Vilnius

Im Hause der Kultur der Gewerkschaft in Vilnius gründete man einen Volkslieder-Gesangklub. Hier war jung und alt vertreten. Ingenieure, Künstler, Lehrer und Studenten, alle hatten das gleiche Interesse, die schöne alte litauische Tradition zu wahren und weiterzuführen. In der Zeit seines Bestehens hat der Klub nicht weniger als 100 Volks-Veranstaltungen durch­geführt, Konzerte gegeben, Volksabende gestaltet und Rundreisen organi­siert. Mehrmals brachten die Zeitschrift Literatura ir menas (Literatur und Kunst) und auch andere Zeitungen gute Kritiken und äußerten sich positiv. Am 11. September 1975 wollten die Klubmitglieder wie gewohnt zu ihrem ersten Liederabend nach dem Urlaub zusammentreffen. Hier erwartete sie eine unangenehme Überraschung. Auf Anordnung des Stellvertretenden Direktors des Kulturhauses waren die Türen verschlossen. Die Teilnehmer probten daraufhin im Vestibül. Die Administration verlangte, die Proben zu beenden, und erklärte den Mitgliedern, daß dieser Klub illegal gegründet sei, die Veranstaltungen ohne eine Bestätigung des Status gestaltet wären und ein Arbeitsplan ebenfalls nicht vorhanden sei. In Wahrheit war jedoch der Status geschrieben und der Administration des Kulturhauses vor einem Jahr eingereicht worden. Diese Papiere waren auf Order von irgend jeman­dem verlegt worden. Schon einige Male hatte man versucht, die Arbeit die­ses Vereins zu stören. Nachdem Savickas den Sicherheitsdienst aufgesucht hatte, mußte der Klub seine Arbeit einstellen. Dem Verein wurde zum Vor­wurf gemacht, daß hier Veranstaltungen geprobt würden, die sogar in Šiluva und im Vorort von Vilnius, in Jerusalė, durchgeführt würden. Es erwartet so auch diesen Klub dasselbe Schicksal wie den Klub „Heimat­forschung" und den „Diskussionsklub Litauens". Die Hand der Sowjetunion möchte die gesamte litauische Geschichte ausrotten.

Vilnius

Am 22. September 1975 wurde im Opernhaus das 100jährige Jubiläum des Dichters Čiurlionis gefeiert. Die Eintrittskarten wurden nur vom Zentral­komitee der Litauischen Kommunistischen Partei ausgegeben. Am 1. Okto­ber 1975 wurde Leonas Šulcas, der in dem Kombinat Dailė (Kunst) arbei­tet, vom Staatssicherheitsdienst gefragt, ob in seiner Arbeitsstelle irgend­welche antisowjetischen Themen zur Sprache gekommen seien und ob er mit dem jetzigen Lebensstandard zufrieden sei, ebenso fragte man ihn, was er noch an alter litauischer Literatur besitze. Ab 1974 wird die Aufnahme in alle litauischen Hochschulen, sogar von Laboranten, nur mit Befür­wortung des Staatssicherheitsdienstes zugelassen. Am 26. Juni 1975 hat der Staatssicherheitsdienst die Bürgerin Gamma Bagdonavičiūtė zu einem Ver­hör geladen. Den Untersuchungsrichter interessierte, wer die Fronleichnams-feier organisiert habe. Ungeachtet der fortwährenden Verfolgungen, die die Teilnehmer an dieser Feier zu befürchten haben, versammeln sich jedes Jahr sehr viele Jugendliche zu diesem Tag.

Panevėžys

1975 im Frühling und Ende Juni hat der Staatssicherheitsdienst von Pane­vėžys den Bürger Petras Dūda, der in der Fabrik „Ekranas" beschäftigt war, befragt, wer die Wanderung Daukanto taku (Weg nach Dauganta) organisiert und wer die Fronleichnamsfeier auf dem Berge von Bakaina vorbereitet habe. Kurz vor dieser Vorladung hatte die Verwaltung dieser Fabrik die Fotoausrüstung von Dūda beschlagnahmt, weil er als einziger Aufnahmen von diesen Veranstaltungen gemacht hatte. Der Weg nach Dauganta führt als Jubiläumsgang (für den Dichter Daugantas) von Len-kimi bis zur Universität Vilnius und über viele berühmte litauische Orte nach Šiluva. Vielleicht hätten die Beamten des Staatssicherheitsdienstes ihre Aufmerksamkeit nicht auf diese Wanderung gelenkt, wenn sich nicht mit jeder Etappe immer mehr Menschen zu diesem Zug gesellt hätten. Es kamen bei jeder Station jeweils etwa 100 Menschen hinzu, und so wurde diese Wanderung und eine Teilnahme an ihr strikt verboten. Am 14./15. Juni 1975 sollte der fünfte traditionelle Sportwettkampf in Šiluva stattfinden, mit Sportlern aus den Städten Klaipėda, Šiauliai und Panevėžys. Die Sportler aus Panevėžys wandten sich an ein staatliches Bus-Reiseunternehmen und wollten einen Bus mieten, der sie nach Šiluva fahren sollte. Die Verwaltung dieses Reiseunternehmens gab zur Antwort, daß sie nur mit Genehmigung des Zentralkomitees der KP einen Bus zur Verfügung stellen dürfe. Danach wandten sich die Sportler an die zuständigen Regie­rungsstellen und baten, ihnen bei der Beschaffung eines Transportmittels nach Šiluva behilflich zu sein. Hier wurde den Sportlern von den leitenden Angestellten eröffnet, daß die Wettkämpfe an einem anderen Ort statt­finden müßten, weil es zu weit wäre.