Die stetig wachsende Zahl der Geistlichen aus Litauen, die an der sogenann­ten Friedenskonferenz von Berlin und auch an anderen vergleichbaren Ver­anstaltungen, ja sogar an der Gedenkfeier des Sieges in Moskau teilnehmen, verletzt die Gläubigen und stimmt sie traurig. Wenn an diesem Spiel des »Friedens« unreife Jugendliche, Zöglinge der kommunistischen Jugend teilnähmen, dann könnte man nur traurig lächeln und schweigen. So aber darf man nicht schweigen, denn der von den Priestern geführte sogenannte Kampf für den Frieden ist nichts anderes als eine sichtbare Heuchelei und ein Verrat an der Katholischen Kirche. Wenn es den Geistlichen wirklich um den Frieden ginge, dann würden sie dieses Problem mit den Augen der eigenen Katholischen Kirche betrachten. Keiner aber von diesen »Kämpfern« oder »Friedensstiftern« (wie das Volk sie nennt) hat ein Interesse gezeigt für die Stellung der Katholischen Kirche zur Frage des Friedens. Sie ist aber sehr deutlich in die Enzyklika »Redemptor hominis« im Artikel 17 darge­legt. Jeder Priester sollte sich die Worte der Enzyklika tief ins Herz hinein­schreiben: »Grundlage des Friedens ist die Achtung der unverletzlichen Rechte des Menschen; denn der Friede ist die Gerechtigkeit, der Krieg aber kommt aus der Verletzung dieser Rechte.« Wie soll man in dieser Hinsicht die Verteidiger des »Friedens« verstehen? Sie »verteidigen« den Frieden, in dessen Namen die Kirche der Königin des Friedens in Klaipėda geschlos­sen wurde, jenen Frieden, der auf das Recht von Hunderttausenden von Gläubigen spuckt, an Gottesdiensten teilzunehmen, ebenso auf die Unter­schriften Hunderttausender von Gläubigen! Kann denn ein Priester, ein geistlicher Führer der Gläubigen, das nicht begreifen? Wenn das kein Verrat ist, ist es dann vielleicht Blindheit, Senilität, Sklerose, Wahnsinn?

Ende Oktober 1985 fand die schon so oft verschobene traditionelle Begegnung des Schuljahrsbeginns der Seminaristen mit dem Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten P. Anilionis statt. In seiner Rede schilderte P. Anilionis die wichtigsten Erscheinungen des »religiösen Extremismus« in der Tätigkeit der Katholischen Kirche in Litauen. Zu Beginn berührte er eine innere Angelegenheit der Kirche, die Wahl des Priesterrates im vergan­genen Jahr. P. Anilionis behauptete, entgegen den Kanones der Kirche, daß die Bischofskonferenz das Recht habe, allen Priesterräten der Diözesen ein gemeinsames Statut aufzuzwingen. Der Verwalter der Diözese Panevėžys, Prälat Kazimieras Dulksnys und der Konsultator der Erzdiözese Vilnius, Priester Donatas Valiukonis wurden öffentlich wegen ihres Widerstands gegen die nichtkanonische Einmischung der Zivilregierung in die Zusam­mensetzung des Priesterrates und des Konsultorenkollegiums angegriffen. Prälat K. Dulksnys wurde beschuldigt, daß er die Priester nicht mäßige, wenn diese Aktivität im Kampf gegen Gottlosigkeit zeigen; er reagierte aber sofort, wenn Verdächtigungen im moralischen Bereich auf die Priester fallen. Das sei, angeblich, eine Begünstigung der Extremisten; eine derartige Taktik des Verwalters sei, nach Ansicht von P. Anilionis, eine Schande für die Katholische Kirche. Priester Rokas Puzonas wurde angegriffen, weil er dem Bevollmächtigten nach während der Pfingstfeierlichkeiten in Vepriai beim Begehen der Kreuzwegstationen acht Predigten gehalten habe. An dieser Stelle zitierte er das »Liturgische Gebetbuch«, wo gesagt wird, daß man sich bei der Pfingstprozession in Gedanken der Mutter Jesu, Maria, und den Aposteln anschließen soll, die im Abendmahlsaal beten. Wem aber soll man sich nach Priester R. Puzonas laut seinen Predigten anschließen? »Den Lei­denden«, wie der Redner sagte, den »Banditen wegen ihrer antisowjetischen Tätigkeit« und ihm, dem Priester selbst, der sich als in Sibirien Geborener vorgestellt habe!, regte sich P. Anilionis auf.

 (Schmerzhafte Jubelfeste)

Jedesmal begegnet der Mensch dem neuen Jahr mit gewissen Hoffnungen, Erwartungen und Wünschen. Man wünscht und man hofft, daß es sinnvoller, besser werde. Auch in den Bräuchen der weniger entwickelten Völker domi­nieren verschiedenartige Neujahrsrituale, mit deren Hilfe man versucht, das Böse, die bösen Geister zu vertreiben. Nichts darf die Freuden des Neujahrs überschatten.

Das Jahr 1986 aber bringt den Gläubigen Litauens leider nicht nur Freude, nicht nur fröhliche, erhabene Stimmung, sondern es erinnert sie auch an einen schmerzlichen Jahrestag unter vielen anderen, den wir am 26. Januar begehen werden: das Jubiläum der dreijährigen Unfreiheit des Priesters Alfonsas Svarinskas.

Die Kircheneinbrüche haben in der letzten Zeit wieder zugenommen. Allein in Kaunas wurde in diesem Herbst die Kirchen St. Antonius und die von Panemunė beraubt; Raubüberfälle gab es auch in den Kirchen von Dūkštas, Švenčionėliai, Braziūkai. Es wurde versucht, auch die Kirche von Šančiai zu berauben, die Missetäter wurden aber am Ort des Verbrechens gefaßt. Es ist schwer zu ergründen, nach welchem Barometer diese Wogen des Kir­chenraubes anschwellen. Eines ist aber gewiß: Das sind keine einzelnen und zufälligen Erscheinungen, sondern das ist eine Kette eines verbrecherischen Systems. Was ist das eigentlich: Satanismus, Lustbarkeiten der sich lang­weilenden »Grünschnäbel« oder eine bewußte böswillige Aktion? Wenn die zwei ersten Ursachen dominierend sind, dann sind sie sehr leicht zu beseitigen. Es brauchen die Organe der Rechtsordnung nur die Verantwortung dafür zu verschärfen, und die Ordnung wird wieder hergestellt. Aber die Miliz­organe suchen schon von vornherein nicht ernst genug nach Verbrechern dieser Sorte, und die Rechtsinstanzen bestrafen sie zu wenig. Deswegen kommt man logischerweise zu der Annahme, daß in diesem Falle die dritte Ursache gültig ist, also daß sich eine bewußte böswillige Aktion abspielt.

Tūbausiai (Rayon Kretinga)

In der Nacht vom 10. zum 11. Oktober 1985 haben Übeltäter, die in die Kirche von Tūbausiai eingedrungen sind, das Allerheiligste Sakrament ge­schändet. Sie rissen das Tabernakeltürchen auf und fanden einen Safe, den sie nicht aufbrechen konnten. Darin war das Allerheiligste Sakrament auf­bewahrt. Da brachen die Übeltäter den Tabernakel mit dem Safe ab und brachten alles fort. Die Übeltäter wurden nicht ermittelt.

 (Litauen betet)

Žemaičių Kalvarija (Varduva, Rayon Plungė)

Ungeachtet der Behinderungen durch die Regierung, wie Transportkontrollen, Registrierung der Privatpersonenwagen, strenge Kontrollen der Berufs­tätigen in den Betrieben, sind die Tage der großen Ablaßfeier (Beginn am 2. Juli) mit großer Begeisterung und Frömmigkeit begangen worden.

Pivašiūnai (Rayon Alytus)

Am 11. August 1985 kam den Wallfahrern, die zum Fest Maria Himmel­fahrt nach Pivašiūnai wollten, die Miliz entgegen. An diesem Tag ließen die Milizmänner die Wallfahrer nicht in das Städten fahren, sondern dirigierten die Autos auf die Felder. Auf den Straßen und auf dem Kirchhof beobachtet-ten Sicherheitsbeamte mit eiskalten Blicken jeden, der in die Kirche ging. Die Kirche und der Kirchhof waren voll Wallfahrer. Auch S. Exz. Bischof Vin­centas Sladkevičius kam zu dem Fest. Der Bischof konzelebrierte mit den Geistlichen die hl. Messe und hielt eine Predigt, in der er die Bedeutung Mariens in unserem Leben und ihre mütterliche Fürsorge heraushob. Er forderte alle auf, ihr in allen Situationen bedingungslos zu vertrauen. »Es ist gut, hier bei der Mutter zu sein . . .« sagte der Bischof. Er berührte in der Predigt auch die Berühmtheit des wundertätigen Marienbildes von Pi­vašiūnai, das sogar in der weiten Welt bekannt sei, denn als der Hl. Vater über Litauen sprach, habe er auch dieses Bild erwähnt.

Aus den Briefen des Priesters Alfonsas Svarinskas der Monate August und September 1985:

»(...) Die vergangene Woche war sonnig und warm, auch heute ist es sehr warm und angenehm. Ich bin Gott sehr dankbar für diese wundervollen Tage und Stunden. Ich habe es mir angewöhnt, mich auch über Kleinigkeiten zu freuen.

Der Gedanke Gottes schafft die Geschichte der Menschheit, wenn wir als kleine Menschen auch nicht immer den Sinn der Geschichte und unseres eigenen Geschickes verstehen. Regen Sie sich doch wegen mir nicht auf, denn ich habe mich schon daran gewöhnt, mich zu bemühen alles christlich, — wie der selige Ijob, zu ertragen (...)

Heute ist in Šiluva ein besonderer Tag, dem gläubigen Herzen kostbar seit 1612. Alle reisen heute zu dem Heiligtum. Es ist schon das dritte Jahr, seit ich von diesen heiligen Stätten getrennt bin. Aber ich werde heute auch mein Opfer niederlegen unter der Statue der Gottesmutter von Šiluva.

(...) Das Zitat von A. de Exupery ist gut. Er ist ein Klassiker der Fran­zosen; es lohnt sich, ihn zu lesen. Ich freue mich, daß dieses Zitat Ihre Her­zen erreicht hat. Die Menschen sind tatsächlich oft zeitlebens auf der Suche und können nichts finden, und daran sind sie oft selbst schuld; sie fliegen über den Wolken und sehen nicht, was ihnen vor der Nase liegt. Es ist schon an der Zeit, daß die Menschen und die Völker zur Bibel zurückkehren. (...) Ich habe gelernt, mich auch über einen kleinen Strahl der Sonne, über schöne Sonnenuntergänge, über ein verkümmertes Blümchen oder ein vergilbtes Blatt der kleinen Birke zu freuen. (...) Ich bin ruhig in meiner Seele, Sein heiliger Wille geschehe. Man wünscht sich nur, daß jene, die in der Lage wären, zu arbeiten, dies auch tatsächlich mit aller Kraft tun können, ohne Rücksicht auf sich selbst, denn es gibt ja so viel Arbeit. (...)

Wir bringen eine Liste der Priester der Diözese Telšiai, die ermordet wurden oder in sowjetischen Gefängnissen gelitten haben, die aber in dem von Bro­nius Kviklys herausgegebenen Buch »Die Kirchen Litauens, Diözese Telšiai, Band 1« nicht aufgeführt sind.

Im Juni 1941 wurden ermordet:

Vaclovas Dambrauskas, Kanoniker, Pfarrer der Pfarrei Kuršėnai. Jonas Novickis, Kanoniker, Dekan des Dekanats Viekšniai. Benediktas Vanagas, Pfarrer der Pfarrei Ubiškė.

Skaudvilė (Rayon Taurage)

Der Direktor der Mittelschule von Skaudvilė, Bružas, seine Stellvertreterin Beiskienė und die Lehrer Jancevičius, Jancevičiene und Eituvienė haben am 4. März 1985 die Schüler verhört und brachten die Kleineren bis zum Weinen. Sie wollten wissen, warum diese am 24. Februar an der Ubergabe des lebendigen Rosenkranzes in Taurage teilgenommen hätten. Manchen der Schüler wurde die Note in Betragen herabgesetzt.

Saldutiškis (Rayon Utena)

Im Oktober 1985 wurde in Saldutiškis der Ortspfarrer, Priester Juozapas Masalskis, beerdigt. Die Mittelschule von Saldutiškis befindet sich gleich neben dem Kirchhof. Damit die Schüler während der Pausen nicht in die Kirche gehen, nicht die Predigten hören und nicht den Bischof sehen konnten, sperrten die Lehrer die Tür der Schule ab: Da sprangen die Schüler aber durch die Fenster hinaus.

Bagaslaviškis (Rayon Širvintai)

Weil ihr Sohn während der Ferien bei der Großmutter in der Kirche von Gelvonai das Sakrament der Firmung empfangen hatte, wurde die Direktorin der Mittelschule von Bagaslaviškis, Elena Pakalnienė, am 1. November 1985 aus ihrem Dienst entlassen.

»Aušra« (Morgenröte) Nr. 48 (88). Im April 1985 ist die Nr. 48 (88) der Untergrundveröffentlichung »Aušra« erschienen. In dem Einführungsartikel dieser Veröffentlichung wird die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß ein gewisser Teil der nach geistiger Nahrung suchenden Menschen in der so­wjetischen Gesellschaft sich der Richtung der östlichen Philosophie zuwendet. Einen besonderen Platz nimmt der Artikel »Grėsme Simučiui« (Gefahr für Simutis) ein. Darin wird die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf den vom KGB verfolgten politischen Gefangenen L. Simutis gelenkt, der 22 Jahre im Gulag gelitten hat und dem wegen eines »offenen Briefes an die Priester und Seminaristen Litauen« neue Exzesse der Tschekisten drohen. In der Veröffentlichung wird der volle Text dieses Dokumentes wiedergegeben.

Es ist außerdem die Erklärung des Priesters Rokas Puzonas an den Vorsteher des Sicherheitsdienstes der LSSR abgedruckt, in der aufgezeigt wird, unter welch schwierigen Umständen er sich den Weg in das Priesterseminar zu Kaunas erkämpfen mußte. In dieser Veröffentlichung werden außerdem »Tarybinio kalinio memuarai« (Erinnerungen eines sowjetischen Gefangenen) von V. Lapienis veröffentlicht.

Im Juni 1985 erschien die Nr. 49 (89) der »Aušra«. Hier wird über die reli­giösen Uberzeugungen des Schriftstellers A. Vienuolis-Žukauskas berichtet. Die »Erinnerungen eines sowjetischen Gefangenen« von V. Lapienis werden fortgesetzt.

*

Priester Alfonsas Svarinskas

Priester Sigitas Tamkevičius

Priester Jonas-Kąstytis Matulionis

V. Lapienis

Romas Žemaitis

Dozent Vytautas Skuodis

Jadvyga Bieliauskienė

Viktoras Petkus

Povilas Pečeliūnas

Gintautas Iešmantas

Julius Sasnauskas

Liudas Dambrauskas

Antanas Terleckas

und andere tragen die Ketten der Unfreiheit, damit du frei leben und glauben darfst!