Die Einengung dar Rechte der Katholiken, insbesondere die gegen die Priester J.Zdebskis und P. Bubnys angestrengten Prozesse, führten zur Abfassung dieses Memorandums.

Die Unterschriftensammlung erfolgte im Laufe zweier Monate. Da dieses Memorandum an die Obrigkeit der UdSSR gerichtet war, wurden bei Sammlung der Unterschriften keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Zum Teil wurden die Unterschriften vor und nach den sonntäglichen Andachten vor den Kirchen gesammelt, zum Teil bei Hausbesuchen. Ein jedes Blatt enthielt den vol­len Text des Memorandums, so daß die Unterzeichnenden sich ein Bild über des­sen Inhalt machen konnten. Schriftunkundigen wurde der Text von den mit der Unterschriftensammlung Betrauten vorgelesen beziehungsweise es wurde ihnen erklärt, worum es sich handele.

Die Katholiken kamen der Aufforderung, ihre Unterschrift unter das Memoran­dum zu setzen, mit größter Bereitschaft nach. Nur wenige enthielten sich aus Furcht vor etwaigen Repressalien der Unterzeichnung. Die Unterschriftensam­melaktion zog, ohne daß dies vorauszusehen war, immer größere Kreise: ein Gläubiger schrieb den Text des Memorandums vom anderen ab und ordnete sich in die Aktion ein.

Eingabe der Gläubigen wegen der Kirche

Eine Eingabe folgenden Inhaltes wurde vor Ostern vom Territorium der RSFSR (damit sie von den KGB-Funktionären der Litauischen SSR nicht abgefangen werden könnte) nach Moskau gesandt:

An den Generalsekretär des ZK der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, L. Brežnev, in Moskau

Eingabe

der Katholiken der Stadt Klaipėda, Litauische SSR

In den Jahren 1956 bis 1961 wurde mit Genehmigung des litauischen Minister­rates auf Kosten der Gläubigen von Klaipėda eine katholische Kirche gebaut und völlig fertiggestellt. Auf Verfügung der Regierung durfte sie indes nicht zu Gottesdiensten genutzt werden, sondern wurde in einen Raum für die Philhar­monie umgewandelt.

Das Gebäude, in dem zur Zeit der katholische Gottesdienst stattfindet, ist hier­für ungeeignet, es befindet sich in schlechtem Zustand und ist zu klein, so daß an Feiertagen die Gläubigen auf der Straße stehen müssen. Bereits die Tatsache, daß der Bau einer Kirche in Klaipėda genehmigt worden ist, zeigt, daß das jetzt benutzte Gebäude für den Gottesdienst als ungeeignet befunden wurde.

Eingabe der Eltern der Kirchengemeinde von Valkininkai, Rayon Varėna, über die Diskriminierung von Schulkindern

Eltern des Pfarrsprengels Valkininkai beschwerten sich bei der Rayons-Verwal­tung darüber, daß ihre Kinder in der Schule wegen ihrer religiösen Einstellung zu leiden hätten. Wir geben den gesamten Inhalt der Erklärung wieder:

An den Vorsitzenden des Exekutivkomitees des Rayonsowjets der Werktätigen­deputierten von Varėna

Erklärung

Im September d.Js. (1971) beklagten sich unsere Kinder nach der Schule, daß sie dort einem Verhör unterzogen worden seien. Man hätte sie ausgefragt, ob sie in die Kirche gingen und wer sonst noch dahin gehe, anschließend wurde ihnen mit einer Herabsetzung der Betragensnote sowie der Eintragung eines Vermerks gedroht, falls sie zur Kirche gingen.

Der Tochter von J.Griežė, einem Mitverfasser der Erklärung, wurde in der Mittelschule von Valkininkai von den Lehrerinnen Kliukaitė und Butkienė sowie der Schuldirektorin die Frage gestellt, ob sie und ihre jüngere Schwester zur Kirche und zur Beichte gingen. Vor einem Jahre wurde dieser Tochter mit­geteilt, daß sie an den Prüfungen nicht teilnehmen dürfe, wenn sie die Kirche besuche.

RAYON ŠAKIAI

Die Verfolgung der Schulkinder in Lukšiai

Im November 1971 entspann sich in Lukšiai ein erbitterter Kampf zwischen der Lehrerschaft, insbesondere den Klassenlehrern und dem Schuldirektor, einerseits und den aktiv amKirchenleben teilnehmenden Schülern andererseits. Die bei der Messe mitwirkenden Kinder wurden zum schuldirektor gerufen, und man setzte ihnen mit Verhören und Drohungen zu, um sie vom Altar fernzuhalten. Die Schüler mußten sich dem Spott der Klasse aussetzen lassen, sie wurden in Wandzeitungsartikeln und Karikaturen verhöhnt. Man versuchte sogar, über die Eltern Druck auf die Schüler auszuüben, damit diese ihren Kindern die Mit­wirkung als Ministranten oder in anderer Weise an kirchlichen Zeremonien ver­bieten sollten.

Nach Neujahr 1972 sprachen ein Vater und eine Mutter, G. Krikštolaitis und N. Didžbalienė, bei Schuldirektor S. Urbonas vor und verbaten es sich — unter Hin­weis auf die sowjetische Verfassung und die Gesetze — ihre Kinder wegen der Teilnahme an den Meßzeremonien oder auch nur wegen des Kirchgangs zu ter­rorisieren. Der Direktor bemerkte hierzu in barschem Ton:

„Wir haben eure Kinder angegriffen und werden dies auch weiterhin tun, ja, so­gar noch intensiver als zuvor. Uns bedrängt der Rayon, wir bedrängen eure Kin­der und wem's nicht gefällt, der kann sich meinthalben sogar nach Moskau über uns beschweren."

DER RAYON IGNALINA 1971

Das Gesuch der Gläubigen, ihnen die Kirche zurückzugeben

An den Präsidiums-Vorsitzenden des Obersten Sowjets der Litauischen SSR den Sekretär des ZK der KP Litauens den Vorsitzenden des Ministerrates der Litauischen SSR den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten der Litauischen SSR die Kurie des Erzbistums Vilnius

Erklärung

des Kirchenausschusses und der Gläubigen der Kirchengemeinde von Ignalina.

Uns wird durch die sowjetische Verfassung die Glaubens- und Gewissensfreiheit garantiert. Des für praktizierende Katholiken notwendigen Gotteshauses indes müssen wir Gläubigen von Ignalina entbehren.

Die Kirche von Ignalina wurde in den schweren Zeiten der polnischen Verwal­tung und vor allem während der deutschen Okkupation gebaut. Die Gläubigen haben für ihren Bau viel Mühe und Geldmittel, die sie sich vom Munde abspar­ten, aufgewendet. Das Baumaterial war bereits mehr oder weniger zusammenge­tragen, als durch die Kriegsereignisse die Bauarbeiten an der Kirche gestoppt werden mußten. In den Nachkriegsjahren wurden wir von der Lokalverwaltung empfindlich geschädtigt. Da der Kirchenbau noch nicht fertiggestellt war, erhielten wir von den Verwaltungsbehörden die Zusage, daß sie den Bau selber zu Ende führen würden und wir lediglich die Arbeitskosten zu begleichen hätten. Nach Fertigstellung jedoch wurde das Gebäude dem Kirchensprengel vorenthal­ten und in ein Kulturhaus umfunktioniert.

RAYON MOLĖTAI,

Kirchengemeinde Stirniai

Über die Freilassung von verhafteten Priestern und den ungehinderten Eintritt in das Priesterseminar

An den Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR Erklärung

der Gläubigen des Rayons Molėtai und der Kirchengemeinde Stirniai in der Litauischen SSR

Mängel, die den kulturellen oder den Dienstleistungsbereich betreffen, können von Bürgern in der Presse angeprangert werden, wobei die sowjetische Re­gierung solche Signale niemals unbeantwortet läßt. Bei der Praktizierung unseres religiösen Lebens stellen wir Gläubigen nicht nur gewisse Mängel fest, sondern sind einer erheblichen Behinderung ausgesetzt. Da wir jedoch keine Möglichkeit haben, das uns widerfahrene Unrecht über die Presse kundzutun, und somit zum Schweigen verurteilt sind, könnte der Eindruck entstehen, daß wir uns dieser Be­hinderungen gar nicht bewußt wären. Dies ist der Grund dafür, daß wir uns an Sie, den Vorsitzenden des Ministerrates, wenden.

DER RAYON ZARASAI  IM  JAHRE 1979

Verhöre von Schulkindern in der Schule von Aviliai

Am 17. Dezember 1971 erschien während des Unterrichts in der Achtklassen­schule von Aviliai der Untersuchungsrichter Bezusparis von der Staatsanwalt­schaft Zarasai sowie der Leutnant der Miliz, Bagdonavičius.

Man erkundigte sich bei den einzelnen ins Lehrerzimmer gerufene Schüler — Bakutis, Razmanaviciutė und den Schwestern Jezerskaitė — nach der Vorberei­tung zur Ersten Kommunion im Sommer 1971. Die Schulkinder wurden nach der Dauer und dem Inhalt des Religionsunterrichts befragt, ob der Pfarrer sie unterrichtet habe, ob er Katechismen, Gebetbücher verteilt und was er gessagt habe.

Das Verhör der Kinder dauerte etwa eine Stunde. Bevor man die Kinder wieder entließ, mußten sie ein angefertigtes Protokoll unterschreiben. Der Schüler Bakutis hörte während der nächsten Schulstunde nicht auf zu weinen.

Im Februar wurde der Vikar von Simnas, Priester S. Tamkevičius, in die Re­publik-Staatsanwaltschaft nach Vilnius eingeladen. Der Staatsanwalt warf ihm eine verzerrte Darstellung der sowjetischen Wirklichkeit in seinen Predigten vor und wies ihn an, sich der sowjetischen Regierung gegenüber loyal zu verhalten und die Kinder nicht in Glaubenswahrheiten zu unterrichten. Anderenfalls drohte man ihm ein Gerichtsverfahren mit einem Freiheitsentzug von zwei Jahren an.

Ende April wurde gegen Priester Tamkevičius ein „Verweis höchsten Grades" verhängt, an dem sechs Regierungsvertreter und als Zeugen: der Dekan von Alytus, Priester Grigaitis, der Dekan von Daugai, Priester Turčinskas sowie der Pfarrer von Simnas, Priester Matulevičius, teilnahmen. Priester Tamkevičius wurde beschuldigt, Nachrichten ins Ausland übermittelt zu haben, die sowjeti­sche Schule verleumdet und sich noch andere antisowjetische Handlungen habe zuschulden kommen lassen. Eine Rechtfertigung wurde nicht zugelassen.

KAUNAS

In der Wohnung des Priesters Šalčius, Kaplan der Kirchengemeinde von Aleksotas, wurde im April eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Hierbei wurde nach „Samizdaf'-Literatur gefahndet.

Am 4. April 1972 wurde Priester V. Merkys, der 1959 auf Betreiben von Rugie­nis aus dem Seminar entfernt worden war, aber 1960 die Priesterweihe auf illega­lem Wege erhalten hatte, ins KGB zitiert. Der Leiter der Untersuchung teilte dem Priester mit, daß er die Tätigkeit in einer Pfarrei aufnehmen dürfte (zur Zeit arbeitet er in der Baumschule von Vilnius), wenn er genauestens anzugeben bereit sei, von wem er die Weihe erhalten habe, wo er Messen zelebriert und wo er gepredigt habe.

RAYON KAPSUKAS

Was ist das größte Laster?

Der Pfarrer des Kirchensprengels von Liubavas, Priester V. Užkuraitis, wurde von der Rayonsverwaltung von Kapsukas und dem Beauftragten Rugienis dazu gezwungen, Kinder als Altardiener bei der Messe nicht mehr zuzulassen. Rugienis rief zu diesem Zwecke sogar die Mitglieder des Kirchenkomitees von Liubavas zu sich, denen er damit drohte, daß bei Nichtbefolgung dieser An­weisung die Kirchengemeinde ihren Pfarrer verliere. Der Pfarrer weigerte sich, die Kinder vom Altardienst fernzuhalten, und er begründete das damit, daß nicht er, sondern die Eltern das Verfügungsrecht über die Kinder besäßen.

Priester P. Bubnys, der im Lager mit strengem Regime von Kapsukas seine Strafe verbüßt, wurde nahegelegt, ein Gnadengesuch einzureichen. Der Priester lehnte dies ab. Er fühlte sich unschuldig, da es die Pflicht eines jeden Priesters sei, Kinder in den Glaubenswahrheiten zu unterrichten.

RAYON KAUNAS

Zu Ehren von Priester J. Zdebskis

Priester J. Zdebskis büßt im Lager ohne Strafverschärfung von Praveniškiai die Restzeit seiner Strafe ab. Obwohl der verurteilte Priester seine ihm zugewiesene Arbeit sehr gewissenhaft ausführt, unternimmt die Lagerverwaltung keine Schritte, um ihn vorzeitig zu entlassen; dies begründet man damit, daß er ein „Unverbesserlicher" sei.

In Litauen fand unter den Katholiken ein Gedicht weite Verbreitung, das der Mutter des Priesters J. Zdebskis gewidmet ist:


Weine nicht, Mutter, um deinen Sohn,
Der in eisernen Ketten geht...
Er trägt seine Fesseln als von Gott gewollt
Für die Jugendlichen, für sein ganzes Volk.


Wenn sich auch seine Hände nicht mehr zum Altaropfer heben,
Wenn sie auch das himmliche Brot nicht mehr reichen,
So wird uns doch über sie Trost und Vergebung zuteil.
Christus vom Golgatha-Hügel steht ihm bei.

In Nr. 3/ 1972 der Zeitschrift „Nauka i religija" (Wissenschaft und Religion), er­scheint in Moskau, steht eine 23 Seiten umfassende Abhandlung des Leiters für Propaganda und Agitation beim ZK der Litauischen KP, P. Misutis, über die atheistische Aufklärungsarbeit und den Katholizismus in Litauen. Er macht darin auf den Umstand aufmerksam, daß Litauen seit mehr als 30 Jahren ein Be­standteil der Sowjetunion sei. Die Atheisten führten ihren Kampf unter strikter Einhaltung der sowjetischen Gesetze und unter respektvoller Achtung der Gläu­bigen als gleichberechtigte Sowjetbürger" (S. 27).

Vor acht Jahren nahm der Koordinationsrat für atheistische Propaganda beim ZK der Litauischen KP seine Arbeit auf; atheistische Räte oder Kommissionen arbeiten bei den Republik-Gewerkschaftsräten, beim Zentralkomitee des kom­munistischen Jugendverbandes, bei den Kultus- und Gesundheitsfürsorge-Mini­sterien, bei den Komitees für Fernsehen, Rundfunk, Kinoeinrichtungen u.a.m. Ähnliche Räte und Kommissionen sind bei den Stadt- und Rayon-Komitees der KP tätig. Die gesamten Atheismusprobleme sind dem Zetralkomitee der KP der Litauischen SSR unterstellt.