Kaunas

Im September 1976 besuchte Frau Pliurienė ihren Gatten Peter Plumpa im Arbeitsstraflager in Perm; zusammen mit ihm verbüßen dort ihre Strafe Šarūnas Žukauskas und Sergej Kovaliov. Frau Pliurienė wurde auf der weiten Reise vom Priester Zdebskis begleitet. Dies erregte höchstes Mißfallen der Lagerverwaltung, und sie erlaubte der Ehefrau kaum 24 Stunden bei ihrem Mann zu bleiben. Vor dem Wiedersehen mit ihrem Mann wurde Frau Pliurienė sorgsam durchsucht. Dabei wurde sie voll­kommen entkleidet. Es dürfen in das Besucherzimmer weder Papier noch sonstiges Schreibmaterial mitgebracht werden. Auch auf der Toilette fin­det sich kein Papier.

Da auf der ganzen Welt die politischen Häftlinge amnestiert werden, hoffen auch die politischen Häftlinge des Lagers in Perm auf eine Amne­stie von seiten der Sowjetregierung, so daß sie nicht ihre volle Zeit ver­büßen müssen.

Kovaliov wird wegen seiner verschiedenen Eingaben oft in den Kerker gesperrt.

Zu Ostern schickte Frau Pliurienė ihrem Mann ein religiöses Bildchen mit Festtagsgrüßen, das aber von der Lagerverwaltung beschlagnahmt wurde. Die Ehefrau reichte Klage ein. Auf Plump a-Pliura's Verlangen, ihm die

Karte mit dem religiösen Motiv zu geben, sperrte ihn die Lagerverwal­tung in den Kerker. In den Lagervorschriften für zugelassene Sendungen sind keine Angaben bezüglich eines Verbots religiöser Bilder enthalten.

Perm

Auszüge aus dem Brief des Gefangenen Peter Plumpa-Pliura. Gelobt sei Jesus Christus!

... Wo man auch gerade leben mag, immer wieder werden dieselben wichtigen Fragen aufgeworfen — die Erlösung der menschlichen Seele. Es ist nicht immer leicht zu wissen, welches denn nun der fruchtbarste Acker sei, der den größten Nutzen bringen wird. Nur dem König der Herzen ist das bekannt, und uns verbleibt nur eines, dort zu gedeihen, wo er uns ge­sät hat. Geschah es auf dem Schmerzensacker — so reifen wir im Leid, ist es der Acker der Einsamkeit — so wachsen wir in Einsamkeit, denn der Schöpfer sät sogar auf den unzugänglichsten Bergschluchten wunder­schöne Blumen, die ebenfalls ihren Wert haben, obwohl sie kein Mensch erblickt. Wir jedoch können zur Zeit unmöglich unsichtbar leben, nur das Herzeleid bleibt verborgen und wird wie die Blüte gepflückt und dem Er­löser geopfert. Dies ist der schönste Schmuck des Altares Jesu. Ohne sol­chen Schmuck bleiben sogar die schönsten Heiligenstätten leer und nich­tig, ohne solche Opfer sind sogar die mächtigsten Völker arm. Es scheint, daß unserem Volke dies Glück beschert sei, denn die Schmer-zensblumen sind nicht überall verwelkt und die Quellen des Lebenden Wassers sind uns noch nicht verschlossen.

Vor diesen Quellen stets freudig zu wachen wünsche ich Euch ...

23. August 1976        Uralier

Die „Chronik der LKK" bittet alle Katholiken in der Welt, besonders die Litauer im Ausland, die Sowjetregierung ständig an die Gewissens- und Glaubensgefangenen zu erinnern: P. Plumpa, J. Gražis, P. Petronis, M. Sadūnaitė, V. Lapienis, J. Matulionis u. a.

Kaunas

Die Staatsanwaltschaft der Litauischen SSR schickte am 2. September 1976 an Virgilijus Jaugelis die Kopie folgenden Schriftstückes: „Die Eingabe des Bürgers V. Jaugelis vom 24. 6. 1976 bezüglich der Rück­erstattung des bei ihm beschlagnahmten Buches wird weitergereicht.

Über den ergangenen Beschluß bitten wir, dem Kläger Bescheid zu geben und die Staatsanwaltschaft der Republik zu informieren."

Erster Assistent des Staatsanwaltes J. Bakučionis

V. Jaugelis hatte bei der Staatsanwaltschaft nicht nur wegen des beschlag­nahmten Buches Klage eingereicht, sondern auch wegen des rüpelhaften Benehmens der Miliz in Raseiniai sowie der Staatssicherheitsbeamten (siehe „Chronik der LKK" Nr. 24). Die Staatsanwaltschaft der Litauischen SSR übergab die Untersuchung der Klage des Bürgers an die Beklagten. Ist noch eine größere Verhöhnung der Menschenrechte möglich?

Kaunas

Nach dem Ableben von Maironis ließ seine Schwester Marcele, ungefähr im Jahre 1934, zum Andenken des Bruders im Garten neben dem Mai-ronis-Museum (heute Literaturmuseum) eine große Christusstatue auf­stellen. Am 21. Oktober 1976 wurde die Statue auf Anordnung des Di­rektors des Literaturmuseums entfernt und angeblich in die Ausleihe des Kunstmuseums überführt. Dabei wurde die Marmortafel mit dem Datum und Marceies Dedikation an den Bruder gewaltsam von der Statue her­untergerissen. Wozu benötigt die Kunstausleihe ein zerstörtes Kunst­werk?

Fast alle Beamten des Literaturmuseums sprachen sich gegen das Ab­reißen der Statue aus und baten die Direktorin, diese auf ihrem Platz zu belassen. Direktorin Macijauskienė jedoch erklärte, daß sie da nichts machen könne. Anscheinend kam der Befehl aus dem KGB.

Šventybrastis

Am 21. Oktober 1976 erschien in der Volksschule in Šventybrastis der stellvertretende Staatsanwalt des Rayons Kėdainiai, Januškevičius, und verlangte die Schülerin Kačinskaitė zu sprechen. Der Stellvertreter be­fragte das Mädchen, wer sie auf die Erstkommunion vorbereitet, wie oft sie den Pfarrer besucht habe und wollte die Namen jener Kinder erfahren, die heuer die Erstbeichte abgelegt hätten.

Am gleichen Tag fuhr der Stellvertreter in die Mittelschule in Surviliškis und verhörte dort weitere fünf Kinder, die heuer die Erstbeichte und die hl. Kommunion in der Kirche in Šventybrastis empfangen hatten. Am 25. Oktober wurden die Eltern dieser Kinder zur Staatsanwaltschaft des Rayons Kėdainiai vorgeladen. Dort mußten sie Erklärungen bzgl.

der Vorbereitung zur Erstkommunion der Kinder schreiben .. . Die Eltern erklärten, daß sie die Kinder selbst unterrichtet und der Pfarrer sie nur geprüft hätte.

Am folgenden Tag wurde Priester Leonardas Jagminas in die Staats­anwaltschaft beordert. Auch er mußte sich wegen der Vorbereitung der Kinder zur Erstkommunion erklären.

Trotzdem der Gemeindepfarrer bereits am 9. September 1976 von der Administrativkommission verwarnt worden war, wurde ihm der Prozeß nach einem Monat erneuert.

N. B. Am 16. August 1976 wurde Priester Jagminas zum Gemeindevor­sitzenden von Tiškūnai, Šmigelskas, vorgeladen, der zu Protokoll nahm, daß Priester L. Jagminas vom 15. Juli bis 7. August 1976 Kinder exami­niert habe. Danach erklärte der Vorsitzende, daß er sehr in Eile sei, die Arbeitszeit nähere sich ihrem Ende und er müsse eilen, um noch zum Bus nach Hause, nach Kėdainiai, zurechtzukommen. Der Vorsitzende erklärte, er benötige weitere zwei Abschriften des Protokolls und empfahl Priester L. Jagminas, zwei leere Protokollformulare zu unterschreiben. Der Prie­ster unterschrieb. Der Vorsitzende versicherte offenherzig, man würde den Text des Protokolls sorgfältig, ohne jegliche Änderung, abschreiben. Am 9. September wurde Priester L. Jagminas zum Stellvertretenden Vor­sitzenden des Rayons Kėdainiai, Juškevičius, vorgeladen, der ihm ein arg geändertes Protokoll vorlas. Z. B. war in dem neuen Protokoll vermerkt, daß Priester Jagminas nicht examiniert, sondern in seiner Wohnung unter­richtet habe. Außerdem waren fünf Namen von Kindern erwähnt, die im ersten Protokoll nicht enthalten waren.

Der derzeitige Gemeindevorsitzende von Tiškūnai heißt P. Jasulevičius. 

Telšiai

Im Bistum Telšiai findet im November 1976 eine Unterschriftenkampagne statt, die die Nominierung des Amtsmanns des Bistums Telšiai, Vaičius, be­inhaltet. Diese Bittschrift wird an die Kurie von Rom gesandt. Hierbei kommt es zu keiner Intervention seitens des KGB. Das KGB erwähnte, daß eine Unterschriftensammlung bei vielen Priestern und Gläubigen nur Trauer hervorruft.

Skuodas

Ende August 1976 brachte man in das Krankenhaus von Skuodas den schwerkranken Kazimieras Jablonskis.

Vor seinem Tod bat der Kranke um einen Priester. Seine Schwester Pau­lauskienė wandte sich an den Oberarzt Mažrimas, dem Priester die Geneh­migung für den Krankenbesuch zu erteilen. Der Kranke selbst schrieb mit zitternder Hand an den Arzt die Bitte: „Erlaubt mir bitte, den Priester zu empfangen. . .", jedoch Dr. Mažrimas blieb hart. Am folgenden Tag wandte sich die Base des Kranken, E. Malukienė, an die wachhabende Ärztin Baltuonienė, doch auch diese gab nicht die Erlaubnis, obwohl der Kranke offensichtlich schwächer wurde. Ein unerklärlicher blinder Fanatis­mus erstickte die Tränen eines einsamen alten Mannes. Schließlich bat der Kranke darum, ihn aus dem Krankenhaus zu bringen, damit er noch vor seinem Tod die Beichte ablegen und die hl. Kommunion empfangen könne. Da der alte Mann vollkommen gelähmt war, blieb ihm nichts anderes übrig, als im Krankenhaus, umgeben von erbarmungslosen Ärzten, auf seine letzte Lebensminute zu warten.

Der Autor dieser Nachricht schreibt: „So handeln Menschen, die den Hip-pokratischen Eid geschworen haben, Menschen, die von der atheistischen Propaganda als die „Vertreter des menschenfreundlichsten Berufes" ange­priesen werden. Wie lange noch werden Dr. Mažrimas und ihm ähnliche die Gesetze und menschlichen Gefühle mit Füßen treten? Wo bleiben die Versprechungen des Bevollmächtigten Tumėnas? Wo das Gewissen? Wo die Gerechtigkeit?

Salos (Rayon Rokiškis)

Auf dem Kirchplatz der Kirche in Salos ließ Ona Kisielienė, Mitglied der Gemeinde, eine Marienstatue aufstellen. Sofort gerieten die Regierungs­funktionäre in Bewegung, um die Statue, komme was wolle, zu entfernen. Am 23. November sandten der Vorsitzende des Kirchenkomitees in Salos und Ona Kisielienė eine Bittschrift an den Bischof R. Krikščiūnas und den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten, sich für die Ma­rienstatue zu verwenden. Ona Kisielienė erklärte, die Statue sei zum An­denken an ihren Sohn errichtet, der in der Nazigefangenschaft gelitten habe und fürs Vaterland gestorben sei.

Am 24. November erschienen der Stellvertretende des Rates für Religions­angelegenheiten, der Bezirksarchitekt und die Gemeindevorsitzende. O. Ki­sielienė wurde verhört und ausgehorcht, wer die Statue angefertigt, wer sie aufgestellt und wer die Tafel angefertigt hätte, deren Inschrift besagte: „Jene, die heldenhaft für die Freiheit kämpften und in der Heimat und in fernen Ländern fielen, vertrauen auf Euer ,Ave Maria'." Der Stellvertreter drohte dem Kirchenvorstand und O. Kisielienė, wenn sie nicht selbst die Staue bis zum 20. Dezember entfernt hätten, würde diese zertrümmert werden. Der Regierungsfunktionär forderte, die Statue auf den Friedhof bringen zu lassen. Er beschuldigte weiterhin den Gemeinde­pfarrer Petras Nykštus, an der Aufstellung der Statue beteiligt gewesen zu sein.

Die auf dem Kirchplatz versammelten Leute bekundeten laut ihr Ärgernis, daß die Atheisten die Kreuze auf dem Kirchplatz und das Tor zerbrochen hätten. „Wenn es keinen Gott gibt — sagten die Gläubigen —, warum fürchten die Gottlosen in Salos Maria? Vor dem Teufel ängstigen sie sich nicht — die Kaufläden sind voll davon."

O. Kisieliene ist entschlossen, auf keinen Fall die Beseitigung der Statue zuzulassen. Sie sagt: „Die Deutschen haben mir nur meinen Sohn genom­men, doch jetzt will man mich des größten Schatzes, des Glaubens, be­rauben!"

Biržai

Die Krankenschwester Aldona Šukytė wurde am ersten Arbeitstag 1976 zum Oberarzt Antanas Dauguvietis beordert, der ihr anstelle des Neujahrsgrußes folgendes zuschrie: „So also, den Priester hast du ange­schleift!?" Šukytė verteidigte sich, sie habe den Priester nicht hergeführt. Darauf fing der Oberarzt A. Dauguvietis zu wüten an, daß es wohl im Krankenhaus solch Beschränkte wie Šukytė manch einen gäbe, aber solch gefährliche — nur sie.

„Du begleitest Kinder in die Kirche, betest, singst Kirchenlieder und unter­richtest die Kinder", beschuldigte der Oberarzt die Krankenschwester. „Ich singe die Kirchenlieder nicht während der Arbeit, sondern in der Kirche und bete auch nicht während der Arbeitszeit."

Daraufhin schob der Oberarzt ihr ein Stück Papier zu und befahl, eine Kündigung zu schreiben. Er vergaß auch nicht ihr anzudrohen, daß er, wenn diese bis zum 1. Februar nicht gegangen sei, dafür sorgen werde, daß sie im Rayon Biržai nicht einmal als Putzfrau Arbeit bekäme. Šukytė weigerte sich, zu kündigen — hier hätte sie 21 Jahre lang gearbeitet, und hier hätte sie ihre Gesundheit ruiniert.

Am 27. Januar wurde Šukytė ins Säuglingszimmer (Erziehungseinrichtung für Kinder von zwei Monaten bis drei Jahren) versetzt. Diese Einrichtung sollte bald der Kultusabteilung unterstellt werden, was dem Oberarzt sehr wohlbekannt war. Die anderen Krankenschwestern fragten Šukytė: „Was hast du gemacht? Warum warst du einverstanden, hier zu arbeiten? Diese Einrichtung wird am 1. Februar an die Kultusabteilung übergeben, und ab 1. September werden die Etats gekürzt."

Also behielt der Oberarzt Dauguvietis recht: „Man wird mit ganz anderen fertig, und wir sollen mit solch einem Mädelchen nicht zurechtkommen? Wir werden sie so zurechtbiegen, daß da kein Staatsanwalt mehr hilft." Der Oberarzt ließ auch früher schon Šukytė keine Ruhe. Am 12. Juni 1973 war sie beim Oberarzt vorgeladen. Dr. Dauguvietis beschuldigte die Schwe­ster, daß sie zur Kirche gehe, dort Kirchenlieder singe und besonders, daß sie die 16jährige Invalidin Liudvika Mulevičiūtė, wohnhaft in der Stadt Biržai, zur Kirche bringe. Dies Mädchen ist völlig gelähmt und bewegungs­los. Da Šukytė deren großen Wunsch kannte, in die Kirche zu gehen, brachte sie das Mädchen jeden Tag in die Kirche.

Dr. Dauguvietis erpreßte Šukytė, daß man sie entlassen würde, wenn sie fortfahre, das Mädchen in die Kirche zu bringen. Schmerzerfüllt berichtete die Krankenschwester dem weinenden Mädchen, daß sie es nicht mehr zur Kirche bringen könne.

1974 gelang es Šukytė eine Halbtagsarbeit in Likėnai zu bekommen. Dazu benötigte sie die Genehmigung des Oberarztes. Der Parteisekretär Dr. Miš­kas entgegnete, Šukytė solle bei den Priestern um Arbeit ansuchen und nicht hier. Dr. Dauguvietis sagte:

„Hör auf, in die Kirche zu gehen und Kirchenlieder zu singen, dann ge­nehmige ich dir die Halbtagsstelle."

Da äußerte Šukytė, der Arzt wolle sehr billig ihr Gewissen kaufen. Danach wurde Šukytė wiederholt wegen ihres Glaubens gerügt. Am 1. September 1976 wurde Aldona Šukytė aufgrund von Etatkürzungen entlassen. Zur Zeit arbeitet sie in einem Kolchos. Obwohl die Arbeit schwer und ihre Gesundheit schwach ist, ist sie dort wenigstens nicht den ständigen Vorhaltungen ausgesetzt.

Utena

Vor der Rekollektion des Dekanates Utena, vom 28.—30. September 1976, wandte sich der Dechant Priester Niurką an den stellvertretenden Vor­sitzenden des Rayons Utena, Labanauskas, und informierte ihn über die bevorstehende Rekollektion und den Besuch des Bischofs R. Krikščiūnas aus Panevėžys. Eilig setzte der Stellvertreter Labanauskas den Bevollmäch­tigten des Rates für Religionsangelegenheiten, K. Tumėnas, davon in Kenntnis. Am 27. September erschien K. Tumėnas beim Dechanten Priester Niurką und unterhielt sich lange mit ihm. Am selben Tag besuchte K. Tu­mėnas die Priester von Tauragnai und Salos (Rayon Rokiškis). In der Nacht vom 27. zum 28. September übernachtete Tumėnas beim Priester Niurką.

Die Besuche des Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten dienen weder der leidenden litauischen Kirche noch den diskriminierten Priestern, noch den Gläubigen.

Nach dem Besuch von Tumėnas und der Übernachtung in der Wohnung des Dechanten verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Pfarrers Niurką rapid. Am letzten Rekollektionstag erlitt er einen Herzschlag und war sofort tot.

Der Verstorbene war ein pflichtbewußter Priester. Nie hatte er sich ob seiner Gesundheit beklagt und verstarb in der Blüte seiner Kraft, im 62. Le­bensjahr.

Früher wurden die Priester in das Militärkommissariat und andere Ämter beordert und dort von Sicherheitsbeamten viele Stunden lang verhört, um die Priester ebenso physisch wie moralisch zu brechen. Nun scheint es, daß die Sicherheitsagenten ihre Taktik gemildert haben. Die Priester müssen nicht immer zu den Sicherheitsbeamten kommen, denn diese, oder von ihnen bevollmächtigte Personen, suchen selbst die Priester auf. Bei den Priestern in Litauen reift allmählich der Gedanke, daß K. Tumėnas nicht ein Freund der Kirche, sondern ein Feind sei. Deshalb muß man die Voraussetzungen schaffen, daß ihm die Lust vergeht, die Priester aufzu­suchen und an Priesterweihen sowie Beerdigungen teilzunehmen.

Lazdijai

Am 12. Oktober beging man in Sasnava das Fest des Ablasses des hl. Na­mens Maria. In Lazdijai bestieg der Sicherheitsbeamte Gylys den Autobus Druskininkai — Kaunas über Kapsukas, wies sein rotes Büchlein vor und kontrollierte die Fahrtauf Zeichnungen: wie viele Fahrkarten von Veisėjai nach Sasnava und Kapsukas verkauft worden wären. Im Bus befanden sich tatsächlich einige Schüler, die den ehemaligen Pfarrer besuchen wollten.

Veisėjai

Vor kurzem erstand die Kirche in Veisėjai ein neues Kirchenbanner: auf der einen Seite findet sich der hl. Märtyrer Sebastian und der Spruch: „Hl. Se­bastian, beschütze unsere Jugend", auf der anderen Seite — ein Mädchen, das ein Kreuz in den Armen hält und der Spruch: „Das Kreuz — die Stärke der Märtyrer, das Kreuz — Hoffnung des versinkenden Volkes". Die Fahne ist rot, die Bänder sind rot und gelb und die Kleider der Mädchen rot und grün. Ende September kam aus Vilnius der Bevollmächtigte Tu­mėnas und begutachtete mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Rayons Lazdijai, Vanagas, und dem Dechanten Pfarrer Strimaitis das Kirchen­banner von Veisėjai. Danach verlangte er, daß der Pfarrer die Bänder und den Spruch ändern solle. Die gelben Bänder sollten gegen weiße und das Wort „versinkenden" durch das Wort „gläubigen" ersetzt werden. Der Pfarrer war einverstanden, doch die Pfarrzugehörigen wundern sich: das Volk versinkt in der Tat im Alkohol und Blut ungeborener Säuglinge, und die Farben der Nationalfahne Litauens kann man in jeder Straßenampel wiederfinden. Muß man denn nun auch diese niederreißen?

Kybartai

Am 6. Oktober 1976 überholte der Gemeindepfarrer S. Tamkevičius un­weit Virbalis einen Lastwagen; dieser scherte plötzlich unerwartet nach links aus und erfaßte das überholende Auto. Bei diesem Unfall kam nur das Auto des Pfarrers zu Schaden. Da keine Augenzeugen vorhanden waren, erklärte der eingetroffene Autoinspektor, er werde die Unfall­anzeige so regeln, daß es keinen Schuldigen gäbe.

Nach Verlauf einer Woche erzählte der Oberstleutnant des KGB dem Ge­meindepfarrer von Viduklė, A. Svarinskas, daß der Gemeindepfarrer von Kybartai, S. Tamkevičius, bei einem doppelten Überholmanöver einen Un­fall verursacht hätte.

Am 11. Oktober berichtete der stellvertretende Vorsitzende des Exekutiv­komitees des Rayons Vilkaviškis, J. Urbonas, dem Pfarrer S. Tamkevičius, daß Beamte der Autoinspektion ihn gefragt hätten, wie man auf den vom Gemeindepfarrer von Kybartai verursachten Autounfall reagieren solle. Am 28. Oktober wurde Pfarrer S. Tamkevičius in die Abteilung für innere Angelegenheiten von Vilkaviškis vorgeladen, wo der stellvertretende Mi­lizvorgesetzte Paltanavičius darlegte, man habe beschlossen, ihm den Füh­rerschein für drei Monate zu entziehen... Wofür diese Sanktion? Das Rätsel löste ein Milizfunktionär, der das Geheimnis preisgab, daß der Vor­gesetzte des Sicherheitsdienstes in Vilkaviškis, Vaišvila, den Befehl erteilt habe, Pfarrer S. Tamkevičius die Fahrerlaubnis für drei Monate zu ent­ziehen.

Die Öffentlichkeit ist überzeugt, daß der Sicherheitsdienst nicht nur beim Führerscheinentzug, sondern auch beim Unfall selbst seine Finger im Spiel hatte.

Prienai

Die Rayonzeitschrift von Prienai druckte einen Artikel: „Wenn der Prie­ster zürnt". Der Zeitungsredakteur Vytautas Masikonis bezichtigt darin den Gemeindepfarrer von Skriaudžiai, Vincas Čėsna, der Schädigung des ehemaligen Mesners Petras Kuliešius, des ungerechtfertigten Abbruchs des Lagerhäuschens beim Kirchzaun und zuletzt der Verweigerung, die Ge­meindevorsitzende Janina Ališauskienė in die Kirche zu lassen. Am 10. Juni 1975 beschloß das Exekutivkomitee der Gemeinde Skriaudžiai auf Anraten des Bischofs R. Krikščiūnas, die Kartoffelspeicher des Ge­meindealtersheimes in die Wirtschaftsgebäude zu überführen und die alten zerfallenen Lagerhäuser, die das Bild von Ordnung und Sauberkeit störten, niederzureißen. Die Architektin von Prienai, Fräulein Pačėskaitė, erteilte die mündliche Erlaubnis zum Abbruch. Die Gemeindevorsitzende von Skriaudžiai, Ališauskienė, und der Kolchosvorsitzende von Skriaudžiai, Viktoras Rinkauskas, setzten ungerechtfertigt eine Anklageschrift auf. Der Untersuchungsrichter von Prienai, Dobilas, terrorisierte den Vorsitzenden des Gemeindekomitees, Vitas Orintas, sowie Albinas Serbentas und andere, die geholfen hatten, den erwähnten Speicher niederzureißen. Die Direk­torin der 8jährigenschule in Skriaudžiai, Rinkauskienė, die Frau des Kol­chosvorsitzenden, verhöhnte während des Unterrichts die Tochter von Kostas Lapinskas, der an dem Abbruch teilgenommen hatte, indem sie deren Vater angesichts der ganzen Klasse einen Verkommenen nannte. Der Pfarrer hatte in der Tat der Gemeindevorsitzenden Ališauskienė den Eintritt in die Kirche verwehrt, denn sie hatte diese während der Dreh­arbeiten des Films Velnio nuotaka (Die Braut des Satans) entweiht. Die Ehefrau des Kulišauskas war auf Veranlassung des Kirchenkomitees wegen Pflichtvernachlässigung als Putzfrau der Kirche entlassen worden und nicht wegen der Kapricen des Pfarrers, wie V. Masikonis behauptet. Der Autor des Artikels „Wenn der Priester zürnt" hat sehr unehrenhaft gehandelt, indem er die Fakten verzerrte. Bis jetzt läßt es die Sowjetpresse geschehen, daß man die „Finsterlinge" mit jeglichem Dreck bewirft.

Varėna

Am 7. September 1976 verbot der stellvertretende Vorsitzende des Rayons Varėna, Jakavonis, dem Pfarrer von Varėna, Bronius Jaura: „Es ist ihnen nicht erlaubt, in der Trauerprozession zu Ehren eines Verstorbenen zum Friedhof zu gehen. Dies stört den Verkehr. Sie dürfen im Auto sitzen." Die Einwohner von Varėna begreifen nicht, auf welche Weise ihr Pfarrer ein größeres Verkehrshindernis darstellt, als die Menschenmenge, die an der Trauerprozession teilnimmt.