Vilnius

Am 3. Oktober 1980 wurde Andrius Tučkus, Psychologiestudent im 1. Kurs an der Fakultät für Geschichte der Staatlichen Universität Vilnius, der mit seinen Kommilitonen auf der Kolchose bei Kėdainiai gearbeitet hatte, von dem Prorek­tor der Universität für Bildungsangelegenheiten und zur Zeit stellvertretenden Rektor Br. Sudavičius zu sich gebeten. Der Prorektor empfing den Jugendlichen mit den Worten: »Du bist also gläubig? Vielleicht trägst du auch noch etwas Hei­liges am Hals?« Ganz mutig entgegnete der Student: »Na und? Was ist daran schlecht, daß ich gläubig bin? Die sowjetische Konstitution garantiert die Gewis­sensfreiheit?« Der Prorektor Sudavičius entgegnete ihm daraufhin arrogant: »Such dir deine Gewissensfreiheit wo du nur willst, aber nicht hier in der Univer­sität?« An Ort und Stelle verlas man dem Studenten A. Tučkus ein vom Rektor unterzeichnetes Schreiben, in dem es heißt, daß für die Handlungen und Überzeu­gungen, die sich mit der Moral eines sowjetischen Studenten nicht vereinbaren lassen, für die Unterzeichnung verleumderischer Dokumente, für antisowjetische Aktionen und für das »unanständige« Benehmen in der Gerichtsverhandlung von Sasnauskas und Terleckas, beschlossen wurde, ihn aus der Universität zu entfer­nen.

A. Tučkus, der begriffen hatte, wer die Beschlüsse in der Öffentlichkeit festlegt, setzte sich telefonisch mit dem KGB in Verbindung und verlangte eine Erklärung, warum man ihn aus der Universität entferne. Der junge Leutnant A. Bimbrys, der sich gemeldet hatte, wagte es nicht, ihm eine Erklärung zu geben. Er brachte An­drius mit dem Leutnant Baltinas zusammen. Dieser bestätigte stolz: »Man ent­fernt dich für ein Jahr!« — d. h. das KGB —, allerdings hatte er noch soviel »po­litische Weisheit«, daß er zu den Motiven der Entlassung nicht auch noch die reli­giöse Überzeugung des Jugendlichen hinzuzählte. Der Leutnant Baltinas ver­sprach ihm, ihn das nächste Jahr Psychologie weiterstudieren zu lassen, wenn er sämtliche Aktionen sowie die Freundschaft mit den Nationalisten aufgeben würde.

 

Josvainiai, Kreis Kėdainiai

Am 28. Februar 1980, nachmittags, wurde die alte Frau Mikalina Vasylienė beer­digt. Den Schülerinnen Roma Bernotavičiūtė (Klasse IIc; Klassenlehrerin Abu-kauskienė), Lilijana Šilkaitytė (Klasse Vb; Klassenlehrerin Kudavičienė) und Ge­nutė Brigytė (Klasse Va; Klassenlehrerin Kaminskienė) wurden die Noten im Be­nehmen auf ein Mangelhaft gemindert, weil sie an der hl. Messe dieser Trauer­feierlichkeiten teilgenommen und Kirchenlieder gesungen hatten.

 

Biržai

Am 27. August 1980 wurde der Schüler der Klasse Villa, Virginijus Meškauskas, von dem Direktor der II. Mittelschule, Konradas, auf dem Flur festgehalten und zu einem Gespräch gebeten. Der Direktor tadelte den Schüler, warum er ein Kreuz am Hals tragen würde, und außerdem erkundigte er sich, woher er dieses Kettchen bekommen habe?! Virginijus erklärte, daß er das Kreuzchen gefunden habe und es nun aus Gründen der Ehrung tragen würde. Ohne ein weiteres Wort zu erwähnen, riß der Direktor ihm das Kreuz vom Hals und hat es bisher noch nicht wieder zurückerstattet.

 

Šiupyliai, Kreis Šiauliai

Am 18. Juni 1980 beging man in Šiupyliai das Kirchweihfest des hl. Antanas. Als sich die Mädchen für die Prozession ankleiden wollten, kam die Sekretärin der Komsomolzen, Vida Pilibaitė, und terrorisierte die Mädchen. Pilibaitė sagte: »Wagt es nicht, euch umzuziehen! Solltet ihr euch doch umziehen, so reiße ich euch die Prozessionskleider vom Leibe!« Der hinzugekommene Priester, Antanas Ylius, veranlaßte Vida Pilibaitė den Kirchhof zu verlassen.

 

Šaukėnai

Der Schüler der Mittelschule in Šaukėnai, Alvydas Rakauskas, beendete die Klas­se X mit den Noten »sehr gut«. Der Direktor dieser Schule schrieb dem erwähnten

Schüler eine Auszeichnungsurkunde, aber der Lehrerausschuß war der Meinung, daß man das Benehmen des Schülers Rakauskas nur mit der Note »befriedigend« bewerten könnte, der Grund: er gehe in die Kirche. Aus diesem Grunde wird Al­vydas ständig vom KGB verfolgt.

 

Janapolė, Kreis Telšiai

Der Direktor der Mittelschule von Janapolė, Pranas Savickas, rief am 7. und 8. April 1980 (Osterfeiertage) die Kinder zu sich, die ständig am Gottesdienst teil­nehmen und meßdienern, und versuchte sie sehr schön aber drohend davon abzu­bringen, in die Kirche zu gehen. Er redete mit jedem einzelnen der Kinder. Zu die­ser Unterredung wurden folgende Schüler gebeten: Ričardas Lenkauskas der Klasse VIII, Vaclovas Aleksandravičius der Klasse VI, Romas Dapševičius der Klasse V und Kęstutis Sieba der Klasse III. Aber ungeachtet der ganzen Ängsti­gungen, Drohungen und Überredungen entgegneten die Kinder: »Wir gehen in die Kirche, so wie wir auch bisher in die Kirche gegangen sind!« Ričardas Len­kauskas wurde 27 Minuten vom Direktor bearbeitet. Der Direktor ängstigte ihn: »Wenn du in die Kirche gehst, werden wir dich nicht in die IX. Klasse aufnehmen und du mußt auf die Berufsschule!«

Später wurde sogar die Mutter des erwähnten Schülers dreimal in die Schule gebe­ten, die den Direktor ganz erstaunt fragte: »Tut mein Sohn etwas Schlechtes? Ist es denn ein Verbrechen, in der hl. Messe zu dienen? Ich kann Ihnen nur soviel sa­gen, er ging in die Kirche und das wird auch künftig so sein! Auch wird er im Got­tesdienst meßdienern!« Daraufhin schrie der Direktor Savickas wütend: »Solche brauchen wir hier nicht!«

Kaunas

Im September 1980 wurden die Schüler der P.-Mazylis-Medizinschule in Kaunas von ihren Gruppenleitern ermahnt, daß die Anzahl der Stipendien in diesem Jahr wesentlich verringert worden ist. Es könnten nur 20 Schüler pro Gruppe ein Sti­pendium erhalten, wobei die familiäre Lage und das Lernen berücksichtigt wer­den würden.

Der Älteste der 3. Gruppe des III. Kurses im Fachbereich Pharmazie und die Se­kretärin fertigten eine Liste von 20 Schülern an und brachten diese zur Bestäti­gung in das Komitee des Komsomol. Hier sagte man, daß alle Schülerinnen, die dem Komsomol nicht angehören, auch nicht stipendiumberechtigt sind. Als die Mädchen erklärten, daß Staselė Stipaviciūtė die beste Schülerin der Gruppe sei — und nur einige »Zweier« hätte, außerdem die Lage der Liuda Liutvinaite schwie­rig sei (Liuda hat ebenso nur einige »Zweier« im Zeugnis), entgegnete man ihnen, daß   diese   erwähnten   Schülerinnen   keine  Öffentlichkeitsarbeiten   tätigen würden, und daß sie deshalb so gut lernen würden. Wenn sie ein Stipendium er­halten wollten, müßten sie den Komsomolzen beitreten. In dieser Gruppe gehören sechs Schülerinnen nicht den Komsomolzen an. 1979 wurden sie gezwungen dem Komsomol beizutreten. Die Mädchen entgegneten daraufhin, daß sie dieser Orga­nisation nicht beitreten wollten, denn sie wären gläubig. Da drohte man ihnen mit Stipendiumsentzug, Entfernung aus dem Internat und sogar aus der Schule. Das Komitee des Komsomol hat sein Versprechen zum Teil eingehalten — die Stipen­dien wurden nur an die Mitglieder des Komsomol verteilt.