Seiner Eminenz Alfred Kardinal Bengsch, Erzbischof von Berlin. Eminenz!

In der Zeit vom 22.—26. August 1975 war für alle Gläubigen Ihr Besuch in unserem Vaterland eine unverhoffte angenehme Überraschung. Wir schauten auf Ihr freundlich lächelndes Gesicht, hörten Ihre warmen herzlichen Worte über unseren Glauben, auch wurden in uns neue Hoffnungen geweckt, daß den Apostolischen Stuhl und die breite Weltöffentlichkeit mehr objektive Informationen über die Lage der Kirchen in Litauen erreichen könnten. 1974 hörten wir aufmerksam die Ansprachen von Ihnen und der Kardinäle Wyszynski und Slipyj auf der Bischofsynode in Rom, soweit es die Störer der Rundfunksender zuließen. Hieraus erkannten wir, daß Sie gütig und warmherzig sind und christlichen Mut haben, sich auch für die einzusetzen, die wegen ihres Glaubens an Gott und die Kirche verfolgt werden. Für unsere Sorgen und unsere schwere Lage haben Sie Verständnis gezeigt. Der Tag Ihrer Ankunft wurde für Priester und Gläubige geheimgehalten. Auch die in Verbannung lebenden Bischöfe J. Steponavičius und V. Sladkevičius wurden nicht vorher informiert. Erst am Vorabend Ihrer Ankunft gab man in der Basilika von Kaunas Ihren Besuch bekannt, aber die Priester in den Provinzen wußten nichts über Ihre Ankunft. Nur regimetreue Priester wur­den mit den Vorbereitungen für Ihren Besuch beauftragt und wie es scheint, lief alles nach Plan, ohne Enttäuschung. Alle diejenigen, die Ihnen über die wirkliche Lage der Kirche hätten berichten können, hatten keinen Zutritt. Ihnen wurden keine geschändeten Gotteshäuser gezeigt, wohl aber hat man Sie nach Pirčiupis geführt. (Um bei der Wahrheit zu bleiben, darf man nicht vergessen, daß es in Litauen nicht nur Gräber von Opfern des Nazis­mus gibt, sondern auch von sowjetischen, z. B. in Pravieniškiai und im Wäldchen von Rainiai und auch noch andere.) Kein Kirchenchor durfte in Panevėžys singen, sonst wäre man bei der Regierung in Ungnade gefallen, und der Eindruck zu groß gewesen.

In Kaunas gestattete man nicht, das Bild des Hl. Vaters am Portal der Basilika anzubringen. Auch durften die Gläubigen Sie nicht etwas weiter vor dem Eingang empfangen. Tausende von Gläubigen kamen, trotz aller Bemühungen der Regierung und ihrer Helfershelfer, um Ihnen, dem Apo­stolischen Stuhl und der Kirche Ehrerbietung zu bezeugen. Im Namen aller Gläubigen und Priester möchten wir Sie um Entschuldigung bitten, daß wir Sie nicht so empfangen durften, wie es unser Wunsch gewesen wäre. Wir bitten ebenfalls für die eingeplanten Taktlosigkeiten um Entschuldigung (der Fall Pirciupis). Leider war es uns nicht möglich, Ihnen über die Lei­den der katholischen Kirche in Litauen persönlich zu berichten, so möchten wir dies in der „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche" tun. Sobald 1940 die Rote Armee die Grenze Litauens kaum überschritten hatte, begann man mit der Verfolgung der katholischen Kirche. Am 2. Juli wurden die diplomatischen Beziehungen mit dem Apostolischen Stuhl abgebrochen und das Konkordat für nichtig erklärt. Es wurden sämtliche katholischen Organisationen aufgelöst, die katholischen Schulen verstaatlicht, die Her­ausgabe katholischer Presse und Literatur verboten. Gewaltsam wurden die Klöster aufgelöst und von drei Priesterseminaren wurde nur eins (in Kau­nas) belassen. Diesem Seminar wurden im Studienjahr 1940/41 die Räum­lichkeiten genommen. Vertreter der Sowjetregierung erklärten dem Bischof Brizgys, daß man doch junge Menschen nicht verführen solle, und in etwa fünf Jahren würden selbst die Bischöfe die Sowjetregierung um eine Be­schäftigung bitten. Massendeportationen der Litauer nach Sibirien setzten am 14. Juni 1941 ein. Binnen kurzer Zeit hat man etwa 35 000 Menschen in Viehwagen abtransportiert. Es wurden die Männer von ihren Familien getrennt und unzählige fanden als Verbannte im Archipel Gulag den Tod. Die Rote Armee mordete beim Rückzug viele Gläubige und machte auch vor den Priestern nicht halt. In Lankeliškiai ermordeten sie die Priester Dabrila, Petrikas und Balsys, in Pusnė Priester V. Balčius, in Merkinė Prie­ster A. Juknevičius.

Der Bischof von Vilnius, Mečislovas Reinys, wurde am 7. Juli 1946 verhaf­tet. Im Gefängnis von Wladimir ist er am 8. Dezember 1953 umgekom­men. Im Herbst 1946 nahm man den Bischof von Telšiai, Borisevičius, in

Haft, der 1947 erschossen wurde. Am 18. Dezember 1946 wurden der Bischof Teofilius Matulionis (von Kaišiadorys), ebenso sein Generalvikar Juozapas Labukas verhaftet, einige Zeit später der Suffragan-Bischof von Telšiai, Pranciškus Ramanauskas. Nur Bischof Kazimieras Paltarokas von Panevėžys blieb in Freiheit. Erneut setzten Verbannungen der Litauer nach Sibirien ein, lange Gefängnisstrafen wurden für viele verhängt, manche bis zu 25 Jahren. Der größte Teil wurde später rehabilitiert. Auf Anordnung des Bevollmächtigten der Religiösen Kulte, Gailevičius, setzte man am 13. 9. 1946 die Alumnenzahl des einzig verbliebenen Priesterseminars von 300 auf 150 herab, später ermäßigte man diese Zahl auf 25 Kleriker. Die Sowjetregierung hat nunmehr die Zahl der Kleriker (wohl nicht ohne Einfluß der Weltöffentlichkeit) auf 50 erhöht. An Stelle des verstorbenen Verwalters der Erzdiözese Kaunas, Prälat St. Jakubaus-kas, wurde Herr Kanonikus J. Stankevičius gewählt, der 1949 nach der Verhaftung des Bistumsverwalters von Vilkaviškis, Kan. Vizgirda, und des Bistumsverwalters von Kaišiadorys, Prälat Br. Sužiedėlis, auf Anordnung der Sowjetregierung zugleich der Verwalter dieser zwei Bistümer wurde. Der Bevollmächtigte für Religiöse Kulte, Pusinis, ließ 1950 bekanntgeben, für Priester würde ein Speziallager eingerichtet werden, so etwa ein Fischereikombinat, in welchem etwa 200 arbeitswillige Priester beschäftigt werden würden. Pušinis prophezeite, daß nach zwei Jahren von der Kirche in Litauen nur noch Federn und Knochen übrig wären. Es wurden in der Tat viele Kirchen geschlossen und einige hundert Priester wanderten in den Archipel Gulag. Unter der Leitung von Polanski wollte das Amt für Religiöse Kulte 1950 die litauischen Priester zwingen, einen Aufruf zu unterschreiben, der Papst Pius XII. verurteilen sollte. Diese Aktion schlug fehl, denn von 1000 Priestern unterschrieben nur 19.

1946 wurden Pfarrkomitees gegründet, dies geschah auf Anordnung der Sowjetregierung, die Komitees sollten die eigentlichen Kultdiener sein. Der sowjetische Paß eines Priesters enthält auch heute den Vermerk „Kult­diener". Die Verwirklichung der Idee, Pfarrkomitees zu gründen, ist am Widerstand der Priester bisher gescheitert, aber die Sowjetregierung will keineswegs von ihrem Vorhaben abgehen. Eine vollständige Abhängigkeit der Priester von den Pfarrkomitees möchte die Regierung in Litauen er­wirken, um auf diese Weise zu erreichen, daß alle Anordnungen der Ver­treter der Sowjetregierung blind befolgt werden. In Weißrußland sind Mit­glieder der Pfarrkomitees verpflichtet, Kindern den Zutritt zur Kirche zu verwehren, Personen, die religiöse Dienste in Anspruch nehmen, bei der Regierung zu denunzieren und ähnliches.

Nach Stalins Tod sind zwei Bischöfe — T. Matulionis und Pr. Ramanaus­kas — sowie viele Gläubige und Priester aus den Lagern in die Heimat zu­rückgekehrt. Etwas hatte die Angst nachgelassen und die Seelsorgearbeit wurde auch aktiver. Die Konsekration von zwei Bischöfen — Julijonas

Steponavičius und Petras Maželis — ließ die Regierung zu. Ein unerfahre­ner Beobachter könnte somit den Eindruck gewinnen, als wolle man die zu­gefügten Ungerechtigkeiten zum Teil wiedergutmachen, aber die Realität ist nur eine geänderte Taktik der Sowjetregierung. Damit durch rigorose Verfolgung kein Märtyrergeist geweckt wird, setzt man zur Zerstörung des Glaubens in Litauen die verschlagensten Mittel ein, auch hierfür werden Geistliche eingespannt. Um kleinmütige Priester voll und ganz gefügig zu machen, wurden die aktiven wieder verhaftet und in die Lager Mordaviens gesteckt. Der ohne Zustimmung der Regierung konsekrierte Bischof Vincas Sladkevičius kam 1957 in Verbannung nach Naujasis Radviliškis. 1958 verbannte man Bischof Julijonas Steponavičius nach Žagarė, weil er gewissenhaft seinen Hirtenpflichten nachgegangen war. Bischof T. Matu­lionis wollte 1957 die Verwaltung des Bistums Kaisiadorys von Kan. J. Stankevicius übernehmen, jedoch erlaubte ihm die Regierung dies nicht, vielmehr wurde er nach Šeduva im Bistum Panevėžys verbannt. Weniger aktive, aber der Regierung gegenüber loyale Priester, wurden stufenweise zu Bistumsverwaltern, mit geringen Ausnahmen auch zu De-chanten oder zu Pfarrern großer Pfarreien ernannt. In einigen Fällen spielte bei den Wahlen von Bistumsverwaltern sogar Betrug eine Rolle. Man hat beispielsweise bei der Wahl des Bistumsverwalters von Kaišia­dorys dem Domkapitel berichtet, daß die Bischöfe T. Matulionis und V. Sladkevičius wünschten, daß Kan. P. Bakšys zum Verwalter gewählt werde. In Wirklichkeit aber hatten diese beiden Bischöfe die Anweisung ge­geben, Herrn Kan. P. Bakšys nicht zu wählen.

Der Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten, Rugienis, vormals Chef des Sicherheitsdienstes in Kėdainiai, terrorisierte in massiver Weise Bistumsverwalter und Priester. J. Stankevičius haben verschiedene Beamte des Staatsicherheitsdienstes und auch Mitglieder des Rates für Re­ligionsangelegenheiten stundenlang bearbeitet und versucht, ihn zu unzu­lässigen Zugeständnissen zu zwingen. Daraufhin hat die bischöfliche Kurie von Kaunas in rascher Folge Erlasse an Priester verschickt, in welchen es hieß, daß der Rat für Religionsangelegenheiten Hausbesuche, die Vorberei­tung der Kinder zur Erstkommunion, das Ministrieren, die Weihe der von Gläubigen errichteten Kreuze u. a. verbiete. Gegenüber der Regierung hat sich ein gewisser Stil der Nachgiebigkeit herausgebildet. Priester, die auf friedlichem Wege eine Koexistenz mit der Regierung anstreben, werden von Bistumsverwaltern als gute Priester bezeichnet, besonders wenn sie den Re­gierungsvertretern nicht widersprechen, ihre Priesterpflichten nur nachlässig wahrnehmen und der kirchlichen und zivilen Obrigkeit somit schmeicheln. Bekämpft wird gegenwärtig die katholische Kirche in Litauen mit den be­reits in Rußland erprobten Methoden und man strebt dennoch, sie vor die Karren der Sowjetregierung zu spannen. Nachstehend die wichtigsten Me­thoden dieses Kampfes: Es werden zu hohen kirchlichen Ämtern nur Per­sonen bestellt, die bereit sind, die Anweisungen der atheistischen Regierung auszuführen. So fährt beispielsweise der Rektor des Priesterseminars, H. H. Dr. V. Butkus, unter Vernachlässigung seiner eigentlichen Pflichten, zu poli­tischen propagandistischen Zwecken zu den von Kommunisten organisierten Friedenskonferenzen. Unwahres über die gegenwärtige Lage der Kirche in Litauen wurde bei einem Besuch in den USA von dem Verwalter des Erz­bistums Vilnius, Msgr. C. Krivaitis, berichtet, d. h. er erfüllte den Auftrag, den er vom Rat für Religionsangelegenheiten erhalten hatte. Versetzungen der Priester in einzelne Pfarreien werden so vorgenommen, daß die Gläu­bigen schlecht versorgt sind. Drei Monate lang konnte man keinen der Re­gierung genehmen Kandidaten finden, der für den verstorbenen Pfarrer der großen Pfarrei Alytus im Bistum Vilkaviškis eingesetzt werden durfte. Schließlich wurde Priester L. Kavoliūnas hier zum Pfarrer ernannt, der je­doch einen sehr schwachen Gesundheitszustand hatte.

Der Apostolische Stuhl und die Welt werden über die wirkliche Lage der Kirche in Litauen nicht richtig informiert, sie werden getäuscht durch hoch­gestellte Geistliche Litauens, die sich in den Augen der Priester und Gläu­bigen dadurch kompromittieren. So ist es auch Msgr. C. Krivaitis, Msgr. Barauskas u. a. ergangen. Auch durch bischöfliche Rundschreiben kann der Apostolische Stuhl getäuscht werden. 1973 hat Bischof J. Labukas ein Rund­schreiben herausgegeben, daß junge und eifrige Priester in große Pfarreien und alte Priester in kleine versetzt werden sollten. Man weiß aber in Li­tauen genau, daß ein Bischof keine Priester selbständig versetzen kann. Kurz nach diesem Rundsdireiben wurde auf Verlangen der Regierung der junge und eifrige Pfarrer von Garliava, P. Dumbliauskas, in die kleine Ge­meinde Šunskai versetzt, an seine Stelle trat ein älterer Priester, der sich in der Seelsorgearbeit noch nie hervorgetan hatte.

Aus propagandistischen Gründen ließ man einige Priester ins Ausland rei­sen. Sogar in diesem Heiligen Jahr 1975 hat nicht die kirchliche Obrigkeit, sondern der Rat für Religionsangelegenheiten die Pilgerfahrt nach Rom organisiert. Die Kandidaten wurden unter Mitwirkung von Beamten des Staatsicherheitsdienstes ausgesucht, dieser lud sie vor und ersuchte um das Ausfüllen der erforderlichen Formulare. K. Tumėnas, Bevollmächtigter des Rates für Religionsangelegenheiten, bestätigte dieses Verfahren. Als der Pfarrer von Krekenava, Prälat Dulksnys, erklärte, daß er nicht nach Rom fahren möchte, sagte K. Tumėnas zum Bischof von Panevėžys, R. Krikščiū-nas: „Wenn er nicht fährt, wird er aus dem Amt des Pfarrers entlassen." Jedesmal erhalten die nach Rom reisenden Geistlichen ausführliche Instruk­tionen von der Regierung, und nach ihrer Rückkehr müssen sie schriftlich Bericht erstatten. Dieses bezeugt sehr deutlich der verstorbene Kanonikus J. Stankevičius in seinem Tagebuch Mano gyvenimo kryžkelės (Kreuzungen in meinem Leben): „... Wir sind einige Male in den Vatikan gefahren. Die Grundinstruktion ist folgende: Die ganze Angelegenheit muß so abgewik­kelt werden, daß ein Nutzen für die Sowjetregierung dabei herauskommt, Schaden für die katholische Kirche ... Wir mußten jedesmal direkt oder indirekt nachweisen, welchen Nutzen wir für die Sowjetunion erzielt hatten und welchen Schaden wir der katholischen Kirche zugefügt hatten ... Den greifbaren Nutzen für die Sowjetunion hat man daraus ersehen und abge­leitet, wie schwer wir der katholischen Kirche geschadet hatten." Die Priester der Pilgerfahrt 1975 behaupteten, sie hätten keinen Bericht an die Regierung geben müssen und einige von ihnen haben sogar den im Aus­land lebenden Litauern zu beweisen versucht, daß in der „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche" nicht die ganze Wahrheit geschrieben werde und daß wegen dieser Publikation sogar unbescholtene Priester Schwierig­keiten bekämen.

Um in der Welt den propagandistischen Eindruck von „Pressefreiheit" zu erwecken, hat die Sowjetregierung in einer sehr kleinen Auflage für Katho­liken Vatikano Susirinkimo nutarimus (Beschlüsse des Vatikanischen Kon­zils), Apeigyna (Zeremonienbuch), Naujasji Testamenta (Neues Testa­ment) und Psalmyna (Psalmenbuch) herausgegeben. Aus den gleichen Gründen hat man einen großen Teil dieser Auflagen ins Ausland ausge­führt. Für die Katholiken wird nicht einmal ein Katechismus herausgegeben, und für private Herstellung von Katechismen wie auch Gebetbüchern werden die Gläubigen in Gefängnisse geworfen, z. B. Povilas Petronis, Jonas Stasaitis u. a.

Gegen Priester und Gläubige, die aktiv für die Belange der Kirche kämpfen, wird die Kirchenleitung zu negativen Äußerungen gezwungen. Die Bistums­verwalter Litauens haben 1972 auf Verlangen der Regierung ein Rund­schreiben mit Verurteilung des Memorandums der 17 000 und deren Initia­toren erlassen, da hierin der Welt die Wahrheit über die wirkliche Lage der katholischen Kirche in Litauen aufgedeckt wurde. Teilweise hat die Seel­sorgearbeit wegen der Glaubensverfolgung Katakombenstil angenommen, den die Sowjetregierung mit Recht als unkontrollierbar fürchtet. Je mehr die offizielle Tätigkeit der Kirche behindert wird, um so intensiver wird geheime Pastoration betrieben. Die von der Regierung beeinflußten Priester bemühen sich, die katakombenähnliche Seelsorgearbeit als schädigend und die Kircheneinheit wie auch die normalen Beziehungen zum Staat zerstö­rend hinzustellen. Würde sich die katholische Kirche nicht einer katakom­benähnlichen Lage anpassen, wäre sie in der heutigen Zeit vom Schicksal der orthodoxen Kirche in Rußland bedroht, die in Erstickungsgefahr gera­ten ist. Die Sowjetregierung ist um Approbation des Apostolischen Stuhles für die Taktik der regierungshörigen Priester bemüht. Die Priester Litauens sind überzeugt, daß der Apostolische Stuhl allein aufgrund falscher Infor­mationen nur der Regierung gegenüber nachgiebige Personen zu Monsigno-ren ernannt hat — Pfarrer P. Bakšys, Kanonikus Barauskas, Kanonikus C. Krivaitis u. a. So entwaffneten sie eifrige Priester psychologisch, die mit ganzem Herzen der Kirche ergeben sind. In Presse, Rundfunk und Fernse­hen, besonders in den für das Ausland bestimmten Kleinschriften, wie z. B. in J. Rimaitis Religion in Lithuania, ist sehr viel geschrieben von Gewissens­freiheit in Litauen, von Respektierung der Rechte der Gläubigen u. a., jedoch können heute nur Kolchosbauern und Arbeiter ungehindert religiöse Dienste in Anspruch nehmen. Intellektuelle dagegen werden von ihren Vor­gesetzten oft in Privatgesprächen gewarnt, vom Kirchenbesuch Abstand zu nehmen, um keine Unannehmlichkeiten an ihrem Arbeitsplatz zu haben. So sind sie gezwungen, ihre Uberzeugung zu verbergen und nur geheim ihre religiösen Verpflichtungen zu erfüllen. Ausländische Touristen sehen an den Kirchentüren keine Polizisten, die Gläubige am Beten hindern, denn das würde der kommunistischen Propaganda schaden. An Sonntagen jedoch und besonders an Feiertagen beobachten haupt- und nebenamtliche Regierungs­agenten, als Gläubige getarnt, die betenden Menschen, hören die Predigten ab und bespitzeln Teilnehmer an Prozessionen, und dann geben die Partei und der Staatssicherheitsdienst den Dienststellenleitern Anweisungen, wer von den einzelnen Mitarbeitern noch eine Umerziehung nötig habe. Bei der Zerstörungsarbeit im Innern der Kirche schreckt die Regierung auch nicht vor den unmenschlichsten Mitteln zurück. Die Priester werden verleumdet, indem man ihnen unmögliche Verbrechen andichtet. Intellektuelle, die sich offen zu ihrem Glauben bekennen, besonders Lehrer, werden aus ihrem Dienst entlassen, z. B. die Lehrerinnen Frau O. Brilliene, Fräulein A. Ke­zyte u. a. Gläubige Schüler werden gezwungen, Mitglieder in den atheisti­schen Pionier- und Komsomol-Jugendorganisationen zu werden, und wer­den zu glaubenswidrigen Äußerungen veranlaßt. Das Priesterseminar wird derart verkleinert, daß jährlich weit über zehn Pfarreien in Litauen ohne Priester bleiben, denn jährlich sterben über 20 Priester. Die Aufnahme in das Priesterseminar wird von der Regierung nur auf zehn bis zwölf Jugendliche beschränkt. Gesunde und begabte Jugendliche werden zu den Seminaren nicht zugelassen, und die für Professoren- und Erzieherstellen geeignetsten Priester werden davon ferngehalten. Erschreckend sind Wohn- und Lebens­verhältnisse der Kleriker, sie müssen Kellerräume als Kapellen benutzen, wo Luftmangel herrscht, obwohl dafür eine Domkapelle zur Verfügung stände, wenn die Regierung ihre Einwilligung geben würde. Durch die schlechten Wohnverhältnisse werden viele Kleriker gesundheitlich erheblich geschädigt. In absehbarer Zeit erwartet uns ein weiteres Schicksal, das der Weißrussen und auch der Ukraine. Hier haben fünf Millionen Katholiken des östlichen Ritus kein einziges offizielles Gotteshaus, keinen offiziellen Priester oder Bischof. Eine kleine Gruppe alter und kranker Priester ist in Weißrußland übriggeblieben. Zehntausende von Deutschen, Polen und An­gehörigen anderer Nationen in Karaganda und anderen Gebieten in der Sowjetunion haben kein Recht, auch nur ein provisorisches Gebetshaus zu erstellen.

Touristen, die Rom besuchten, erklärten, daß die Würdenträger des Aposto­lischen Stuhles rieten, Konflikte mit der Sowjetregierung zu vermeiden. Wir wissen nicht, ob dies die Absicht des Apostolischen Stuhles ist, aber dann müßte man einen erheblichen Teil der Pastoration aufgeben, z. B. Katechis­musunterricht für Kinder, und hiermit ständigen Gewissenskonflikten aus­gesetzt sein, wenn man nur als Kultdiener fungiert, was die Regierung anstrebt.

Wir sind fest davon überzeugt, daß für die Menschen der westlichen Welt unsere Lebensverhältnisse nur schwer verständlich sind. Nur nach längerem Aufenthalt in unserem Land, besonders nach Eindrücken in Gefängnissen und Verhörräumen, durchschaut man die ganze Verschlagenheit der atheisti­schen Regierung. Wir sind fest überzeugt, daß der Apostolische Stuhl mit seiner diplomatischen Tätigkeit der verfolgten Kirche helfen möchte, aber wegen Unkenntnis der konkreten Verhältnisse können sich hierbei manch­mal Vorteile für die Atheisten ergeben. Wir gestatten uns eine Warnung: „Glauben Sie nicht an Versprechungen der sowjetischen Regierung, denn sie werden nicht eingehalten. Schenken Sie denen kein Vertrauen, die offi­ziell aus der Sowjetunion anreisen, sie sind alle mehr oder weniger ver­pflichtet, Aufträge der Partei und des Staatssicherheitsdienstes zu erfüllen." Wir flehen zu Gott, er möge die Führung der Kirche vor dem Eindringen ihrer Feinde bewahren und auch vor der Zerstörungsarbeit von innen her. Wir wollen es einfach nicht glauben, daß unsere Atheisten sich mit Recht darüber freuen können, in der Kirchenführung ihnen ergebene Leute zu haben. Die gegenwärtige Kirchenverfolgung wird mit einem Schleier von Lug und Trug verdeckt, deshalb werden mit besonderer Grausamkeit die­jenigen verfolgt, die diesen Vorhang der Lüge durch Offenlegung der Tat­sachen, nämlich der Verfolgung der Gläubigen, zu öffnen versuchen. Petras Plumpa, Virgilijus Jaugelis, Juozas Gražys, Nijolė Sadūnaitė u. a. wurden wegen der „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche" unter der Anschul­digung, sie hätten die Sowjetregierung geschmäht, hart bestraft. Als im Ok­tober dieses Jahres (1975) fünf spanische Terroristen exekutiert wurden, hat sich eine Protestwelle über die ganze Welt verbreitet, wenn aber Menschen für Wahrheit, Freiheit, für ihre Uberzeugung und die Interessen der Kirche gefoltert werden, bleiben die Proteststimmen ganz schwach und schüchtern. Genau dies erstrebt die Regierung der Sowjetunion — im Schweigen der Nacht die Katholiken in Litauen zu ersticken. Wer heute uns und allen an­deren helfen will, die in der Sowjetunion Wahrheit und Freiheit lieben, der muß mit allen Mitteln die Tatbestände der Verfolgung an die Öffentlichkeit bringen und den Schleier der Lüge herunterreißen, mit dem die Unter­drückung verdeckt wird. Wir, die Herausgeber der „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche", bitten Eure Eminenz im Namen von vielen Prie­stern, Gläubigen und um ihres Glaubens willen Leidenden, übermitteln Sie an Kirche, Welt und alle Menschen guten Willens unseren Hilferuf.

Man sollte auch diejenigen nicht vergessen, die nach dem Beispiel von Plumpa, V. Jaugelis, P. Petronis, J. Gražys, N. Sadünaite u. a. für die Rechte Gottes, für Kirche und Zukunft ihrer Landsleute den Kreuzweg in die Baracken des Archipel Gulag gewählt haben.

Herausgeber der „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche"