Im Mai 1980 wurde der Pfarrer von Krosna, Priester Vladas Bobinas, zum Ver­hör in das KGB von Vilnius gerufen. Er hatte das Memorandum der 45 Balten wegen des Molotow-Ribbentrop-Paktes und seiner Liquidierung unterzeichnet. Der Untersuchungsrichter Marcinkevičius behauptete, daß der Priester das Origi­nal des Paktes nicht gesehen habe und somit kein Recht gehabt hätte, dieses Me­morandum zu unterschreiben. Der KGB-Bedienstete versuchte, den Priester da­von zu überzeugen, daß er künftig besser keine ähnlichen Dokumente mehr unter­schreiben solle.

Im Mai 1980 wurde der Pfarrer der Pfarrgemeinde Reškutėnai, Priester Napaleonas Norkūnas, in das KGB von Vilnius bestellt. Der Untersuchungsrichter Pilelis befragte ihn, ob er das Memorandum der 45 Balten unterzeichnet hätte. Der Be­fragte erklärte, daß er das Dokument nicht unterschrieben habe, sein Nachname auf dem erwähnten Memorandum wäre nur durch einen Fehler aufgetreten (tat­sächlich hatte der Priester Norkūnas das Memorandum nicht unterzeichnet — Anmerkung der Redaktion).

Der Untersuchungsrichter Pilelis bekräftigte, daß die »Chronik der LKK« von Priester Sigitas Tamkevičius herausgegeben würde, und das Material dazu würde er aus dem Bistum Vilnius von den Priestern Kazimieras Žemėnas, Agimantas Keina und Bronius Laurinavičius bekommen.

Am 22. Juli 1980 richtete sich die Einwohnerin von Vilnius, Danutė Keršiūtė, mit einer Beschwerde wegen der ungerechtfertigten Handlungen der KGB-Bedienste-ten an die Staatsanwaltschaft der Litauischen SSR.

Am 24. Juni d. J. war D. Keršiūtė in einem Aufenthaltsort des KGB von Vilnius verhört worden. Der KGB-Bedienstete wollte ihre Fingerabdrücke nehmen, doch sie erklärte sich damit nicht einverstanden. Die herbeigerufenen Milizbeamten brachten Keršiūtė in die Milizabteilung des Bezirkes Vilnius. Hier wurde sie im Beisein von dem KGB-Bediensteten Marcinkevičius und dem Major der Miliz, G. Schemelov, von einem Milizbeamten niedergeschlagen. Anderntags verurteilte das Volksgericht des Bezirkes Spalis Danutė Keršiūtė zu 15 Tagen Haft wegen »Randalierens«, angeblich habe sie im Staatssicherheitskomitee einen Skandal provoziert, zensurwidrige Wörter verwendet usw. In Wirklichkeit hat der KGB-Bedienstete Marcinkevičius Keršiūtė ständig beleidigt, indem er sich über ihr per­sönliches Leben lustig machte.

In ihrer Erklärung verlangte Danutė, daß die Staatsanwaltschaft der Litauischen SSR den Milizbeamten, der sie verprügelt hatte und die Mittäter dieses Verbre­chens, nämlich den Untersuchungsrichter des KGB, Marcinkevičius, und den Ma­jor der Miliz, Schemelov, zur Verantwortung ziehen möge. Außerdem verlangte sie Rückgängigmachung des Gerichtsbeschlusses des Volksgerichts zuständig für den Bezirk Spalis und bestand auf der Rückgabe der Werke von O. Milašius, die während einer Haussuchung bei ihr konfisziert worden waren.

Am 3. Juni d. J. war die Mitarbeiterin des Fernseh- und Runkfunkkomitees, Ja­nina Bagdonienė, im KGB von Vilnius verhört worden. Der Untersuchungsrichter Pilelis warf ihr vor, Bagdonienė habe ein Kollektivschreiben unterzeichnet, in dem um Freiheit für den inhaftierten Antanas Terleckas und Gleichgesinnte gebe­ten wurde. Der Untersuchungsrichter verlangte von ihr, sie möge die Person nen­nen, die ihr das Schreiben zur Unterzeichnung gegeben habe.

Am 24. Juli 1980 war der Sohn des Povilas Buzas, Raimondas, im Aufenthaltsort des Staatssicherheitsdienstes der Stadt Prienai verhört worden. Die Untersuchung leitete der aus Vilnius herangereiste oberste Untersuchungsrichter des KGB, Dau-galas. Er befragte Raimondas, wer zu Besuch nach Hause kommen würde, ob ihm der Vater nicht die »Chronik der LKK«, Aušra (Die Morgenröte) und andere Untergrundliteratur zu lesen gegeben habe, vielleicht würde Raimondas eventuell A. Janulis, O. Vitkauskaitė, G. Navickaitė und andere kennen. Was er über die Untergrundtätigkeiten in Litauen wüßte u. a. Raimondas bekräftigte, daß er nichts über Untergrundliteratur, Personen oder sonst noch ähnliches wisse. Nach Meinung des Untersuchungsrichters Daugalas, sei das Verbrechen von Po­vilas Buzas nicht so schwerwiegend, und wenn er alles zugeben würde könnte er mit einer milderen Strafe rechnen. Der Untersuchungsrichter bot Raimondas an, sich mit seinem Vater darüber zu unterhalten und ihn zu bitten, daß er alles geste­hen möge.

Am 24. Juli 1980 befragte der Untersuchungsrichter Daugalas die Ehefrau von Povilas Buzas, Ona Buzienė. Der Untersuchungsrichter wollte herausbekommen, von wem Familie Buzas besucht werden würde, wer die fertiggestellte Unter­grundliteratur hinausbringen würde. Er befragte sie über den Priester Gražulis, über Suslavičiūtė, Janulis, Vitkauskaitė und Navickaitė. Fr. Buzienė erklärte, daß sie die erwähnten Personen nicht kenne, und über die Aktion ihres Mannes würde sie ebenso nichts wissen. Daugalas ängstigte sie, indem er sagte, die Regierung könne die ganze Familie Buzas aus ihrem Eigenheim in eine staatliche Wohnung einweisen, und daß Povilas Buzas ein sehr großes Verbrechen begangen habe und dafür zu vielen Jahren Haft verurteilt werden würde.

 

Am 23. Juli 1980 mußten der Bruder von Povilas Buzas, Kazimieras, seine Schwester Anele Buzaitė und Pranas Buzas bei dem Untersuchungsrichter Dauga-las vorsprechen. Sie waren verhört und mit zahlreichen Fragen belästigt worden, um in Erfahrung zu bringen, ob Povilas Buzas ihnen nicht vielleicht Untergrund­literatur zu lesen gegeben hätte, mit wem er befreundet wäre und ob die Befragten Janulis u. a. kennen würden.

Ähnlich verhört wurde am 22. Juli Fr. Ona Katilienė.

 

Am 29. Juli 1980 mußte die Studentin Giedrė Striokaitė zum Verhör in das KGB von Vilnius. Sie wurde vom KGB-Bediensteten Gavėnas verhört. Gleich zu An­fang erklärte der Untersuchungsrichter, daß wenn Striokaitė nicht auf die Fragen antworten würde, müsse sie hier drei Tage zubringen oder sie würde sich sogar im Untersuchungsisolator wiederfinden können. Am ersten Tag stellte man ihr hauptsächlich die Frage: »War Genovaitė Navickaitė oft in der Wohnung von Ona Vitkauskaitė zu Besuch?« Die Befragte bekräftigte, daß sie Navickaitė über­haupt nicht kennen würde. Aber abgesehen von ihrer Bekräftigung, schrieb der Untersuchungsrichter Gavėnas in das Untersuchungsprotokoll, daß Striokaitė sich mit Navickaitė in der Gerichtsverhandlung von Viktoras Petkus kennenge­lernt habe, und daß Navickaitė 1979 Vitkauskaitė und Striokaitė besucht habe. Nach dem Strafkodex der Litauischen SSR hat der Untersuchungsrichter Gavėnas mit seinem so verfaßten Protokoll ein Verbrechen fabriziert, für das sie bis zu drei Jahren Freiheitsentzug erhalten müßte.

 

Nach Dienstschluß bestellte der KGB-Mitarbeiter für die Studentin ein Zimmer im Hotel »Gintaras«, damit sie anderntags wieder im KGB vorsprechen konnte. Die folgenden zwei Tage, am 30. und 31. Juli, war Giedrė wieder aufdringlich be­fragt worden wie der Name des Mannes sei, der im Oktober vorigen Jahres in der Wohnung von Vitkauskaitė war. Striokaitė bestätigte, daß sie keinen Mann gese­hen habe. Der Untersuchungsrichter Gavėnas bezeichnete sie als aufsässige, zyni­sche und abgehärtete Staatsverbrecherin, die das Liedchen des Priesters Tamkevi-čius wiederhole. Er ängstigte sie, daß man sie für die Auskunftsverweigerung und die Verbreitung der »Chronik der LKK« bestrafen würde — im ganzen bekäme sie 12 Jahre Haft! Der Untersuchungsrichter sagte, daß er sogar eine Sanktion zur Festnahme von der Staatsanwaltschaft erhalten habe. Am dritten Tag der Unter­suchung, die ebenso nichts einbrachte, wurde der Untersuchungsrichter wütend und erklärte, daß er seine Nerven nicht länger strapazieren könnte, er würde sie dem Staatsanwalt übergeben. Er befragte sie noch, ob Giedrė die »Chronik der LKK«, Aušra (Die Morgenröte), Lietuviu archyvas« (Archiv der Litauer) even­tuell gelesen habe und ob sie nicht wüßte, wer die »Chronik der LKK« herausge­ben würde usw. Danach entließ er sie mit einer Drohung, daß ihr Verhalten kein gutes Ende nehmen würde und sich damit das KGB und das Sowjetsystem trotz­dem nicht besiegen läßt, nach Hause.

 

Am 20. August 1980 mußte sich die Haushälterin des Pfarrers S. Tamkevičius von Kybartai, Ona Dranginytė, in der Abteilung des KGB in Kaunas vorstellen. Der Untersuchungsrichter Rainys fragte, wer nach der Haussuchung am 17. April der Anstifter des Protestschreibens an die Staatsanwaltschaft der Litauischen SSR gewesen sei. Die befragte Haushälterin erklärte, daß die Eigenmächtigkeit des Staatssicherheitsdienstes dazu angeregt habe, sich an die Staatsanwaltschaft zu wenden, denn die ihr konfiszierten Sachen wären in das Haussuchungsprotokoll des Priesters S. Tamkevičius eingetragen worden. Der Untersuchungsrichter Rai­nys versuchte mit geschickten Fragen die Situation so hinzubiegen, daß O. Dran­ginytė gestehen sollte, daß die Sachen — Bücher, Druckwerke —, die man ihr ge­nommen hatte, nicht ihr, sondern dem Pfarrer gehören. Die Untersuchung dauer­te zwei Stunden. Das Untersuchungsprotokoll unterschrieb Ona Dranginytė nicht.

Am 20. August 1980 war die Schwester der inhaftierten Ona Vitkauskaitė, Bronė Vitkauskaitė, in die KG B-Abteilung von Kaunas bestellt worden. Der Untersu­chungsrichter Rainys fragte, wo O. Vitkauskaitė gelernt und gearbeitet habe, wo­hin sie gelegentlich verreist sei; ob sie ihr nicht die »Chronik der LKK« zu lesen gegeben habe, mit wem sie sich getroffen hätte usw. Der KGB-Bedienstete drohte, daß Ona Vitkauskaitė für ihre Verbrechen — die Vervielfältigung der »Chronik der LKK« — 12 Jahre Haft bekommen würde.

Nach dem Verhör wurde Bronė Vitkauskaitė in ihrer Arbeitsstätte (Polyklinik für Lungenkrankheiten der Stadt Kaunas) eindringlich gebeten, ihre Kündigung ein­zureichen und die Arbeitsstätte zu verlassen. Es stellte sich heraus, daß dieses von dem KGB-Bediensteten verlangt wurde.

Am 29. August 1980 war die Organistin der Kirche zu Kybartai, Genevaitė Ma-čenskaitė, im Komitee des KGB in Vilnius verhört worden. Die Untersuchung dauerte den ganzen Tag. Der Untersuchungsrichter Gavėnas fragte, ob Mačens-kaitė die inhaftierte Navickaitė kennen würde. Die Befragte gab an, sie zu ken­nen. Dann erkundigte sich der Untersuchungsrichter, woher Mačenskaitė die Nummer 42 der »Chronik der LKK« bekommen habe, die man während einer Haussuchung bei ihr konfisziert hatte. Die Organistin erklärte, daß sie die er­wähnte Nummer im Kirchenvorraum auf dem Katafalk gefunden hätte. Der Un­tersuchungsrichter Gavėnas sagte jedoch, daß die verhaftete Navickaitė ausgesagt habe, sie hätte Mačenskaitė die Nummer 42 der »Chronik der LKK« überlassen. Abgesehen von dieser Nummer habe sie ihr vier weitere Exemplare der »Chronik der LKK« gegeben. Außerdem habe sie Mačenskaitė gebeten, die Nummer dem Priester S. Tamkevičius auszuhändigen. Mačenskaitė wies diese Behauptung zu­rück. Gegen Ende der Untersuchung wurde Genovaitė Navickaitė zu einer Gegen­überstellung hereingeführt, die tatsächlich ausgesagt hatte, sie habe eine Nummer der »Chronik der LKK« bei Mačenskaitė gelassen (wahrscheinlich wollte sie mit dieser Aussage die ganze Schuld auf sich nehmen — Anmerkung der Redaktion).

 

Aber auch hier behauptete Mačenskaitė, sie habe die erwähnte Nummer der »Chronik der LKK« nicht von Navickaitė erhalten, sondern in der Kirche auf dem Katafalk gefunden. Das Gegenüberstellungsprotokoll wurde von beiden Be­fragten nicht unterschrieben. Navickaitė, die diese Gegenüberstellung ausnützte, erklärte, daß sie kein einziges Untersuchungsprotokoll unterschreiben werde. Der Untersuchungsrichter Gavėnas war während der ganzen Zeit des Verhörs grob gewesen, besonders nervös war er am Nachmittag. Während der Befragung verlangte Mačenskaitė ihr persönliches Geld zurück — im ganzen 500 Rubel, die von den KGB-Mitarbeitern bei der Haussuchung mitgenommen wurden. Das Geld bekam sie nicht zurück. Der Untersuchungsrichter bekräftigte, daß angeb­lich das Geld nicht Mačenskaitė gehöre.

Am 1. September 1980 wurde die Einwohnerin von Kybartai, Frau Teresė Petri-kienė, zu dem Untersuchungsrichter Gavėnas gebeten. Sie wurde beschuldigt, während der ersten Untersuchung falsche Angaben gemacht zu haben, wofür man sie verurteilen könne. Der Untersuchungsrichter Gavėnas versuchte zu errei­chen, daß Petrikienė ihre früheren Aussagen zurückziehen und alles so wiederge­ben sollte, wie er es wolle, das erste Protokoll versprach er zu verbrennen. Der Untersuchungsrichter versuchte zu beweisen, daß Navickaitė die ganze Wahrheit gestanden hätte, nur würde jetzt Petrikienė lügen. Die Untersuchung dauerte sechs Stunden.

 

Anderntags wurde das Verhör zum selben Thema fortgesetzt. Wieder ängstigte er sie mit einer Gegenüberstellung mit Navickaitė. Da nach Meinung von Gavėnas Fr. Petrikienė falsche Angaben gemacht habe, erfolgte keine Gegenüberstellung. Gegen 16.00 Uhr entließ man Petrikienė. An diesem Tag wurde sie, abgesehen von dem Untersuchungsrichter Gavėnas, von noch zwei weiteren KGB-Mitarbei­tern verhört.

Am 12. August 1980 kam der Untersuchungsrichter Jucys mit einer Gruppe Milizbeamten und KGB-Mitarbeitern in die Wohnung der Ärztin Julija Kuodytė (Kaunas, Donelaičio 36). Als man sie jedoch zu Hause nicht antraf, veranlaßte Jucys eine Haussuchung bei allen Bewohnern des Hauses, obwohl er nur einen Haussuchungsbefehl für die Wohnung von J. Kuodytė hatte.

Bei Aldona Nominaitytė wurden 14 Fotografien, 4 Farbbänder für Schreibma­schinen, die Bücher; Eucharistiškas pašnekesys (Das eucharistische Gespräch), 4 Exemplare von Naktinė adoracija (Nächtliche Adoration), Naktinė adoracija na­muose (Nächtliche Adoration zu Hause), von Duktas Apie mūsu vilti (Über unse­re Hoffnung), von Dūktas Pasikalbėjimai (Gespräche), Vienuoliškojo gyvenimo problemos Lietuvoje (Probleme des Klosterlebens in Litauen) und anderes konfis­ziert.

Man durchsuchte auch die Handtasche von Nijolė Cicėnaitė und konfiszierte 8 Fotografien u. a.

In der Wohnung der Aldona Raižytė fand und konfiszierte man: 8 Fotografien, eine Tonbandkassette, eine gedruckte Erklärung an die Jugend, ein Studienpro­gramm der Mönche, Malda už tėvynės laisvę (Gebet für die Freiheit des Vaterlan­des), 8 Seiten von Liedertexten, Švenčiu Mišių maldos vaikučiams (Gebete der Feiertagsmessen für Kinder), Patarimai, kaip laikytis tardymo metu (Ratschläge, wie man sich während der Verhöre zu verhalten hat), die Bücher: Vytauto Didžiojo mirties 500 sukakčiai paminėti (Zum Andenken des 500. Todestages von Vytautas des Großen), Šviesos akimirkos (Momente des Lichtes), 2 Exemplare von Mažųjų maldos (Gebete der Kleinen), Vienuolė visa siela (Nonne sein mit ganzer Seele), Pasaulėžiūros klausimai (Die weltanschaulichen Fragen), von Šapoka, Lietuvos istorija (Geschichte Litauens).

Aus dem Zimmer von Olimpija Stankūnaitė wurden 6 Fotos mitgenommen.

Im Zimmer von Genutė Bružaitė fand und konfiszierte man: 8 Fotos, Adressen, 12 Abzeichen, 21 Tonbandkassetten, ein Attest das für Bružaitė ausgestellt wor­den war, 10 Tonbänder, ein Heft, ein Fotonegativ, die Bücher: Mano kelias į ku­nigystę ir patirti išgyvenimai per 5 metus kunigaujant (Mein Weg zum Priestertum und Erfahrungen in 5 Jahren als Priester), 4 Exemplare von Ar Šv. Raštas teisus? (Ist die Hl. Schrift gerecht?) und anderes.

Aus der Aktentasche von Regina Teresiūtė, die während der Durchsuchung zufäl­lig hinzukam, konfiszierte man: 3 Fotos, 16 Abzeichen von Vytis (der Reiter — lit. Wappensymbol), die Notizbücher, eine Startpistole, eine Landkarte Litauens, Fotonegative u. a.

Am 13. August 1980 führten KG B-Mitarbeiter eine Haussuchung in der Woh­nung (Žirmūnų 52—31) der Bewohnerin von Vilnius Irena Stumbrytė durch. Die Leitung der Haussuchung hatte der Untersuchungsrichter der Staatsanwaltschaft der Litauischen SSR, zuständig für besonders wichtige Prozesse, A. Jucys,und V. Zedelis. Als Beisitzerinnen nahmen teil: Regina Naiduk und Galina Marcinke­vičiūtė. Die Untersuchungsrichter wurden von 4 KGB-Mitarbeitern unterstützt. Die Haussuchung dauerte drei Stunden. Währenddessen wurden konfisziert: zwei Gipsgüsse (von Vytautas dem Großen und von der Landkarte Litauens), 7 Ton­bandkassetten, die Bücher: Gyvenimo problemos sprendimas (Die Bewältigung des Lebensproblems), Dabarties sutemose (In der Dämmerung der Gegenwart), von Dūkas O našem upovanii, įžymiųjų Lietuviu tautos veikėju pasaulėžiūra (Die Weltanschauung berühmter Aktivisten des litauischen Volkes), Psichiatrės patari­mai (Ratschläge der Psychiatrin), Značienije Vladimirą Solovjovą (Die Bedeutung von Vladimir Solovjev), die Broschüren Tiesos kelias (Weg der Wahrheit), drei Notizbücher, die Allgemeine Menschenrechtsdeklaration, der Arbeitsvertrag und das Arbeitszeugnis von Jadvyga Stanelytė, Fotografien, Bilder und anderes mehr.

Während der Haussuchung kam Bronė Vazgelevičiūtė in die Wohnung von Stum­brytė. Als die KGB-Mitarbeiter sie sahen, freuten sie sich, zogen sich einige Helfer mehr hinzu und fuhren in die Wohnung von B. Vazgelevičiūtė (Dzeržinskio 160—292), um auch dort eine Haussuchung vorzunehmen. Die Haussuchung wurde von 9 KGB-Mitarbeitern durchgeführt. Es wurden eine ganze Menge religi­öser Bücher konfisziert, ein japaniches Tonbandgerät in Kleinformat, eine Schreibmaschine, Kohlepapier, Schreibpapier, ca. 30 bespielte Tonbandkassetten und eine ausländische unbespielte Kassette.

 

Eine interessante Einzelheit: als man während der Haussuchung bei Bronė Vazge­levičiūtė Dokumente von Elena Šuliauskaitė gefunden hatte, kam die Frage auf, wie diese hierher gekommen waren. Vazgelevičiūtė erklärte, daß sie hier wohnen würde, obwohl sie anderswo gemeldet sei. Einige KGB-Bedienstete bezweifelten dies, aber einer bekräftigte, daß sie tatsächlich hier wohnen würde, denn früher gingen ihre Briefe in die Mildastraße und nun kämen sie an diese Adresse. (Das heißt also, daß die Briefe kontrolliert werden!)

Das Haussuchungsprotokoll unterschrieb B. Vazgelevičiūtė nicht. Die KGB-Bediensteten nahmen alles mit, ohne eine Abschrift des Haussuchungsprotokolls zu hinterlassen.

Am 14. August 1980 war Saulius Kelpša in die Staatsanwaltschaft der Republik in Vilnius bestellt worden. Der Untersuchungsrichter Jucys befragte ihn im Zusam­menhang mit der Prozeßverhandlung der Gemma Jadvyga Stanelytė. Die Er­wähnte wird beschuldigt, 1979 eine fromme Wallfahrt von Tytuvėnai nach Šilu­va, ohne die Erlaubnis der Regierung, organisiert zu haben (die Genehmigung wird von der Regierung sowieso nie erteilt — Bemerkung der Redaktion).

Am 29. August 1980 war der Pfarrer von Kybartai, Priester Sigitas Tamkevičius, zum Verhör in die Staatsanwaltschaft der Republik nach Vilnius bestellt worden. Der Untersuchungsrichter Jucys legte ihm den Arbeitsvertrag der Jadvyga Stane­lytė mit dem Kirchenkomitee der Pfarrgemeinde Kybartai auf den Tisch, dessen Vorsitzender der Priester S. Tamkevičius ist. Der Untersuchungsrichter befragte ihn, ob J. Stanelytė tatsächlich diesen erwähnten Vertrag gemacht habe und ob sie wirklich in der Kirche zu Kybartai gearbeitet hätte. Der Priester Sigitas Tamkevi­čius bestätigte, daß es tatsächlich so war (J. Stanelytė wird beschuldigt, nirgend­wo zu arbeiten, außerdem sei sie eine Tagediebin — Anmerkung der Redaktion).

Am 1. September 1980 mußte Ona Kavaliauskienė aus Kybartai bei dem Untersu­chungsrichter Jucys in der Staatsanwaltschaft in Vilnius vorsprechen. Der Unter­suchungsrichter fragte, was sie arbeiten würde und wer außer ihr noch in der Kir­che zu Kybartai tätig wäre. Er erkundigte sich nach einer Frau namens Jadvyga, die in der Kirche zu Kybartai die Heizöfen beaufsichtigen würde. Er fragte, wann sie die Öfen anzünden würde, was sie außerdem noch täte, wann sie sie das letzte Mal getroffen habe, ob die Frau in Kybartai wohnen würde oder ob sie ständig anfahren müßte und was sie für ein Verhältnis mit ihr hätte. Die Untersuchung zog sich eine Stunde hin.

Am 14. August 1980 war Regina Teresiūtė in die Staatsanwaltschaft der Stadt Vil­nius zu dem Untersuchungsrichter Jucys bestellt worden (am 12. August hatte Te­resiüte die Wohnung von J. Kuodytė besucht, in der gerade eine Haussuchung stattfand).

Der Untersuchungsrichter Jucys erklärte, daß die Herbestellte mit einem sehr schwierigen Prozeß in Verbindung stehe, denn sie würde die festgenommene J. Stanelytė kennen. Der Untersuchungsrichter machte das Mädchen mit den Rech­ten als Zeuge bekannt und befahl ihr zu unterschreiben. Als sie nicht unterschrei­ben und auch keine Zeugin sein wollte — denn sie würde Stanelytė nicht kennen —, begann Jucys die Befragte zu beleidigen, indem er sie als unnormal bezeichne­te; in der Staatsanwaltschaft zittern alle, und sie — lacht! Außerdem fragte er sie, wann sie J. Kuodytė kennengelernt habe, welcher Kongregation sie angehören würde usw.

Am 9. Oktober 1980 war die Einwohnerin von Vilnius, Irena Stumbrytė, wegen der religiösen Literatur verhört worden, die man ihr während einer Haussuchung konfisziert hatte.

—         »Wie ist die religiöse Literatur an Sie gelangt?« fragte der Untersuchungsrich­ter Jucys.

—         »Daran erinnere ich mich nicht!«

—         »Man muß Sie in einem psychiatrischen Krankenhaus behandeln«, antwortete der wütende Untersuchungsrichter und meinte, seine medizinischen »Fähigkei­ten« gezeigt zu haben.

Am 8. Oktober 1980 befragte der Untersuchungsrichter Jucys die Ärztin Ona Se-reikaitė über die festgenommene Jadvyga Stanelytė. Die Ärztin gab wenig Aus­kunft über sie, sondern erzog und bildete den Untersuchungsrichter in religiösen Fragen.

Am 9. Oktober 1980 war die Ärztin Julija Kuodytė zum Verhör in die Staatsan­waltschaft der Litauischen SSR bestellt worden. Der Untersuchungsrichter Jucys befragte sie über Jadvyga Stanelytė. Er erkundigte sich, ob die Befragte sie ken­nen und wie sie sie charakterisieren würde? Auf die Fragen des Untersuchungs­richters wegen der Sachen, die während der Haussuchung konfisziert worden wa­ren, antwortete die Ärztin J. Kuodytė nicht, sondern erklärte, daß die Haussu­chung in ihrer Abwesenheit stattgefunden hätte, und das hinterlassene Haussu­chungsprotokoll sei unleserlich. So motivierend, entsagte sich J. Kuodytė vom Verhör.

Der Untersuchungsrichter Jucys erklärte, daß man Stanelytė den Paragraphen 199 des Strafgesetzbuches der Litauischen SSR, Artikel 3, zugrunde legen werde, wegen des Organisierens von Gruppentätigkeiten oder aktiver Beteiligung an ih­nen, die die öffentliche Ordnung verletzten. Aufgrund dieses Artikels kann Stane­lytė zu drei Jahren Lagerhaft verurteilt werden.

»Noch ist dieser Prozeß nicht abgeschlossen«, stöhnte der Untersuchungsrichter Jucys, »und schon stapelt sich in der Ecke neues Untersuchungsmaterial!« (Bei dem neuen Stoff handelt es sich um die im August d. J. durchgeführte Wallfahrt von Tytuvėnai nach Šiluva — Anmerkung der Redaktion.)

Am 1. Oktober 1980, um 14.50 Uhr, führten fünf Personen, nachdem sie den Durchsuchungsbefehl vorgezeigt hatten, eine Haussuchung in der Wohnung des Antanas Kalanta (der Bruder von Romas Kalanta) in Kaunas, Partizanų 112—102, durch. Die Haussuchung wurde von dem Bediensteten der Staatsan­waltschaft, Remeika, angeführt. Die anderen Beteiligten der Haussuchung rede­ten nicht. Konfisziert wurde das Buch von Maceina Didieji dabartis klausimai (Die großen Fragen der Gegenwart).

Nach der Prozeßverhandlung des Arztes Algirdas Statkevičius, in den Tagen des 11. bis 16. September, wurden Nijolė Sadūnaitė, Andrius Tučkus, Algirdas Mast­horns, Genutė Šakalienė und Vytautas Bogušis offiziell von der Staatsanwalt­schaft der Litauischen SSR ermahnt, weil sie sich während der Verhandlung un­passend benommen hätten. Man verlangte von ihnen jegliche Besuche weiterer Prozeßverhandlungen zu unterlassen.

Der Stellvertreter des Staatsanwaltes nannte A. Tučkus einen Affen, er drohte ihm ins Gesicht zu schlagen und ihn für 15 Tage einzusperren. Am 16. September 1980 war Vytautas Bogušis in die Staatsanwaltschaft der Li­tauischen SSR bestellt worden, um als Zeuge in der Prozeßverhandlung des V. Abrutis auszusagen. Der Herbestellte war von dem Helfer des Staatsanwaltes be­leidigt worden, deswegen entsagte er sich, mit ihm zu reden. Danach spielte Vilu-tis noch mehr verrückt, er verletzte seine religiösen Gefühle, die nationalen Über­zeugungen von Bogušis und drängte ihn für eine Stunde in die Kammer. Der Stell­vertreter des Staatsanwaltes, Vilutis, informierte den Vorgesetzten der Arbeits­stätte von V. Bogušis und sagte, daß bei ihnen eine ganz große antisowjetische Person beschäftigt sei, und am 17. September mußte Vytautas Bogušis eine Erklä­rung schreiben, daß er den Arbeitsplatz freiwillig verlasse.