Auf Dich wartet Vilnius, Hier bist du zu Hause.

Wir, Waisenkinder, warten auf dich, den Wiederkehrenden.

Traurig und schmerzlich ist es für die Einwohner von Vilnius, bald schon sind es 20 Jahre, daß die Hauptstadt ihren Kirchenhirten nicht zu sehen bekommt, er ist in der Verbannung. Auch die Kathedrale ist nicht vorhanden, man hat sie ent­weiht. Ein großer Teil der Jugend, der noch niemals seinen Bischof gesehen hat, und sogar Erwachsene, die sich nicht alle an ihn erinnern können. Und plötzlich eine freudige Nachricht, man flüstert sie ganz leise in das Ohr: »Der Bischof Julijonas Steponavičius kommt nach Vilnius, um sein 25jähriges Bi­schofsjubiläum zu feiern.« Die Jugend rührte sich: Wie könnte man am besten mit seinem Kirchenhirten zusammentreffen? Die einen flechteten Kränze aus Ei­chenblättern, andere bereiteten den Bischofsthron vor und die dritten bemühten sich um die besten Blumen ... Sie alle waren durch einen Gedanken miteinander verbunden, ihrem Kirchenhirten soviel Freude wie möglich zu bereiten. Aber die­se feierliche Stimmung war nicht in allen Gesichtern zu sehen. Geheimnisvoll ver­breiten sich Gerüchte: man darf die Ankunft des Bischofs nicht laut verkünden, irgend jemand ist dagegen . . ., man muß große Feierlichkeiten vermeiden, das Schmücken der Kirche von außen muß unterbleiben, es darf kein festliches Eh­rentor geben, denn es könnte jemandem unangenehm auffallen . . . Deswegen wagte man erst am letzten Sonntag in Vilnius, nur einige Tage vor dem Jubiläum, und nur in der Kirche von Žvėrynas/Stadtteil von Vilnius und in der Hl.-Michael-Kirche, den Gläubigen von der Ankunft des Bischofs zu berichten. Am 10. September um 18.30 Uhr hatte sich eine große Anzahl Jugendlicher, alle in feierlichen weißen Gewändern und mit Volkstrachten bekleidet, auf dem Kirchhof der Hl.-Michael-Kirche versammelt und ordentlich aufgestellt. In aller Hände Blumen, Kränze, und aus den Gesichtern strahlte die Freude und die Er­wartung. Es durfte kein Ehrentor errichtet werden. Das macht nichts. Liebe ist er­finderisch. Die Jugendlichen werden ihm ein lebendiges Ehrentor bereiten. Der Weg, den der Bischof gehen wird, ist mit Blumen bedeckt. Jemand hat einen herr­lichen Strauß von Nelken, die so rot wie das Blut und das Leid sind, auf den Bo­den neben das Tor gelegt. Der Enthusiasmus der Menge wuchs. Jemand sagte: »Er ist es wert, daß man ihm die besten Blumen vor die Füße legt. Er hat es sich aufrichtig verdient.«

In den Tagen des 15. bis 19. September 1980 befaßte sich das Höchste Gericht der Litauischen SSR in Vilnius mit der Prozeßakte von Antanas Terleckas und Julius Sasnauskas. Der Richter Ignotas, Beisitzer Fr. Burokevičienė und Vinča, Staats­anwalt Bakučionis, der Verteidiger von A. Terleckas, Kudaba, und von J. Sas­nauskas, Aperaitis.

Zu den einzelnen Sitzungen der Gerichtsverhandlung waren keine Freunde der Angeklagten zugelassen, statt dessen war der Saal nur mit KGB-Anhängern und speziell dazu geladenen Personen besetzt, wie z. B. der Sekretär der Komsomol­zen, zuständig für die Universität Vilnius, Bagdonas, u. a.

Am 15. September war das Endurteil der Anklage verlesen worden, in dem A. Terleckas und J. Sasnaukas der Vervielfältigung und Verbreitung nicht legaler Li­teratur und anderer ähnlicher Verbrechen beschuldigt werden. Beiden wird der Artikel 68, Absatz 1 des Strafgesetzbuches der Litauischen SSR zugrunde gelegt.

A. Terleckas erklärte sich für unschuldig. Er wies alle ihm zugesprochenen Ver­brechen zurück und behauptete, daß er bis zum Verhör nicht einmal das Doku­ment des Molotow-Ribbentrop-Paktes (das Memorandum der 45 Balten — An­merkung der Redaktion) zu sehen bekommen hätte.

J. Sasnauskas gab zu, viele Erklärungen mitunterzeichnet zu haben, auch das Do­kument des Molotow-Ribbentrop-Paktes. Er gab zu, die Ausgabe von »Vytis« (Der Reiter — lit. Wappensymbol) redigiert zu haben u. a.

Am 16. September waren die Zeugen befragt worden:

Frau D. Sasnauskienė beschrieb ihren Sohn als sittsamen und guten Jungen, der wegen seiner religiösen Überzeugung in der Schule viel leiden mußte. Frau E. Terleckienė sagte, sie wisse nichts über das 1977 während einer Haussu­chung konfiszierte Material.

Am 2. und 8. August 1980 untersuchte das Höchste Gericht der Litauischen SSR in Vilnius die Prozeßakte des Arztes Algirdas Statkevičius, Mitglied der Helsinki­gruppe in Litauen. Die Gerichtsverhandlung war öffentlich, allerdings wurde nie­mand außer seiner Frau, KGB-Mitarbeitern und Zeugen in den Saal gelassen. Ge­richtet wurde ohne die Anwesenheit des Angeklagten. Als die Menschen versuch­ten den Gerichtssaal zu betreten, erklärte ein an der Tür stehender KGB-Mitarbeiter, der eine rote Armbinde trug, daß der Eintritt nicht gestattet sei, denn der Verantwortliche dafür sei nicht anwesend und er wüßte von nichts. Als dann später der dafür verantwortliche KGB-Bedienstete kam, sagte dieser, der Saal wä­re voll besetzt — obwohl er in Wirklichkeit nur zur Hälfte besetzt war — und ließ niemanden hinein. Auch wurde niemand zur Urteilsverkündung zugelassen. Die, die dem KGB-Bediensteten beweisen wollten, daß sein Verhalten unfair sei, wur­den auf verschiedentliche Weise bedroht. Es versammelte sich eine Menge von Milizbeamten, und die Leute waren gezwungen auseinanderzugehen. Eine Grup­pe Jugendlicher hatte sich im Flur, unweit der Tür, versammelt und betete halb­laut den Rosenkranz, damit alle in der Liebe gestärkt werden und den Henkern-Richtern möge vergeben werden, denn sie wissen nicht was sie tun.

Der Urteilspruch des Höchsten Gerichts:

— ein Zwangsaufenthalt des Arztes Algirdas Statkevičius in einem speziellen psy­chiatrischen Krankenhaus. Der Verurteilte befindet sich zur Zeit im speziellen psychiatrischen Krankenhaus in Tschernachovsk.

Petras Paulaitis schreibt:

»Mitte Juli legte man mir ein Schriftstück eines konfiszierten Briefes aus Norwe­gen zur Unterschrift vor. Den Nachnamen des Verfassers sagte man mir nicht, und auch den Brief bekam ich nicht zu sehen, man befahl mir, nur auf der Rück­seite des Blattes zu unterschreiben. Den Brief konfiszierte man deswegen, weil die Mitteilungen in ihm nicht der Wahrheit entsprechen würden. Die Nachrichten in diesem Brief sind unwahr. Was für eine aufdringliche und zynische Heuchelei. Denn Moskaus Zensur hat jeden einzelnen Buchstaben dieses Briefes untersucht, und für sie waren die Mitteilungen richtig, man ließ den Brief durch, und ein we­nig weiter von Moskau entfernt, in Javas-Baraschew, entsprechen die Nachrich­ten für die Zensur jenes entlegenen Ortes nicht der Wirklichkeit, sie sind unwahr. Also muß man plötzlich einen Brief, der mir nicht gezeigt wurde, konfiszieren. Was soll man machen, wenn die Russen, besonders die roten, nicht ohne Lügen, Betrügerei, List und Grausamkeit leben wollen. Während der 33 Jahre (am 30. Oktober sind es genau 33 Jahre) in denen ich in ihren Gefängnissen, Lagern einge­sperrt bin, habe ich selber alles schmerzlich durchleben müssen. Dafür, daß ich die unerläßliche Pflicht für mein freies und unabhängiges Heimatland ausführte, und nur für meine persönlich heiligen Überzeugungen, haben uns völlig fremde Russen, Kommunisten, auch mir den schönsten und wichtigsten Teil meines Le­bens genommen. In diesen 33 Jahren mußte ich im >Paradies< der Kommunisten Rußlands sehr viel arbeiten, habe Hunger erdulden müssen und war unmenschli­chem Elend ausgesetzt. Und vorerst ist noch kein Ende der großen Lüge, des Be­trugs, all der großen Grausamkeit und des Zynismusses mit den unschuldigen Menschen abzusehen. Aber nichtsdestotrotz, ist hier auf dieser Welt nichts ewig. Ich bete für die schon gefallenen Brüder und Schwestern, die sich an diesem heili­gen Krieg, der die Wahrheit und die Gerechtigkeit verteidigt, beteiligt hatten, und ich bitte Gott um Licht für mich, damit ich mit allen gerecht bin, damit ich noch mehr mein Heimatland Litauen und ihre Kinder, die ganze junge Generation, lie­ben kann.«

Die Sowjetregierung genehmigte 1980 die Aufnahme 22 neuer Bewerber in das

Priesterseminar:

Bučelis Jonas

Čiškauskas Feliksas

Dauknys Algirdas

Grabnickas Algirdas

Gudaitis Jonas

Jackūnas Vladas

Jurjonas Vidas

Kiselis Vytautas

Kuliešis Julius

Liesys Antanas

Linda Leonas

Milašius Aleksandras

Minkevičius Edvardas

Muravskis Vilianas

Paulionis Regimantas (ist nicht erschienen)

Petrauskas Vytautas

Rudzinskas Valerijus

Šliauteris Petras

Tamelis Bronius (ist nach Krankheit zurückgekehrt)

Ulickas Jonas Vaškelis

Vytenis Žukauskas

Raimondas Paulionis Regimantas war lange Zeit vom KGB terrorisiert worden (siehe Vytis, Nr. 5), im Seminar ist er nicht erschienen.

30. August 1980 Nr. 35

An den Bistumsverwalter der litauischen katholischen Kirche und an den Rektor des Priesterseminars in Kaunas

Das Dekret Optatem totius des II. Vatikanischen Konzils gibt bekannt, daß »die Priester das Seminar mit dem Herzen des Bistums aufrechterhalten und so gut es geht, ihr behilflich sein werden«. Deswegen ist die Sorge aller Bischöfe und Prie­ster Litauens um das einzige Priesterseminar in Kaunas sehr verständlich. Die letz­ten Ereignisse im Seminar zwingen alle dazu, sich noch mehr um dessen Schicksal zu kümmern.

Erst kürzlich erreichte die Priester Litauens die Nachricht, daß der Bevollmächtig­te des Rates für religiöse Angelegenheiten, Petras Anilionis, den Befehl erteilt hat, den Kleriker im IV. Kurs des Seminars, Aloyzas Volskis, aus dem Seminar zu ent­fernen. Er wird beschuldigt, während der Semesterferien Umgang mit den soge­nannten »Priester-Extremisten« gepflegt zu haben. Am meisten ärgerte alle an dieser Tatsache der Wille des Bevollmächtigten, nämlich, daß die Seminarleitung selber den Kleriker zu entfernen habe. Mit der Beseitigung des Klerikers Aloyzas Volskis aus dem Seminar erpressen die staatlichen Atheisten die Seminaristen und die eifrigen Priester. Ihr Benehmen überschreitet nicht nur die von der sowjeti­schen Gesetzgebung zulässigen Grenzen, aber auch jede Art von Menschlichkeit. Nur zu begründet fragen die Priester Litauens: hat der Bevollmächtigte das juridi­sche und moralische Recht sich grob in die Angelegenheiten des Prieserseminars einzumischen? Und was für einen Wert hätte das Seminar, wenn es dem unge­rechten Zwang erliegen und anfangen würde, die Kleriker zu entlassen, in die die Kirche ihre größten Hoffnungen setzt? Wenn der Kleriker sich tatsächlich dem sowjetischen Gesetz gegenüber schuldig gemacht hat, so gibt es dafür die Staats­anwaltschaften, Gerichte, allerdings darf man sich niemals damit einverstanden erklären, daß die Aufgaben des Staatsanwaltes inoffiziell der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten übernimmt, der Angst hat, die Spuren seiner Verbrechen zu hinterlassen und deswegen den Rektor des Seminars und die Geist­lichkeit dazu zwingt, Mittäter seiner Verbrechen zu werden. Im Dekret Presbyterorum ordinis des II. Vatikanischen Konzils heißt es: »Unser Seelenhirte und Bischof hat die Kirche so gegründet, damit das Volk Got­tes, welches er auserwählt und sich durch sein Blut erworben hatte, ständig und bis zum Weltuntergang seine Priester haben kann und damit die Christen niemals wie hirtenlose Schafe zu sein brauchen.«

Im Oktober d. J., in der Nacht vom 10. zum 11., war der Pfarrer von Luokė (Di­özese Telšiai), Priester Leonas Šapoka, auf grausame Weise ermordet worden. In der erwähnten Nacht, gegen 1.00 Uhr früh, drangen unbekannte Mörder durch den Vorplatz in das Pfarrhaus ein. Nachdem sie die Schlafzimmertür des Pfarrers gewaltsam geöffnet hatten, stürzten sie sich mit brennenden Leuchten in den Händen auf den schlafenden Pfarrer und schlugen mit Fäusten auf seine Brust und sein Gesicht ein. Der herbeigelaufenen alten Frau, der Haushälterin, schlugen sie über den Kopf. Die alte Frau fiel zu Boden. Die Mörder brachten die Haushäl­terin in die am anderen Hausende gelegene Küche. Hierher brachte man auch eine andere alte Frau aus dem zweiten Stock. Sie mußten sich auf den Boden vor dem Ofen hinknien. Ein Angreifer bewachte sie, und der andere ging zurück. Die alten Damen hörten lange Zeit das Jammern des Pfarrers. Später wurden sie in das Bad gebracht. Hierher beförderten sie auch einen alten Mann der im Hause wohnte. Ihm war der Kopf zerschlagen worden. Das Bad hatte keine Fenster, hier schloß man sie ein.

Der ermordete Pfarrer war um die 5 Stunden gequält worden. Laut Angaben der Expertise waren die Körpermuskeln des Ermordeten stark zerschunden und blut­unterlaufen. Am Morgen fand man die Leiche im Schlafzimmer auf dem Boden: der Kopf war ganz blutig und mit einem Kissen, der Körper mit einem Laken be­deckt. Auf der Treppe lagen eine alte Mütze und viel Geld. Es scheint so als ob die Mörder nicht nach einem Vermögen gesucht haben, vielmehr haben sie sich an den sadistischen Quälereien des Pfarrers erfreut.

Im Mai 1980 wurde der Pfarrer von Krosna, Priester Vladas Bobinas, zum Ver­hör in das KGB von Vilnius gerufen. Er hatte das Memorandum der 45 Balten wegen des Molotow-Ribbentrop-Paktes und seiner Liquidierung unterzeichnet. Der Untersuchungsrichter Marcinkevičius behauptete, daß der Priester das Origi­nal des Paktes nicht gesehen habe und somit kein Recht gehabt hätte, dieses Me­morandum zu unterschreiben. Der KGB-Bedienstete versuchte, den Priester da­von zu überzeugen, daß er künftig besser keine ähnlichen Dokumente mehr unter­schreiben solle.

Im Mai 1980 wurde der Pfarrer der Pfarrgemeinde Reškutėnai, Priester Napaleonas Norkūnas, in das KGB von Vilnius bestellt. Der Untersuchungsrichter Pilelis befragte ihn, ob er das Memorandum der 45 Balten unterzeichnet hätte. Der Be­fragte erklärte, daß er das Dokument nicht unterschrieben habe, sein Nachname auf dem erwähnten Memorandum wäre nur durch einen Fehler aufgetreten (tat­sächlich hatte der Priester Norkūnas das Memorandum nicht unterzeichnet — Anmerkung der Redaktion).

Der Untersuchungsrichter Pilelis bekräftigte, daß die »Chronik der LKK« von Priester Sigitas Tamkevičius herausgegeben würde, und das Material dazu würde er aus dem Bistum Vilnius von den Priestern Kazimieras Žemėnas, Agimantas Keina und Bronius Laurinavičius bekommen.

Am 22. Juli 1980 richtete sich die Einwohnerin von Vilnius, Danutė Keršiūtė, mit einer Beschwerde wegen der ungerechtfertigten Handlungen der KGB-Bedienste-ten an die Staatsanwaltschaft der Litauischen SSR.

Žemaičių Kalvarija

9. Juli 1980. Ungeachtet des schlechten Wetters versammelten sich in Žemaičiu Kalvarija eine Unzahl von Menschen. Die Heiligenstätte konnte nicht alle Ange­reisten bergen, deswegen betete ein Teil von ihnen sogar im Regen im Kirchvor­hof. 95 Priester konzelebrierten die hl. Messe, die Mehrzahl von ihnen kam aus dem Bistum Telšiai und einige aus anderen Diözesen. Hier hatten sie sich versam­melt, um das Enthaltsamkeitsversprechen abzulegen. Die Predigt über die Wich­tigkeit der Enthaltsamkeit und über die verderblichen Folgen des Alkohols hielt der Verwalter der Diözese Telšiai, der Priester Antanas Vaičius. Der Verwalter rief alle dazu auf, zu versuchen ohne Alkohol auszukommen oder zumindest Maß zu halten.

Nach der Predigt verlasen die Priester das Abstinenzversprechen. Allen Gläubi­gen, die das Abstinenzversprechen abgelegt hatten, gab man ein Bild zur Erinne­rung. 4100 wurden von ihnen verteilt. Zur hl. Kommunion gingen 3700 Men­schen.

Nach der hl. Messe hielt der Dekan von Mažeikiai, Kanoniker Kazimieras Gasčiū-nas, eine kurze und feurige Predigt. Beeinflußt durch die vielen Worte des Red­ners, entschlossen sich die Gläubigen, Litauen aus dem Meer des Alkohols zu ret­ten, aus der verderblichen gottlosen Leere der Seele, denn diese Leere wird mei­stens mit Alkohol übergössen. Der Enthusiasmus der Leute war so groß, daß nach der Predigt, ungeachtet des Gedränges und der großen Schwüle, fast alle Be­teiligten noch zur Messe der langen Bergwege Christi dablieben (wegen des schlechten Wetters war es nicht möglich den Leidensweg Christi und die einzelnen Stationen auf dem Berg nachzugehen).

Vilnius

Am 3. Oktober 1980 wurde Andrius Tučkus, Psychologiestudent im 1. Kurs an der Fakultät für Geschichte der Staatlichen Universität Vilnius, der mit seinen Kommilitonen auf der Kolchose bei Kėdainiai gearbeitet hatte, von dem Prorek­tor der Universität für Bildungsangelegenheiten und zur Zeit stellvertretenden Rektor Br. Sudavičius zu sich gebeten. Der Prorektor empfing den Jugendlichen mit den Worten: »Du bist also gläubig? Vielleicht trägst du auch noch etwas Hei­liges am Hals?« Ganz mutig entgegnete der Student: »Na und? Was ist daran schlecht, daß ich gläubig bin? Die sowjetische Konstitution garantiert die Gewis­sensfreiheit?« Der Prorektor Sudavičius entgegnete ihm daraufhin arrogant: »Such dir deine Gewissensfreiheit wo du nur willst, aber nicht hier in der Univer­sität?« An Ort und Stelle verlas man dem Studenten A. Tučkus ein vom Rektor unterzeichnetes Schreiben, in dem es heißt, daß für die Handlungen und Überzeu­gungen, die sich mit der Moral eines sowjetischen Studenten nicht vereinbaren lassen, für die Unterzeichnung verleumderischer Dokumente, für antisowjetische Aktionen und für das »unanständige« Benehmen in der Gerichtsverhandlung von Sasnauskas und Terleckas, beschlossen wurde, ihn aus der Universität zu entfer­nen.

A. Tučkus, der begriffen hatte, wer die Beschlüsse in der Öffentlichkeit festlegt, setzte sich telefonisch mit dem KGB in Verbindung und verlangte eine Erklärung, warum man ihn aus der Universität entferne. Der junge Leutnant A. Bimbrys, der sich gemeldet hatte, wagte es nicht, ihm eine Erklärung zu geben. Er brachte An­drius mit dem Leutnant Baltinas zusammen. Dieser bestätigte stolz: »Man ent­fernt dich für ein Jahr!« — d. h. das KGB —, allerdings hatte er noch soviel »po­litische Weisheit«, daß er zu den Motiven der Entlassung nicht auch noch die reli­giöse Überzeugung des Jugendlichen hinzuzählte. Der Leutnant Baltinas ver­sprach ihm, ihn das nächste Jahr Psychologie weiterstudieren zu lassen, wenn er sämtliche Aktionen sowie die Freundschaft mit den Nationalisten aufgeben würde.

Am 11. Juni 1980 ermahnte das Exekutivkomitee des Bezirkes Sciucin die Vorsit­zenden der Kirchengemeinden, daß man ihnen für die Teilnahme der Kinder an Prozessionen sowie für das Meßdienern in Gottesdiensten eine Geldstrafe in Höhe von 100 Rubeln auferlegen würde. Ebensoviel müßten auch die Pfarrer bezahlen. In Vosyliškės, Bezirk Sciucin, ist schon seit einigen Jahren eine der schönsten Kir­chen in Weißrußland geschlossen worden. Die Leute dort besitzen den Schlüssel zu dieser Kirche und versammeln sich an Sonntagen, um zu beten. Kazimier Mar-kevič war zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Rubeln verurteilt worden — in die­sem Jahr hatte er einige Male das Evangelium in der Kirche verlesen! Eine Geldstrafe in Höhe von 50 Rubeln mußten folgende Priester zahlen, die den Kindern erlaubt hatten, der hl. Messe zu dienen und an Prozessionen teilzuneh­men: Juzief Grasievic, Antonij Chanko, Zanevskij, der Pfarrer von Astravas, und der Pfarrer von Sementovscyzno! Der Pfarrer von Astravas wurde zu einer Geldstrafe von 50 Rubeln verurteilt, nur weil ihn ein Schüler gebeten hatte zu Ostern in der Kirche meßdienern zu dürfen und dieser es ihm erlaubt hatte.

1.     Aušra (Die Morgenröte), Nr. 22 (62). Diese Nummer ist im Mai erschienen.

2.     Dievas ir tėvynė (Gott und Vaterland), Nr. 15, 16 und 17.

3.     Vytis (Der Reiter — lit. Wappensymbol), Nr. 5; diese Nummer beinhaltet die Erklärung des Jugendlichen Regimantas Paulionis — ein Bekenntnis —, die Demaskierung des KGB-Netzes, in welches ein Teil der Jugend Litauens gera­ten ist.

 

LITAUER, VERGISS ES NICHT!

Petras Plumpa — (im Gefängnis von Tscistopol) Petras Paulaitis — (Mordwinische ASSR) Sergej Kovalev — (Mordwinische ASSR) Viktoras Petkus — (Bezirk Perm) Balys Gajauskas — (Mordwinische ASSR) Vladas Lapienis — (Verbannung in Teja)

Algirdas Statkevičius — (in der psychiatrischen Klinik in Tschernachovsk) Antanas Terleckas — (nach der Gerichtsverhandlung, die Adresse ist noch unbe­kannt)

Julius Sasnauskas — (nach der Gerichtsverhandlung, die Adresse ist noch unbe­kannt)

Povilas Pečeliūnas — (wartet auf die Gerichtsverhandlung) Vytautas Skuodis — (wartet auf die Gerichtsverhandlung) Anastazas Janulis — (wartet auf die Gerichtsverhandlung) Povilas Buzas — (wartet auf die Gerichtsverhandlung) Genovaitė Navickaitė — (wartet auf die Gerichtsverhandlung) Ona Vitkauskaitė — (wartet auf die Gerichtsverhandlung) Gemma Jadvyga Stanelytė — (wartet auf die Gerichtsverhandlung)

und andere tragen die Fesseln der Gefangenschaft, damit du frei leben und glau­ben kannst!