Moskau hat im Jahre 1981 erklärt, »einverstanden« zu sein, die ohne Ge­richtsbeschluß schon über 20 Jahre in der Verbannung gehaltenen Bischöfe — den Bischof der Erzdiözese Vilnius Julijonas Steponavičius und den Bi­schof der Diözese Kaišiadorys Vincentas Sladkevičius — in ihr Amt wieder zurückkehren zu lassen. Ausländische Diplomaten glauben oft an den guten Willen Moskaus, in Litauen aber, wo die Gläubigen jeden Tag mit der List und der Heuchelei des staatlichen Atheismus konfrontiert werden, ruft jede Geste des »guten Willens« der sowjetischen Regierung eine neue Sorge hervor. In diesem Falle haben besondere Ursachen diese Sorge hervor­gerufen.

Als Bedingung für die Amtsaufnahme der verbannten Bischöfe verlangte Moskau, daß drei neue, von der sowjetischen Regierung ausgewählte, Kan­didaten konsekriert würden. Nicht von der Kirchenleitung, sondern von der Sowjetregierung auserwählte Kandidaten wurden somit dem Apostolischen Stuhl empfohlen. Es bedurfte nur, den Apostolischen Stuhl zu überzeugen, daß die neuen Kandidaten für dieses Amt geeignet seien, und daß dieses Projekt der Wiederzulassung der verbannten Bischöfe in ihr Amt, wie auch die Ernennung der neuen Bischöfe, ein positiver Akt sei und der Katholi­schen Kirche Litauens vorteilhaft sein könne. Die Helfer des KGB haben diese Aufgabe gut gelöst und im Monat Juli, nach dem Eucharistischen Kongreß in Lourdes, wurde schon klar, daß die sowjetische Regierung ihr Ziel beinahe erreicht habe — die von ihr vorgeschlagenen Bischofs-Kandi­daten sind vom Apostolischen Stuhl, oder werden in allernächster Zeit, in der Tat zu Bischöfen ernannt. Diese Nachricht war für die Katholiken Litauens die fast schmerzlichste der ganzen Nachkriegszeit. Die Katholische Kirche Litauens hat in den Nachkriegsjahren alle nur mögliche Verfolgungen ertra­gen: die Bischöfe wurden eingekerkert und sogar erschossen, hunderte von Priestern mußten den Weg des GULAG gehen, die sowjetische Presse goß Schmutz auf die Priester und auf die Kirche, der administrative Apparat der sowjetischen Regierung zwängte, wie mit Zangen, jegliche religiöse Tätigkeit ein, die Kirche ging aber nicht unter und zeigte sich sehr lebensfähig. Das Allerschmerzlichste für Priester und Gläubige der Nachkriegsjahre in Litauen ist — die Zerstörung der Kirche von innen her durch die Ordinarien selbst und jene Priester, die dem KGB mithelfen. Dies ist schrecklicher als Gefängnisse, Amtsenthebungen und andere Gewaltmaßnahmen.

Am 25. November 1981 verbreitete sich in Litauen die Nachricht, daß der Priester Bronius Laurinavičius auf tragische Weise ums Leben gekommen ist. Man wollte nicht glauben, daß das der Wahrheit entspricht, denn in Litauen verbreiten sich oft, oder werden sogar bewußt traurige Nachrichten verbreitet, daß jemand verhaftet wurde, daß jemand erschlagen oder zusam­mengeschlagen wurde, und manche von ihnen bewahrheiten sich nicht. Dies­mal aber bewahrheitete sich ...

Am 24. November 1981 um etwa 20.20 Uhr, in der Nähe der Straßenkreu­zung der Dzeržinskio—Zalgirio-Straßen in Vilnius, verletzte ein automati­scher Kipper Maz-503, gesteuert von Lazutkin, den Pfarrer von Adutiškis, Mitglied der Litauischen Helsinkigruppe, Priester Bronius Laurinavičius tödlich.

Als die Gläubigen und Priester Litauens von diesem tragischen Unfall hörten, behaupteten sie alle einstimmig — das ist eine Tat des KGB! Einige Tage vorher war in der Zeitung »Tiesa« (»Die Wahrheit«) ein Artikel der Kor­respondentin Danguolė Repšienė abgedruckt, der gegen den Priester Bronius Laurinavičius gerichtet war, weil dieser angeblich das Leben der Kinder schädige.

Die Umstände seines tödlichen Unfalles sind sehr unklar. Die Unfallakten über den Tod des Priesters übernahm aus der Autoinspektion von Vilnius das Innenministerium der LSSR und sie bearbeitet der Untersuchungsrichter Vaitiekūnas.

Vilnius

Im August 1981 wurde mit einer Unterschriftenaktion unter einer Klage­schrift an den Generalstaatsanwalt der SSR Litauen wegen des Terrors gegen die Jugend begonnen, die an den Seen von Molėtai im Dorf Mindūnai un­berechtigt festgenommen wurde (siehe »Chronik der LKK« Nr. 49), wie auch wegen der unberechtigten Aktionen der Miliz und des Sicherheits­dienstes. Diesen Protest unterzeichneten etwa 600 Gläubige. Obwohl schon einige Monate seit diesem Vorfall vergangen sind, wird ungeachtet der Proteste der Gläubigen die Jugend auch weiter ständig terrorisiert.

Am 22. September 1981 lud die Direktorin des Verkaufsladens »Nau-jininkai«, Dagienė, die Oberverkäuferin Valda Ryliškytė, die sich mit der Jugend im Sommer an den Seen von Molėtai erholt hatte, in das Amt für Industrie und Handel der Stadt Vilnius vor. Im Amt für Industrie und Handel traf Valda die Abteilungsleiterin Stelingienė und noch eine Frau an. Sie fragten Valda aus, seit wann sie zu glauben und zu beten begonnen habe, sie wunderten sich und lachten über sie, daß sie — ein Mädchen von 18 Jahren, noch an Gott glaube und die Kirche besuche, wo doch alle Zeitungen und Lehrbücher schreiben, daß es keinen Gott gibt... Sie drohten ihr, sie aus der Kommjugend rauszuschmeißen, zu der das Mädchen beizutreten gezwungen war, als es noch das Technikum besuchte.

Petras Paulaitis schreibt in seinem Brief vom 10. September 1981:

Die meisten von uns (11 Litauer) halten sich, was die Gesundheit betrifft, noch zufriedenstellend. Verständlich, daß alle viel erlitten, viel durchgemacht haben und voller Sorgen sind. Ich bin sicher, daß unsere Eltern und Ahnen keinen Anlaß hätten, unseretwegen erröten zu müssen, und ich bin überzeugt, daß unsere Kinder — die kommende, uns ablösende Generation, es auch nicht wird tun müssen. Immerhin sind diese gewöhnlichen, einfachen Men­schen aus unseren Dörfern jetzt die Gefangenen, die Märtyrer, die für die Freiheit des Vaterlandes alles hergeben, sogar im Ubermaß, und sie werden es auch weiter hergeben, was in ihnen steckt. Nur gib, o Gott, ihnen Aus­dauer!

In diesem Jahr, am 30. Oktober, werde ich des 34. Jahres gedenken, das ich für unser liebes Vaterland erleide. Mit Hilfe des Allmächtigen hoffe und will ich nach restlichen 13 Monaten das Ufer der Freiheit erreichen und Euch wiedersehen... Sie lassen viele für mich ankommende Briefe nicht durch.

Ich verbeuge mich vor allen Brüdern und Schwestern, die guten Willens sind.

Am 17. Oktober 1981 ging für Ona Vitkauskaitė die Zeit im Frauenlager zu Panevėžys zu Ende. Vor eineinhalb Jahren war sie wegen der Verviel­fältigung der »Chronik der LKK« festgenommen worden. Während der Beurteilung am 1. Juli 1981 hat eine Kommission, bestehend aus Mitarbeitern der Lagerverwaltung und einigen Gefangenen, Ona Vit­kauskaitė vorgeladen und noch einmal auf ungewöhnliche Weise versucht, mit Hilfe von Lüge und Verleumdung (eine Mitarbeiterin der Lagerverwal­tung beschuldigte Onutė der Zugehörigkeit zu einer Sekte, die die Kinder sittlich verführe) eine »Erziehungsarbeit« durchzuführen mit dem Ziel, aus der Festgenommenen ein Geständnis herauszupressen, daß sie sich bessern wolle. Als sie aber kein Wort der Reue hörten, sondern nur die feste Uber­zeugung: »Wer den von Ihnen so genannten Irrtum einsehen und sich bessern will, der muß auf den Glauben verzichten — und das werde ich niemals tun«, erklärte die Vorsteherin der Operativabteilung, daß sie in die Charakteristik »nicht auf dem Weg der Besserung befindlich« hineinschreiben werde, und sie drohte ihr, daß sie mit einer derartigen Einstellung bald wiederkommen werde.

Als die Strafzeit schon zu Ende ging, entzog die Lagerleitung die der Vit­kauskaitė zustehende persönliche Besuchszeit und kürzte die allgemeine Besuchszeit derart, daß die Inhaftierte ihren herbeigereisten Bruder kaum noch begrüßen und einige Worte mit ihm wechseln konnte, obwohl bis zur Grundaufstellungszeit noch einige Stunden Zeit blieben. Begründung: »Ge­fangene gibt es viele, aber die Zeit ist knapp.«

Am 12. September 1981 sind vier junge Männer aus Estland nach Šiluva gekommen, um zu beten: Ants Tomson, Tanne Kelam, Tonis Arro und Runno Vissak.

Die Miliz hielt sie an der Kirche an und verhörte sie. Allein deswegen, weil er nach Šiluva gereist ist, wurde einer von ihnen, der Student Runno Vissak, von der Universität in Tartu (Dorpat) verwiesen.

Der siebzehnjährige Schüler des Technikums für Hydromelioration zu Panevėžys, Kęstutis Variakojis, kam am 25. Oktober 1981 nach Raseiniai mit der Absicht, von hier aus weiter nach Šiluva zu fahren, um dort in der Kirche beten zu können. Da an der Busstation in Raseiniai eine Bekanntmachung angeschlagen war, daß die Busse am Freitag, Sonnabend und Sonntag (23., 24. und 25. Oktober) nach Šiluva nicht fahren würden, beschloß der Bursche, die Reise weiter zu Fuß fortzusetzen. Auf der Straße sausten die Milizautos eines nach dem anderen, deswegen ging er auf Pfaden durch den Wald. Als er in der Nähe von Šiluva wieder auf die Hauptstraße heraustrat, kam sofort ein Milizauto herbeigefahren, einige Milizmänner sprangen heraus und be­fahlen ihm streng, in ihr Auto zwecks »Aufklärung« einzusteigen. Kęstutis erkundigte sich, weshalb er angehalten werde, die Milizmänner aber erwi­derten darauf zornig:

»Steig rasch in das Auto, sonst schmeißen wir dich selber hinein und du bekommst noch 10 Tage dazu!«

Nachdem die Regierungsgottlosen die Methoden der Vernichtung und Ver­achtung der Religion aktiviert haben, zeigt die gläubige Jugend Litauens noch eifriger ihre Treue und Liebe zum Kreuze Christi. Die Jugend Litauens weiß sehr gut, wo die Kraft des Volkes und die Überlebensgarantie steckt, und sie sagt mutig mit dem Dichter Brazdžionis:

Lebendig bis du nur im Lichtschein des Morgens der kommenden Tage;

Zu leben hast du gelernt, versklavte Heimat,

Weil du gefunden hast, wie ein Wunder,

Die allen großen Helden gemeinsame — Quelle des Herrn.

In der Nacht vom 25. zum 26. September 1981 errichtete die Jugend ein schönes Kreuz an der Straße Vištytis — Kybartai. Am 26. in der Frühe um etwa 10 Uhr warfen der Ortsvorsitzende Šarskas und der Romas Žukauskas das Kreuz um, aber am Abend des 27. erhob sich dasselbe Kreuz an der alten Stätte wieder, stand aber nur 2 Stunden lang — böse Hände rissen es wieder heraus. Die Leute schmückten das herausgerissene Kreuz mit Blumen; das mißfiel aber den Gottlosen und es wurde am 18. Oktober in Stücke zer­schnitten und weggefahren.

Vilkaviškis

An den Apostolischen Administrator der Erzdiözese Kaunas und der Diözese Vilkaviškis

Gesuch

der Priester der Diözese Vilkaviškis.

Die Ordinarbischöfe Litauens haben das Jahr 1981 zum Eucharistischen Jahr erklärt. Die erste Hälfte des Jahres ist schon vergangen, aber man spürt nur sehr schwach, daß es ein Eucharistisches Jahr ist. Der Wunsch vieler Priester und Gläubigen, am Eucharistischen Kongreß in Lourdes teil­nehmen zu dürfen, ist ebenfalls ohne Erfolg geblieben. Deswegen möchten wir sehr gerne, daß in Litauen ein Eucharistischer Kongreß vorbereitet werde. Am besten eignet sich zu diesem Zweck die Ablaßfeier der Šilinės in Šiluva, besonders die Tage des 12. und 13. September.

Am 5. Juli 1981

N.B. Viele Priester der Diözese Vilkaviškis unterzeichneten diese Erklärung, aber einen Kongreß zu organisieren, wurde aus Furcht, die sowjetische Re­gierung reizen zu können, nicht einmal versucht.

Kaunas

Folgenden Jugendlichen erlaubte die sowjetische Regierung nicht, am Prie­sterseminar zu studieren:

1.     Kazimieras Gražulis

2.     Saulius Kelpša

3.     Justinas Jukevičius

4.     Adžius Teresius

5.     Kęstutis Žemaitis

6.     Remigijus Ivanauskas

Skaudvilė (Rayon Tauragė)

An den ersten Sekretär der KP Litauens Griškevičius Protest

des Priester Vincas Velavičius, wohnhaft in Skaudvilė, Tauragės gt. 17.

Mitte Februar dieses Jahres und am 2. März wurden in der Mittelschule zu Skaudvilė zwei atheistische Veranstaltungen durchgeführt, an denen teilzu­nehmen die gläubigen Kinder der oberen Klassen mit Gewalt gezwungen wurden. In den Szenenbildern, Liedern und Gedichten wurde auf vulgäre Weise der Glaube verspottet.

Als Beispiel: die Lehrerin der Klasse IX b inszenierte ein Spektakulum, in dem das Opfer der Hl. Messe verspottet wurde. Ein Mädchen, in einen Umhang mit Kreuzen auf den Schultern und auf der Brust eingehüllt, ver­spottete in dem Spektakel die Hl. Messe, angefangen von dem Lied »Pulkim ant kelių« (»Wir wollen hinknien«), die Besprengung mit Weihwasser, die Opferung der Hl. Messe, die Konsekration und Hl. Kommunion. In diesem Spektakel wurde ein Gefäß, einem Kelch ähnlich, verwendet, voll mit Bon­bons gefüllt, und es wurde die Austeilung der Hl. Kommunion nachgeahmt. Am 12. März dieses Jahres erhebt der Korrespondent Bernardas Šaknys in der »Tiesa« (»Die Wahrheit«) seine Stimme zum Protest gegen den Physik­lehrer an der Mittelschule zu Lyduvėnai, der einen Schüler wegen der Nicht-vorbereitung der Unterrichtsstunde eigenwillig bestrafte. Er hieß den anderen Schülern, dem liederlichen Schüler einen Sack über den Kopf zu stülpen, und nachher schlugen der Lehrer selbst und die anderen Schüler zu. Der Korrespondent bemerkt: »Eine Schule — das ist eine Welt des Wissens und der leuchtenden Ideen. Hier lernt das Kind, der Heranwachsende, der Jugendliche, die anderen zu ehren. Im Schulpalast darf von Bosheit, Benach­teiligung, Erniedrigung eines Schülers weder die Rede sein, noch einen sol­chen Gedanken geben.«

1.    »Ausra« (»Die Morgenröte«), Nr. 28 (68). In dieser Nummer findet man folgende Artikel: »Kuriuo keliu?« (»Auf welchem Weg?«) (Ein Blick auf die Geistlichkeit Litauens), »Mūsų kultūros rūpesčiai« (»Die Sorgen über unsere Kultur«), »Lietuviai ir rusai« (»Litauer und Russen«), »Literatūrų >lygiateisiškumas< Tarybų Sąjungoje« (»Die Gleichberechtigung« der Literaturen in der Sowjetunion«) und anderes.

Die Nummer ist im September erschienen.

2.     »Tiesos kelias« (»Der Weg der Wahrheit«), Nr. 20. Erscheinungsdatum der Veröffentlichung — Dezember. Einer der bedeutendsten Artikel — »Der Priester auf der Kanzel«.

3.     »Dievas ir tevynė« (»Gott und das Vaterland«), Nr. 19. Die Veröffent­lichung ist Ende des Sommers erschienen. Darin werden die Fragen der christlichen Kultur Litauens, der Russifizierung der Literatur und andere aktuelle Fragen erörtert.

4.     »Rūpintojėlis« (»Der Sorgenvolle«), Nr. 17. Das Datum der Heraus­gabe — der 17. 7. 1981. Die Ausgabe ist dem Eucharistischen Jahr gewidmet. Die Veröffentlichung bringt zahlreiche Briefe der Jadvyga Stanelytė, ein Ge­such an den Hl. Vater, daß der Erzbischof Jurgis Matulevičius schneller seliggesprochen werde, und anderes.