(Litauen betet)

Žemaičių Kalvarija (Varduva, Rayon Plungė)

Ungeachtet der Behinderungen durch die Regierung, wie Transportkontrollen, Registrierung der Privatpersonenwagen, strenge Kontrollen der Berufs­tätigen in den Betrieben, sind die Tage der großen Ablaßfeier (Beginn am 2. Juli) mit großer Begeisterung und Frömmigkeit begangen worden.

Pivašiūnai (Rayon Alytus)

Am 11. August 1985 kam den Wallfahrern, die zum Fest Maria Himmel­fahrt nach Pivašiūnai wollten, die Miliz entgegen. An diesem Tag ließen die Milizmänner die Wallfahrer nicht in das Städten fahren, sondern dirigierten die Autos auf die Felder. Auf den Straßen und auf dem Kirchhof beobachtet-ten Sicherheitsbeamte mit eiskalten Blicken jeden, der in die Kirche ging. Die Kirche und der Kirchhof waren voll Wallfahrer. Auch S. Exz. Bischof Vin­centas Sladkevičius kam zu dem Fest. Der Bischof konzelebrierte mit den Geistlichen die hl. Messe und hielt eine Predigt, in der er die Bedeutung Mariens in unserem Leben und ihre mütterliche Fürsorge heraushob. Er forderte alle auf, ihr in allen Situationen bedingungslos zu vertrauen. »Es ist gut, hier bei der Mutter zu sein . . .« sagte der Bischof. Er berührte in der Predigt auch die Berühmtheit des wundertätigen Marienbildes von Pi­vašiūnai, das sogar in der weiten Welt bekannt sei, denn als der Hl. Vater über Litauen sprach, habe er auch dieses Bild erwähnt.

Wenn die Sicherheitsbeamten die Wallfahrer auch nicht direkt angriffen, so herrschte doch auf dem Kirchhof eine gespannte Stimmung. Man konnte keinerlei Devotionalien kaufen.

Giedraičiai (Rayon Molėtai)

Am 25. August 1985 wurde in Giedraičiai des 500jährigen Jubiläums des seligen Mykolas Giedraitis gedacht. Bei der Gelegenheit spendete S. Exz. Bischof Vincentas Sladkevičius in Giedraitis das Sakrament der Firmung. Zu der Feier waren die Priester der umliegenden Pfarreien und Pilger aus den verschiedensten Gegenden Litauens gekommen: Aus Vilnius, Kaunas, Šiauliai; viele Kinder und junge Menschen wollten das Sakrament der Firmung empfangen. Vor dem Gottesdienst weihte der Bischof eine aus Anlaß des Jubiläums von Volkskünstlern aus Eichenholz geschnitzte und am Kirchhof errichtete kunstvolle Statue des seligen Mykolas Giedraitis. Auch das Hochamt konzelebrierte Bischof V. Sladkevičius mit den anwesenden Priestern. Bei diesem Anlaß hielt der Bischof eine Predigt. Nach dem Gottes­dienst gratulierten die Kinder und Jugendlichen dem Bischof. Wie man auch nicht anders erwarten konnte, verursachte das Jubiläum eine Unruhe bei der Regierung: Auf dem Platz vor der Kirche und an der Busstation wachte die Miliz und überall schnüffelten die Sicherheitsbeamten herum.

Šiluva (Rayon Raseiniai)

Dieses Jahr war es noch schwieriger, zu den Ablaßfeierlichkeiten von Šiluva zu gelangen. Der Linienbusverkehr war von den Rayonstädten und auch von anderen Städten teilweise gestrichen; die meisten Linienbusse aus den grö­ßeren Städten nahmen nur so viele Reisende mit, wie Sitzplätze im Bus vorhanden waren. An der Busstation in Kaunas wiederholte sich dies die ganze Zeit. Die Fahrkarten nach Šiluva waren für die ganze Oktav schon in Vorverkaufskassen gekauft. Ungeachtet der Schwierigkeiten und Hindernisse versammelte sich in Šiluva eine Menge Wallfahrer. Am 13. September kam S. Exz. Bischof Julijonas Steponavičius zur Ablaßfeier nach Šiluva, wo er sein 30jähriges Bischofsjubiläum feierte. Die Priester gratulierten dem Bischof vor dem Hochamt. Eine große Schar von Priestern konzelebrierte gemein­sam mit dem verbannten Bischof das Hochamt. Während der Predigt for­derte Bischof J. Steponavičius alle auf, dem Glauben treu zu bleiben, die Tugenden zu üben und zu den heiligen Sakramenten zu gehen. Nach dem Gottesdienst gratulierten die Kinder und die Jugend dem Bischof. Am 15. September, dem Abschlußtag der Ablaßfeierlichkeiten, nahmen beinahe alle Bischöfe Litauens und eine riesige Menge von Gläubigen am Gottesdienst teil.

Vilnius

Während der ganzen Oktav der Ablaßfeier der heiligsten Mutter Maria, der Mutter der Barmherzigkeit in der Kapelle im Tor der Morgenröte, waren viele Wallfahrer anwesend. Vor dem Abendgottesdienst in der Kapelle im Tor der Morgenröte betete die Jugend den Rosenkranz und sang kirchliche Lieder. Es gab so viele Menschen, daß die Schwächeren nicht einmal ver­suchten, in die Kapelle hinaufzusteigen; sie sind entweder auf der Treppe oder im Korridor, den sie bis zur Außentür füllten, geblieben, um dort zu beten.

In der Kirche sangen jeden Tag abwechselnd Gastchöre. Zu bewundern war die Ausdauer der Wallfahrer: Erhitzt und ermüdet, konnten sie sich wegen der Fülle an Menschen nicht setzen, ja sich nicht einmal irgendwo anlehnen, aber sie beteten stundenlang, ohne die Kirche zu verlassen.

Telšiai

Am Allerheiligentag 1985 fand auf dem Friedhof der Stadt Telšiai eine christliche Gedenkfeier für die Verstorbenen statt. Die Prozession auf dem Friedhof führte S. Exz. Bischof Antanas Vaičius unter der Teilnahme der Priester und einer großen Menschenmenge an. Die Christen sind dankbar für diese schöne Gedenkfeier für die Verstorbenen.

Butrimonys (Rayon Šalčininkai)

Der Ortsvorsitzende von Butrimonys ließ durch den Vorsitzenden des Kir­chenkomitees der Pfarrei dem Priester Vytautas Pūkas eine Warnung aus­sprechen, daß dieser am Allerseelentag keine Prozession auf dem Friedhof veranstalten solle.

Priester V. Pukas beachtete diese Warnung nicht. Die Gottlosen beobachteten aufmerksam die Prozession, griffen aber nicht direkt in die Andacht ein.

Šalčininkai

Ende Dezember 1985 wurden die Priester des Rayons Šalčininkai zu einem Gespräch mit der Verwaltung eingeladen. Nach dem traditionellen Bericht über die ökonomischen Errungenschaften des Rayons folgte eine Rede des Rayonstaatsanwaltes über die von den Priestern verübten »Verletzungen der Gesetze« und über die dafür möglichen Strafen.

Dem Priester Jonas Vaitonis drohte der Staatsanwalt Strafen an, weil er ohne Erlaubnis der Regierung nach Weißrußland fährt, um dort die Gläu­bigen zu versorgen; dem Pfarrer der Pfarrei Butrimonys, Priester V. Pūkas, wegen der Allerseelenprozession auf dem Friedhof. Der Staatsanwalt be­tonte, daß für die Priester wegen der Kinderkatechese und wenn sie Kindern erlauben, an Prozessionen teilzunehmen oder im Kirchenchor zu singen, und wegen ähnlichen »Vergehen« entsprechende Strafen vorgesehen sind.

Pociūnėliai (Rayon Radviliškis)

Der Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten beim Minister­rat der UdSSR für SSR Litauen

Letzte Ermahnung

an das Exekutivorgan der religiösen Gemeinschaft Pociūnėlai: Kvietkevičius Pranciškus, Sohn des Vincas, Gaštentienė Birutė, Tochter des Klemensas.

Es wurde festgestellt, daß das Exekutivorgan der katholischen religiösen Ge­meinschaft von Pociūnėliai, ungeachtet der mehrmaligen Aufforderung der Ortsverwaltung, den Gründer der Pfarrei (den Zwanzigerrat) nicht dazu be­wegt hat, den Vertrag wegen der unentgeltlichen Benützung des Bethauses und dem darin vorhandenen kultischen Inventar, den Kunst und Kultur­schätzen mit dem Rayonexekutivkomitee nach dem neuen Muster zu unter­zeichnen.

Ich fordere das Exekutivorgan der Gemeinschaft Pociūnėliai dazu auf, bis zum 1. November d. J. den Vertrag über die Benützung des Bethauses mit dem Rayonexekutivkomitee von Radviliškis zu unterzeichnen.

Ich erinnere die Mitglieder des Exekutivorgans daran, daß die Registrierung der religiösen Gemeinschaft widerrufen und die Kirche geschlossen werden kann, wenn sie ohne Vertrag benützt wird.

Am 18. September 1985 Der Bevollmächtigte des Rates, P. Anilionis (Unterschrift)

Der Ortsvorsitzende überreichte diese Ermahnung am 14. Oktober 1985 dem Pfarrer der Pfarrei Pociūnėliai, Priester Antanas Jokubauskas.

Viduklė (Rayon Raseiniai)

Am 26. jeden Monats, dem Tag der Festnahme des Pfarrers der Pfarrei, des Priesters Alfonsas Svarinskas, versammeln sich die Gläubigen und Priester in der Kirche von Vidukle, um für den leidenden Pfarrer und andere Ge­fangene zu beten. Die Gottlosen schüchtern die Jugend ein, wie sie nur kön­nen, besonders aber in der Schule. Der Gottesdienst findet meistens am Abend statt. Dabei sind immer Spitzel in der Kirche zu finden, die zählen, wieviele und welche Schüler in der Kirche sind, was sie machen, ob sie singen oder die Gebete vorbeten, wer die Gebete beginnt, wer sie abschließt usw. Später werden die Kinder, die in der Kirche waren, auf die eine oder andere Weise geängstigt, daß über sie in der Schule beraten werde, daß sie nicht zur Prüfung zugelassen würden oder daß sie nach Abschluß der Mittelschule in keine höhere Schule eintreten und dort studieren könnten. Sie ängstigen auch die Leute (besonders die Jugend), daß ihnen wegen der Teilnahme an Gottesdiensten für die Gefangenen eine Festnahme drohe. Eigens geschickte Spitzel beobachten die anwesenden Priester, schreiben ihre Predigten auf und notieren die Nummern der bei der Kirche stehenden Autos.

*

An den Redakeur der Rayonzeitung von Klaipėda »Banga«, A. Platužis Abschriften: An den Ministerrat der LSSR

an den Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegen­heiten der LSSR, P. Anilionis

an den Bischof der Diözese Telšiai, S. Exz. V. Vaičius Erklärung

des Vikars, Priester A. Šeškevičius und des Organisten, A. Bambulis der Pfarrei Gargždai, Rayon Klaipėda

Am 27. Juli d. J. haben Sie, Genosse Redakteur, in der Zeitung »Banga« einen falschen Artikel von dem Bevollmächtigten des Rates für Religions­angelegenheiten, P. Anilionis, gegen uns gedruckt mit der Uberschrift »Wem gehört der Friedhof«. Nach der Aufklärung über die Wahrheit wird auch die Unwahrheit offenbar.

1.        Der in dem Artikel des Bevollmächtigten genannte J. Kavaliauskas und auch der Bevollmächtigte selbst sprechen von einer Erklärung, in der »geschrieben wurde, daß auf dem Friedhof der Katholiken in Gargždai nicht erlaubt sei, Grabmale mit Kreuzen zu errichten«. Sie schießen aber beide daneben, wie wenn Sie beide die Erklärung nicht gesehen hätten. Deswegen legen wir den vollen Text in russischer Sprache bei: In dieser Fassung war sie auch an das Komitee für die Angelegenheiten der Religionen beim Ministerrat der UdSSR am 8. Januar d. J. geschrieben und mit den Unterschriften der Gläubigen versehen (150 Gläubige haben unterschrieben — Bern, der Red.).

Beginn der Erklärung: »Sie haben uns erlaubt, auf den Gräbern der Gläu­bigen Kreuze zu errichten. Der Bevollmächtigte P. Anilionis hat uns während einer Besprechung in Gargždai mitgeteilt, daß das Kombinat für öffentliche Versorgung mit hohen Kosten die Kreuze herstellen kann, die Arbeiter des Kombinats fertigen sie aber heimlich an. Ist denn das normal? Weder das Ministerium für öffentliche Versorgung noch das Rayonexekutvkomitee oder eine andere Institution kümmern sich darum. Es gibt praktisch keine Erlaub­nis, nur das, was Sie ausgesprochen haben.«

Abschluß der Erklärung: »Wir bitten Sie herzlich, bei den zuständigen In­stanzen einzuwirken, damit das Kombinat für öffentliche Versorgung uns unsere Kreuze unserer Bestellung entsprechend anfertigt.«

Das Wesentliche in der Erklärung ist also folgendes: Moskau hat erlaubt, Kreuze zu errichten, das Kombinat fertigt sie aber nicht an. Deswegen bitten wir, daß es sie anfertigen soll.

Jetzt ist klar, daß Kavaliauskas und der Bevollmächtigte das Wesentliche der Erklärung völlig gefälscht haben.

2.        Seit die Regierung für die Bürger von Gargždai einen neuen Friedhof in Laugailiai eröffnet hat, durften keine Kreuze errichtet werden. Aus diesem Anlaß hat das Kirchenkomitee der Pfarrei Gargždai am 2. 8. 1984 an den Bevollmächtigten P. Anilionis folgende Erklärung geschrieben:

»Unsere Pfarrangehörigen haben sich oft an die Oberarchitektin Kelbaus-kienė gewandt, damit am Friedhof auf dem Grab der Verstorbenen ein Kreuz errichtet wird. Sie hat nur solche aus einem bestätigten Musteralbum erlaubt. Darin ist aber kein Kreuz zu finden, sondern nur Steinblöcke mit Aussehen einer Schachtel ohne jegliches religiöse Zeichen. Wie können denn die Gläubigen ein derartiges atheistisches Grabmal auf dem Grab eines

Gläubigen aufstellen? Das würde bedeuten, daß die Gläubigen nach dem Tode zu Atheisten gemacht werden.

Unsere Pfarrei hat aber, wie auch alle anderen Pfarreien der Diözesen Tel-šiai, von der Kurie ein Schreiben Nr. 577 (1 - 3. 10. 1954) erhalten, in dem geschrieben steht: »Kreuze darf man nicht nur auf dem Kirchhof, dem Fried­hof, sondern auch auf den Höfen der Gläubigen errichten, anderswo werden Kreuze nicht aufgestellt und nicht eingeweiht.« Dieses Schreiben war sichtlich mit der Regierung abgestimmt und ist bis jetzt nicht widerrufen. Warum wird dann jetzt den Gläubigen verboten, Kreuze aufzustellen? Ja, man ver­nichtet sogar die bereits aufgestellten Kreuze und ruft ein Ärgernis welt­weiten Ausmaßes hervor!

Deswegen sind wir gezwungen, uns an Sie zu wenden, damit diese Ange­legenheit gemäß der sowjetischen Verfassung klar entschieden wird.

1.     Errichtung eines religiösen Grabmales auf dem Grab eines Gläubigen ist ein Teil des Kultes, unterstrichen im »Zeremonienbuch« im Teil 2, auf den Seiten 286 - 8.

2.     Einen Gläubigen zu zwingen, ein nichtreligiöses Grabmal auszusuchen, bedeutet, die Gewissens- und Religionsfreiheit zu verwerfen.

3.     Die Gläubigen wollen nicht nur ein Kreuzchen am Stein befestigen, son­dern ein richtiges Kreuz errichten.

4.     Der Zwang, an Stelle der Kreuze atheistische Grabmale zu errichten, bedeutet, die Kunst Litauens verkümmern lassen, die seit Jahrhunderten stolz auf ihre kunstvollen Kreuze ist, von denen schon ganze Alben bestehen, die von Künstlern von Weltrang zusammengestellt sind.

5.     Nach jetzt zusammengestellten Entwürfen würden die Grabmale schablo­nenhaft ausschauen, der eigenständigen Volkskunst würde kein Freiraum mehr gelassen.

Wir bitten den verehrten Bevollmächtigten des Rates für Angelegenheiten der Religionen, den Gläubigen eine Möglichkeit zu gewähren, auf den Gräbern der Verstorbenen religiöse Grabmale als Kreuze aufstellen zu dürfen. Wir warten auf eine positive Antwort.«

Der Bevollmächtigte P. Anilionis hat uns eine negative Antwort gegeben, und wies uns an, ein Grabmal aus dem bestätigten Musterbuch auszusuchen.

Dann wandten sich das Kirchenkomitee und die Gläubigen mit einer Erklä­rung an das Komitee für Angelegenheiten der Religionen in Moskau und sie bekamen durch den Stellvertreter des Rayonexekutivkomiteevorsitzenden von Klaipėda, Leita, eine Antwort. Leita hat sie der Oberarchitektin Kelb­auskienė und mir (Priester Šeškevičius) vorgelesen: »Wer nicht erlaubt hat, ein Kreuz aufzustellen, der hat ein großes Unrecht begangen.« Wir haben uns über die Erlaubnis Moskaus gefreut. Aber die Kreuze erscheinen leider nicht auf den Gräbern der Gläubigen, weil das Versorgungskombinat sie nicht anfertigte, lediglich auf einem Stein wurde innerhalb von fünf Jahren ein größeres Kreuz eingemeißelt. Was die eine Hand gibt, das nimmt die andere wieder weg, und es bleibt immer dasselbe,

Da man ein Grabmal ohne religiöses Zeichen nicht einweihen darf, befestigen die Leute an dem Stein ein Kreuzchen oder lassen es einmeißeln. Uber solche »Kreuze« auf dem neuen Friedhof berichtet auch J. Kavaliauskas dem Bevollmächtigten; auf dem alten Friedhof gibt es aber nur noch aus früheren Zeiten große Kreuze. Den Einwohnern von Klaipėda wurde nicht erlaubt, auf dem neuen Friedhof ein Grabmal mit einem Kreuz aufzustellen. Die Gläubigen haben solche heimlich angebracht und die Kontrolleure merkten es nicht. Deswegen gibt es dort Grabmale mit Kreuzchen, es gibt aber kein Kreuz.

Laden Sie, Genosse Redakteur, den Verfasser des falschen Artikels, den Bevollmächtigten P. Anilionis ein, und gehen Sie mit ihm zum neuen Fried­hof von Laugaliai, suchen Sie überall nach einem Kreuz, und Sie werden kein einziges einzeln aufgestellte finden, das auch nur 1,20 m hoch wäre. Das hätten Sie bereits vor der Drucklegung des Artikels tun sollen. J. Kava­liauskas aber behauptet, daß er sehr viele Kreuze gefunden habe. Ich lege Ihnen ein Gesamtbild des neuen Friedhofs bei, damit Sie dort »sehr viele Kreuze« finden können. Nicht einmal mit einem Vergrößerungsglas werden Sie eines finden können.

Deswegen ist es auch klar, welche Geltung haben und was taugen solche Ausdrücke, wie »Woher kommen die Verleumdungen, die solche Erklärun­gen bereiten? Warum werden sie wegen der Lüge nicht zur Verantwortung gezogen?« (J. Kavaliauskas). Oder: »Die Verfasser der Erklärung lügen, schwärzen die Wirklichkeit an!« (P. Anilionis).

3. Der Bevollmächtigte beschuldigt uns: » ... Unterschriften der Einwohner zu sammeln, von denen die meisten gefälscht sind. . . « Unsere Antwort darauf: Wir verneinen das ganz entschieden. Keine objektive Expertise wird das beweisen können, sie wird nur bestätigen, daß die Unterschriften echt sind. Wir haben es nicht nötig, die Unterschriften zu vermehren, denn wir haben sie; Tausende der Pfarrangehörigen würden unterschreiben, wozu braucht man aber so viele? Wenn hundert nicht beachtet werden, dann werden auch tausend nicht beachtet. Hier ein kleines Beispiel: Der Bevollmächtigte nahm wohlwollend eine falsche Meldung eines Atheisten J. Kavaliauskas als bare Münze an, und mehr als hundert Gläubige ließ er unbeachtet, ja beschuldigte sie sogar noch. Was für eine Logik, was für eine Diplomatie eines solch hohen Beamten, der da ist, um dem Volk zu helfen?! Er hat doch den Gläubigen in Gargždai ganz deutlich gesagt, daß das Versorgungskom­binat die Kreuze anfertigen muß, und jetzt schreibt er aber das Gegenteil: Auch E. S. Galustjan in Moskau erkundigte sich bei unseren Vertretern, ob in Gargždai das Versorgungskombinat Kreuze anfertigt. Es wurde mit nein geantwortet. Er unterstrich darauf: »Es muß sie anfertigen.« Worte bleiben immer nur Worte, wenn sie niemand in die Tat umsetzt.

Sogar in der Sendung »Akiratis« hat uns der Bevollmächtigte beschuldigt, daß wir die Unterschriften nachmachen, weil die vorgeladenen Pfarrangehö­rigen ihre Unterschriften nicht anerkennen. »Ein Prügel hat zwei Enden«: Es gibt eine andere Ursache, sich nicht zu bekennen — es ist die Angst, die seit Stalins Zeiten fortdauert. Der Stellvertreter des Vorsitzenden, A. Leita, wendet dieses Mittel an: Er lädt einen Gläubigen schriftlich vor, der wirklich unterschrieben hat, und fragt ihn, ob er unterschrieben hat. Die Vorladung allein schon erschreckt, und die Befragung vergrößert noch die Angst, deswe­gen gibt es solche, die ihre Unterschrift nicht anerkennen. Eine von denen, die nicht zu ihrer Unterschrift gestanden ist, hat die Meinung aller zum Ausdruck gebracht: Ich habe unterschrieben, warum aber soll ich das denen sagen?«

4. Der Bevollmächtigte schreibt: »Im bürgerlichen Litauen haben die Diener der Kirche auf dem Friedhof gewirtschaftet. Sie haben festgelegt, wer zu be­erdigen ist. . . Sie haben auf dem Friedhof einen sogenannten »Friedhof der Erhängten« eingerichtet, wo sie die Selbstmörder, die ungetauften Kinder und selbstverständlich auch die ungläubigen Atheisten zu bestatten befohlen haben.«

Wir stellen klar: In Litauen hat jede religiöse Gemeinschaft ihren eigenen Friedhof und ihre eigenen religiösen Grabmäler aufgestellt: So die Orthon doxen, die Lutheraner oder die Juden. .. Wo es verlangt wurde, gab es auch einen Friedhof der Freidenker oder Atheisten, z. B. bei dem Friedhof von Šiauliai, auf dem einige Freidenker beerdigt waren. Alle durften also ein Grabmal setzen und einen Platz aussuchen, den sie wollten. Da die religiösen Gemeinschaften mit besonderer Ehrfurcht den Friedhof betrachten, wurde von der Katholischen Kirche angeordnet, ihn einzuweihen (Codex des kano­nischen Rechts, Canon 1205) und einen ungeweihten Platz für jene übrig zu lassen, die man nicht kirchlich beerdigen darf: »Nach Möglichkeit soll es einen umzäunten und geschützten Platz für jene geben, denen die kirchlichen Beisetzungen verwehrt bleiben.« (Can. 1212). Hier wurden Kinder ohne Taufe beerdigt, weil sie noch nicht Mitglieder der Kirche waren und jene, die von ihr abgefallen waren: Atheisten, Selbstmörder und öffentliche Ver­brecher. Da sie im Leben nicht dabei sein wollen, wurde ihnen auch nach dem Tode ihre Freiheit gelassen.

Wenn auch J. Kavaliauskas noch naiv von einem Friedhof der Katholiken in Gargždai spricht, so gibt es doch keine konfessionellen Friedhöfe mehr, weil der atheistische Staat alle Friedhöfe unter eigene Verwaltung gestellt hat. Obwohl jetzt die Gewissens- und Religionsfreiheit verkündet wird (Artikel 50 der Verfassung), ist doch jede religiöse Gemeinschaft (Katholiken, Ortho­doxe, Lutheraner, Juden .. .) gezwungen, gegen die eigenen Bestimmungen die Ihrigen nur auf dem gemeinsamen staatlichen Friedhof zu beerdigen und solche Grabmäler aufzustellen, die der Staat bestimmt. Nach Ansicht des Bevollmächtigten gibt es jetzt eine bessere Gewissensfreiheit. Jede religiöse Gemeinschaft würde aber der Regierung sehr dankbar sein, wenn diese den Gläubigen wenigstens so ein kleines Eckchen zuteilen würde, wie die Kirche den Atheisten auf ihrem Friedhof zugeteilt hatte. Sie hat nicht erzwungen, die Atheisten mit den Gläubigen zu beerdigen, sondern sie hat sie nach einem religiösen Prinzip ausgeschieden; jetzt aber müssen die Gläubigen sich auf dem atheistischen Friedhof beerdigen lassen, auf dem kein religiöses Grabkreuz vorgesehen ist, wie wenn nur Atheisten dort beerdigt wären. Das ist für die Gläubigen sehr schmerzlich und deswegen bitten sie auch, daß sie wenigstens auf dem Grab eines Gläubigen ein Kreuz errichten dürfen.

5. Der Bevollmächtigte beschuldigt uns außerdem: »Die Erklärung war adressiert... an die antisowjetischen Propagandazentren im Ausland.«

Die Antwort: Das ist aus der Luft gegriffen, unehrenhaft und unlogisch. Wenn so ein Ziel bestehen würde, dann würde nur eine Erklärung genügen, wir tun uns aber wegen der Kreuze auf dem Friedhof schon seit fünf Jahren ab, und haben noch von keiner Nachricht aus dem Ausland gehört, wenn auch der Bevollmächtigte sagt: »Diese Erklärung wurde bald darauf durch Radio Vatikan mit dickem Kommentar vorgelesen.« Vielleicht schon seit acht Jahren schreiben die Gläubigen Erklärungen wegen der Aufstockung der Kirchen-Baracke von Gargždai. Moskau hat diese Erklärungen immer an den Bevollmächtigten geleitet, und der leitete sie wieder mit derselben Be­merkung »zuständigkeitshalber« an das Rayonexekutivkomitee von Klaipėda, als ob die Behörde des Bevollmächtigten eine unbesetzte Stelle wäre, nur dazu da, Erklärungen weiterzuleiten. Das zeigt, daß der Bevollmächtigte nicht geneigt ist, den Gläubigen zu helfen, weil sie sich auch weiterhin in der Baracke quälen, Das bestätigte er selbst mit seiner letzten besonderen Ant­wort: »Es besteht keine Notwendigkeit«, obwohl Tausende um eine Auf­stockung bitten; er aber, P. Anilionis, ist dazu bestimmt, dem Volke zu hel­fen, denn wie es heißt: »Die KPdSU ist für das Volk da und dient dem Volk« (Artikel 6 der Verfassung). Obwohl er derart unmenschlich handelt, haben die Einwohner von Gargždai trotzdem nichts vom Vatikan davon ge­hört. Deswegen legen alle Beschuldigungen des Bevollmächtigten seine Moral öffentlich dar, die den Artikel 55 der Verfassung der LSSR nicht beachtet und damit auch den Artikel 52 der Verfassung verletzt. Er schadet sich selbst und dem Staat, indem er Zwietracht zwischen dem Staat und der Kirche verursacht. So verhält sich kein intelligenter Mensch und kein Diplomat. Der Bevollmächtigte nennt die Geistlichen »Kirchler«. Dieser Spottname bedeutet aber eine Erniedrigung und zeigt das kulturelle Niveau des Ver­fassers. Wie kann sich ein Bischof oder ein Priester fühlen, wenn er sich an so einen Vermittler zwischen Staat und Kirche wenden muß? Damit er sie erniedrigen und zum Schweigen bringen kann, schimpft er jene Priester als Extremisten, die versuchen, wenigstens ein bißchen die Anliegen der Kirche zu verteidigen.

6. Wir wenden uns an den Ministerrat der LSSR, damit er sieht, wie der Bevollmächtigte den Staat vertritt.

Wir wenden uns an unseren Bischof, damit er weiß, wie der Bevollmächtigte mit den Priestern umgeht.

Wir wenden uns auch an den Bevollmächtigten selbst, weil ein Schweigen ein Vergehen gegen die Wahrheit wäre.

Wir wenden uns an den Redakteur der »Banga«, damit er sieht, wie er ohne Kontrolle falsche Artikel in Fragen der Weltanschauung druckt. Er hält sich an die Regel: Was gegen die Religion und gegen die Priester ist, ist alles gerecht, denn sie haben keine Stimme in der Presse, deswegen müs­sen sie den Mund halten, und gerecht ist der, der sie anschwärzt. Der Schrei­berling M. Dausynas beispielsweise hat in seinem antireligiösen Artikel voll­kommenen Unsinn geschrieben, die Redaktion hat aber alles gedruckt. Am 30. März d. J. hat er in »Banga« geschrieben: »Nach Behauptung der Kirchler hat sie (die Beichte) Christus eingerichtet, als er sich während des letzten Abendmahls an die Apostel wandte ...« Damit hat er nur gezeigt, daß er in Religionsfragen ein Analphabet ist und ebenso die Redaktion, die so etwas druckt. Da die Gläubigen keine religiöse Zeitung haben, haben sie keine Möglichkeit, die Wahrheit zu schreiben; ihre Lage ist schlimmer als die der Neger Afrikas oder der Asiaten. Obwohl der Artikel 48 der Verfassung der LSSR Rede- und Pressefreiheit garantiert, wäre es trotzdem kindisch, den Redakteur zu bitten, diesen falschen Artikel des Bevollmächtigten auf Grund der konkreten Angaben dieser Erklärung zu demaskieren und zu wider­rufen. Die Gläubigen haben weder eine religiöse Zeitung, noch ein Journal noch ein religiöses Buch zum Lesen, sie sind deswegen gezwungen, in größter religiöser Finsternis zu leben, wie unser Volk das noch nicht erlebt hat. Zu Zeiten des Zaren konnten noch die Buchträger religiöse Bücher aus Tilsit bringen, jetzt aber darf man keine religiösen Bücher aus dem Ausland be­ziehen; in Polen dagegen, in der Deutschen Demokratischen Republik und in Ungarn gibt es Zeitungen, Journale und Bücher. Es ist richtig, es wurde den Priestern erlaubt, in den 40 Jahren der »Pressefreiheit«, einige Bücher zu drucken, einen Kalender und für die Gläubigen einen Katechismus und so viele Gebetbücher, daß auf hunderttausend nur einige gefallen sind. Wenn zu anderen Zeiten ein Bettler nur so viele Almosen bekommen hätte, wäre er bald vor Hunger gestorben. Zum religiösen Aushungern gehört auch das, daß der Priester kein Recht hat, in der Kirche einige Kinder in Katechismus zu unterrichten. Wo werden sie denn lernen können, wenn es keinen für Kinder geeigneten Katechismus gibt? Wie können die Eltern sie ohne Buch unterrichten? Es bleibt nur übrig, an religiösem Hunger zu sterben und Atheist zu werden. In anderen demokratischen Staaten dagegen werden die Schüler in der Kirche in Religion unterrichtet.

So sieht die Freiheit der religiösen Rede und der religiösen Presse aus! Wir glauben an keinen Widerruf, höchstens nur an noch größere Verleum­dung.

Beilagen:

1.     Aufnahme des alten und des neuen Friedhofs von Gargždai.

2.     Eine Kopie der Erklärung in russischer Sprache.

3.     Der Artikel des Bevollmächtigten P. Anilionis.

Gargždai, am 27. August 1985

Am 17. September 1985 antwortete der Bevollmächtigte P. Anilionis dem Priester A. Šeškevičius und dem Organisten A. Bumbulis, daß die in der Zeitung erwähnten Tatsachen der Wirklichkeit entsprächen und deswegen irgendwelche Diskussionen in dieser Frage unnötig seien.

*

An den Bevollmächtigten des Rates für Angelegenheiten der Religion für die Republik LSSR, Petras Anilionis

Abschriften: An die hochverehrten Bischöfe und Diözesanverwalter Litauens Erklärung

des Priesters Gustavas Gudanavičius, Administrator der Kirchen Žagarė-Juodeikiai

Verehrter Bevollmächtigter, in Verbindung mit meiner Erklärung vom 25. 8. 1985 an den Generalsekretär des ZK der KPdSU M. Gorbatschow, in der ich meinen Dank wegen seines energischen Kampfes »gegen verschiedenste in unserem Leben herrschende Übel, besonders aber gegen maßlosen Ver­brauch von alkoholischen Getränken, die Trunksucht« zum Ausdruck gebracht habe, und im Namen der Gläubigen Litauens ihn gebeten habe, »noch ein Übel aus dem Leben zu beseitigen, und zwar die in weitem Maße bei uns praktizierte Diskriminierung der Gläubigen« — haben Sie, als Sie nach Joniškis kamen, zwei Stunden lang mein »Gehirn gewaschen«, um zu be­weisen, daß schwarz weiß ist und weiß schwarz; Sie bezeichnen meine Er­klärung als verleumderisch. Schließlich drohten Sie mir mit gewissen Para­graphen des Strafgesetzbuches, wenn ich nicht aufhöre, weiter zu schreiben. Sie sind sehr erzürnt, daß solche Schriften ins Ausland gelangen und daß die Welt über die bei uns vorkommenden Übel erfährt. Ich habe keine Ver­bindung mit "dem Ausland: Ich fahre nicht ins Ausland und habe auch keine brieflichen Kontakte. Wenn ich ein im Leben auftretendes Übel oder eine triumphierende Lüge bemerke, verliere ich die Geduld, und dann schreibe ich ab und zu jemandem. Ich schreibe offen, unter Inanspruchnahme der von der Verfassung garantierten Rede- und Pressefreiheit, und wenn irgend­welche Korrespondenten dieses Material für ihre Zwecke benützen, trage ich dafür keine Verantwortung.

Da ich es nach Ihrer langen Rede eilig hatte und Ihnen nicht antworten konnte, habe ich beschlossen, auf die von Ihnen gemachten Vorwürfe schrift­lich Antwort zu geben. Ich möchte manche Fakten klarstellen, die in der Erklärung und in unserem Gespräch erfaßt worden sind.

1. Sie behaupten, verehrter Bevollmächtigter, daß es bei uns keine Diskri­minierung der Gläubigen gebe, daß alle Gläubigen, ungeachtet ihrer Stel­lung, ungehindert die Kirche besuchen dürfen. Die Eltern hätten das Recht, ihre Kinder in den Glaubenswahrheiten zu unterrichten und es würden ge­nügend Gebetbücher, Katechismen und andere Literatur herausgegeben.

Was aber sagt die Verfassung der UdSSR zu dieser Frage? — »Alle Bürger der UdSSR sind unabhängig von der Herkunft, der sozialen Stellung ... der Bildung, der Sprache, dem Verhältnis zur Religion ... vor dem Gesetz gleich.« — Artikel 34.

»Den Bürgern der UdSSR wird die Redefreiheit, die Pressefreiheit, Ver-sammlungs- und Kundgebungsfreiheit, die Freiheit zur Durchführung von Straßenumzügen und Demonstrationen garantiert.« — Artikel 50.

»Den Bürgern der UdSSR wird die Gewissensfreiheit garantiert, das heißt das Recht, sich zu einer beliebigen oder keiner Religion zu bekennen, reli­giöse Kulthandlungen auszuüben oder atheistische Propaganda zu betreiben.« —Artikel 52. ... Die Kirche ist vom Staat, die Schule von der Kirche ge­trennt. «

So sind die Gesetze, und dasselbe haben auch Sie behauptet. Wie sieht es aber in der Praxis aus? Was sprechen die Tatsachen? Alle diese gerade er­wähnten Artikel der Verfassung, die die Gläubigen betreffen, werden von den Regierungsbeamten verletzt. Wegen einer Prozession nach Šiluva oder am Allerseelentag zum Friedhof, um für die Verstorbenen zu beten, wegen einem öffentlich gesagten Wort, um die Rechte der Gläubigen zu verteidigen, wegen der Unterrichtung der Kinder in den Glaubenswahrheiten in Grup­pen, um sie zu den heiligen Sakramenten vorzubereiten, werden die Priester und die Laien mit Geldstrafen belegt oder mit Gefängnis bestraft. Die Gläu­bigen werden direkt terrorisiert, indem man eine Atmosphäre der Intoleranz ihnen gegenüber schafft. Die Kinder der gläubigen Eltern fürchten sich, die Kirche zu besuchen, damit sie in der Schule nicht benachteiligt werden. Viele Beamte auch niedrigeren Ranges haben Angst, die eigene Kirche zu be­suchen, damit sie im Dienst nicht benachteiligt werden. Und was kann man über die Lehrer sagen?! Sie werden aus ihrem Dienst entlassen. Darüber habe ich dem Generalsekretär M. Gorbatschow geschrieben.

Bei uns verfügen die Atheisten über ihre atheistische Propaganda und für den Kampf gegen die Religion über Presse, Rundfunk, Fernsehen, Säle, Plätze, die Gläubigen haben aber kein Recht, das alles zu benützen. Die Gläu­bigen haben nur das Recht, in der Kirche, auf dem Kirchhof und am Friedhof Kulthandlungen auszuüben. Der Priester hat nicht das Recht, die Kinder in die Glaubenswahrheiten einzuweisen, nicht einmal dann, wenn er von den Eltern darum gebeten wird. Hier sehen Sie die von der Verfassung garan­tierte Gleichstellung der Bürger vor den Gesetzen! Nach dem Statut der religiösen Gemeinschaften darf der Priester die Jugendlichen erst nach der Vollendung des 18. Lebensjahres in den Glaubenswahrheiten unterrichten. Und wie ist es mit dem Atheismusunterricht? Die Regierungsvertreter ver­langen streng von den Lehrern, daß die Kinder an allen Schulen, angefangen mit den Kindern der Kindergärten, atheistisch erzogen werden. Welch eine grobe Verletzung der Rechte der gläubigen Eltern! Haben denn die gläubi­gen Eltern, als gleichgestellte Bürger des Staates, den Lehrern dieses Recht gegeben, das Recht, ihre Kinder zu verderben?!

2. Im Artikel 52 der Verfassung wird gesagt, daß die Kirche in der UdSSR vom Staat getrennt ist. Wenn sie getrennt ist, warum mischen sich dann die Regierungsbeamten so grob in das innere Leben der Kirche ein?

Nehmen wir z. B. das Priesterseminar. Über die Eignung der Kandidaten für das Priesterseminar hat nicht mehr die Leitung des Priesterseminars oder der Bischof das letzte Wort, sondern der Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten, in diesem Falle Sie. Auf dieser Anormalität habe ich in meiner Erklärung auch den verehrten Generalsekretär Gorbatschow aufmerksam gemacht. Sie haben diese Tatsachen nicht verneint, sondern Sie haben sich nur gerechtfertigt, daß die von Ihnen gestrichenen Kandidaten angeblich von »reaktionären« Priestern verdorbene Poltikmacher seien, die Kirche brauche aber keine poltisierenden Priester. So entscheiden Sie, ob aus einem solchen Kandidaten ein guter oder ein schlechter Priester werden kann. Wer hat Ihnen aber das Recht und alle diese Kenntnisse gegeben? Man müßte doch denken, daß die Leitung des Priesterseminars in 5 Studien-und Erziehungsjahren wird besser ergründen können, ob aus einem solchen Kandidaten ein guter Priester oder ein Politikmacher wird. Sie beurteilen die Personen nach dem Maßstab der Anschauung des atheistischen Materia­lismus und deswegen beschimpfen Sie auch die besten Priester als Reaktio­näre, Politikmacher usw. Sie haben mir einige Namen genannt. Das sind aber die besten Priester; vielleicht haben sie in jungen Jahren den einen oder anderen Fehler begangen, sie haben aber mit Uberschuß dafür gelitten.

Sind aber nicht jene von den Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes ange­worbenen Priester und Seminaristen, die um in das Priesterseminar gelangen zu können, dem Druck nachgeben und sich zur Mitarbeit bereit erklären, indem sie ihre Vorgesetzten und Kollegen bespitzeln, größere Politikmacher? Vielleicht werden Sie jetzt sagen, daß es eine Verleumdung ist? Diese Tat­sache ist schon lange allen bekannt, nur daß es der Priester Rokas Puzonas kürzlich in die Öffentlichkeit getragen hat; daß es aber nicht eine Verleum­dung, sondern die Wahrheit ist, habe ich schon selbst persönlich erfahren.

Wenn die Kirche vom Staat getrennt ist, warum ernennen Sie dann die Prie­ster für die Pfarreien? Nach unserer Unterhaltung habe ich Sie gefragt, warum Sie den Bischof hindern, mich aus Žagarė zu versetzen? Sie haben mir ge­antwortet, daß dies eine Angelegenheit des Bischofs sei, S. Exz. der Bischof sagt aber: »Der Bevollmächtigte P. Anilionis ist damit nicht einverstanden.« Ich habe schon seit 1978 S. Exz. den Bischof gebeten, mich aus seelsorge­rischen Gründen aus Žagarė zu versetzen, als aber das Spitalhaus, in dem ich wohne, im Herbst 1983 von irgendwelchen Übeltätern angezündet wurde und ich wie durch ein Wunder am Leben geblieben bin, bat ich wiederum den Bischof, mich in eine andere Pfarrei zu versetzen. Das Ergebnis war wieder dasselbe: »Der Bevollmächtigte ist damit nicht einverstanden.« Wer ernennt also die Priester für die Pfarreien? Warum mischen Sie sich in die inneren Angelegenheiten der Kirche? Die Kirche ist doch vom Staat ge­trennt! Diese Diskriminierung der Gläubigen wird von den Regierungsbeam­ten schon lange getrieben. Das habe ich am eigenen Leib erleben müssen.

Als ich Administrator der Pfarrei Kulautuva war und mich gleichzeitig von der Tuberkulose kurierte, habe ich mit Mühe ein Pfarrhaus für die Pfarrei errichtet. Ich habe selbst am Bau gearbeitet und alle meine Ersparnisse hineingesteckt. Als ich in die neue, noch nicht ganz fertige Wohnung ein­gezogen bin, habe ich mich gefreut, daß ich mich etwas ausruhen und im Kiefernwald von Kulautuva meine Lungentuberkulose ausheilen kann, aber weit gefehlt. . . Bald darauf kam ein Bediensteter des Staatssicherheitsdien­stes und schlug mir vor, ihm »die Priester erziehen« zu helfen. Da ich mich aber nicht vorbereitet fühlte, so ein »Pädagoge« zu sein und strikt abgelehnt habe, wurde ich nach einigen Monaten aus Kulautuva versetzt. Der damalige Verwalter der Erzdiözese, der verstorbene Kanoniker J. Stankevičius, hat mich zu sich gerufen und gesagt: »Rugienis (der damalige Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten) verlangt Sie nicht nur aus Kulau­tuva, sondern sogar aus dem Rayon Kaunas zu versetzen; wir bieten Ihnen Paliepiai (im Rayon Raseiniai)«. Damals begann mein Kreuzweg. Ist das nicht eine grobe Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Kirche, eine Diskriminierung der Gläubigen?

Ist nicht wegen der gleichen groben Einmischung der Staatsbeamten in die inneren Angelegenheiten der Kirche auch der Bischof von Vilnius, Julijonas Steponavičius, ohne Gerichtsurteil nach Žagarė verbannt und lebt hier schon seit 35 Jahren von den seiner Hirtensorge anvertrauten Gläubigen getrennt?

3.     Ich habe in meiner Erklärung dem Generalsekretär M. Gorbatschow ge­schrieben, daß das »Statut der religiösen Gemeinschaften« der Verfassung der UdSSR, den internationalen Vereinbarungen, der Deklaration der Men­schenrechte der Vereinten Nationen wie auch den Beschlüssen von Helsinki widerspricht, die auch die Sowjetunion unterschrieben und sich verpflichtet hat, sie einzuhalten. Ich habe ihn gebeten, das Statut zu widerrufen. Sie ha­ben mir aber geantwortet, daß diese internationalen Vereinbarungen bei uns keine Gesetzeskraft haben. Sonderbar! Warum dann unterschreiben, wenn man nicht einhalten will? Ist es denn wirklich so?

4.     Ich habe M. Gorbatschow geschrieben, daß durch die jahrelange Behin­derung des Religionsunterrichts und der Wahrheiten der christlichen Moral und durch die dauernde Diskriminierung der Gläubigen bei der Jugend die Moral sinkt und sich der Alkoholismus und das Verbrechertum verbreitet.

Sie haben versucht, mir zu erklären, daß der Glaube mit der Moral nichts Gemeinsames habe, daß die Religion keinen Einfluß auf die Moral habe, daß auch die Gläubigen sich verfehlen. Um das zu beweisen, haben Sie Drucksachen der Vorkriegsjahre mitgebracht, in denen grausame Verbrechen, wie Raubüberfälle, Morde beschrieben waren. Das stimmt nicht. Religion ist das Fundament der Moral. Sicher, auch die Gläubigen verfehlen sich; das zeigt aber nur die Schwäche ihres Glaubens. Je mehr die Religion die Mög­lichkeit hat, auf das Leben einzuwirken, desto mehr steigt die Moral des Volkes. Und umgekehrt: Wenn der Einfluß der Religion sinkt, sinkt auch die Moral. »Wenn es keinen Gott gibt, dann ist alles erlaubt«, sagt Iwan bei Dostojewski]' (»Die Brüder Karamasow«), Das zeigt auch die Geschichte.

Vor dem zweiten Weltkrieg habe ich die Gelegenheit gehabt, als Lehrer zu arbeiten und Klassenleiter zu sein. Damals wurde an den Schulen Religions­unterricht erteilt, es gab die Schülerorganisation »Ateitininkai« (Für die

Zukunft) mit der Parole: »Alles erneuern in Christus«. Es gab die Pfad­finderorganisation mit der Parole: »Für Gott, für das Vaterland und für den Nächsten!« Die Schüler sind zu den heiligen Sakramenten gegangen und haben gebetet. Wie unvergleichbar prachtvoll war damals unsere Jugend! Ein Vergehen unter den Schülern war eine seltene Sache. Und was geschieht heute, wo der Religionsunterricht beseitigt wurde, wo sogar die Kinder der gläubigen Eltern auf jede Art und Weise atheisiert werden? An der Mittel­schule in Žagarė hat es 1984 sogar zwei Vergewaltigungsfälle gegeben, und wieviele andere Rohheiten kommen vor? Seit die religiösen Praktiken ver­schwunden sind, gibt es keine Sünde mehr: — ein offener Weg zum Verbre­chen hat sich aufgetan. Und was ist aus unseren Familien geworden? Vor dem Krieg gab es keine Scheidungen, die Familien waren groß, moralisch gesund. Und was ist in den letzten 40 Jahren aus ihnen geworden? Mehr als ein Drittel der Ehepaare läßt sich scheiden, es gibt nur mittlere Familien­größe mit 2, 3 Personen, der Alkoholismus herrscht, viele mißgebildete Kinder werden geboren. . . Das heißt, wir sind ein sterbendes Volk. Seht, wohin der Atheismus das Volk führt!

Sie haben sich gefreut, daß die Menschen jetzt materiell viel besser leben; sie haben Autos, gute Wohnungen. Was nützt aber das alles, wenn das Volk schwindet. Und schließlich, kann denn die Religion ein Hindernis für den Aufstieg des materiellen Wohls sein? Ich bin der Ansicht, daß wir mit Hilfe der Religion in diesen 40 Jahren bessere Resultate in materieller Hinsicht erzielt hätten.

Um Ihre Thesen zu bekräftigen, benützen Sie, verehrter Bevollmächtigter, sogar die Cañones der Katholischen Kirche. Es ist erfreulich, daß Sie darin lesen. Meine herzliche Bitte: Hindern Sie die Katholische Kirche nicht, nach ihren Cañones zu arbeiten, und es werden keine Konflikte entstehen. Die Kirche beansprucht nicht die Rechte der Zivilregierung. Sie bringt den Völ­kern die Frohe Botschaft Christi, formt die Seelen, hebt die Moral der Völker und hilft dadurch den Staaten und Völkern. Mir kommt in Erinnerung eine Vorlesung unseres bekannten Pädagogen Stasys Šalkauskis über die Erzie­hung und die Erzieher. Es sind dies der Staat, die Kirche und die Schule. Nur eine harmonische Zusammenwirkung dieser drei Faktoren bringt gute Er­gebnisse. Die Richtigkeit dieser Behauptung beweisen die Erziehungsmängel der jungen Generation unserer Tage. Nach der Ausrufung des Atheismus als Staatsreligion und durch die umfassende Behinderung der Kirche, ihre Sen­dung zu erfüllen, kommen immer mehr Affenmenschen vor, die nur ein Tier­leben führen und Sklaven ihrer niedrigen Instinkte sind. Deswegen gibt es so viele Verbrecher, Alkoholiker, Familienzerrüttungen. Auch der Kampf gegen Alkoholismus wäre viel erfolgreicher, wenn die Kirche nicht an der Erfüllung ihrer Aufgaben gehindert würde. Bischof M. Valančius hat im 19. Jahrhundert mit der Hilfe des Abstinenzvereins diesen Drachen in zwei

Jahren besiegt. Die Autorität des Bischofs und der lebendige Glaube der Menschen hat das Volk gerettet. Eine Geldstrafen- und Lagerpädagogik wird wohl kaum so erfolgreich sein. Ubermitteln Sie, als Vermittler zwischen der Kirche und dem Staat, diese Gedanken dem verehrten Generalsekretär M. Gorbatschow.

Žagarė, 17. 12. 1985

Gargždai (Rayon Klaipėda)

Am 29. Juni 1985 kamen Vertreter der Regierung, nämlich die Lehrerin Pukinskaitė und ein Mann in Zivilkleidung zu der 81 Jahre alten Frau Pe­trone Kapickienė, wohnhaft in Gargždai, Komjaunimo 21. Sie fanden in der Wohnung von P. Kapickienė 23 Kinder, die sich für die erste Beichte und die Erstkommunion vorbereiteten. Die erschrockenen Kinder versuchten zu fliehen, aber nur einem Mädchen gelang dieses. Der alten Frau wurde er­klärt: »Du hast kein Recht zu unterrichten, die Eltern sollen es tun oder die Kinder müssen es selber lernen. Du wirst deswegen bestraft. So lautet das Gesetz!« — »Ich tue nichts Böses, Geld für die Unterrichtung nehme ich keins, die Leute entlohnen mich mit Nahrungsmitteln. Ich bekomme nur 28 Rubel Pension und habe eine 55jährige Tochter, die Invalide ist...« recht­fertigte sich P. Kapickienė. »Du wirst die Nahrungsmittel verkaufen müssen und die Strafe bezahlen«, drohten die Regierungsvertreter und stellten eine Akte zusammen. Seit dem Tag sind die Kinder nicht mehr zum Unterricht bei P. Kapickienė erschienen. 20 von ihnen hat die alte Frau noch vorbereitet, indem sie sie auf dem Kirchhof unterrichtete. Etwas später bekam sie eine Mitteilung: »Am 31. Juli 1985 um 17 Uhr wird eine Sitzung der Admini­strativkommission beim Exekutivkomitee des Volksdeputiertenrates der Stadt Gargždai im Rayon Klaipėda stattfinden, an der Sie teilzunehmen verpflichtet sind. Es wird über Sie wegen der Unterrichtung der Kinder im Katechismus beraten.« Die alte Frau wurde krank, kam ins Krankenhaus und deswegen kam sie nicht zu der Sitzung der Administrativkommission. Als sie aus dem Krankenhaus zurückkam, erhielt P. Kapickienė eine zweite Vorladung für den 28. August, zu der Sitzung der Administrativkommission zu kommen. Weil sie sich aber schlecht fühlte, kam sie auch diesmal nicht. Als ihre Tochter hingegangen war, wurde ihr erklärt, daß ihre Mutter dem Staat einen großen Schaden anrichte. Sie lehrt die Kinder Gebete...« Schließlich bekam P. Kapickienė durch die Post ein Schreiben, in dem es hieß: »Wir senden Ihnen dem Beschluß des Rates des Exekutivkomitees der Stadt Gargždai vom 28. August 1985, mit dem Sie wegen der Verletzung des § 214 des Gesetzbuches über Verletzungen der Administrativrechte verwarnt werden. Die Vorsitzende der Administrativkommission, M. Jurevičiūtė.*

»Beschluß des Administrativprozesses Nr. 23 - 85, Gargždai, am 28. August 1985.

Die Administrativkommission beim Exekutivkomitee des Volksdeputierten­rates der Stadt Gargždai, Rayon Klaipėda.

Vorsitzende M. Jurevičiūtė

Sekretärin J. Surpiene

Mitglieder: Z. Lukas, M. Vaišnorienė

Nach der Verhandlung des Administrativprozesses Nr. 23 - 85 in einer öf­fentlichen Sitzung wurde festgestellt, daß Petrė Kapickienė, Tochter des Pranas, Gargždai, Komjaunimo 61, am 29. Juni 1985 23 Kinder in Kate­chismus unterrichtet hat und damit den § 214 des Gesetzbuches über Ver­letzungen der Administrativrechte verletzt hat.

Unter Beachtung der Bestimmungen über Bemessung und Einzug der Ad­ministrativstrafen, beschließt die Kommission, P. Kapeckienė als Admini­strativstrafe eine Verwarnung auszusprechen.«

Viduklė (Rayon Raseiniai)

Lange Zeit hat der Sicherheitsdienst gefordert, daß Frau Stonienė, wohnhaft in Viduklė, Stalino 5, die bei ihr angemeldete ehemalige Haushälterin des Priesters Alfonsas Svarinskas, Monika Gavėnaitė abmelden solle. Da Frau Stonienė sich weigerte, der Forderung der Sicherheitsbeamten nachzukom­men, hat ihre Schwester Ona Gudaitytė die Abmeldung der M. Gavėnaitė erledigt. M. Gavėnaitė versuchte, sich bei anderen Einwohnern des Städt­chens anzumelden. Kaum waren aber die Anmeldungsunterlagen ausgefüllt, erschienen schon Sicherheitsbeamte mit verschiedenen Drohungen und Ver­leumdungen bei den Leuten, daß M. Gavėnaitė eine Staatsverbrecherin sei und ihnen Schaden zufügen könnte. Als es ihr nicht gelang, sich in Viduklė anzumelden, versuchte sie es in Šiauliai, aber auch dort kamen die Sicher­heitsbeamten zu der Hausfrau und erklärten, daß M. Genėvaitė eine Fahnen­flüchtige sei, eine Staatsverbrecherin und schließlich drohten sie, falls sie angemeldet werden sollte, die Kooperative-Wohnung wegzunehmen. Nach solchen und ähnlichen »Erklärungen« und Drohungen ist die Hausfrau sogar krank geworden.

Es gelang M. Gavėnaitė nur in einem Dorf, sich anzumelden — in Adakavas (Rayon Tauragė). Am 16. Dezember wurde sie in die Rayonverwaltung vor­geladen und dort von dem Vorsteher des Sicherheitsdienstes ermahnt, in seinem Rayon sich ruhig zu verhalten, denn nach den vorliegenden Angaben habe sie in den anderen Rayons unruhig gelebt.

Kiaukliai (Rayon Širvintai)

Anfang Juni 1985 haben die Gläubigen in Kiaukliai neben der Straße nach Širvintai, an der Stelle eines Grabes eines ehemals gefallenen Soldaten ein kunstvolles Kreuz errichtet. Am 12. Juni morgens sahen die Bürger von Kiaukliai, daß ihr Kreuz ausgegraben war und die eingepflanzten Blumen zerfetzt waren. Die Bürger Malvina Butkuvienė, Gene Gudonienė, Robertas Grigas, Ona Polkienė und Karolis Dėdelis forderten in einem Gespräch den Ortsvorsitzenden Karaliūnas auf, die nächtlichen Übeltäter zu ermitteln und den den Gläubigen zugefügten moralischen und materiellen Schaden wieder gutzumachen. Der Vorsitzende erklärte, daß das Kreuz auf eine Anordnung von oben vernichtet worden sei, weil es ohne Erlaubnis der Regierung und außerdem auf dem Grund des Kolchos errichtet worden sei.

Karaliūnas erinnerte die Leute an das »Statut der religiösen Gemeinschaften«; als er aber darauf hingewiesen wurde, daß das Statut den Cañones der Kirche widerspreche und daß über 500 Priester sich geweigert hätten, es einzuhalten, erwiderte er scharf: »Es ist möglich, aber 10 Millionen Parteiangehörige haben dafür gestimmt; wen muß man also mehr beachten?!« Da der Vorsitzende sagte, er dürfe weder erlauben, Kreuze aufzustellen noch die Übeltäter zu ermitteln, fuhren die Leute zu dem Stellvertreter des Rayonvorsitzenden Tvirbutas, trafen ihn aler nicht an. Der Rayonarchitekt machte den Leuten klar, daß es der erste Fall in seiner Praxis sei, und er könne nichts machen, bevor er sich nicht mit Vilnius beraten habe. Die Leute gingen zu der Rayon­miliz und schrieben dort an die Adresse des Vorstehers eine Erklärung mit der Forderung, die Übeltäter zu ermitteln und den den Gläubigen angerich­teten Schaden wiedergutzumachen. Am 17. Juni fuhren Ona Polkienė, My­kolas Butkus, Ona Gudonienė und Robertas Grigas nach Širvintai und über­reichten dem Stellvertreter Tvirbutas eine ähnliche Erklärung, von elf Ein­wohnern von Kiaukliai unterschrieben. Dieser fragte in drohender Weise, ob sich das Kirchenkomitee hier um die Sache kümmere, oder »schon eine andere Organisation entstehe«. Auf die Erklärungen, daß das Umwerfen des Kreuzes nicht nur die Komiteemitglieder verletze, sondern auch jeden Gläubigen, reagierte er überhaupt nicht. Er verlangte anzugeben, wer das Kreuz gemacht und wer es aufgestellt habe, dann werde die Verwaltung mit jenem wegen der Entrichtung des Schadens verhandeln. Als die Gläubigen antworteten, daß sie alle gemeinsam gearbeitet und aufgestellt hätten, ließ sich der Stell­vertreter in kein Gespräch mehr ein. Er zürnte sehr, daß eine ganze Dele­gation, und nicht eine einzelne Person gekommen ist, beschuldigte den Sakristan R. Grigas der Aufwiegelung der Leute und drohte ihm und dem Priester Rokas Puzonas, in Zukunft eine »Rechnung zu präsentieren«.

»Die Zeiten der Kreuze sind vorbei und kommen nicht mehr wieder«, sagte erbost der Stellvertreter, »die sowjetische Regierung aber bleibt ewig.« Während des Gesprächs griff der Stellvertreter auch den Priester Rokas

Puzonas an, erklärte, daß es ihm verboten sei, mit der Jugend zu verkehren, daß die Sphäre seiner Tätigkeit streng reglementiert und auf das Bethaus begrenzt sei und nicht weiter reiche. Da die Leute sich über solche »Gleich­berechtigung« empörten, behauptete der Stellvertreter, daß die Gläubigen eine andere Gleichberechtigung nicht erwarten könnten und daß alle von dem Pfarrer von Kiaukliai begangenen Vergehen notiert würden. Wenn die Zeit gekommen sei, werde ihm »die Rechnung präsentiert«. Er sagte, daß die Regierung alles wisse, aber nachsichtig sei und geduldig auf seine Besserung warte. Deswegen habe man ihn voriges Jahr wegen der Kinder­katechese und dieses Jahr wegen der »Ausflüge« mit den Schülern nicht be­straft. Nachdem Ona Polkienė erklärt hatte, daß die Kinder auf den Wunsch der Eltern mit dem Priester verkehren, und sie verärgert darüber war, daß sie durch Zwang in die atheistischen Organisationen eingeschrieben werden, daß sie sogar ohne Wissen der Eltern gezwungen werden, Rechtfertigungen zu schreiben und gegen den Pfarrer auszusagen, daß sie eingeschüchtert und verhört werden, antwortete Tvirbutas, daß das legal sei; es sei angeblich erlaubt, die Kinder im Beisein der Lehrer zu verhören.

In der Nacht vom 8. zum 9. Oktober 1985 entstand an der Stelle des ver­nichteten Kreuzes ein anderes, aus Eisen, das wie ein Schößling dargestellt war, der aus einem abgehackten Baumstamm herauswächst. Das Kreuz stand an derselben Stelle zwischen vier in ein Viereck eingepflanzten Tannen, wo nach Zeugnissen der Leute das Grab gewesen war. Am 9. Oktober kamen Karaliūnas, der Kolchosvorsitzende Kinschew, der Parteivertreter J. Sta­kelskis, der Agronom V. Kanaprokas zu dem Kreuz. Die Beamten warfen eine Trosse um das Kreuz, rissen es heraus und brachten es zum Friedhof. Etwas später befestigten die Leute in einer der vier Tannen, ganz oben ein Marterl. Im Laufe der nächsten Tage wurden die Tannen abgesägt.

Gargždai (Rayon Klaipėda)

Im Frühjahr 1985 wurde nicht ohne Wissen des Direktors des Sowjetgutes von Gargždai, Melderis, und unter dem Vorwand der Flurbereinigung ein altes Holzkreuz, das am Wegrand im Dorf Kvietiniai gestanden hat, abge­rissen. Ende Mai haben die Gläubigen an der Stelle des abgerissenen Kreuzes ein neues aufgestellt. Nicht einmal einen Monat hat es gestanden, dann wurde auch das zweite Kreuz abgerissen.

Marcinkomys (Rayon Varėna)

Auf Anordnung des Gutsdirektors von Marcinkonys wurde im Dezember 1985 ein umgefallenes Kreuz zu Brennholz zerschnitten, obwohl die Gläu­bigen es (man muß zugeben, schwerfällig) reparieren wollten.

Klaipėda

Am 17. August 1985 starb in der Intensivstation im Krankenhaus von Klai­pėda der gläubige Pranas Paulauskas, ohne mit den heiligen Sakramenten versehen zu sein. Die Frau des Kranken, Vanda Paulauskienė, bat die dienst­habende Ärztin dringend, einen Priester rufen zu dürfen; die Ärztin hat es aber nicht erlaubt.