Uns erreichen betrübliche Nachrichten über das Priesterseminar und die in letzter Zeit dort vorherrschende Geisteshaltung. Ohne konkrete Beispiele nennen zu wollen, möchten wir doch unsere Brüder ermahnen, geistig nicht zu vergreisen. Nur einen alternden Menschen verlangt es übertrieben nach Ruhe, Bequemlichkeit, Wärme und gutem und ausreichendem Essen. Die Ju­gend muß vorwärtsstreben, ohne Rücksichtnahme auf erschwerte Lebens­verhältnisse muß sie von ihrer Lebensaufgabe durchdrungen sein. Frühere

Jugendgenerationen sind beispielgebend, sie schufen Zirkel, schrieben, kriti­sierten, diskutierten, Gejammer über schwierige Bedingungen gab es damals nicht! Alle litten unter der Versklavung des Vaterlandes. Ohne an Essen und Kleidung zu denken, widmete man seine ganze Kraft der Herausgabe und Verbreitung von Schrifttum.

Litauen braucht tatkräftige und durchgeistigte Priester, um den Priester­mangel zu beheben. Wie viele Priester und Bischöfe sind durch ihre Treue zu Kirche und Vaterland zu Märtyrern geworden, wie viele von ihnen sterben einen vorzeitigen Tod, weil sie der Aufenthalt in den Archipel-Gulag-Lagern ausgelaugt hat. Nidit Weichlinge, sondern junge Leute, die vor jugendlichem heiligen Idealismus brennen, sollten an deren Stelle treten. Ihr sollt doch einmal das Volk geistig aufrichten, furchtlos gegen den Geist der Lüge, der Gewalt, des Hasses und der Unterdrückung antreten. Wie könnt Ihr das jemals meistern, wenn Ihr bereits jetzt in Trägheit und Eigenliebe versinkt?!

Wir möchten in Euch die Erinnerung an Bischof Valančius wachrufen, der Litauen einst so einfallsreich gegen den Verlust seiner völkischen Identi­tät und die Einführung des Orthodox-Glaubens verteidigt hat; und an Bischof T. Matulionis, der dreimal den Leidensweg in kommunistische Lager angetreten hat, jedoch niemals seinem Gewissen untreu wurde. Vergeßt nicht: das Volk wird sämtliche Konformisten und „Diplomaten", die in der schwersten Stunde mit den Feinden von Kirche und Vaterland kollaborier­ten und die mit satten Mägen schliefen, während der Feind unbarmherzig wütete, in den Müll fegen.

Mögen keinerlei Versprechungen und Drohungen eure geistige Haltung brechen. Lieber verlaßt das Seminar, als euer ganzes Leben mit dem Brandmal des Denunzianten herumzulaufen. Solltet Ihr, aus welchen Grün­den auch immer, mit dem Sicherheitsdienst in Verbindung getreten sein, dann löst diesen Vertrag um jeden Preis, ja selbst um den Preis des Lebens! Junge Brüder, scheut nicht vor den Beschwernissen des Lebens zurück, lernt Opfer zu bringen, denn ohne Aufopferung gibt es keine Liebe. Ein Priester, der kein großes Herz hat, fügt der Kirche nur Leid zu und ist sich selber eine Last.

Wir beten ständig darum, daß die schwere Gegenwart Euch nicht zer­brechen, sondern stählen möge und Ihr in die Reihen der auserwählten Kämpfer unter der Fahne Christi treten werdet.

Eure Brüder — die Priester