Am 2. Dezember vorigen Jahres gedachten wir des 101. Geburtstages eines Mannes, der zu den berühmtesten Männern der Litauischen Katholischen Kirche, der Wissenschaft und der Politik zählt, Pranas Dovidaitis. Die Gedenkfeier fand in der Karmeliterkirche zu Kaunas statt. Der Prediger durchleuchtete weit und ausführlich die vielverzweigte Tätigkeit von Pranas Dovydaitis, seine Verdienste für die Katholische Kirche und die Wissen­schaft Litauens. P. Dovydaitis, der seine gesellschaftliche und wissenschaft­liche Tätigkeit auf die Wahrheiten des Evangeliums Christi gebaut hatte, ist uns, den Litauern, ein Beispiel, ein leuchtender Stern auf allen Gebieten des Lebens geblieben. Seine Anweisungen, die er Lehrern und Schöpfern der Kultur Litauens gab, haben bis heute nichts an Aktualität verloren.

Am 27. Januar 1988 wurde während des Abendgottesdienstes in der Kirche von Pilviškiai des Professors Antanas Maceina gedacht. Diese Gedenkfeier­lichkeiten werden langsam zur Tradition. Es ist aber schade, daß der ein­fache Hörer oder Leser in Litauen nicht ausreichend Möglichkeit hat, ausführlich und allseitig das literarische und philosophische Erbe von A. Maceina zu durchschauen. Das ist ein sehr großer Verlust für alle, besonders aber für die junge Generation. Ähnliche Gedenkfeiern ermög­lichen uns, einem der berühmtesten Schöpfer der christlichen Philosophie nicht nur Litauens, sondern auch des westlichen Europa näher zu kommen und ihn kennenzulernen.

Kapsukas. Am 14. Januar 1988 wurde in der Abteilung für innere Angelegenheiten der Stadt Kapsukas ein Strafprozeß gegen den Hilfsarbei­ter der Kirche von Sasnava, Petras Gražulis, eröffnet. Petras Gražulis wird der vorsätzlichen Weigerung, eine militärische Ausbildung in der sowje­tischen Armee zu absolvieren, beschuldigt.

Die für den 26. Januar anberaumte Gerichtssitzung fand nicht statt, weil von drei Zeugen, die gegen Petras Gražulis aussagen sollten, zwei nicht erschienen waren. Die Gerichtsverhandlung wurde auf den 2. Februar ver­legt. Am 2. Februar wurden die Verwandten und einige Dutzend Freunde und Bekannte von P. Gražulis in den Gerichtssaal hineingelassen. Die rest­lichen Freunde von P. Gražulis mußten im Freien frieren. Sie wurden von der Miliz und vom KGB aufmerksam bewacht und von Zeit zu Zeit auf­gefordert, sich zu entfernen. Die Menschenmenge wurde dauernd von speziell zu diesem Zweck hierher gerufenen Mitarbeitern des litauischen Fernsehens gefilmt.

Die Gerichtsverhandlung begann um 10 Uhr. Der Vorsitzende Z. Pečiulis eröffnete sie mit der Befragung des Angeklagten:

„Ihr Name, Familienname, Name des Vaters?" „Petras Gražulis, Sohn des Antanas." „Ihre Nationalität?" „Litauer."

Der Delegation der Föderation von Helsinki, die Ende Januar 1988 in Moskau auf Einladung der Regierung der UdSSR zu Gast war, haben die Katholiken Litauens folgendes Dokument überreicht:

Über die Lage der Gläubigen in Litauen.

Die Lage der Gläubigen in der UdSSR, also auch in der einverleibten SSR Litauen, bestimmen die Gesetze der UdSSR, in denen - wenn auch oft nur versteckt - gesagt wird, daß die Religion in der UdSSR abgelehnt werden soll. Und nur deswegen, weil die Gesetze oft nur oberflächlich beachtet werden, ist es den Gläubigen bislang gelungen, einige ihrer Positionen auf­recht zu erhalten.

In der Einleitung der Verfassung der UdSSR wird gesagt: „Das höchste Ziel des sowjetischen Staates ist der Aufbau der klassenlosen kommunistischen Gesellschaft..., den Menschen der kommunistischen Gesellschaft zu erzie­hen..." Im Artikel 39 steht: „Die Nutzung der Rechte und Freiheiten durch die Bürger darf den Interessen der Gesellschaft und des Staates... keinen Schaden zufügen."

Da der Mensch der kommunistischen Gesellschaft ausnahmslos ein Atheist ist, bedeutet es, daß jegliche Nutzung der Gesetze und Freiheiten zu Gunsten der Religion eine Verletzung der Verfassung bedeutet.

Anfang Februar 1988 wurden auf Anweisung des Staatsanwaltes der Repu­blik in den Ortsstaatsanwaltschaften folgende Personen ermahnt:

Priester Antanas Šeškevičius (Vikar der Pfarrei Gargždai) Priester Vincas Vėlavičius (Benefiziant der Kathedrale von Telšiai) Genovaitė Krisiūnaitė (Organistin der Pfarrei Alytus) Veronika Beišytė (in Kapsukas) Kryževičius (in Kaunas) Monika Gavėnaitė (in Šiluva) Sigitas Gudaitis (in Prienai)

Ihnen allen wurde nachdrücklich klar gemacht, daß sie gemäß §68 des StGB bestraft würden, wenn sie ähnliche Erklärungen unterschrieben, wie es der „Aufruf an alle Menschen guten Willens in aller Welt" ist.

Priester Sigitas Tamkevičius schreibt:

»(        ) Bei meiner jetzigen Arbeit an einer Werkbank kann ich den ganzen

Tag meditieren, beten, Kreuzwegstationen begehen. So sieht meine Fasten­zeit, so sehen auch meine Exerzitien aus, und nach der Arbeit möchte man am liebsten gar nichts mehr, weder etwas tun, noch etwas lesen. Und so vergehen die Tage, einer nach dem anderen. Bei der Betrachtung des Kreuzweges Christi erinnere ich mich in meinem Gebet an alle Veronikas, alle Zyreneer, die auf die eine oder andere Weise durch ihr Gebet oder ihre Briefe schon seit fast fünf Jahren mit mir sind; Durch ihren Idealismus oder ihre Solidarität haben viele von ihnen mir den Schweiß vom Gesicht gewischt und mir meine Last abgenommen. Die Hilfe der einen habe ich gesehen, von den anderen wußte ich, die dritten spürte ich, ohne mich zu täuschen, neben mir. Mein Gott, wie gut ist es zu leben, wenn man so viele Menschen und liebende Herzen neben sich sehen oder wenigstens fühlen darf. Diese Menschen trifft der Haß, die Unfreundlichkeit und Gleichgül­tigkeit der Welt. Deswegen allen Veronikas und allen Zyreneern tausend­fach „Vergelts Gott".

Vor kurzem haben wir alle über das Zentralfernsehen den Film über Prie­ster Alfonsas Svarinskas gesehen. Auch der Hauptdarsteller dieses Films hat zugeschaut. Anschließend folgten Kommentare und Gratulationen.

Kaišiadorys. Nach der Vorlesung der für den Sonntag vorgesehenen Lesung und des Evangeliums wandte sich S. Exz. Bischof Vincentas Sladkevičius am 17. Januar 1988 an die Gläubigen mit der Feststellung, daß man die Wahrheit lieben und sie, wenn es nötig ist, vor Lüge und Ver­leumdungen verteidigen müsse. Der Bischof sagte, daß er es als eine Pflicht empfinde, auf den ihn betreffenden Artikel des Korrespondenten A. Čaikovskis, der am 12. Januar 1988 in der „Tiesa" („Die Wahrheit") ver­öffentlicht war, Antwort zu geben. Der Artikel trägt die Überschrift „Die ,Chronik' nährt sich von Verleumdungen". „Was in diesem Artikel über mich geschrieben wird", sagte der Bischof, „ist eine reine Lüge, wahr ist nur, daß ich an dem Tag gerade dabei war, wegzugehen, als mich zwei unbekannte Männer besuchten und sich als Korrespondenten der Tiesa' vorstellten." Der Bischof hat sie genau so empfangen, wie alle Interessen­ten, die zu ihm kommen. Die Unbekannten waren offiziell kühl, und der Ton der Fragen war beinahe aggressiv. Die erste Frage: „Warum weigern Sie sich, eine katholische Zeitschrift herauszugeben?" Der Bischof antwor­tete auf die Frage kurz: „Wir weigern uns deswegen, weil es allen klar ist, daß die Zeitschrift nicht so wird, wie sie von den Katholiken benötigt wird. Wir benötigen eine Zeitschrift mit einem Inhalt, wie sie beispielsweise die Diözesen in der Deutschen Demokratischen Republik herausgeben."

Die zweite Frage: „Lesen Sie die ,Chronik'?" Der Bischof antwortete: „Zur Zeit nicht." Auf die Frage, - „Haben Sie sie früher gelesen, wie beurteilen Sie sie?" - erklärte der Bischof, die „Chronik" sei eine notwendige Ver­öffentlichung, weil sie die Schwierigkeiten aufdecke, mit denen die Kirche in Litauen und die Gläubigen, die diskriminiert und von den Atheisten wie auch von den Beamten angegriffen werden, konfrontiert sind. Hier wies der Bischof die Korrespondenten auf eine Begebenheit hin, die die Beisetzung seiner Mutter betrifft. Als der Bischof in der Verbannung war, starb seine Mutter. Seine Mutter wollte in der Pfarrei Žasliai beerdigt werden. Als man sich mit der Bitte um ein Lastauto an die Ortsverwaltung wandte, damit man den Sarg mit den Überresten nach Žasliai bringen kann, hatten die Regie­rungsvertreter spottend erwidert: „Soll doch seine Mutter hier verfaulen..."

Žarėnai-Latveliai (Rayon Šiauliai). Am 9. Januar 1988 kamen der Ortsvorsitzende von Šakyna, Voldemaras Meiliulis, und ein Sicherheits­beamter zu der Einwohnerin von Žarėnai-Latveliai, Barystienė. Frau Bary­stienė wurde damit geängstigt, daß ihre Tochter Rasa Barystaitė mit der Wäscherin der Kirche von Žarėnai-Latveliai, Regine Teresiūtė, befreundet sei, die aber nach den Worten des Beamten eine „Auslandsspionin" sei. Sie versuchten der Frau Angst zu machen, indem sie den Ortspfarrer, Prie­ster A. Pakamanis, beschuldigten, daß er an die Kinder, die die Kirche besuchen, vergiftete Bonbons verteile. Nach einer kurzen Befragung wurde Frau Barystienė befohlen, eine dubiose, von den Beamten aufgestellte Akte zu unterschreiben. Eine ähnliche Regierungsdelegation erschien auch am 13. Januar im Hause der Familie Barystas. Mit der Erklärung, sie seien von einer Zeitungsredaktion gekommen, Material über Priester A. Pakamanis und R. Teresiūtė zu sammeln, redeten sie aufdringlich auf die Eltern ein, ihren Kindern die Freundschaft mit den Genannten zu verbieten. R. Tere­siūtė nannten sie wiederum „Spionin".