Zu Beginn des Jahres 1978 haben die Zeitungen der Rayons einen Artikel vom Bevollmächtigten des Rates für die religiösen Angelegenheiten, K. Tumėnas, abgedruckt: Socializmas garantuoja sazines laisve (Sozialismus garantiert GeWissensfreiheit). Dieser Artikel von K. Tumėnas zeigt, daß die Politik der Besatzungsregierung gegenüber der Kirche keine wesentliche Änderung erfahren hat. Kirche und Gläubige werden verfolgt — aber mit raffinierteren Mitteln, obwohl manchmal auch grober Terror nicht gemieden wird, und das alles versucht man mit schönen Worten zu verschleiern.
K. Tumenas schreibt, daß »der Staat sich in die kanonische und liturgische Tätigkeit der Kirche nicht einmischt«, aber am Karsamstag (d. 25. März) ist er zum Priesterseminar gekommen und hat die Leitung des Seminars gezwungen, zwei Kleriker zu entlassen — P. Ražukas und V. Pūkas, obwohl sie kein Vergehen begangen hatten. Ihre einzige Schuld: V. Pūkas hat dem P. Ražukas seine Schreibmaschine ausgeliehen, und dieser versuchte, religiöse Literatur für sich zu vervielfältigen. KGB hat in diesen Klerikern seine potentiellen Gegner gewittert und beschlossen, die »antisowjetischen Nester« im Seminar zu zerstören. Andererseits bemüht sich das KGB, seinen Agenten, den ehemaligen Kleriker R. Jakutis, in das Priesterseminar zurückzuschicken. Besonders eifrig wird das KGB in dieser Angelegenheit von Msgr. C. Krivaitis, Pr. A. Gutauskas und anderen Priestern unterstützt. Von jetzt ab hat die Leitung des Seminars nicht mehr das Recht, ohne Einverständnis der Bistumsverwalter einen Kleriker aus dem Priesterseminar zu entlassen. Dieser Beschluß wird nur für den KGB nützlich sein, denn wenn die Regierung einen guten Kleriker entfernen will, dann werden die Bistumsverwalter schweigen, wie sie am Karsamstag geschwiegen haben, als P. Ražukas und V. Pūkas entlassen wurden; und wenn man die Agenten des KGB aus dem Seminar herausjagen muß, dann wird es jemanden aus den Bistumsverwaltern geben, wie Msgr. C. Krivaitis, der für die Kollaborateure des KGB eintreten wird; und die restlichen Bistumsverwalter werden aus Angst schweigen, wie sie in der letzten Zeit geschwiegen haben. Der Bevollmächtigte für Religionsangelegenheiten behauptet, daß die katholische Geistlichkeit an den »Kampfbewegungen für den Frieden« teilnehme. Es stimmt, daß einige Geistliche daran teilnehmen, aber sie vertreten weder die Gläubigen noch die Priester Litauens, sondern fahren gefügig zu den Friedenskongressen, unterschreiben die Verlautbarungen oder stimmen ab, so wie das KGB anweist. Die Katholiken Litauens wollen den Frieden, aber sie verabscheuen die Ketten der Sklaverei. Kann man einen Menschen mehr erniedrigen, insbesondere einen Geistlichen, dem man alles wegnimmt, einen Strick um den Hals hängt und befiehlt, den »Frieden zu verteidigen«?!
»Die sowjetische Regierung berücksichtigt mit allem Ernst die Bedürfnisse der Gläubigen« — schreibt K. Tumenas weiter, der am besten darüber informiert ist, daß die sowjetische Regierung sich nur um die Belange der Atheisten kümmert, den Gläubigen aber wird nur so viel zu atmen gestattet, bis die öffentliche Meinung der Welt ihren Protest erhebt. Die Chronik der LKK wird ständig mit dem Faktum konfrontiert, daß in den Orten Litauens, aus denen kaum Nachrichten in die Chronik gelangen, die Atheisten mit aller Grausamkeit wüten.
»Die Kinder dürfen beten, die erste Kommunion empfangen« — in dem Artikel wird auf die Pflichten der Gläubigen hingewiesen, aber gläubige Kinder werden durch Zwang als Pioniere oder Komsomolzen eingeschrieben, für den Kirchenbesuch verhöhnt oder gar durch die Beamten des KGB terrorisiert (s. die Beiträge dieser Nummer). Ein gläubiger Schüler hat das Gefühl, daß er diskriminiert, verpönt und gedemütigt wird — ein Bürger zweiter Klasse der Sowjetunion zu sein.
Der Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten wollte wahrscheinlich unter Beweis stellen, daß »Kinder mit ihren Eltern die Kirche besuchen können«, und ist dieses Jahr zu Ostern nach Kaunas gekommen und hat in der Kathedralkirche am Auferstehungsgottesdienst teilgenommen (natürlich nicht als Wallfahrer, sondern als die rechte Hand des KGB).
K. Tumenas schreibt, daß »neulich in einer nicht geringen Auflage das Gebetbuch herausgegeben wurde«. Leider hat selten ein Katholik es kaufen können. Sogar die Sicherheitsbeamten geben zu, daß den Leuten Gebetbücher und religiöse Literatur fehlen, denn »es fehlt an Papier und Mitteln«.