Šiauliai

Am 16. September 1975 fand eine Versammlung der Abteilung Metalldreher der Technischen Berufschule Šiauliai statt, während der man eine ganze Schülergruppen als Komsomolmitglieder eintragen wollte. Jeder Schüler wurde einzeln vorgeladen und vor versammelter Klasse gefragt: „Willst du selber nicht in die Komsomolorganisation eintreten, oder verbieten es deine Eltern?" Wer dem Komsomol nicht beitreten wollte, mußte die Klasse ver­lassen und die Eltern mitbringen. Der Schüler Urbutis erklärte, er werde dem Komsomol auch nicht unter Druck beitreten.

„Ich werde auch der Gewalt nicht weichen. Weder ich noch meine Eltern wol­len, daß ich dem Verband der Jungkommunisten beitrete." Befragt, ob seine Eltern womöglich religiös seien und in die Kirche gehen, antwortete der Schüler:

„Wir sind alle religiöse Gläubige und gehen alle zur Kirche." Man begann, sich über den Jungen lustig zu machen. Der Meister Gylys und Milius befahlen den Beitrittsverweigerern eine halbe Stunde lang mit erhobe­nen Händen dazustehen.

„Alle Diebe, Rabauken und Faschisten sind Nichtkomsomolzen", brüllte Milius. „Wer den Fragebogen ausfüllt, braucht nicht mehr mit erhobenen Händen dazustehen — wer den Fragebogen nicht ausfüllt, wird aus der Schule ausgestoßen."

Trotz des eine ganze Stunde andauernden Terrors, kapitulierten die Schüler nicht. Dann wurden die Eintrittsverweigerer zu den schwersten Arbeiten eingeteilt. Die Hälfte der Klasse verweigerte weiter den Beitritt zum Kom­munistischen Jugendverband.

 

Šiauliai

Am 27. November 1975 lud die stellvertretende Direktorin der „J. Janonis Mittelschule", Frau Žičkienė, die Mutter der Schülerin Rimutė Vaitkus (Klasse VIII b) vor und begann sie auszufragen, ob ihre Tochter womöglich zu Hause bete, zur Beichte gehe usw.

„Was für eine Frage? Meine Tochter ist katholisch wie ich auch, und wir er­füllen unsere Pflicht als katholische Christen", antwortete die Mutter. „Ihre Tochter gehört noch nicht dem Komsomol an. Wegen des Kirchenbe­suches wird man beginnen, sie in der Schule zu verspotten." „Meine Tochter fürchtet das nicht. Sie wird für ihren Glauben auch zu leiden wissen, denn sie weiß, daß solches ehrbar ist."

 

Šiauliai

Am 22. Dezember 1975 verstarb hier der Vater einer Schülerin der Klasse VII a der Neuen Mittelschule, Juozas Vidugiris.

Die Klassenlehrerin Frau Elena Baškienė' brachte mit den Schülern einen Kranz und erkundigte sich nach dem Beerdigungsdatum, und vor allem da­nach, ob eine kirchliche Bestattung stattfinden solle oder nicht. Wenn kirch­lich, dann würden die Kinder nicht dabeisein dürfen, im anderen Falle würde die ganze Klasse zur Beerdigung kommen. Am Vorabend der Beiset­zung erschien die Klassenlehrerin nochmals im Trauerhaus. Als sie erfuhr, daß es ein kirchliches Begräbnis sein werde, gab sie den Kindern nicht frei.

 

Plateliai

Die Schülerin Vida Mikalauskaitė der Klasse VII der hiesigen Mittelschule schrieb sich Anfang des Jahres 1975 in den Kirchenchor Plateliai ein. Als der Direktor der Mittelschule, Stripinis, davon erfuhr (auf seine Initiative wur­den Kreuze und Wegkapellen vernichtet), beschloß er mit anderen Lehrern, das Mädchen diesem Kirchenchor fernzuhalten. Die Klassenlehrerin Frau Valavičienė befahl Vidas Mutter, das Mädchen nicht mehr in die Kirche gehen zu lassen. Die Mutter bat die Klassenlehrerin, sich nicht in diese An­gelegenheiten einzumischen, denn Glaubensfreiheit sei schließlich von der Verfassung garantiert.

„Na, dann gehen Sie mit ihr wenigstens abends in die Kirche, wenn es keiner sieht", riet die Lehrerin. Dem Mädchen selbst warf die Pädagogin vor, durch ihr Singen im Kirchenchor schädige sie den guten Namen der sowjetischen Schule.

 

Kretinga

Am 16. Januar 1976 fand in der hiesigen Mittelschule ein Elternabend der Schüler der IX. Klasse statt. Die Klassenlehrerin Frau Pempienė rügte die Eltern, weil die Kinder nicht dem Komsomol beigetreten seien. „Wir wollen uns bemühen, die Mitglieder des Kommunistischen Jugendverbandes zu be­sonders guten, vorbildlichen Menschen zu erziehen, daher müssen Sie als Eltern ihre Kinder so beeinflussen, daß sie dem Komsomol beitreten." „Tun Sie das nur", sagte daraufhin eine Frau, „erziehen Sie die Komsomol­zen so, daß sie wirklich vorbildliche, tugendhafte und sidi gut benehmende Menschen werden. Vielleicht überzeugt das gute Beispiel unsere Kinder, und wir brauchen sie erst gar nicht zu zwingen, dem Komsomol beizutreten." „Na, und Sie zwingen ihre Töchter wohl nicht, in der Kirche vor dem Altar niederzuknien?" gab die Lehrerin zurück.

„Ich nicht. Meine Tochter geht freiwillig zur Kirche und adoriert auch frei­willig. Vielleicht ist sie gerade deshalb ein anständiges Mädchen, das sich gut benimmt — was Sie, Frau Lehrerin, wohl nicht bestreiten werden", antwor­tete die Mutter in aller Ruhe.

 

Palanga

Im Januar 1971 wurde der Schüler Algirdas Petrutis in die Klasse V der hiesigen Mittelschule aufgenommen. Da man den Buben mit Gewalt und ohne die Zustimmung der Eltern in die Pionierorganisation eingeschrieben hatte, trug er kein Pionierhalstuch, obwohl ihn die Lehrer dauernd daran erinnerten. Der Klassenlehrer Vytautas Kusas behielt den Schüler Petrutis einmal zum Nachsitzen da und befahl ihm, einhundertmal den Satz: „Kein Pionier ohne Halstuch" aufzuschreiben, womit er den Schüler zum Anlegen des Pioniertuches zwingen wollte.

 

Der Junge beschwerte sich zu Hause. Sein Vormund, Astrauskas, ging da­raufhin zu dem Schuldirektor Kazlauskas und verlangte, den Jungen von der Pionierliste zu streichen, denn er selbst wolle kein Pionier sein und die Erziehungsberechtigten legten keinen Wert darauf. Der Junge trage kein Halstuch und werde auch keines anlegen. Wenn man das Kind weiter quäle, werde man es nicht mehr zur Schule gehen lassen. Der Direktor klärte Astrauskas dahingehend auf, daß er den Schüler nicht streichen dürfe, denn es sei das Ziel der Schule, daß alle Kinder dieser Organisation angehörten. Eine Zeitlang bedrängte man den Schüler Petrutis nicht weiter wegen des fehlenden Halstuches.

 

Ende 1973 erteilte der Klassenlehrer Kusas den Schülern die Aufgabe, ein Bild atheistischen Inhalts zu malen. Der Schüler Petrutis beschwerte sich er­neut bei seinem Vormund, der Lehrer habe ihm befohlen, einen Pfarrer zu malen, der in der Kirche Geld sammelt und sich dafür ein „Wolga"-Auto-mobil kauft. Die Erziehungsberechtigten erklärten dem Kind, es schicke sich nicht für einen gläubigen Menschen, ein Bild solcher Thematik zu malen, und so weigerte sich der Junge. Wütend befahl der Lehrer dem Schüler Petru­tis, seine Bücher zu nehmen und nicht mehr zur Schule zu kommen. Weinend kam das Kind nach Hause. Frau Astrauskas ging daraufhin zu dem Klassen­lehrer und fragte ihn, warum er den Schüler Petrutis aus der Schule verwie­sen habe.

„Wir haben ihm befohlen, diese Postkarte abzumalen" — und damit zog er aus der Schublade eine gewöhnliche Ansichtskarte.

„Nun möchte ich doch gerne wissen, wer hier lügt", fragte Frau Astrauskas, „der Schüler oder der Lehrer? Der Junge hat mir erzählt, Sie hätten ihm be­fohlen, ein Bild atheistischer Thematik zu malen. Ich will mal schnell den Jungen holen, dann werden wir ja sehen."

 

Der Klassenlehrer wurde rot und ließ den Jungen nicht rufen. Die anwesende Lehrerin Frau Ditkevičienė beschimpfte Frau Astrauskas daraufhin als „Betschwester" und „Fanatikerin".

„Ich bitte Sie sehr", wandte sich Frau Astrauskas an die Lehrer, „verderben Sie die Kinder nicht mit atheistischen Themen, sondern bringen Sie ihnen etwas bei. Wenn Sie den Jungen wegen Ihrer atheistischen Marotten noch­mals aus der Schule weisen, werde ich mich beim Bildungsministerium be­schweren."

 

Gargždai

 

Im Frühjahr 1975 führte die Klassenlehrerin der Klasse VII c der Zweiten Mittelschule Gargždai, Frau Kuneikienė, eine Schülerversammlung durch, um Mitgliedschaftskandidaten für einen „Atheistenzirkel" auszusuchen. Erst sollten alle aufstehen, die zur Kirche gingen. Spontan stand die Hälfte der Schüler auf. Hämische Blicke der Klassenlehrerin trafen die Schüler, die es gewagt hatten, sich offen als Kirchgänger zu bekennen. Doch jetzt kamen die Sitzengebliebenen an die Reihe. Sobald die Lehrerin einen der Nicht-kirchgänger aufrief und Anstalten traf, ihn als Mitglied des Atheistenklubs einzutragen, sprang der betreffende Schüler auf und sagte: „Ich gehe zur Kirche und passe daher nicht zu den Atheisten." Schließlich stellte sich her­aus, daß alle 32 Schüler der Klasse Kirchgänger waren und ablehnten, Mit­glieder des Atheistenzirkels zu werden. Die Lehrerin wurde wütend und be­gann alle auszuschimpfen. Schließlich suchte sie von sich aus vier Kinder aus und schrieb sie gewaltsam als Mitglieder des Atheistenklubs ein.

 

Gargždai

Der Direktor der Zweiten Mittelschule, Luidvikas Jurgulis, ist entschlossen, alle Schüler zu Atheisten zu machen.

Die Jugendlichen beschweren sich über die häufigen Fragebogen zur Erfor­schung ihres Gewissens. Oft werden sie in die Aula gerufen und müssen zwei- bis dreistündige Vorträge ihres Direktors über atheistische Themen anhören. Kirchgänger unter den Schülern werden öffentlich ausgelacht und atheistischen Jungkommunisten zur „Betreuung" übergeben. Atheistische Komsomolaktivisten besuchen gläubige Eltern zu Hause, um ihnen die „Schädlichkeit" der Religion klarzumachen.

Als er erfuhr, daß der Schüler Ivaškevičius zur Kirche gehe, erschien der Direktor Jurgulis mit den Lehrerinnen Ridžikauskienė und Imbrazienė in der Klasse. Der Schüler Ivaškevičius mußte sich vor der ganzen Klasse ver­antworten, warum er glaube, und wer ihn zwinge, zur Kirche zu gehen. Er wurde zu dem Versprechen gezwungen, nie wieder in die Kirche zu gehen.

 

Rūdiškes (Rayon Trakai)

Ende 1975 wurde der in der Kirche von Rūdiškes administrierende Petras Stašauskas, Schüler der IX. Klasse der hiesigen Mittelschule, vom Direktor der Anstalt in dessen Büro vorgeladen. Der Direktor verlangte vom ihm die Unterzeichnung eines Schreibens, das beinhaltete, ein Priester habe Stašaus­kas zum Kirchenbesuch überredet und ihn ersucht, als Meßdiener zu amtie­ren. Der Schüler verweigerte die Unterschrift und gestand freimütig, daß er aus eigenem Antrieb zur Kirche gehe und bei der hl. Messe freiwillig als Ministrant diene. Er wurde vom Direktor mit einer Gerichtsklage bedroht. Später versuchte der Direktor wiederholt, P. Stašauskas vom Kirchenbesuch abzubringen und ließ schließlich dessen Betragensnote vermindern. Auch die Schülerin Javyga Paplovskaja derselben Schule erhielt wegen Kir­chenbesuchs eine niedrigere Betragensnote. Außerdem stellte man ihr eine „Charakteristik" in Aussicht, auf Grund deren keine Hochschule sie zum Stu­dium zulassen werde.