geboren 1927, und brachten ihn zum Sicherheitsdienstgebäude. Hier wurde Mečislovas verhört: hat er das Kreuz getragen, welchen Weg hat er benutzt, wie viele Menschen haben das Kreuz getragen, wer hat das Kreuztragen organisiert, wer hat das Kreuz gezimmert, welche Priester haben zum Kreuztragen aufgefordert?... Jurevičius soll geantwortet haben, das Kreuz habe er allein gezimmert und getragen. Er wurde auch gefragt, wofür er schon früher bestraft worden sei.

  - Für die Fehler Stalins.
 - Mach Schluß mit der Verleumdung Stalins! — schrie der Sicherheitsfunk­tionär.
 - Natürlich, jetzt könntet ihr einen Stalin gut gebrauchen.

 

erner wurde Jurevičius ausgefragt, welche Priester er kenne, wer in der Kirche ministriere, mit welchen Menschen er zusammentreffe usw. Jurevičius erklärte, daß er keine weiteren Fragen beantworten werde. Die Sicherheits­beamten nannten ihn einen Fanatiker und drohten ihm mit einer längeren Gefängnisstrafe als früher, mit Arrestzelle, Spritze usw. Zum Schluß wurde ihm befohlen, sich an die Wand zu stellen. Da Jurevičius nicht einzuschüch­tern war, wurde er eingeschlossen. So verging die Nacht. Am folgenden Morgen wurde das Verhör fortgesetzt: wer hat den Kindern das Ministrieren beigebracht? Mit welchen Priestern sprichst du am meisten? Wer ministriert bei der Messe? Nach der Mittagspause erschien der Staats­anwalt und fragte, warum er schweige? „Ihr werdet mir so oder so 10 Jahre geben" — erklärte Jurevičius.

Am Abend durfte Jurevičius nach Hause gehen, mit der Auflage, am 23. Mai wieder zu erscheinen. An dem Tage wurde er wieder verhört und einge­schüchtert, aber Mečislovas schwieg. Danach wurde ihm befohlen, am 29. Mai erneut in das Gebäude des Sicherheitsdienstes zu kommen. Der Funktionär verlangte, alles aufzuschreiben und ließ sich danach über die Religionsfreiheit aus, daß die Priester die Menschen betrügen usw. Jurevičius habe erklärt: „Wenn ich schuldig bin, dann verurteilt mich!"

—        Verurteilen ist leicht, aber man muß den Menschen auf den guten Weg bringen, — meinte der Untersuchungsbeamte.

Als Mečislovas nach Hause entlassen wurde, erklärte der Untersuchungs­beamte:

—        Uns ist bekannt, daß ihr das Kreuz zu Ehren von Kalanta getragen habt.

Am Nachmittag des 20. Mai 1973 kamen Funktionäre des Sicherheitsdienstes zum Schüler des 4. Kurses des Polytechnikums Šiauliai, Zenonas Mištautas, und brachten ihn zum Gebäude des Staatssicherheitsdienstes. Dort wurde er verhört, was er in der vergangenen Nacht getan hätte, ob er bei der Messe ministriere, in welche Kirche er gehe, wer außerdem bei der Messe ministriere, wer bei den Anbetungsstunden mitmache und was die Priester während den Predigten sagten.

Gegen 16 Uhr brachten die Funktionäre Zenonas wieder nach Hause und führten ohne Genehmigung des Staatsanwaltes eine Haussuchung durch. Die Sicherheitsbeamten überprüften alle Bücher und Hefte. Bei der Durchsuchung wurden ein belichteter Film und ein Notizbuch mit religiösen Gedanken mit­genommen. Den entwickelten Film gaben sie wieder zurück, das Notizbuch jedoch nicht. Danach wurde das Verhör im Gebäude des Sicherheitsdienstes fortgesetzt. Zenonas wurde gefragt, wie viele Menschen das Kreuz getragen hätten, wer das Kreuz angefertigt hätte, welcher Weg benutzt worden wäre, zu welcher Stunde das Kreuz errichtet sei usw.? Vier Untersuchungsbeamte haben Zenonas von allen Seiten umringt, bedrohten ihn mit geballten Fäu­sten und zeigten ihm, welche Spuren zurückblieben, wenn er mit dem Knüp­pel bearbeitet werden würde. Dreimal gingen sie den Knüppel holen. Beim Weggehen sagten sie jedesmal: „Jetzt holen wir den Knüppel, ziehen dir die Hose herunter und wenn du es ordentlich bekommst, dann wirst du alles erzählen." Die Untersuchungsbeamten haben dann allerhand Unsinn über den Kreuzberg zusammengeschwätzt, ohne dabei mit anstößigen Ausdrücken zu sparen. Am Schluß versuchten die Funktionäre Zenonas einzuschüchtern, er solle in Zukunft ja kein Kreuz mehr zum Burghügel Meškuičiai tragen. Ihm wurde befohlen, am 25. Mai wieder zum Gebäude des Sicherheitsdienstes zu kommen. Erneut wurde er über das Kreuztragen und Ministrieren bei der Messe verhört. Als der Sicherheitsfunktionär nichts herausbringen konnte, wurde er wütend und drohte, alles in der Schule zu melden, aus der er dann entfernt werden würde. Am Schluß des Verhörs gab der Untersuchungs­beamte seine Telefonnummer und befahl, ihn am 28. Mai anzurufen. Zeno­nas weigerte sich jedoch zu telefonieren.

Zu Beginn des Schuljahres wurde nun Zenonas von der Schule „erzogen". Man drohte ihm mit Verweisung von der Schule, wenn er auch weiterhin so hartnäckig bei seiner Uberzeugung bliebe.

Am 3. Oktober befahl die Klassenlehrerin Zenonas, zum Gebäude des Sicher­heitsdienstes zu gehen. Er aber verlangte eine schriftliche Vorladung. Zenonas wurde daran erinnert, daß er von der Schule verwiesen würde, wenn er nicht zum Sicherheitsdienst ginge. Er ging jedoch nicht hin.

Am 10. Oktober brachten die Beamten des Sicherheitsdienstes Zenonas zu ihrem Gebäude. Das Verhör dauerte drei Stunden. Der Verhörte schwieg auf die meisten Fragen.

Bis jetzt wurde Z. Mištautas aus dem Polytechnikum in Šiauliai noch nicht verwiesen.

*   *   *

Am 20. Mai 1973 gegen 12 Uhr wurde zusammen mit Z. Mištautas auch Virginijus Ivanovas vom Sicherheitsdienst abgeholt. Anfangs sprach der Untersuchungsbeamte ruhig und las Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch über politische Vergehen vor. Dann aber befahl er, alles der Reihe nach zu erzählen, was er am Samstagabend und in der Nacht getan hätte. Als Vir­ginijus erklärte, daß er nichts sagen werde, hörte die „Höflichkeit" des Funk­tionärs plötzlich auf. Virginijus wurde Fanatiker und Dunkelmann genannt. „Für dich ist kein Platz an der höheren Musikschule, denn bist du erst Chor­leiter, wirst du die Sänger agitieren."

Am Nachmittag wurde Virginijus nach Hause gebracht, wo eine Haus­suchung durchgeführt wurde (ohne Erlaubnis des Staatsanwaltes). Bei der Durchsuchung nahm der Sicherheitsdienst einige Hefte mit religiösen Ge­dichten mit. Später wurde das Verhör fortgesetzt. Zuerst waren die Beamten freundlich, dann aber verloren sie die Geduld, drohten mit Schlägen und mit Einsperrung in eine Dunkelzelle. Das Verhör dauerte bis in die Nacht hinein. Nachts durften sie nicht schlafen. Alle zwei Stunden kam ein Funktionär und befragte sie über Priester, Kirchendiener, Beter usw. Am Montag, gegen 12 Uhr, ließ der Sicherheitsbeamte unterschreiben, daß er niemand von dem Verhör erzählen werde. Wenn jemand frage, wo er gewesen sei, solle er antworten — nicht beim Sicherheitsdienst, sondern bei der Miliz.

Danach wurde Virginijus noch einige Male vom Sicherheitsdienst vorgeladen. Da er aber nicht hinging, wurde er von der höheren Musikschule verwiesen mit dem Hinweis, er sei nicht zum Examen gekommen. In Wirklichkeit war Virginijus aber durch eine ärztliche Kommission vom Examen befreit. Im Juli reichte die Mutter von Virginijus eine Klage beim Generalstaats­anwalt in Moskau ein:

„In der Nähe von Šiauliai befindet sich der Kreuzberg, der seit alters her von den Gläubigen in Ehren gehalten wird. Mein 16jähriger Sohn hat mit eini­gen Freunden in der Nacht zum 20. Mai ein Kreuz zum Kreuzberg getragen. Dafür haben Organe des Sicherheitsdienstes in Šiauliai meinen Sohn am folgenden Morgen abgeholt und ihn 24 Stunden lang ohne Nahrung und Schlaf festgehalten. Mein Sohn war vor kurzem an einer Gehirnentzündung erkrankt gewesen. Vom Frühjahrsexamen war er deshalb befreit worden. Es war ihm jegliche Aufregung verboten, damit er nicht wieder rückfällig würde. Mein Sohn wurde jedoch von der höheren Musikschule verwiesen, nur deshalb, weil er das Kreuz zum Kreuzberg getragen hat. Ich bitte den Generalstaatsanwalt, diese Tatbestände genau zu prüfen und mir mitzuteilen, ob die Organe des Staatssicherheitsdienstes so vorgehen durften, da die Verfassung allen Gläubigen Gewissens- und Kultusfreiheit garantiert."

Viktorija Ivanovna

Der Klage an den Staatsanwalt war ein Attest über die Befreiung vom Examen beigefügt.

Anfang September kam aus der Staatsanwaltschaft der Republik in Vilnius folgende Antwort:

„Wir teilen Ihnen mit, daß beim Uberprüfen Ihrer am 25. Juli eingereichten Klage festgestellt wurde, daß am 20. Mai Vertreter der Sowjetregierung mit Ihrem minderjährigen Sohn in Gegenwart seines Vaters Ivanovas über un­zulässige Handlungen gesprochen haben, die Ihr Sohn zusammen mit ande­ren Personen hinsichtlich des archäologischen Denkmals — Burghügel Jurgai­čiai — begangen hatte.

Unzulässige Handlungen von Seiten der Staatsorgane, die mit Ihrem Sohn gesprochen haben, wurden nicht festgestellt.

Erster Stellvertreter des Staatsanwalts der Republik, Bakučionis.

Die Verfolgung durch den Sicherheitsdienst hat nicht nur keine Furcht her­vorgerufen, sondern mehr Mut gegeben. Eine Kreuzträgerin schreibt: — Litauer, erkenne deine Kraft! Sie besteht in Christus und gegenseitiger Einmütigkeit! Halte unerschütterlich die Wacht vor allem, was deinem Her­zen heilig und teuer ist! Laß auch nicht zu, daß der Kreuzberg geschändet wird! Laß ihn nicht geschändet und leer! Trage dorthin deine Freude und deinen Schmerz, deine Hoffnung und deinen Sieg! Trage dorthin deine Liebe und Treue zu Gott — trage dorthin dein Kreuz!

Der zu wiederholten Malen geschändete Kreuzberg hat einen neuen Gedan­ken wachgerufen: Wenn es nicht möglich ist, ein Kreuz am Kreuzberg zu errichten, dann laßt uns ein Kreuz an unserem Haus, in unserer Wohnung, in unseren und anderen Herzen errichten!

 

Šiauliai

Am 30. Oktober 1973 wurde der Schüler der 7. Klasse der V. Mittelschule in Šiauliai, Leonas Šileikis, zum Lehrerzimmer befohlen, wo zwei Sicherheits­beamte auf ihn warteten und ihn dann zum Schülerzimmer führten. Hier durchsuchten sie seine Tasche und seine Hefte und fragten ihn, mit wem er befreundet sei. Danach führten sie ihn zum Gebäude des Staatssicherheits­dienstes und zeigten ihm dort Flugblätter, die Leonas im Zentrum von Šiauliai verteilt hatte. Auf den Flugblättern waren Aufrufe zu lesen: „Nieder mit der Sowjetregierung! Russen raus aus Litauen! Freiheit für Litauen!" Die Untersuchungsbeamten fragten ihn, wer ihn zum Schreiben solcher Auf­rufe angeleitet habe, und wie er auf diesen Gedanken gekommen sei, ob die Eltern zu Hause gegen die Sowjetregierung redeten, ob er in die Kirche und zur Beichte gehe, bei der Messe ministriere, Priester besuche, ob die Eltern die „Stimme Amerikas" abhörten, ob sie religiöse Bücher hätten, aus welchem Gebetbuch — aus einem neuen oder alten — er bete usw. Das Verhör dauerte fünf Stunden lang. Am folgenden Tag wurde Leonas erneut verhört. Nach einigen Wochen begann die Schuldirektorin Leonas zu „erziehen". Sie fragte ihn über die Flugblätter und insbesondere über die Kirche aus.

—        Ich ging zur Kirche und werde auch weiterhin gehen —, erklärte Leonas. Daraufhin beschloß die Schuldirektorin, seine Note für Betragen herabzu­setzen.

Am 1. 11. 1973 wurde die Schülerin der 11. Klasse der V. Mittelschule in Šiauliai, Virga Šileikyte, zum Sicherheitsdienst vorgeladen. Der Sicherheits­beamte wollte wissen, ob Virga zur Kirche gehe, wer an der Anbetung teil­nehme, wie man Religion mit der Wissenschaft vereinbaren könne, warum sie dem Komsomol nicht beitrete, welche atheistischen Bücher sie gelesen habe, ob sie am Kreuzberg gewesen sei, ob sie nicht Ivanovas oder Mištautas kenne, welche Priester sie kenne usw.?

Das Mädchen machte den Sicherheitsbeamten klar, daß sie die Prozessions­teilnehmer nicht kenne, in den Komsomolmitgliedern kein gutes Beipiel sehe, besonders hätte ihr die Tätigkeit der Organisation der Pioniere mißfallen. Die Bücher von Ragauskar Ite Missa est und Anuo metu (Zu jener Zeit) hät­ten sie wegen der darin enthaltenen Ungereimtheiten empört. Der Sicher­heitsbeamte erklärte, daß die Priester sich schlecht benähmen und sogar Menschen erschossen hätten.

—        Ich glaube an Gott, nicht an die Priester, — erwiderte Virga. Als der Sicherheitsfunktionär das Mädchen wieder in die Klasse entließ, sagte er, daß er sie noch zu einem Gespräch vorladen würde.

Am 31. Oktober 1973 wurde die Mutter von Leonas Šileikis, Joana Šileikiene, vom Sicherheitsdienst vorgeladen und über das Vergehen ihres Sohnes be­fragt, ob zu Hause antisowjetische Reden geführt, ob die Kinder religiös erzogen würden, ob sie mit Priestern zusammenkämen, wer sonst aus ihrem Hause noch zur Kirche gehe, ob sie Verwandte im Ausland hätten und an­deres. Das Verhör dauerte zwei Stunden.

Am 1. November 1973 wurde der Vater von Leonas, Juozas Šileikis, zum Sicherheitsdienst vorgeladen. Der Untersuchungsbeamte fragte ihn, ob nicht die Tischler des Blindenkombinats das Kreuz gezimmert hätten, das zum Kreuzberg hinaufgetragen wurde, ob er in die Kirche gehe, an der Prozession teilnehme, wer die Prozession anführe?

Šileikis erklärte, daß er sonntags in die Kirche gehe und wenn er Zeit habe — auch wochentags, die Prozession führe niemand an, in der Kirche bete er und frage nicht nach Namen. Šileikis wurde auch über Mečislovas Jurevičius und Stasys Cilinskas befragt. Er wurde wegen des Abhörens der Stimme Ame­rikas, wegen des Vergehens seines Sohnes Leonas, wegen der religiösen Er­ziehung seiner Kinder sowie wegen seiner Weigerung, sie in die Organisation der Pioniere und des Komsomol eintreten zu lassen beschimpft. Der Unter­suchungsbeamte wollte wissen, ob Šileikis keine neue religiöse Literatur be­sitze.

Am 28. November 1973 wurde Juozas Šileikis und sein Sohn Leonas zur Sitzung der Kommission für die Beschäftigung von Minderjährigen in Šiau­liai vorgeladen, an der etwa 25 Personen aus verschiedenen Ämtern teil­nahmen. Die Mitglieder der Kommission fragten über die Flugblätter und über den Kirchenbesuch. Einige Mitglieder der Kommission meinten, einem solchen Vater müsse man die Vaterrechte aberkennen, denn er würde seinen Sohn verderben. Die Kommission beschloß zunächst, Leonas aus der Schule zu entfernen, aber schließlich ließen sie es bei einer Geldstrafe von 30 Rubel für den Vater bewenden.

Šileikis bemerkte der Kommission gegenüber: „Wenn es nicht erlaubt ist, in die Kirche zu gehen, dann bringt doch an der Tür eine Verbotstafel an, daß der Eintritt streng verboten sei." Ein Mitglied meinte daraufhin, daß in diesem Falle die Gläubigen in den Untergrund gingen ...

*  *   *

 

Am 11. Oktober 1973 hielt der Leiter des Sicherheitsdienstes in Šiauliai, Urbonavičius, den Schülern einen Vortrag: „Der heutige ideologische Kampf und die Jugend." Der Sicherheitsfunktionär erzählte über die Unruhen in Šiauliai: es seien antisowjetische Flugblätter an öffentlichen Plätzen, ja sogar in den Schulen angebracht worden. Am 19. Mai hätten Jurevičius, Ivanovas und Mištautas ein Kreuz zum Kreuzberg von Meškuičiai getragen. Das sei anläßlich des Jahrestages der Selbstverbrennung von Kalanta geschehen. Der Leiter des Sicherheitsdienstes meinte, im Falle von Jurevičius sei es nicht verwunderlich, denn er sei ein Bandit und die Jugendlichen würden Unruhe stiften. Nach Ansicht des Sicherheitsfunktionärs richteten die Priester viel Schaden an. Am Schluß seines Vortrages ermahnte Urbonavičius alle, sich vom „religiösen Aberglauben" zu befreien.

*    *   *

Šiluva

Anfang September 1973, anläßlich des Kirchweihfestes am Feste Maria Geburt, sind riesige Menschenmassen in Šiluva zusammengeströmt. Am Sonntag, dem 9. September, konnte Šiluva die Autos nicht mehr fassen. Sogar die Felder von Šiluva herum waren voll von Autos. Die Fahrzeugkontrollen waren dieses Jahr weitaus höflicher als voriges Jahr. Aber nach Omnibussen, die Pilger nach Šiluva brachten, wurde doch eine Jagd veranstaltet. Die Pilger berichten: „Etwa 3 km vor Šiluva wurde unser Omnibus von Kontrol­leuren und freiwilligen Helfern angehalten. Dem Fahrer wurde immer wie­der vorgehalten, er würde die Fahrgäste sicherlich in Šiluva absetzen und gar nicht nach Pakruojis fahren. Im Fahrtenbuch war nämlich als Reiseziel Pakruojis eingetragen. Nachdem der Fahrer eine halbe Stunde lang hingehal­ten worden war, wurde ihm das Fahrtenblatt und die Liste der Reisenden abgenommen, und er erhielt lediglich die Genehmigung, nach Pakruojis zu fahren. Erst spät in der Nacht und nach größeren Umwegen erreichten die Pilger zu Fuß Šiluva."

Am Sonntag, dem 9. September, haben Milizionäre aus Raseiniai bei der Gnadenkapelle von Šiluva den Verkäufern die Kerzen abgenommen. Eine Frau wurde in den Wagen gezerrt und mitgenommen. Am Abend des 8. Sep­tember hat die Miliz eine alte Frau nach Raseiniai abtransportiert, die bei der Festnahme schrie: „Leute helft mir!"

An Wochentagen sah man viele Verkäufer von Andachtsgegenständen in der Kirche selbst. Rosenkränze hatten sie an der Brust unter den Mänteln versteckt.

 

Surviliškis

Im Mai 1973 wurde in der Mittelschule von Surviliškis die Schülerin der 10. Klasse, Janina Ivanauskaitė, in das Lehrerzimmer gerufen. Dort wurde sie vom Schuldirektor Stasys Bogušaitis, der Klassenlehrerin Nijolė Šilkaitienė und einem Vertreter des Rayon verhört. Man tadelte sie, es sei ungehörig, daß sie als zukünftige Abiturientin noch in die Kirche gehe. Wenn sie auch weiterhin zur Kirche ginge, würde sie von der Schule entfernt werden. Am folgenden Tag hat die Klassenlehrerin dem Mädchen angedeutet, daß es dort hinfahren solle, wo es niemand kenne, wenn es in die Kirche gehen wolle.

Am letzten Schultag wurde Ivanauskaitė noch einmal „erzogen". Warum trittst du dem Komsomol nicht bei? Kommt ein Priester zu euch ins Haus? Seit wann spielst du Betschwester? Wie oft gehst du in die Kirche? Was tust du in der Kirche? Was hast du am Ostermorgen getan? Hat der Priester dich zum Blumenstreuen eingeladen?

Baisiogala

Der Direktor der Mittelschule von Baisiogala, Šerkšnys, und die Klassen­lehrerin der 11. Klasse, Šidlauskaitė, haben die Schülerinnen der 11. Klasse, Regina Jagelaitė und Vanda Aleksandravičiūtė, nur deshalb wiederholt ausgeschimpft und beleidigt, weil sie am Osterfest in der Prozession Blumen gestreut hatten. Die Lehrerin hat die Mädchen vor der ganzen Klasse geta­delt. Als diese zur Rechtfertigung vorbrachten, ihre Mütter hätten sie zur Kirche geschickt, versetzte Šidlauskaitė: „Womöglich werden eure Mütter euch auch noch befehlen, mit dem Priester ins Bett zu gehen?" Obwohl die Mädchen stets vorbildlich waren und gut lernten, wurde ihnen wegen des Blumenstreuens die Zensur im Betragen herabgesetzt und in der Charakterbeurteilung vermerkt: „Die Mädchen haben zwar dem Komsomol angehört, sich aber keine atheistischen Anschauungen angeeignet, denn in der 11. Klasse besuchten sie noch die Kirche. Solche offiziellen Eintragungen in die Charakterbeurteilung der Schüler diskriminieren die Gläubigen und strafen die sowjetische Behauptung Lügen, daß in offiziellen Dokumenten der Bürger der Sowjetunion nichts über ihre religiösen Anschauungen ver­merkt werde.

Die Eltern sind darüber verwundert, wie die Lehrerin Šidlauskaite die Jugend erziehen kann, wenn sie selbst noch der Erziehung bedarf. Wegen Kirchenbesuch wurde auch die Schülerin der 10. Klasse, Leone Urbonavičiūtė, ausgeschimpft und kompromittiert. Die Klassenlehrerin drohte ihr, in der Charakterbeurteilung zu vermerken, daß sie die Kirche besuche.

Auf andere Vergehen der Schüler reagiert die Schulleitung von Baisiogala bedeutend milder. Vor einigen Jahren hat Vidas Varnas in der Kirche fünf Opferstöcke aufgebrochen und 12 Votivbilder vom Altar heruntergerissen (der Schaden betrug mehr als 220 Rubel). Bei Abschluß der Mittelschule in diesem Jahr enthielten die Papiere von V. Varnas jedoch keine nachteiligen Eintragungen.

Girdžiai

Am 1. September 1973 erklärte ein Funktionär aus dem Rayon Jurbarkas in seiner Rede in der Mittelschule von Girdžiai: „Macht es nicht so, wie es Frau Mockienė getan hat."

Die Bevölkerung begann nachzufragen, was denn diese Frau Mockienė getan hätte. Es stellte sich heraus, daß am 5. April 1973 der Klassenlehrer Simana­vičius ihre Tochter Janina, Schülerin der 11. Klasse, beim Komsomol ange­meldet hatte. Die Mutter war damit nicht einverstanden und verbrannte die Mitgliedskarte des Komsomol. Dem Klassenlehrer schickte sie ein Schreiben folgenden Inhalts: „Meine Tochter ist minderjährig, deshalb hatten Sie kein Recht, sie ohne meine Erlaubnis beim Komsomol anzumelden. Ihre Auf­nahme halte ich für rechtswidrig und habe die Mitgliedskarte verbrannt." Ihr Mann war besorgt, daß sie dafür bestraft würde.

—        Das wird mich auch nicht erschüttern, dann werde ich halt absitzen und wieder zurückkommen! — meinte Frau Mockienė.

Am 19. April wurde Frau Mockiene zur Rayonverwaltung vorgeladen, um ihr Vorgehen zu erklären.

  - Die Mitgliedskarte habe ich deshalb verbrannt, — sagte die Frau, — weil meine Tochter ohne mein Wissen zum Komsomol angemeldet wurde. Dieser Komsomol bringt nichts Gutes. Die Wiesen von Mituva sind voll von Pär­chen mit Komsomolabzeichen. Eine Schande für die Eltern. Ich will nicht, daß meine Tochter zur Sittenlosigkeit erzogen wird. Wer hat den Kaufladen von Pavidaujis ausgeraubt? Wer hat betrunken auf die Mitreisenden im Omnibus gekotzt? Jedesmal sind es Schüler gewesen, die dem Komsomol angehören. Warum werden diese nicht in die Wandzeitung gebracht? Als aber die besten Schülerinnen an der Osterprozession teilnahmen, wurden ihre Karikaturen in der Schule ausgehängt. Und übrigens, ist der Beitritt zum Komsomol frei oder gezwungen?
 - Natürlich frei.
 - Warum wird dann Zwang ausgeübt? In der Schule werden die Kinder eingeschüchtert. Als meine Tochter aus der Schule nach Hause kam, hat sie geweint und konnte nachts nicht einschlafen.

Frau Mockienė wurde erklärt, daß ihre Tochter keine Hochschule werde besuchen können und daß sie selbst bestraft werde.

Vor einigen Jahren hat Frau Riklikienė die Parteimitgliedskarte ihres Man­nes verbrannt. Ähnlich hat auch Frau Stasė Benaitienė gehandelt. Als sie zu einer Erklärung vorgeladen wurde, schickte sie ein kurzes Schreiben dorthin: „Unter einer Decke können keine zwei Parteien schlafen!"

Pabaiskas

In der Mittelschule von Pabaiskas hat man Anfang März 1973 für die Lehrer eine Beratung über Fragen internationaler Erziehung organisiert. Zu dieser Beratung ist der Leiter der Unterrichtsabteilung im Rayon Ukmergė, Vi. Vėbra, gekommen. Die Direktorin E. Stasiukaitienė nannte die Schüler, die zur Kirche gehen und klagte: „Früher war es leichter, gegen den Kirchen­besuch der Schüler zu kämpfen, aber der neue Kultdiener besitzt eine große Autorität, zieht alle an und was das Wichtigste ist, in seinen Predigten „haut er auf die nationale Pauke".

Der Leiter der Unterrichtsabteilung führte aus, man müsse der nationalen Frage große Aufmerksamkeit zuwenden, denn die Schüler ließen sich zu unbedachten Handlungen hinreißen. Solche unbedachten Handlungen seien am 16. Februar dieses Jahres in den Schulen des Rayon Jurbarkas vorge­kommen; eine Sekretärin des Komsomol habe antisowjetische Propaganda-blättchen verteilt. Andere Schüler hätten die nationale Flagge gehißt. Ende Mai, während der Schlußfeier des Schuljahres, erklärte die Direktorin E. Stasiukaitiene öffentlich, daß der Schülerin der 7. Klasse, Valė Amanka-vičiūtė, wegen Kirchenbesuch die Note im Betragen herabgesetzt werde. Am 29. Juni 1973 wurde der Pfarrer von Pabaiskas, V. Ramanauskas, zum Exekutivkomitee im Rayon Ukmergė vorgeladen, weil er am 14. Juni eine Helfergruppe für die Kirchenreinigung organisiert hatte. Der Pfarrer war bei der Rayonverwaltung von der Parteisekretärin der Sowchose Pabaiskas, Frau Butkevičienė, und dem Verwalter von Girdžiai angezeigt worden. Der Vorsitzende des Exekutivkomitees bezeichnete den Pfarrer als den aller-schlechtesten Menschen im Rayon, denn er hätte innerhalb von zwei Jahren schon zum dritten Mal getadelt werden müssen. Dem Pfarrer wurde erklärt, daß die Menschen das Brot für ihn verdienten, er aber hindere sie an der Arbeit. Wegen der Schuld des Pfarrers hätte man drei Frauen den Progres­sivlohn gestrichen (später stellte es sich jedoch heraus, daß man den Frauen 5 Tage zum Jäten von Gemüseflächen gegeben hatte, sie konnten aber diese Arbeit in einem Tag verrichten. Nach Beendigung ihrer Arbeit in der Sow­chose halfen sie noch in der Kirche). Der Pfarrer meinte, wenn er der Regie­rung in Ukmergė mißfalle, dann könnte sie ja um seine Versetzung bitten. Der Vorsitzende erklärte, daß dann andere mit ihm Last haben würden. Dann bat der Pfarrer, dem Gerede ein Ende zu setzen, denn heute sei das Fest des St. Peter und Paul.

— Was für ein Fest! Davon will ich nichts hören! Heuernte ist und kein Fest! — schrie der Vorsitzende vom Stuhl aufspringend. Wenn der Bischof das Fest befohlen hat, dann werden wir auch ihn belehren. — Dem Pfarrer wurden auch noch andere Vergehen vorgehalten: am Oster­fest habe er in der Kirche Geld kollektiert, 10 Kinder hätten an der Prozes­sion teilgenommen usw.

Etwa einen Monat später wurde der Pfarrer von Pabaiskas auch vom Sicherheitsdienst wegen der Organisierung der Helfergruppe getadelt. Außerdem wollte man wissen, woher die Leute Gebetbücher und Kate­chismen haben und wer die Gesangbücher mit der Schreibmaschine verviel­fältige?

Am 5. Oktober wurden alle Vorsitzenden und Kassierer der Kirchenkomi­tees im Rayon Ukmergė zum Exekutivkomitee vorgeladen. Man sprach zu ihnen über Kultgesetze, sie wurden an ihre Pflicht erinnert, das Kirchen­geld von den Pfarrern zu hüten, und mehrere Male wurden sie sogar an das große „Vergehen" des Pfarrers von Pabaiskas erinnert, der Helfer für die Kirchenreinigung organisiert habe, die vier Stunden gedauert hätte.

 

BISTUM PANEVĖŽYS

Salos

Im Juli 1972 wurde der Pfarrer von Salos, Petras Nykštus, beschuldigt, er habe Kinder zu ersten heiligen Kommunion vorbereitet. Am 24. August 1972 hat die Administrativkommission des Exekutivkomitees Rokiškis den Priester P. Nykštus mit einer Geldbuße von 50 Rubel belegt. Nachstehend führen wir einige Erklärungen an, die deutlich die Willkür von Lehrern und Funktionären den Gläubigen gegenüber bezeugen.

 

An den Verwalter der Bistümer Kaišiadorys und Panevėžys Erklärung

der Gläubigen der Pfarrei Salos, Rayon Rokiškis.

Sehr geehrter Verwalter, wir Katholiken wissen es genau und finden uns auch beim Lesen der Sowjetpresse darin bestätigt, daß es verboten ist, einen Menschen zu beleidigen oder ihm ungerechte Vorwürfe zu machen. Wer so handelt, wird bestraft. Die sowjetischen Gesetze geben uns Gläubigen eine volle Freiheit in Sachen des Gewissens und des Glaubens. Warum haben aber die Lehrerin Didžgalvienė, der Schuldirektor Augulis, der Direktor des Technikums in Salos, Steponavičius, die Vorsitzende der Gemeinde, Frau Raugalienė, unseren Pfarrer ganz ungerecht beschuldigt, daß er unsere Kinder in der Kirche unterrichtet habe. Die Lehrerin Didžgalvienė und die Vorsitzende der Gemeinde Frau Raugalienė sind in die Kirche gegan­gen, um zu sehen, welche Kinder die Kirche besuchen. Die Lehrerin Didž­galvienė hat die Tochter von Gureckas sogar nach Hause geschickt. Sie sagte ihr, daß Kinder nicht in die Kirche gehen dürften. Das Mädchen bekam Angst und ist nach Hause gerannt. Sogar das Gebetbuch ließ sie in der Kirche liegen, denn sie hatte Angst, es in Gegenwart der Lehrerin mitzu­nehmen.

Der Schuldirektor Augulis, der Direktor des landwirtschaftlichen Techni­kums, Steponavičius, und die Gemeindevorsitzende Frau Raugalienė haben sogar alle Kinder, die zur Kirche gehen, in ihren Wohnungen aufgesucht. Der Direktor Augulis hat die Kinder ohne Wissen der Eltern mitgenom­men und ihnen lediglich in Gegenwart der Gemeindevorsitzenden und des Direktors des Technikums befohlen, gegen den Pfarrer zu schreiben. Die Kinder haben geschrieben, was ihnen der Direktor diktierte. Als wir Eltern erfuhren, daß die Lehrer so falsch gehandelt haben, fragten wir die Kin­der, was sie geschrieben und warum sie etwas anderes geschrieben haben, als es wirklich war. Die Kinder meinten: „Das wissen wir nicht, was der Direktor sagte, haben wir geschrieben. Wir hatten Angst, daß er uns aus­schimpft." Zwei Kinder bekamen sogar einen vorgeschriebenen Text gegen den Pfarrer. Die Kinder sollten nur unterschreiben, was sie aus Angst vor den Lehrern auch taten. Wie können die Lehrer so ungerecht handeln? Den Kindern wird diktiert, und sie müssen die Worte der Lehrer schreiben. Dann werden diese Schreiben eingesammelt und als Klage gegen den Pfar­rer bei der Rayonverwaltung Rokiškis eingereicht, der Pfarrer hätte unsere Kinder unterrichtet. Im Rayon glaubt man dieser ungerechten Klage der Lehrer und macht dem Pfarrer einen Prozeß.

Wir Eltern haben unsere Kinder selbst im Katechismus unterrichtet und die Gebete gelehrt. Dann baten wir erst den Pfarrer, das Wissen unserer Kinder nachzuprüfen, um festzustellen, ob sie zur Beichte und zur ersten heiligen Kommunion zugelassen werden dürfen. Wir haben bereits an die Rayonverwaltung und an den Bevollmächtigten für Religionsangelegen­heiten in Vilnius geschrieben, daß wir Eltern unsere Kinder selbst unter­richtet haben, aber uns Eltern glaubt man nicht und macht dem Pfarrer einen Prozeß. Die Eltern, deren Kinder auf Befehl der Lehrer gegen den Pfarrer geschrieben hatten, haben sich zum zweiten Mal an die Rayonver­waltung gewandt und die Sache wahrheitsgemäß dargestellt und gebeten, die Lehrer zurechtzuweisen, aber es hat sich nichts geändert. Die Lehrerin Didžgalvienė hat sogar gezählt, wie viele Kinder und Er­wachsene in die Kirche gehen. Was hat sie damit zu tun, und warum mischt sie sich in kirchliche Angelegenheiten ein? Der Schuldirektor Augulis sagte, Frau Didžgalvienė habe ihn zu diesem Vorgehen gezwungen. Merkwürdig, daß ein Direktor von einer Lehrerin gezwungen wird!

Wer hat denn die Lehrerin Didžgalvienė gezwungen, in der Kirche herum­zuschnüffeln und dort „nach dem Rechten" zu sehen? Wenn schon die Leh­rer das Recht haben, zur Kirche zu gehen und nachzuprüfen, was in der Kir­che geschieht, nachzuzählen, wie viele Kinder und Erwachsene in der Kir­che sind, dann, sehr geehrter Verwalter, werden auch die Priester bald in die Schule gehen. Die Lehrer von Salos gehen schon zur Kirche und küm­mern sich um religiöse Angelegenheiten unserer Kinder. Wenn aber die Priester nicht in die Schule dürfen, dann protestieren wir dagegen, daß die Lehrer von Salos sich in unsere Gewissensangelegenheiten einmischen. Sehr geehrter Verwalter, helfen Sie uns katholischen Eltern, damit der Pfar­rer unserer Kinder wegen nicht ungerecht beschuldigt und bestraft wird, daß er sie unterrichtet habe. Wir Eltern wissen besser als die Lehrer, wer unsere Kinder unterrichtet hat. Die Lehrer beschuldigen sogar uns Eltern, daß wir kein Recht hätten, unsere Kinder zur Kirche zu führen. Wenn Sie, Herr Verwalter, uns in diesen Anliegen nicht helfen können, bitten wir um Mitteilung, an wen wir uns sonst wenden können. Dem

Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten haben wir noch einmal eine Erklärung geschrieben und schicken diese ab.

Salos, den 27. Juli 1972

Eltern der Kinder 10 Unterschriften

Am 22. August 1973 haben 10 Pfarrangehörige von Salos eine ähnliche Erklärung an den Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenhei­ten, K. Tumėnas, abegschickt. Die Erklärung schließt mit der Bitte: „Wir bitten Sie, den Bevollmächtigten, nicht zuzulassen, daß die Lehrerin Didžgalvienė und der Direktor Augulis unsere Kinder wegen des Kirchgangs, nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Schule, belästigen, denn die Kinder fürchten die Lehrer, damit sie keine Schelte und Strafen bekom­men, andernfalls können wir unsere Kinder nicht mehr in die Schule von Salos schicken."

Die Gläubigen haben eine Reihe von Erklärungen an die Rayonverwal­tung und die Verantwortlichen des Rates für Religionsangelegenheiten ge­richtet, um ihre Kinder und den Pfarrer vor Terror zu schützen. Albinas Jakubonis schrieb an den Bevollmächtigten des Rates für Religions­angelegenheiten: „Der Schuldirektor von Salos kam in mein Haus, als ich zur Arbeit und meine Frau krank war, führte meine Tochter in ein anderes Zimmer und befahl ihr, gegen den Priester zu schreiben. Der Direktor dik­tierte, und meine Tochter schrieb seine Worte. Ich bitte Sie daher, das, was meine Tochter gegen den Pfarrer schrieb, als ungültig anzusehen." Frau Petrulienė schrieb: „Die Gebete und den Katechismus habe ich selbst gelehrt. .. Wir haben das Erziehungsrecht für unsere Kinder, und sie gehen dorthin, wohin wir sie führen. Wir haben auch die Glaubensfreiheit und können zur Kirche gehen. Warum verbieten es die Lehrer und passen auf, wer zur Kirche geht? Die Priester gehen nicht in die Schulen, um die Kin­der daraus zu verjagen ..."

Ähnliche Beschwerden haben Stasys Gradeckas, Elena Matinkienė, Zosė Didžgalivienė und andere Gläubige an verschiedene Regierungsstellen ge­richtet. Sie alle klagten darüber, daß ihre Kinder verfolgt würden, daß die Lehrer sich in Dinge einmischten, die sie nichts angingen und daß dem Pfarrer zu Unrecht ein Prozeß gemacht würde, denn die Kinder hätten sie selbst unterrichtet und der Pfarrer hätte sie nur examiniert. Die Gläubigen berichteten dem Verwalter der Bistümer Kaišiadorys und Panevėžys sowie dem Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegen­heiten über ihre Fahrt zur Gerichtsverhandlung gegen ihren Pfarrer P. Nykštus und daß sie deshalb vom Vorsitzenden des Exekutivkomitees im Rayon Rokiškis beschimpft wurden.

Elena Neniškaitė, wohnhaft in der Bauernschaft Urliai, schrieb an K. Tumėnas: „Am 24. August 1972 fuhr ich zum Volksgericht nach Rokiškis, um zu sehen, wie die Lehrer von Salos unseren Pfarrer verurteilen. Zu­sammen mit mir fuhr auch Julė Dambrauskaitė. Beim Gericht sagte man uns, daß der Prozeß gegen den Pfarrer im Rayon stattfinden werde, aber wir würden nicht zugelassen werden. Es sei eine geschlossene Verhand­lung. Daraufhin gingen wir zum Rayonvorsitzenden, um zu erfahren, wofür unserem Pfarrer ein Prozeß gemacht würde, und warum keine Zeugen vorgeladen würden und nur den Lehrern geglaubt würde? Der Vorsitzende gab auf unsere Fragen keine Antwort, beschimpfte nur den Pfarrer und wies uns hinaus. Dann sagten wir, daß wir Gläubige seien und wissen möch­ten, warum unser Pfarrer abgeurteilt werde. Der Vorsitzende gab darauf keine Antwort und schrie uns grob an: „Alle Chuliganen sind auch nur in den Reihen der Gläubigen zu finden!" Diese Worte des Rayon Vorsitzen­den haben mich tief verletzt. Ich wurde in meinem ganzen Leben noch nie so beleidigt. Ich verstehe nicht, wie so etwas in Salos möglich ist. Ich habe gedacht, daß die Lehrerin Didžgalvienė und der Direktor Augulis eigen­mächtig Kinder, somit auch gläubige Menschen, belästigten, aber das gleiche macht auch der Rayonvorsitzende. Haben die Lehrerin Didžgalvienė und der Direktor Augulis recht gehandelt, als sie so viele gläubige Menschen beleidigt und verärgert haben? Sie gehen erhobenen Hauptes umher und verleihen Gläubigen den „ehrenvollen" Titel von Chuliganen. Sollen wir gläubige Menschen für diesen Titel danke schön sagen!?" Julija Dambrauskaitė schrieb in ihrer Erklärung an K. Tumėnas: „Im Rayon sagte man, daß der Pfarrer bestraft werden müsse. Wer aber bestraft die Lehrerin Didžgalvienė und den Direktor Augulis?... Herr Bevollmächtig­ter, ich bin mein Leben lang gläubig gewesen, sieben Jahre lang habe ich sogar den Kulaken gedient. Dort habe ich so manches gesehen und gehört, aber die Kulaken haben mir nie solche Worte gesagt, wie es der Vorsitzende getan hat."

 

Alanta

Am 4. und 5. August 1973 sollte in Alanta das Sakrament der Firmung gespendet werden. Leider wurde durch Telegramme aus dem Ordinariat in Panevėžys die Spendung des Firmungssakramentes „wegen Heuernte" abgesagt. Die Telegramme kamen am 3. und 4. August, als es nicht mehr möglich war, die Gläubigen zu benachrichtigen. Eine riesige Menschenmenge war zusammengeströmt, auch die Miliz war stark vertreten. Man hörte immer wieder die Leute auf die Regierung fluchen, weil der Bischof an der Firmungsreise gehindert worden war. Die Leute munkelten untereinander, daß sogar zur Zeit der Leibeigenschaft die Sonntage gefeiert werden konn­ten, aber die sowjetische Regierung wolle, daß wir das ganze Jahr über wie Sklaven arbeiten.

Dabužiai

Im Sommer 1973 haben Funktionäre aus dem Rayon Anykščiai sogar drei­mal kontrolliert, ob nicht der Pfarrer von Dabužiai, Serafinas Žvinys, den Kindern Religionsunterricht erteile. Sie konnten jedoch den Priester dabei nicht ertappen. Die Administrativkommission des Exekutivkomitees Anykščiai hat den „Kinderverderber" zu einer Geldstrafe von 50 Rubel verurteilt und erklärte, daß eine Klage vorgelegen hätte, der man glauben müsse.

 

Traupis

Als der Pfarrer Stepas Galvydis im Sommer 1973 vor der Erstkommunion das Wissen der Kinder überprüfte, kamen der Gemeindevorsitzende, der Schuldirektor und der Kolchosvorsteher und fertigten eine Akte an, daß der Pfarrer den Kindern Religionsunterricht erteile. Die Administrativ­kommission des Exekutivkomitees des Rayon Anykščiai verurteilte den Priester zu einer Geldstrafe von 50 Rubel. Der Priester S. Galvydis zahlte das Geld ein und bekam von der Bank eine Quittung „Für Unterrichten der Kinder in Religion".

 

BISTUM TELŠIAI

Klaipėda

Am 14. Juli 1973 besuchte der Funktionär des Rates für Religionsangelegen­heiten, Tarasov, in Begleitung des Bevollmächtigten K. Tumėnas, des stell­vertretenden Vorsitzenden des Exekutivkomitees der Stadt Klaipėda, Rugienis, sowie eines Beamten des Sicherheitsdienstes (siehe Chronik Nr. 7) die Kirche von Klaipėda. Die Katholiken von Klaipėda waren sehr erbost darüber, als sie erfuhren, daß Tarasov gesagt habe, daß die Kirche in Klaipėda nicht kleiner sei, als die katholische Kirche in Moskau und für die dort lebenden Gläubigen völlig genüge. Die Pfarrei von Klaipėda um­faßt über 60 000 Gläubige. Für die Erstkommunion werden jährlich etwa 800—900 Kinder vorbereitet. Die Gläubigen müssen in dem 288 m2 großen Kirchenraum Platz finden; die Kirche hat nicht einmal einen Kirchplatz.

An hohen Feiertagen und am Kirchweihfest müssen die Gläubigen bei Wind und Wetter auf der Straße stehen, denn viele können in der Kirche keinen Platz finden. Als der Pfarrer von Klaipėda Tarasov darauf aufmerksam machte, daß man nach Abbruch der angrenzenden Schuppen den Kirchen­raum vergrößern könnte, sagte dieser nur: „Wir wollen mal sehen." Die Sowjetpresse schreibt, daß die Stadt Klaipėda sich vergrößere, daß neue Wohnviertel entstünden und der Lebensstandard sich verbessere. Die Gläubigen müssen aber immer noch darauf warten, daß die Regierung ihre schwierige Lage berücksichtigt und ihnen die beschlagnahmte Kirche Regina Paris(Maria, Königin des Friedens) zurückgibt.

 

Können die Gläubigen in Litauen eine solche Regierung achten, die ihr zu Ehren der Friedenskönigin geweihtes Heiligtum geschändet hat und ihren Erbauer, S. E. Bischof L. Povilonis, aus Propagandagründen zum Friedens­kongreß nach Moskau beordert?

Im Oktober 1973 wurde die Begründerin von Klaipėda, Augustinavičienė, von der Miliz festgenommen, weil sie an der Kirchentür Andachtsgegen­stände verkauft hatte. Das Volksgericht verurteilte die Frau zu einer Geldstrafe von 20 Rubel, die Andachtsgegenstände wurden beschlagnahmt.

Zu Beginn des Jahres 1973 haben Regierungsbeamte dem Pfarrer von Klai­pėda befohlen, alle Devotionalienhändler vom Kirchplatz zu entfernen. Der Miliz sei es peinlich, die Händler direkt an der Kirchentür zu verhaften. Bei einer solchen „Religionsfreiheit" fragt man sich, wo sich die Leute überhaupt noch Gebetbücher, Rosenkränze, Medaillen kaufen sollen? Der Geschichtslehrer der V. Mittelschule von Klaipėda, Mažeika, verspot­tet die Schüler, die zur Kirche gehen, besonders heftig. Vor Ostern 1973 hat der Lehrer Mažeika die Schüler der 4. Klasse eingeschüchtert: „Wagt euch ja nicht, zu Ostern in die Kirche zu gehen, denn ich komme kontrol­lieren. Denkt daran, diejenigen, die ich in der Kirche sehe, bekommen in Geschichte eine Fünf."

 

Kašučiai

Im September 1973 verstarb der Schüler der 6. Klasse der 8klassigen Volks­schule in Kašučiai, Andrijauskas. Die gläubigen Eltern wünschten für ihren Sohn ein religiöses Begräbnis. Der Direktor Povilaitis hat den Mitschülern verboten, ihren Kameraden zum Friedhof zu begleiten. — Wo die Kirche beteiligt ist, ist für uns kein Platz, —erklärte der Direk­tor. Als die Schüler die Trauermusik hörten, weinten sie während der gan­zen Stunde, aber die Klasse durften sie nicht verlassen. Wenn der Direktor einen Schüler in Darbėnai sieht, wo es eine Kirche gibt, wird er sofort ausfällig: „Schon wieder warst du in der Kirche, du Miß­geburt!?" Die Verdächtigen schimpft der Direktor vor der ganzen Klasse aus und setzt ihnen die Noten herab.

 

Schon 8 Jahre „regiert" Povilaitis die 8klassige Volksschule in Kašučiai. Eine ehemalige Schülerin berichtete, wie der Direktor die Schüler zum Beitritt in den Komsomol zwang. Während der Stunde nahm sich der Direktor einen Schüler vor und fragte ihn: „Trittst du dem Komsomol bei?" Weigerte sich ein Schüler, dann ergriff der Direktor seine Hand und schlug damit gegen die Schulbank. Einigen habe er die Hand wundgestoßen. Nach einer solchen Exekution schrieben die Schüler eine Klage an das Kultusministerim. Eine Kommission kam und prüfte zum Schein die Tat­bestände, aber der Dirketor terrorisiert auch weiterhin die gläubigen Schüler.

 

Šniaukštai

Die Leiterin der Pionierorganisation der 8klassigen Volksschule in Šniaukštai, Domarkienė, hat 1970 die Schüler der 4. Klasse nach dem Unterricht fest­gehalten und zum Beitritt in die Pionierorganisation gezwungen. Diejeni­gen, die nicht beitreten wollten, wurden von der Lehrerin „umerzogen" — sie wurden mit dem Lineal auf die Handfläche geschlagen. Das meiste haben zwei Schüler abbekommen: Lūžas und Veserytė. Ihre Hände hat die Lehre­rin blutig geschlagen. Die Eltern der Schüler haben daraufhin die Lehrerin Domarkienė gefragt, wer ihr das Recht gegeben hätte, die Kinder zu schlagen und sie zum Beitritt in die Pionierorganisation zu zwingen? Die Lehrerin wurde rot und antwortete, daß alle begabten Schüler der Pionier­organisation beitreten müßten. Mit der harten Methode habe sie den Trotz der Schüler brechen wollen. Die Eltern drohten, ihre Kinder von der Schule fernzuhalten, wenn solche „Erziehungsmethoden" nicht aufhörten.

 

Šilutė

1970 hat die Lehrerin der 8klassigen Volksschule Šilutė, Arlauskienė, den Schülern der 6. Klasse lange Beweise darüber vorgebracht, daß es keinen Gott gebe und nur Dunkelmänner an ihn glaubten.

—        Jetzt rufen wir alle dreimal im Chor: „Es gibt keinen Gott!" Aber laut hat nur die Lehrerin Arlauskienė gerufen, der einige zaghaften Stimmen beipflichteten.

Ein Schüler der 7. Klasse erzählte, daß er zu der Zeit von Gott nichts gewußt habe, denn sein Vater sei ein strenger Atheist gewesen.

—        Jetzt, da ich die Glaubenswahrheiten kennengelernt habe, würde ich laut rufen: „Frau Lehrerin, Sie irren, es gibt doch einen Gott!" —

Kuršėnai

1973 bekamen die Schüler der 8. Klasse der Mittelschule von Kuršėnai einen Fragebogen mit folgenden Fragen:

1.     Sind eure Eltern religiös?

2.     Bestehen eure Eltern auf der Erfüllung religiöser Pflichten?

3.             Erfüllt ihr eure religiösen Pflichten (geht ihr zur Kirche, betet ihr, feiert ihr die religiösen Festtage)?

4.             Habt ihr keine Zweifel, ob unser Leben nicht doch etwa von übernatür­lichen Kräften gelenkt werde?

5.     Glaubt ihr an Religionswahrheiten oder nicht?

6.             Seid ihr überzeugt, daß religiöser Aberglauben schädlich ist, daß man Aufklärungsarbeit leisten muß, um den Menschen eine atheistische Welt­anschauung zu vermitteln?

7.             Habt ihr schon jemanden über den Widerspruch zwischen Religion und Wissenschaft aufgeklärt? Wie ist es euch gelungen? Habt ihr dafür Kenntnisse?

8.             Habt ihr wissenschaftlich-atheistische Literatur gelesen, und was habt ihr davon behalten?

9.             Seid ihr der Meinung, daß der religiöse Aberglauben von selbst ver­schwinden und daß sich mit diesen Fragen niemand mehr beschäftigen wird?

 

BISTUM VILKAVIŠKIS

Šakiai

Am 23. September 1973 hat der Bevollmächtigte des Rates für Religions­angelegenheiten, K. Tumėnas, S. E. Bischof L. Povilonis erlaubt, die neu erricheteten 5 Altäre der Kirche von Šakiai zu konsekrieren. Als die Beam­ten der Rayonverwaltung von dem Besuch des Bischofs erfuhren, über­legten sie, wie man die Feier verhindern könnte. Sie waren besonders darum besorgt, daß die Schüler an der Feier nicht teilnehmen könnten. Man be­schloß, daß zur Zeit des bischöflichen Besuchs in Šakiai die Schüler irgend­wie beschäftigt werden müßten. Für die einen wurde ein Tag der Baum­pflanzung organisiert, für andere wurden Ausflüge vorgesehen. Den Schü­lern wurde streng befohlen, am Sonntag zur Schule zu kommen, um an den Veranstaltungen teilzunehmen.

 

Die einsichtigeren Schüler durchschauten die wahre Absicht der Veranstal­tungen und kamen nicht in die Schule. Nur etwa die Hälfte der Schüler versammelte sich. Die „Ungehorsamen" mußten eine schriftliche Entschul­digung der Eltern beibringen, den anderen wurde gedroht, sie würden nach dem Unterricht zur Arbeit in die Kolchosen gebracht. Die Lehrer ordne­ten an, Butterbrote mitzubringen:

—        Wir werden euch bis zum Einbruch der Dunkelheit festhalten!

Die Leute lachten darüber, daß die Atheisten von Šakiai aus Angst vor dem Bischof in die Wälder geflüchtet waren.

 

Skriaudžiai

Im September 1973 hat die Direktorin der 8klassigen Volksschule von Skriaudžiai, Albina Linkauskienė, während einer Unterrichtsstunde die Schüler ins Lehrerzimmer gerufen, die im Kirchenchor mitgesungen hatten.

—        Kinder, schreibt auf, wer den Kirchenchor organisiert hat, wo und wann finden die Proben statt? Schreibt schön, denn eure Schreiben wird jemand lesen. Schreibt die Wahrheit, denn wenn ihr lügt, hole ich die Miliz. Ihr kräht ja wie Raben auf der Orgeltribüne, ihr solltet lieber in der Zeit fern­sehen! — belehrte die Direktorin.

Danach wandte sich die Direktorin an die Schülerin der 8. Klasse, Rasa Orintaitė:

  - Du, Rasa, bist eine Betschwester. Bei jeder Feier in der Kirche läufst du dort mit Blumen herum und weichst mir aus.
 - Warum bist du zum Singen gegangen, Nijolyte? — herrschte die Lehre­rin die Schülerin N. Griniūtė an. Wasfür eine große Schande hast du der Schule gemacht! Dafür bekommst du eine schlechte Charakterbeurteilung. Sag mal, wer hat dich zum Singen eingeladen?
 - Meine Mutter, — antwortete Nijolė.

Die einen Kinder schrieben, daß ihre Mutter sie zum Singen geschickt habe, die anderen — der Vater, und wieder andere, daß sie sich ihren Freunden angeschlossen hätten. Zwei Mädchen bekamen Angst vor der Miliz und schrieben, daß die Organistin das Singen organisiert habe. Die Direktorin nahm sich die Schülerin Danutė Naujokaitė gesondert vor und drohte ihr, daß es ihren Eltern schlecht ergehen würde, wenn sie nicht genau sagen würde, wer den Gesangunterricht erteilt habe und wieviel Kinder daran teilgenommen hätten. Diese Schülerin geht seit der Zeit nicht mehr in die Schule, da sie von den anderen Kindern ausgelacht wird. Der Mann der Direktorin, Viktoras Rinkauskas, ist der Kolchosvorsteher in Skriaudžiai. Sonntags kommt er zur Post und spioniert, wer zur Kir­che geht. Hinterher nützt er jede Gelegenheit, um besonders die Jüngeren zu verspotten. Er fragt die Leute aus und wird leicht ausfällig. Die Leute klagen, daß Rinkauskas sich mehr um die Gläubigen sorge als um seine Pflichten als Kolchosvorsteher. Er steht mehr auf seiten von Menschen mit geringerer Moralauffassung und läßt bei ihnen alles durchgehen. Jedoch sollte er nicht vergessen, daß die Gläubigen in seiner Kolchose die Mehrheit bilden

Am 28. September kam Frau Kazė Kairiūkštienė zur Schuldirektorin und fragte sie:

  - Warum drohen Sie meinen Kindern mit der Miliz? Eines meiner Mäd­chen springt aus dem Schlaf auf und schreit: „Die Miliz, die Miliz!" Ich muß mit ihr zum Arzt. Was haben sie Schlechtes getan, daß sie so verhört und eingeschüchtert werden? —
 - Du, gemeines Luder, du Gaunerin! — schrie die Direktorin erbost und belegte Frau Kairiūkštienė mit den gemeinsten Ausdrücken.

Daraufhin fragte die Frau die Kinder:

—        „Kinder, hat die Direktorin euch mit der Miliz gedroht?" —

Die Mutigeren bejahten das, die anderen sagten, daß sie es nicht genau gehört hätten.

Durch Drohungen erfuhr die Direktorin die Namen der Kinder, die im Sommer zur Erstkommunion gegangen waren, nicht nur aus der Kolchose, sondern auch aus Leskava. Am 28. September fuhr die Schuldirektorin mit all den „Schriften" der Kinder nach Prienai. In der Atheistenversammlung hat sie über das „Vergehen" von Skriaudžiai referiert. Die Teilnehmer überlegten, wie man die „Kinderverderber" bestrafen könnte. Kurz danach setzten Verhöre der Eltern ein, was noch eine größere Ent­rüstung über die „roten Betschwestern" hervorrief. So werden nämlich die fanatischen Atheisten von der Bevölkerung genannt.

 

Kybartai

Kurz vor den Feiern der Oktoberrevolution wollte man in der Mittelschule von Kybartai die Mitgliederzahl der Kinderorganisation des Roten Okto­ber vergrößern. Ein Teil der Schüler und Eltern war dagegen. Die Mutter von Zita Menčinskaitė gab ihrer Tochter einen Zettel mit in die Schule, auf dem stand, daß Zita nicht in die Organisation des Roten Oktober eintre­ten dürfe. Die Klassenlehrerin der 1. Klasse, Frau Česnienė, hat ohne Rück­sicht darauf die ganze Klasse zu der Organisation angemeldet. Den Unge­horsamen besorgte sie sogar die Abzeichen. Ein Teil der Schüler kam wei­nend nach Hause. Die ängstlicheren unter den Eltern schwiegen. Die Mut­ter von Jūrienytė wandte sich jedoch an die Lehrerin Česnienė und ver­langte, ihre Tochter aus der kommunistischen Kinderorganisation zu strei­chen.

—        Wenn Sie nicht wollen, daß Ihre Tochter zum Roten Oktober gehört, dann müssen Sie sie in kapitalistische Länder bringen. Bei uns müssen alle Kinder dem Roten Oktober angehören! — versetzte die Lehrerin.