An seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II, Vatikan Heiliger Vater,

Wir, die Katholiken Litauens, verfolgen mit besonderer Aufmerksamkeit über Radio Vatikan und andere Rundfunksender des Westens Ihre Worte, Predigten, Arbeiten und ständigen Reisen durch verschiedene Kontinente, die unserer heutigen, verlorenen Welt die Wahrheit und die Liebe bringen. Uns, die wir in den letzten vier Jahrzehnten viel gelitten haben, bewegt die fortwährende Sorge Ihrer Heiligkeit um die Grundrechte der Menschen, die bei uns besonders unbarmherzig zertreten werden, und Ihre bewundernswerte Liebe zu Ihrer Heimat.

Wegen der geographischen Nähe und ähnlicher politischer Verhältnisse ist uns die Tragödie Polens gut bekannt und begreiflich. Wie immer das Schicksal dieses Volkes verläuft, es wird auch auf unsere weiteren Anstrengungen und unseren Kampf Einfluß haben. Die Gottlosen der Regierung wiederholen ständig im Kampf gegen die gläubige Jugend: »Auch in Polen begann es mit dem Rosenkranz ...«

Aus Ihren Taten, Heiliger Vater, lernen wir die Liebe zu Gott und zur Hei­mat. Wir haben jetzt ein unbestritten gültiges Beispiel, daß wir, wenn wir für die Rechte Gottes, der Kirche und unserer Volksangehörigen kämpfen, gegen unsere eigentliche Mission nicht verstoßen.

Vorwort

Als der II. Weltkrieg zu Ende war, stellten sich kämpferische Gottlose an das Regierungssteuer Litauens, entschlossen, die Katholische Kirche gänzlich zu vernichten. Den Gott und die Heimat liebenden Litauern erhob sich die Frage: wie wird das weitergehen? Die Priester der Diözese Vilkaviškis wand­ten sich an ihren alten und weisen Hirten, den Bischof Karosas, und baten ihn um einen Rat in der neuen Situation.

»Was die Regierung auch sagen wird, tut das Gegenteil und alles wird gut«, antwortete der Hirte. Es galt, diesen Rat in die Tat umzusetzen. Die Ereig­nisse aber entwickelten sich wie folgt:

Im Jahre 1946 wurden die Priesterseminare in Vilnius, Telšiai und Vilka­viškis geschlossen. Die Bischöfe — Teofilius Matulionis und Vincentas Bo-risevičius — verhaftet.

1947 wurde der Erzbischof der Erzdiözese Vilnius, Mečislovas Reinys (ge­storben im Gefängnis von Wladimir), und der Auxiliarbischof von Telšiai, Pranciškus Ramanauskas, verhaftet.

Ein Drittel der Priester Litauens mußten den GULAG durchwandern. Der Bischof Vincentas Borisevičius wurde 1947 erschossen. In den Jahren 1948 — 49 wurden alle Klöster geschlossen, zahlreiche Kirchen in Lagerhäuser umgewandelt oder für profane Zwecke benützt. Die Litauer werden massenweise nach Sibirien deportiert.

«! Warum entstand die »Chronik der LKK«?

Genau vor 10 Jahren, d. h. am 19. März 1972 erschien die erste Nummer der »Chronik der LKK«. Das war eine sehr bescheidene Veröffentlichung, die sich vornahm, das Vaterland und die Welt über die Diskriminierung der Gläubigen zu informieren, und sich bemühte, wenigstens das Minimum an religiöser Freiheit zu erkämpfen. Warum sie im Jahre 1972 erschien? Die Repressalien Stalins gegen die Katholische Kirche schufen für längere Zeit unter den Priestern eine Atmosphäre der Passivität. Die kirchliche Hierarchie war der Uberzeugung, daß man »gegen Wind nicht blasen könne«, und erfüllte gehorsam alle Forderungen der sowjetischen Regierung; die Führung der Partei aber plante die immer raschere Liquidierung der Kirche. Im siebzigsten Jahrzehnt wurde den Priestern wegen der geringsten »Uber-tretungen« der geheimen Instruktionen der sowjetischen Regierung verbo­ten, ihre Ämter auszuüben: das Priesterseminar war dermaßen eingeschränkt, daß es pro Jahr nur 5 neue Kandidaten aufnehmen durfte. Der Bevollmäch­tigte des Rates für Angelegenheiten der Religionen fühlte sich als »Kaiser und Gott«, der die Priester und die Ordinäre terrorisieren dürfe. Zu derselben Zeit reifte unter den Priestern Litauens immer mehr der Ge­danke, daß man nicht mehr mit den Händen im Schoß dasitzen dürfe, denn sonst werde die sowjetische Regierung alle ersticken. Was soll man tun? Die Antwort lieferten, durch ihr entschlossenes Auftreten mit eigenen Ideen, Erklärungen, Büchern und Veröffentlichungen die Dissidenten Moskaus.

Das war der erste Glockenschlag für die Auferstehung, der viele aus der Schläfrigkeit der Angst aufgeweckt und gerufen hat: Genug der Dunkelheit und des Schlafes! Man muß kämpfen, man muß die Verbrechen der so­wjetischen Regierung an der Kirche und den Gläubigen ins Licht ziehen — die ganze Welt soll diese Tyrannei sehen, vielleicht wird es im Licht un­bequem, Niederträchtigkeiten zu vollbringen.

Hochverehrte Redaktion,

Zehn Jahre sind es schon, seitdem Sie eine Arbeit vollbringen, die heute noch schwer einschätzbar ist.

Zu einer Zeit, als aller Mund noch verschlossen war, als die Menschenrechte mit Füßen getreten wurden, als die in den Verfassungen wie auch in den internationalen Dokumenten deklarierten Freiheiten gebrochen wurden und über die Opfer noch zynisch gespottet wurde, zu der Zeit des totalen Ver­botes der Presse und der freien Rede wagten Sie diese düstere Friedhofsstille zu durchbrechen. Sie wagten, den lügenhaften Vorhang der Propaganda aufzureißen und mit konkreten, unwiderlegbaren Tatsachen zu zeigen, wie es in Wirklichkeit in unserem unglückseligen Litauen zugeht. Diese Stimme, die am Anfang so einsam, so schüchtern erschien, kam manchem gerade wie ein verzweifelter Hilferuf vor. Mancher dachte über sie zu dieser Zeit viel­leicht mit den einst zu dem Doktor Vincas Kudirka gesagten Worte: »Was kannst du gegen eine solche Macht, du Käferchen der Erde. Solche Könige, solche Waffen, solche Macht, — sie werden dich wie eine Fliege zerquetschen.« Diese einsame Stimme verstummte aber nicht. Im Gegenteil, alle bekamen sie zu hören, auch jene, die sie, wie die Gendarmen jener Zeiten, »wie eine Fliege zerquetschen« wollten; es hörten sie auch jene, über deren Unrecht sie zu sprechen begann, hörten unsere Brüder im Ausland, und durch sie auch die ganze Welt. Sie hörten deswegen, weil dieses Wort, weil diese be­scheidenen Blättchen, wie eine gewaltige Macht, — die WAHRHEIT in sich trugen.

An den ersten Sekretär der KP der SSR Litauen, P. Griškevičius Abschrift:

An das Katholische Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen Erklärung

Wir, die Jugend und die Gläubigen Litauens, richten die Aufmerksamkeit der Partei auf grobe, mit keiner Moral in Einklang zu bringende Exzesse der sowjetischen Beamten gegen die gläubige Jugend. Solche Aktionen haben in der letzten Zeit stark zugenommen.

Eine Gruppe der gläubigen Jugend erwartete das neue Jahr 1981 im Heimat­museum in Rumšiškės. Dessen ungeachtet, daß von den Lippen der Jugend ein nüchternes Lied erklang und sich aus reinem Herzen jugendliche Freude ergoß, blieb diese Feier nicht ohne Nachspiel. Die Sicherheitsbeamten be­schuldigten die Jugend fälschlich des Rowdytums und begannen, sie zu ver­hören. Besonders wurde Marytė Velyvytė genötigt — ihr drohten sie mit dem Ausschluß von der medizinischen Schule von P. Mažylis in Kaunas. Im Monat August 1981 verbrachte eine Gruppe der gläubigen Jugend aus Vilnius ihre Ferien am See Baltieji Lokajai. Am Abend des 20. überfiel eine Operativgruppe der Miliz die Jugend. Betrunkene Milizmänner belei­digten mit einem bisher nicht gesehenen abscheulichen Zynismus und Sadis­mus die Mädchen, spuckten ihnen ins Gesicht und drohten ihnen mit Ver­gewaltigung. Sie verstauten die gesamte Jugend roh in die Autos und fuhren sie in die Milizabteilung nach Molėtai. In der Milizabteilung hielten sie sie einen ganzen Tag lang fest und quälten sie von Zeit zu Zeit mit Ver­hören. Zwei Studenten — Alfonsas Vinclovas und Audronė Ginkutė — wurden deswegen aus der Staatlichen Universität zu Vilnius verwiesen. Die Jugend wird bis jetzt immer noch genötigt.

Am 16. Februar wurde aus dem Lager für Kriminelle, Nischnij Tagil, nach der Verbüßung der Hälfte ihrer Strafe, Gema-Jadvyga Stanelytė, in die Freiheit entlassen.

Es ist interessant zu erfahren, was dieses neue Manöver des Sicherheits­dienstes zu bedeuten hat? Gema-Jadvyga Stanelytė ist im Jahre 1979 wegen des Organisierens einer religiösen Prozession nach Šiluva verurteilt worden.

Alle Orts- und Städteexekutivkomitees sind verpflichtet, im Jahre 1982 wei­terhin das religiöse Leben der Pfarreien zu bespitzeln und Berichte darüber in der unten vorgelegten Form dem Rat für Religionsangelegenheiten zu übermitteln:

I. Der Zustand der religiösen Gemeinschaft und der Stand der Religiosität.

1.     Eine Charakteristik der Tätigkeit des Exekutivorgans und der Revisions­kommission: a. Sammeln freiwilliger Spenden (wieviel wurde eingesammelt); b. Führung des Einnahmen-Ausgaben-Buches (ihr Entsprechen den religiösen Bedürfnissen); c. Aushilfen beim Organisieren religiöser Feste; d. Sorge um die wirtschaftlichen materiellen Bedürfnisse des Gebethauses (Restau­rierung, Heizung, Anschaffung neuen Inventars u. a.); e. Die aktivsten Mit­glieder des Exekutivorgans und der Revisionskommission (Name, Vorname); f. Ob der Priester die Tätigkeit der Revisionskommission und des Exekutiv-organes nicht einschränkt?

2.     Wie wird die Aufforderung ausgeführt, daß das Vermögen des Gebet­hauses alljährlich inventarisiert werden soll?

Der Priester Leonas Šapoka wurde in der Nacht des 8. Oktober 1980 im Pfarrhaus von Luokė ermordet. Erst als die Presse der freien Welt dieses sadistische Vergehen weitgehend zu kommentieren begann, wurde am 15. August 1981 in der »Tiesa« (»Die Wahrheit«) ein Artikel von Vytautas Žeimantas (Spez. Korrespondent des KGB) veröffentlicht: »Die Mörder sind gefaßt.«

Am 2., 3., 4. und 7. Dezember 1981 fand im Saal der Fabrik »Mastys« in Telšiai die Gerichtsverhandlung gegen die Mörder des Priesters Leonas Šapoka statt. Der große Saal konnte nicht alle fassen, die der Gerichtsver­handlung beiwohnen wollten, deswegen verfolgten viele die Verhandlung über Lautsprecher in der Vorhalle. Die Sicherheitsbeamten aus Vilnius be­obachteten aufmerksam die Menge; an Miliz fehlte es ebenfalls nicht. Den Vorsitz hatte der Richter des Obersten Gerichts der LSSR Jukna, Staats­anwalt — Mackevičius, die Verteidiger — Šidlauskienė, Jankauskas und Aleksandravičius.

An einem Tag wurde die Gerichtsverhandlung gefilmt. Die Verbrecher — Jonas Sabaliauskas, geb. 1955, Agronom; Danielius Mockevičius, geb. 1962, Kommjugendlicher, Verwalter der Veterinärstation in Raseiniai; Adomas Lukšas, 30 Jahre alt, ein typischer Dieb. Sabaliauskas und Lukšas standen nicht zum ersten Mal vor Gericht. Der Staatsanwalt Mackevičius erhob in seiner Rede die Frage: »Was führte sie auf die Anklagebank, warum haben sie einen Menschen so grausam ermor­det?« Eine Antwort darauf fand er aber nicht. Er verlangte für Jonas Sa­baliauskas die Todesstrafe und für die zwei anderen — je 15 Jahre Freiheits­entzug.