Der Schuß, der Eure Heiligkeit am 13. Mai traf, traf gleichermaßen das Herz der litauischen Katholiken.

Nachdem die Nachricht von diesem entsetzlichen Anschlag auf Euer Leben uns durch das Radio erreichte, beteten alle Gläubigen Litauens zum All­mächtigen für eine baldige Genesung und daß Eure Heiligkeit so schnell wie möglich wieder an die Spitze der Kirche zurückkehren möge. Wir wissen am besten, was es im jetzigen Augenblick für die katholische Kirche der Welt und besonders für uns Katholiken in einem kommunistischen Land hieße, Sie zu verlieren, Sie, der Sie mutig und aufrichtig über die »Kirche des Schweigens« reden.

Wir danken Ihnen noch einmal für Ihre Liebe zu uns, den Katholiken Li­tauens und für die herzlichen Worte in litauischer Sprache, die Sie bei ver­schiedenen Anlässen an uns richteten und auch für Ihre Gebete, die uns auf unserem Kreuzweg begleiten.

Die Katholiken Litauens

Wir Katholiken Litauens verfolgten am 31. Mai 1981, mit Gebeten auf den Lippen, die von Radio Warschau übertragene Beisetzung des Primas von Polen, Stefan Kardinal Wyszynski. Wir konnten nicht persönlich dabei sein, doch waren unsere Herzen anwesend.

Durch Jahrzehnte hindurch verfolgten wir den heroischen Kampf des polnischen Episkopats, angeführt durch Stefan Kardinal Wyszynski, dessen Ziel es war, die Rechte der Kirche sowie die Menschenwürde innerhalb Polens zu verfechten. Dabei schöpften wir mehr als einmal Kraft für unseren eigenen Kampf. Das Ableben von Stefan Kardinal Wyszynski ist daher nicht nur für Sie ein schmerzlicher Verlust, sondern gleichfalls für alle die­jenigen, die für die Kirche Christi und für eine menschlichere Welt kämpfen. Euer Eminenz, nehmen Sie bitte unsere Beileidsbezeugungen, unsere Hoch­achtung und Liebe entgegen.

Die Katholiken Litauens

Wir Litauer guten Willens begleiten Sie im Herzen auf Ihrem Leidens­und Opferweg. Über den Rundfunk erfuhren wir, daß Sie am 21. Mai Ihren 60. Geburtstag begehen. Mit allen anderen Gratulanten aus der ganzen Welt möchten wir Ihnen zu diesem Anlaß gratulieren. Wir beten für Sie und wünschen Ihnen gute Gesundheit und unermüdliche Stärke, welche Sie brauchen im Kampf für die Sache der erniedrigten, verachteten und recht­losen Menschen.

Die Katholiken Litauens

Am 25. März 1981 wurde Mečislovas Jurevičius, Mitglied der Helsinki-Gruppe in Šiauliai, Spindulio Straße 6-10 verhaftet. Die Wohnung wurde in Anwesenheit des Offiziers für Spezialfälle Justizrat Norkūnas, Miliz­leutnant A. Auga, vier Beamten und den Zeugen Vytautas Šlaminas und Kęstutis Snyka durchsucht. Es wurde folgendes beschlagnahmt: 19 Ton­bänder und Kassetten, eine deutsche Briefmarke, 20 Briefmarken, 5 Tele­gramme verschiedenen Inhaltes, ca. 50 Fotografien (von religiösen Prozes­sionen), 1 Notizblatt mit Telefonnummern, ein Buch betitelt »Žvaigždė (Der Stern), 29 Exemplare des Magazins »Savaitė« (Die Woche) der Jahrgänge 1942 bis 1944, Tageszeitungen aus der Vorkriegszeit, 2 Landkarten von Litauen, 4 lose Blätter mit Gebeten, 6 kleine Bücher religiösen Inhaltes.

Die Anklage lautete auf den Artikel 199/3 des Strafgesetzbuches der Li­tauischen SSR und wurde am 1. April 1981 erhoben. Die endgültige An­klage lag am 22. Mai vor.

BRIEF AUS DER ZELLE 163 Gelobt sei Jesus Christus.

Tch habe Gelegenheit gefunden, einen kurzen Brief zu schreiben. Zu aller­erst möchte ich Dank sagen all denen, die zu mir gehalten haben. Besonderen Dank sage ich für die geistige Unterstützung, welche ich als die notwendigste erachte. Ein Dank an die, die meine Familie besuchten. Jeder ist nun wieder mit zusätzlichen Sorgen belastet. Ich möchte so gern wissen, wie es Gemma geht. Es muß schwer für sie sein. Es ist das erste Mal für sie — hinzu kommt, daß sie auch noch mit Kriminellen eingesperrt ist. Wieviele wurden festgenommen — nur wir beide? Ich weiß von Vyturėlis (Ingenieur Vytautas Vaičiūnas — Anmerkung der Redaktion). Er wurde am selben Tag verhaftet.

Am 25. März 1981 suchten zwei Tschekisten Frau Vaičiūnienė an ihrem Arbeitsplatz auf. Sie teilten ihr mit, daß ihre Wohnung durchsucht würde und ihr Mann sie zu sehen wünschte. Sie nahmen Frau Vaičiūnienė mit. Als sie nach Hause kam, fand sie ihren Mann dort nicht mehr vor. Später fand man heraus, daß das Gartenstück ihrer Mutter, wo ihr Auto geparkt wurde, ebenfalls durchsucht worden war.

Die Sicherheitsbeamten trugen Frau Vaičiūnienė auf, Essen mitzunehmen und brachten sie zur Miliz. Als sie dort den Durchsuchungsbericht lesen wollte, sagten ihr die Beamten, daß sie damit nichts zu tun hätte. Ihr Mann hätte den Bericht. »Alles wird Ihnen per Post zugeschickt«, versprach der Beamte Jucys.

Als Frau Vaičiūnienė ihren Mann bei einem Zusammentreffen mit dem Kreuzzeichen gesegnet hatte, wurde sie schnell zur Tür geschoben. Offen­sichtlich fürchteten die Beamten die Couragiertheit und Ruhe der Frau, deren Mann sie auf alle mögliche Weise versuchten, aus dem Gleichgewicht zu werfen. Der Beamte Jucys wies sie an, »eine besonnene Frau zu sein und Mitleid mit ihrem Mann zu haben«. Er beteuerte, daß Vaičiūnas ihm leid täte: Er sei ein guter Fachmann und könne von großem Nutzen für die Gesellschaft sein. Er bot an, für ihn beim Staatsanwalt zu sprechen und tat, als ob sich da etwas machen ließe, sofern sie alle Fragen »vernünftig« be­antworte. Dann könne ihr Mann bald wieder frei sein. »Wenn Sie Ihren Mann retten wollen, sagen Sie mir, wo die Vervielfältigungs­maschine ist?« Jucys spielte sich so als Retter auf.

Gintautas Iešmantas schreibt:

APPELL AN DIE FÜHRER

DER EUROPÄISCHEN KOMMUNISTISCHEN PARTEIEN:

 

Vom 18. bis 22. Dezember 1980 wurde in Vilnius gegen mich sowie gegen den Philologen Povilas Pečeliūnas und den Dozenten Vytautas Skuodis der Prozeß gemacht. Und zwar deshalb, weil ich einen Sozialismus mit mensch­lichem Antlitz propagiert, weil ich Poesie und Gedichte geschrieben habe, in denen das Gute, die Freiheit, Wahrheit und Freundschaft verherrlicht wurden (aber nicht gedruckt werden durften), und weil ich, gestützt auf die Verfassung, ersehnt habe, daß Litauen aus der UdSSR heraustritt und ein unabhängiger, freier sozialistischer Staat wird.

Ich appelliere an alle Menschen, die guten Willens sind, besonders an die Führer aller Europäischen Kommunistischen Parteien, daß sie ihr Mög­lichstes tun mögen, damit wir unsere Freiheit wiedererlangen. Sie mögen sich an den Generalstaatsanwalt der UdSSR wenden, damit in Anwesenheit von Rechtsanwälten aus den europäischen Ländern der Prozeß, der für meine Gruppe fabriziert wurde, revidiert wird.

Šiauliai

Am 11. März 1980 wurden Vertreter des Kirchenkomitees des Rayons zum Exekutivkomitee der Stadt Šiauliai bestellt. Der Bevollmächtigte für Religiöse Angelegenheiten, Petras Anilionis, machte den Versuch, zu beweisen, daß völlige Religionsfreiheit in Litauen bestände.

Als der Vertreter der Stadtkirche Peter und Paul aus Šiauliai fragte, warum nur so wenige Exemplare des Katechismus gedruckt wurden, erklärte der Bevollmächtigte dies mit Papierknappheit. Die Vertreterin des Exekutiv­komitees Gaurilčikienė lobte (bedauerlicherweise — Anm. d. Redaktion) die gegenwärtige Ordnung in den Kirchen von Šiauliai und äußerte ihre Zufriedenheit über die Einhaltung der sowjetischen Gesetze.

Kėdainiai

Am 18. März 1981 beorderte der stellvertretende Vorsitzende des Rayons Kėdainiai, A. Juškevičius, Vertreter der Rayon-Kirchenkomitees zu sich. Einige weigerten sich zu kommen. Der Stellvertreter des Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten (RRT) erläuterte den Vorgeladenen die »Vorschriften für religiöse Vereinigungen«. Der RRT-Vertreter ver­pflichtete die Mitglieder von Kirchenkomitees und die Deputierten der ört­lichen Sowjets für die Verletzung dieser Vorschriften verantwortlich zu sein. Er trug ihnen auf, die Priester zu beobachten, ihre Pedigten zu kontrollieren und darauf zu achten, daß sie die sowjetischen Gesetze nicht übertreten. Den Kindern keinen Katechismusunterricht erteilen, sie nicht am Altar bei der Messe ministrieren zu lassen usw.

An das Zentralkomitee der Litauischen Kommunistischen Partei An das Präsidium des Obersten Sowjet der Litauischen SSR An den Ministerrat der Litauischen SSR

Durchschläge an die Bischöfe und Diözesanadministratoren Litauens Erklärung

Von Februar bis April dieses Jahres fanden in den Rayon-Zentren der Litauischen SSR Kampagnen gegen die kirchliche Hierarchie statt. Diese Aktion wurde von Petras Anilionis, Bevollmächtigter für Religiöse Ange­legenheiten der Litauischen SSR geleitet.

Wir, die Mitglieder der Diözesanpriesterräte der Römisch Katholischen Kir­che Litauens, gewählte Vertreter der Priesterschaft, halten folgende Erklärung für notwendig:

1. Die Katholische Kirche wurde durch unseren Herrn Jesus Christus ge­gründet. Sie basiert auf einer hierarchischen Struktur. Oberhaupt der Kirche ist der Papst in Rom. Er ist Nachfolger des hl. Petrus. Die Bischöfe, als Nachfolger der Apostel, sind dem Papst in der Regierung der Kirche behilf­lich. Die Priester helfen den Bischöfen. Die Bischöfe berufen die Priester. Diese leiten unter dem offiziellen Titel »Pfarrer« die einzelnen Pfarreien. Die Pfarrer verpflichten sich den Bischöfen gegenüber unter Eid zur gewissen­haften Verwaltung der Pfarreien und ihrer Kirchen. Komitees werden zwecks Wahrung der kirchlichen Belange aus den Reihen der Gläubigen gewählt. Die Komitees stehen unter der Leitung eines Pfarrers oder Priesters, welcher die Stelle eines Pfarrers innehat. Das Komitee ist ohne Pfarrer nicht beschluß­fähig. Andernfalls wird gegen kirchliche Vorschriften verstoßen.

Grinkiškis

Antwort des Priesters Juozas Vaičekauskas an die Mitglieder der Kontroll­kommission zur Einhaltung der Gesetze für religiöse Kulte beim Exekutiv­komitee des Rayons Radviliškis.

Die Mitglieder der Kontrollkommission zur Einhaltung der Gesetze für
religiöse Kulte schreiben in ihrem offenen Brief an die Priester Juozas
Vaičekauskas und Antanas Jokubauskas, veröffentlicht in der Rayon-Zeitung
» Komunizmo        (Morgenröte des Kommunismus) vom 8. April 1981,

in Beantwortung der Frage, wer regiert die katholische Kirche, folgendes: »Wir können euch Pfarrern antworten. Die katholische Kirche regieren die Gläubigen selber. Zur Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse laden sie ein oder bekommen von der Diözese einen Kultdiener bestimmt, dessen ein­zige Aufgabe darin besteht, religiöse Riten und Zeremonien zu vollziehen, und sonst nichts.«

Sie irren sich, verehrte Atheisten aus dem Exekutivkomitee des Rayons Radviliškis, und bringen andere durcheinander, auch wenn es nicht feststeht, ob wissentlich oder aus Unkenntnis! Die katholische Kirche regiert der Papst in Rom und die Bischöfe. Ich zitiere: »Diese Lehre über Einrichtung, Dauer, Gewalt und Sinn des dem Bischof von Rom zukommenden heiligen Primates sowie über dessen unfehlbares Lehramt legt die Heilige Synode abermals allen Gläubigen fest zu glauben vor. Das damals Begonnene fortführend, hat sie sich entschlossen, nun die Lehre von den Bischöfen, den Nachfolgern der Apostel, die mit dem Nachfolger Petri, dem Stellvertreter Christi und sichtbaren Haupt der ganzen Kirche, zusammen das Haus des lebendigen Gottes leiten, vor allen zu bekennen und zu erklären.« (Dogmatische Kon­stitution über die Kirche, Nr. 18.)

Pašilė (Diözese Telšiai)

Am 11. Oktober 1980 ging Algirdas Tonys in Pašilė bei der Messe zum Ministrieren. Ein paar Tage später maßregelte die Lehrerin Aranauskienė den kleinen Algirdas vor der ganzen Klasse: »Was hast du da bekommen? Bist du satt aus der Kirche gekommen?«

Mit dem 8. März 1981 begann die Fastenzeit. Die Jugendlichen von Pašilė versammelten sich im Hause des Kirchenkustos Antanas Saunorius, um die Leidensbetrachtung Christi — »Hügelkreuzweg von Žemaičių Kalvarija« zu singen. Am darauffolgenden Tag beschimpfte die Lehrerin Aranauskienė diese Schüler. Sie verspottete die Schülerin Laima Jurgelevičiūtė mit den Worten: »Schämst Du Dich nicht? Du bist eine so gute Schülerin und wagst trotzdem zu singen! Du Unverschämte!« — schrie die Lehrerin.