Am 4. April 1972 wurde Priester V. Merkys, der 1959 auf Betreiben von Rugie­nis aus dem Seminar entfernt worden war, aber 1960 die Priesterweihe auf illega­lem Wege erhalten hatte, ins KGB zitiert. Der Leiter der Untersuchung teilte dem Priester mit, daß er die Tätigkeit in einer Pfarrei aufnehmen dürfte (zur Zeit arbeitet er in der Baumschule von Vilnius), wenn er genauestens anzugeben bereit sei, von wem er die Weihe erhalten habe, wo er Messen zelebriert und wo er gepredigt habe.

RAYON KAPSUKAS

Was ist das größte Laster?

Der Pfarrer des Kirchensprengels von Liubavas, Priester V. Užkuraitis, wurde von der Rayonsverwaltung von Kapsukas und dem Beauftragten Rugienis dazu gezwungen, Kinder als Altardiener bei der Messe nicht mehr zuzulassen. Rugienis rief zu diesem Zwecke sogar die Mitglieder des Kirchenkomitees von Liubavas zu sich, denen er damit drohte, daß bei Nichtbefolgung dieser An­weisung die Kirchengemeinde ihren Pfarrer verliere. Der Pfarrer weigerte sich, die Kinder vom Altardienst fernzuhalten, und er begründete das damit, daß nicht er, sondern die Eltern das Verfügungsrecht über die Kinder besäßen.

Priester P. Bubnys, der im Lager mit strengem Regime von Kapsukas seine Strafe verbüßt, wurde nahegelegt, ein Gnadengesuch einzureichen. Der Priester lehnte dies ab. Er fühlte sich unschuldig, da es die Pflicht eines jeden Priesters sei, Kinder in den Glaubenswahrheiten zu unterrichten.

Am 27. April 1972 verteilte die Klassenlehrerin Ramanauskaitė in der 9 b der V. Mittelschule von Kapsukas Fragebögen. Die Frage: „Welches Laster willst du dir abgewöhnen?" sollten die Schüler mit „die Gläubigkeit" beantworten, sagte ihnen die Lehrerin. „Auch wenn ihr gar nicht glaubt, schreibt dennoch die Gläu­bigkeit hin." Sämtliche Kinder schrieben als Antwort aber nicht „die Gläubig­keit" sondern „die Faulheit" in den Fragebogen.

RAYON VILKAVIŠKIS

Schulkinder werden gezwungen, gegen den Glauben zu schreiben

Am 12. April 1971 befahl die Lehrerin Miknevicienė in der Klasse 10 c der Mittelschule von Kybartai denjenigen Schülern, welche Ostern in der Kirche ge­wesen waren, einen Aufsatz mit dem Thema zu schreiben: „Bažnyčia arti — do-rovė toli" (Die Kirche ist nah — die Tugend fern). Die übrigen Schüler durften ein frei gewähltes Thema behandeln. Die besten Schülerinnen der Klasse, L. Šal-čiūnaitė und T. Menčinskaitė, lieferten den ihnen befohlenen atheistischen Aufsatz nicht ab und erhielten dafür die Note „sehr schlecht". Außerdem wur­den sie zur Unterrichtsleiterin der Schule gerufen und mußten sich dort verantworten.

Die Eltern der schikanierten Kinder verfaßten eine Klageschrift an das Bildungs­ministerium der Litauischen SSR, die zur Begutachtung an das Bildungsamt des Rayons Vilkaviškis zurückgesandt wurde. Nach einigen Monaten erhielten die Eltern folgende Antwort:

„In Beantwortung Ihres Schreibens teilt Ihnen das Bildungsamt des Rayons Vil-kaviskis mit, daß die darin enthaltene Hinweise an Ort und Stelle überprüft wurden. Die Beschuldigung gegen die Lehrerin Miknevičienė erwies sich als unbegründet, da die für die litauischen Sprach- und Literaturaufsätze gewählten Themata den Programmvorschriften entsprachen." Das Schreiben war vom» Leiter des Bildungsamtes, J. Šačkusabgezeichnet.

Die Beschwerde befaßte sich indes gar nicht mit dem Aufsatzprogramm, sondern mit der Diskriminierung der zur Kirche gehenden Schüler, die gezwungen werden sollten, gegen ihre Überzeugung zu schreiben, und somit zur Heuchelei ermuntert wurden.

RAYON IGNALINA

Am 16. März 1972 wurden die Schüler der Klasse 5, A. Bivainis, V. Gaižutis und G. Patiejūnas ins Lehrerzimmer der Achtklassen-Schule von Paringiai geru­fen und von der Schuldirektorin Dalgėdaitė sowie den Lehrern — Milašius, Šad-resov, Misiūnaitė und Vaitulionis — unter Drohungen gezwungen, ein von der Lehrerschaft redigiertes Schriftstück zu unterzeichnen. Den Schulkindern wurde befohlen, von nun an nicht mehr zur Kirche zu gehen. Weiterhin wurde ihnen eingeschärft, daß der Priester für jeden Kirchgang eines der Kinder eine Geld­buße von 50 Rubeln werde entrichten müssen.