An den ersten Sekretär der KP der SSR Litauen, P. Griškevičius Abschrift:

An das Katholische Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen Erklärung

Wir, die Jugend und die Gläubigen Litauens, richten die Aufmerksamkeit der Partei auf grobe, mit keiner Moral in Einklang zu bringende Exzesse der sowjetischen Beamten gegen die gläubige Jugend. Solche Aktionen haben in der letzten Zeit stark zugenommen.

Eine Gruppe der gläubigen Jugend erwartete das neue Jahr 1981 im Heimat­museum in Rumšiškės. Dessen ungeachtet, daß von den Lippen der Jugend ein nüchternes Lied erklang und sich aus reinem Herzen jugendliche Freude ergoß, blieb diese Feier nicht ohne Nachspiel. Die Sicherheitsbeamten be­schuldigten die Jugend fälschlich des Rowdytums und begannen, sie zu ver­hören. Besonders wurde Marytė Velyvytė genötigt — ihr drohten sie mit dem Ausschluß von der medizinischen Schule von P. Mažylis in Kaunas. Im Monat August 1981 verbrachte eine Gruppe der gläubigen Jugend aus Vilnius ihre Ferien am See Baltieji Lokajai. Am Abend des 20. überfiel eine Operativgruppe der Miliz die Jugend. Betrunkene Milizmänner belei­digten mit einem bisher nicht gesehenen abscheulichen Zynismus und Sadis­mus die Mädchen, spuckten ihnen ins Gesicht und drohten ihnen mit Ver­gewaltigung. Sie verstauten die gesamte Jugend roh in die Autos und fuhren sie in die Milizabteilung nach Molėtai. In der Milizabteilung hielten sie sie einen ganzen Tag lang fest und quälten sie von Zeit zu Zeit mit Ver­hören. Zwei Studenten — Alfonsas Vinclovas und Audronė Ginkutė — wurden deswegen aus der Staatlichen Universität zu Vilnius verwiesen. Die Jugend wird bis jetzt immer noch genötigt.

Eine Gruppe gläubiger Schüler aus Kybartai verbrachte am 18. August 1981 die Sommerferien am See Šlavantai im Rayon Lazdijai. Am 20. August, als sie sich vorbereiteten, nach Hause zu fahren, wurden sie von Milizbeamten angehalten, zwangsweise in einen Autobus gesetzt und in die Milizabteilung des Rayons gebracht. Dort wurde die Jugend verhört, und einige Erwachsene — Bernadeta Mališkaitė, Onutė Šarakauskaitė — hielten sie drei Tage lang in der Milizabteilung fest und beschuldigten sie des Organisierens eines Religionsunterrichts für Kinder. Die Administrativkommission des Exekutiv­komitees Rayon Lazdijai verurteilte sie zu je 50 Rubel Strafe, obwohl das nur ein einfacher Ausflug ohne vorherige Rückfrage bei der Rayonkomm­jugend und der Parteiführung war.

Am 25. Oktober 1981 fuhr Herr Chščenavičius mit seiner Familie aus dem Städtchen Pagiriai über Šiluva (weil es vorgesehen war, den Friedhof von Šiluva zu besuchen) nach Šiaulėnai. Zusammen mit ihnen fuhr auch der Freund des Sohnes, Rimantas Jasinskas. Auf der Straße Raseiniai — Šiluva hielten Milizbeamte sie auf und ließen sie nicht weiterfahren. Die mit einem Auto reisenden Personen stiegen aus und wollten zu Fuß Šiluva erreichen. Die Miliz ergriff die beiden Burschen und verfrachtete sie in ein Auto. Die Eltern, da sie nicht wußten was los ist, sprangen zu dem Auto hin. Das Milizauto warf die Mutter um und verletzte den Vater am Arm. Die Jugend­lichen und später auch die Eltern, brachten sie in die Milizabteilung. Den Rimantas Jasinskas haben sie dort geschlagen und mit den Füßen getreten, bis die hinter der Wand befindliche Chščenavičienė es hörte und schrie: »Schlagt ihn nicht!« Albinas Chščenavičius wurde zu sieben Tage Arrest verurteilt und der Mutter wurde ebenfalls eine Strafe auferlegt.

Am 25. Oktober 1981 hat Kęstutis Vareikonis beschlossen, als Buße für die Sünden des Volkes, aus Raseiniai nach Šiluva zu pilgern. Als er schon beim 17. Kilometer war, verfrachteten Milizmänner ihn, ohne irgendwas gefragt zu haben, ohne Erklärung in ein Auto und brachten ihn in die Milizabteilung. Während des Verhörs wurde über Kęstutis grob gespottet und ihm sein Rosenkranz abgenommen. Außerdem wurde der Jugendliche mit 10 Rubel Strafe belegt.

Am 14. November 1981 feierte die Jugend in Vilkaviškis, Statybininkų 4-3 in der Wohnung von Kelmeliai einen Geburtstag. Die festliche Stimmung verdarben die in die Wohnung eingedrungenen Milizmänner und Sicher­heitsbeamten, um angeblich die Personalien der Versammelten zu überprüfen. Die Jugendlichen wurden in die Milizabteilung von Vilkaviškis gebracht. Obwohl die Eindringlinge versprochen hatten, sie nur 15 Minuten aufzu­halten, dauerte die Personalienfeststellung 4,5 Stunden lang, und es ist ungewiß, wie lange das noch gedauert hätte, wenn nicht für ein Mädchen schnelle medizinische Hilfe nötig geworden wäre.

Etwas früher haben drei Studentinnen: Zita Vizbergaitė, Ramunė Butke-vičiūtė und Dalia Dambrauskaitė deswegen kein Diplom bekommen, weil sie die Prüfung in Kommunismus »nicht bestanden haben«, in Wirklichkeit war es aber deswegen, weil sie tief gläubig waren, was den Leitungen der Institute wohl bekannt war.

Das sind aber nur einige Fälle, wer kann aber den Terror gegen einzelne Jugendliche aufzählen!

Wenn man eine derartige Lebens-Wirklichkeit sieht, dann kommt die Frage auf: Wo leben wir? Uns wird beteuert, daß wir die Bürger des demokratisch­sten Landes sind, die Demokratie aber sehen wir bislang nur auf dem Papier. Warum gefällt den Beamten eine nüchterne Jugend nicht? Woran hindert sie der Glaube der Jugend? Nach welchen Gesetzen hat die gläubige Jugend kein Recht zu wandern, sich zu belustigen oder die eigene Uberzeugung zu vertiefen?

Ist es denn möglich, daß die Vertreter der sowjetischen Regierung die mora­lische Armut unter der ungläubigen Jugend, welche die Gefängnisse, die Besserungs-Anstalten und Arbeitslager, die Krankenhäuser für Geschlechts­krankheiten füllen, nicht sehen, ihre ganzen Kräfte aber für den Terror gegen die gläubige Jugend aufwenden? Da bietet sich der Gedanke an, daß dies alles vorsätzlich getan wird, um mit administrativen Mitteln dem erfolglosen Gottlosmachen des Volkes zu Hilfe zu kommen.

Wir fordern berechtigt, daß die elementarsten Menschenrechte, nach eigenem Gewissen und eigenen Überzeugungen leben zu dürfen, gewahrt werden. Im Jahre 1982

Unter der Erklärung unterschrieben die Gläubigen:

In Anykščiai - 58, in Alytus - 200, in Biržai - 200, in Garliava - 1972, in Igliauka — 194, in Kaunas — 3814, in Kėdainiai — 683, in Kapčiamiestis — 94, in Kučiūnai — 131, in Kretinga — 99, in Karmėlava — 144, in Lei­palingis — 35, in Molėtai — 223, in Pagirys — 42, in Panevėžys — 1925, in Papilys — 42, in Pandėlys — 70, in Prienai — 890, in Ramygala — 370, in Rokiškis etwa 80, in Skaudvilė — 238, in Stirniai — 75, in Šiauliai — 1239, in Šeduva — 242, in Sėta — 71, in Šlavantai — 83, in Šilutė — 300, in Ukmergė — 150, in Užuguostys —100, in Valkininkai — 170, in Veisiejai — 218, in Vilnius — 185, in Viduklė 588, in Žiliniai - 107, in Josvainiai - 200, in Kupiškis etwa 100, in Seredžius — 88, in Raudondvaris — 138, in Taba­riškės — 30, in Utena — 333, in Vištytis — 130, in Vilkaviškis — 200, in Gižai — 83, in Kybartai 580, in Griškabūdis — 346, in Sasnava — 40, in Virbalis — 245, in Kapsukas — 234. Insgesamt 18 341.