Am 17. November 1976 hat der Administrator der katholischen Kirche von Grinkiškis, Priester J. Vaicekauskas, eine an den stellvertrenden Vorsitzen­den des Rayon-Exekutivkomitees von Radviliškis gerichtete Erklärung folgenden Inhalts eingereicht:

„Am 16. November 1976 wurde die Schülerin Rimantė Večkytė zum Direk­tor der Mittelschule von Grinkiškis, Kirtiklis, bestellt, der ihr den mehrmali­gen Besuch in der Pfarrei vorwarf.

Der Direktor deutete an, daß der Priester aus Grinkiškis versetzt werden müsse, falls das Mädchen die Besuche im Pfarrhaus nicht einstelle.

Des weiteren wurden von Direktor Kirtiklis zwei Schulbuben zur Rede ge­stellt, ich kenne nicht einmal ihre Namen, doch sie kamen einige Male zu mir. Es wurde ihnen der Umgang mit mir verboten. Ähnlich erging es auch der Schülerin Vilė Dauknytė, die nun aus Furcht vor Sanktionen nicht mehr in der Kirche erscheint.

Ständig höre ich mir die Klagen von Eltern an, deren Kinder unter dem Atheismusdruck in der Mittelschule von Grinkiškis zu leiden haben, weil ih­nen der Kirchgang nicht gestattet wird.

Ich betrachte das Benehmen des Schuldirektors und anderer Atheisten nicht so sehr als Kränkung meiner Priesterwürde, es trifft mich vielmehr persön­lich, als Menschen. Geht doch aus dem Benehmen der Atheisten hervor, daß der Priester sowas wie ein Verbrecher ist, den man nicht grüßt, anspricht oder gar besucht. Gewiß, auch unter Atheisten braucht nicht unbedingt ein hohes Kulturniveau zu herrschen, bedauerlich ist jedoch, daß eine solche Ansicht von Lehrern vertreten wird. Die Schulkinder von Grinkiškis schlagen Kir­chenfenster ein, es würde mich nicht sehr wundern, wenn auch auf mich, den Priester, bald Steine fliegen würden. Die Erziehung der Kinder seitens ihrer atheistischen Lehrer läuft ja darauf hinaus.

Noch niemals habe ich jemanden, weder jung noch alt, aus meinem Hause ge­worfen und werde es auch in Zukunft nicht tun. Weder Schuldirektor Kirtiklis noch jemand anderes kann mir den Umgang mit den Gläubigen verbieten". Eine Antwort auf seine Erklärung hat Priester J. Vaicekauskas vom stellver­tretenden Vorsitzenden des Radvilišker Rayon-Exekutivkomitees, Alfredas Krikštanas, nicht erhalten.

Am 6. April 1977 erschien in der Radvilišker Rayonzeitung ein Artikel von A. Mikelis: „Die Erfindungen der sogenannten ,Befreier' aus Ubersee". Da der Aufsatz recht eindringlich den sich aus plumper Lüge, unerträglichen per­sönlichen Beschimpfungen und Drohungen zusammensetzenden „Wahrheits­gehalt" der Sowjetpresse widerspiegelt, soll er fast vollständig zitiert werden: „Ohne jugendliche Anhängerschaft verliert die Kirche ihre Zukunftschancen. Deshalb setzt die Geistlichkeit nebst betschwesterlicher Aktive alles dran, um Schulkinder auf Biegen oder Brechen in die Kirche zu locken. Eine Ausnah­me bildet hierin auch nicht der Pfarrer der Kirchensprengel von Grinkiškis und von Pašušvis, Juozas Vaicekauskas. Der Priester J. Vaicekauskas hebt sich jedoch von den anderen Priestern durch sein Lamentieren ab und da­durch, daß er sich bitterlich darüber beschwert, die, ach so gottesfürchtige Schuljugend würde ja so gerne zur Kirche gehen, doch die schlimmen Lehrer hielten sie davon ab.

Auf welchem Wege auch immer das Gejammer des Priesters zu Ohren der in der sogenannten ,freien Welt' erscheinenden litauischen Tageszeitung Drau­gas (Der Freund) gelangte, dieses reaktionäre Blättchen druckte in seiner Ausgabe vom 8. September 1976 einen Artikel: ,Als die Schule in die Klauen des Satans geriet' ab, dessen Hauptteil den Beziehungen zwischen Priester J. Vaicekauskas und den Pädagogen der Achtklassenschule von Pašušvis ge­widmet ist. Man merkt, die sich als gute Katholiken gebärdenden Verfasser des Artikels nehmen es mit dem achten Gebot, ,du sollst nicht lügen', nicht so genau. Statt Argumente vorzubringen, greifen sie zur reinen Erfindung. So schreibt ,Der Freund': ,Am 24. Oktober 1975, anläßlich eines Begräbnisses, wurden die Schulkinder aus der Kirche gejagt. Die Austreibung der Kinder aus der Kirche besorgte die Schuldirektorin Jadvyga Baltraitiene.' Ja sagt mir nun, weshalb mußten denn die Kinder aus der Kirche vertrieben werden, sie gehen doch freiwillig gar nicht hin?! Die große Mehrzahl unserer Schüler glaubt nicht an Religionsdogmen und Kirchenriten haben für sie keine Be­deutung. Was das Verhalten der Schuldirektorin J. Baltraitienė betrifft, das hat sich der Schreiberling des Draugas, bescheiden ausgedrückt, aus den Fin­gern gesogen. Am Tage des erwähnten Begräbnisses nahm nämlich die Di­rektorin in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete von Pašušvis an einer Sowjet­sitzung teil. . ., Priester J. Vaicekauskas möchte ganz offensichtlich, daß die Kinder nicht von der sowjetischen Schule, sondern von der Kirche, erzogen würden, daß nicht eigens dafür ausgebildete Lehrer ihnen ein materialisti­sches Weltbild vermitteln, sondern er, der Priester, ihnen biblische Geschich­ten erzählen kann. Das ist auch der Grund dafür, daß der Artikel glauben machen will: ,aus der Schule von Pašušvis kommen die Kinder mit verweinten Augen nach Hause. Sie werden von der Schuldirektorin und den anderen Lehrern ständig terrorisiert, man erlaubt ihnen nicht, am Kirchengottesdienst teilzunehmen'. Dieses Schauermärchen wurde noch mit einer weiteren, an­geblich wahren Begebenheit garniert, nach der Ona Vedeckiene aus dem Dorfe Balandiškiai am 23. November 1975 dem Priester J. Vaicekauskas ge­klagt haben soll, von der Schuldirektorin vorgeladen worden zu sein. Die Di­rektorin der Pašušvis-Schule habe sie dabei gewarnt, wenn ihr Sohn Sigitas nicht aufhöre, als Ministrant in der Kirche zu dienen, dann werde er eine schlechtere Betragensnote und eine ungünstigere Charakterisierung erhalten, was ihm bekanntlich die Aussichten auf eine schulische Fortbildung nehme. Das BlattDraugas schließt seinen Bericht mit der Bemerkung: ,Die Schuldi­rektorin schüchterte die Frau so ein, daß sie zwei Tage krank zu Bette lag'. ,Waren sie wirklich krank, Vedeckienė?', fragten wir die angeblich zu Scha­den gekommene.

,Quatsch, ich war gar nicht krank. Und außerdem habe ich mit Priester J. Vaicekauskas gar nicht gesprochen.'. . .

J. Vaicekauskas hat bestens erkannt, wie machtlos die Religion ist, deshalb versucht er, mit schönen Versprechungen und Geschenken die Leute in die Kirche zu locken. Eine ganz besondere Zuneigung verspürt er für junge Mäd­chen, für die er auch größere Ausgaben nicht scheut. So rühmt sich eines der Mädchen, vom Priester eine Armbanduhr, ein anderes, teure Kleider erhal­ten zu haben. Mit Brieflein und süßen Worten lockte er am Ostervorabend ein Grüppchen Kinder in die Pfarrei. Insgeheim sah er sich schon umgeben von der dienenden Kinderschar, gleich kleinen Engelchen, die österliche Messe am Altar zelebrieren und der gläubigen Gemeinde wird das Herze da­bei weich. Doch J. Vaicekauskas weiß als echter Realist nur zu gut, läßt er die Kinder heimgehen, dann sieht er sie wohl kaum am nächsten Morgen in seiner Pfarrei. Deshalb bereitete er ihnen in der Pfarrei ein Heulager, ohne sich nachts weiter um die Kinder zu kümmern. Es bedarf kaum der Erwäh­nung, daß sich die Schule und die Eltern über diesen Vorfall Sorge machten. Die Pläne des Priesters erregten Mißfallen. So macht sich nicht nur jeder Atheist Sorgen, sondern jeder Vater oder jede Mutter, denen es nicht gleich­gültig ist, wo ihr Kind übernachtet.

Eine derartige prinzipientreue Haltung seitens der Schule mißfiel dem Priester Vaicekauskas, deshalb trat er in seinen Predigten häufig ganz offen gegen die Lehrer auf und versuchte die Autorität der Schule zu untergraben. Auch die Eltern, die sich nicht in die Schar der Schäflein Christi einreihen wollen, bekamen Seitenhiebe . . . Eine solche Unverschämtheit des Gottes­dieners, seine eindeutige Einmischung in Angelegenheiten, die ihn nichts an­gehen, zwang den Direktor der Mittelschule von Grinkiškis, Aleksandras Kir­tiklis, sich an das Exekutivkomitee des Rayons mit der Bitte zu wenden, end­lich mit amtlichen Maßnahmen gegen den Priester einzuschreiten. An diese Adresse gelangte auch die Erklärung des Leiters der Grundschule von Kaniū­kai im Rayon Šalčininkai, Adoms Večkys. Er teilte mit, daß seine Tochter Ri­mantė, Schülerin der 11. Klasse, in die Schule von Grinkiškis umgeschult wurde, um ihrer hilfsbedürftigen Großmutter Domicėlė Turčinskienė, einer 83 Jahre alten Greisin, beizustehen. Die alte Frau sei sehr fromm. Rimantė begleite sie zur Kirche und von dort nach Hause. Das versuchte der Priester für seine Zwecke zu nutzen . . .

Des weiteren schreibt Večkys: ,Wenn der Ortspfarrer auch weiterhin versu­chen sollte, meine Tochter in seinen Garnen einzufangen, wäre ich zur Er­greifung energischer Maßnahmen gezwungen. Ich bitte das Exekutivkomitee, durch Anwendung sowjetischer Gesetze die Verkrüppelung von Jugendlichen zu unterbinden. Meine Frau und ich wünschen uns, daß Rimantė als Patriotin ihres Volkes aufwächst, daß ihr Leben nicht durch religiöse Vorurteile um­nebelt wird'.

Wie wir unlängst erfuhren, wurde der Fall J. Vaicekauskas bereits in einer Kontrollkommission zur Einhaltung von Kultgesetzen des Rayon-Exekutiv­komitees von Radviliškis erörtert. Der Prieser erhielt eine Verwarnung, da er das Gesetz über die Trennung von Kirche und Schule verletzt habe. Man sieht, der Priester J. Vaicekauskas kommt nicht zum ersten Mal mit den Ver­waltungsorganen in Konflikt. Noch vor einigen Jahren, als er in der Pfarrei von Pajieslis, Rayon Kėdainiai, tätig war, kam es zu Streitigkeiten mit den Pädagogen des Ortes. J. Vaicekauskas beschwerte sich damals in einer Erklä­rung an den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten beim Ministerrat der Litauischen SSR darüber, daß die gläubigen Kinder von den Lehrern verfolgt würden u. d. m. Wie es sich gehört, ist dieser Angelegenheit von zuständiger Seite mit aller Sorgfalt nachgegangen worden. Die Untersu­chung ergab jedoch, daß die Beschwerde unbegründet war. Doch kurz danach erschienen die darin aufgestellten Behauptungen als wahre Tatsachen in einer von Hand zu Hand gereichten Publikation reaktionärer Kirchenleute (ge­meint ist die Chronik der LKK, Anm. d. Red.). Wir erinnern daran, daß in der Republikpresse vor einigen Jahren ausführlich über einen in Vilnius statt­findenden Prozeß berichtet wurde (in der Zeitschrift Tiesa(Die Wahrheit) war ein ganz kurzer Bericht darüber erschienen, Anm.d. Red.). Damals sa­ßen auf der Anklagebank eine Gruppe der Verbreiter und Unterstützer dieser Publikation (vgl. Chronik der LKK, Nr. 13, Anm. d. Red.). Das Ge­richt konnte eine Fülle von Beweisen über ihre gegen den Staat gerichtete zer-setzerische Tätigkeit beibringen und die Täter erhielten ihre verdiente Strafe. Hier wird dieser Vorfall aus jüngster Vergangenheit nicht deswegen erwähnt, weil uns die Erklärung des Priesters an den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten mißfällt. Das ist eine staatliche Behörde, die sich mit Religionsangelegenheiten befaßt und auch für die Interessen der Religion eintritt. Ein jeder Bürger hat das Recht, sich an diese Behörde in den wichti­gen Angelegenheiten zu wenden. Anstoß nehmen wir jedoch daran, daß ein weiteres Exemplar dieser Erklärung, das vollkommen mit dem Originaltext übereinstimmt, in diesem unwürdigen Blatt auftauchte. Und an dieser Veröf­fentlichung profitiert seinerseits Draugas (Der Freund), die von den Befrei­ern' aus Übersee herausgegebene Zeitung mit seiner Veröffentlichung. Aus dieser Begebenheit tritt das wahre, feindlich gesonnene Gesicht des Priesters Vaicekauskas klar zu tage . . .

Hier muß gesagt werden, daß Priester J. Vaicekauskas keineswegs alt ist, ein Mann aus der ,damaligen Zeit'. Die Leser werden bereits aus unserem Be­richt verstanden haben, daß es sich um einen noch jungen, vor Energie strot­zenden Mann handelt. Vor mehr als zehn Jahren nach Abschluß der Mittel­schule vor Radviliškis trat er in das Kaunaer Priesterseminar ein. Die Radvi-lišker Betschwestern erinnern sich: der kleine Juozukas war als Schüler ein sehr frommer Knabe, ein fleißiger Kirchgänger. Man sieht, niemand hat ihn wegen seines Glaubens wie Christus ans Kreuz genagelt, niemand riß den Wi­derstrebenden an seinen Rockschößen in den Kreis der Atheisten zurück. Er hat freiwillig den Weg eines Geistlichen eingeschlagen, er wurde das, was er werden wollte.

Was solls, das ist ein altes Lied der Kirchenleute, zu sagen, was schwarz ist und was nicht. Das ist ihre Moral!"

An den Redakteur der Komunizmo aušros (Morgenröte des Kommunismus), Antanas Mikelis,

an die Direktorin der Achtklassenschule von Pašušvis, Jadvyga Baltraitienė, und an den Direktor der Mittelschule von Grinkiškis, A. Kirtiklis.

 

Meine Verehrten!

In der Radvilišker Rayonzeitung las ich einen Artikel von Antanas Mikelis: „Die Erfindungen der ,Befreier' aus Übersee". Nun, die ausländischen Repor­ter können sich auch irren, wenn sie über die Tätigkeit der Atheisten in Grin­kiškis und Pašušvis berichten, doch die Gläubigen und die Priester wissen, wie es um die katholische Kirche in Litauen bestellt ist und konkret, was sich in den Kirchensprengeln von Pašušvis und Grinkiškis tut. Nicht weniger gut wis­sen die örtlichen Atheisten darüber Bescheid. Jedermann weiß, daß manche der ängstlichen Gläubigen dieser Kirchensprengel aus Furcht vor Verfolgun­gen durch die Atheisten ihre Kinder in ferne gelegene Kirchen führen. Jeder­mann weiß, daß am 24. Oktober 1975 während eines Begräbnisses die Kin­der aus der Kirche in Pašušvis vertrieben wurden. Ich erinnere mich noch gut an diese Begebenheit: die Atheisten haben damals durch ihre Kindervertrei­bungsaktion aus der Kirche den Ernst der Begräbnisfeierlichkeit gestört. Gleich am nächsten Tag wandte ich mich in dieser Angelegenheit an den stellvertretenden Vorsitzenden des Exekutivkomitees von Radviliškis, A. Krikštanas. Nach einiger Zeit teilte mir A. Krikštanas mündlich mit, daß Schuldirektorin Baltraitienė sich richtig verhalten habe, weil die Kinder nicht in die Kirche gehen dürften. Das habe ich den Gläubigen in Pašušvis mitge­teilt. Mich wundert nur, daß jetzt, nachdem ein Jahr vergangen ist, Krikštanas und Baltraitienė etwas ganz anderes erzählen. Jadvyga Baltraitienė und An­tanas Mikelis, seid Ihr Euch bewußt, was die tatsächlich aus der Kirche ver­triebenen Kinder von Euch denken, und was diejenigen Kinder, die auf eine oder andere Weise zu leiden hatten, weil sie zur Kirche gingen, von Euch hal­ten? Man witzelt in Pašušvis, wie ich selbst hörte, über ein angeblich von den Atheisten vollbrachtes Wunder, wonach Jadvyga Baltraitienė zur gleichen Zeit an einem Begräbnis und an einer Sitzung des Abgeordnetensowjets teil­genommen habe. Dies „Wunder", so scheint mir, kam mit Hilfe Ihrer, Antanas Mikelis, Federführung zustande und hinter Ihnen standen wieder andere Kräfte.

Gläubige und Ungläubige unter den Ortsansässigen können es nicht fassen, wieso ich nur deswegen, weil ich mein Priesteramt gewissenhaft versehe, von der Rayonzeitung angegriffen werde. Ein anderes „Vergehen" kann mir doch nicht vorgeworfen werden. Ich erhalte Briefe von Leuten, die ich kenne, aber auch von mir unbekannten Personen, von denen ich ermuntert werde, nicht den Mut zu verlieren. Die Leute schreiben mir, daß die Atheisten Priester wie Gläubige zum Schweigen bringen wollen; sie bringen in ihren Briefen zum Ausdruck, daß Ihr Artikel, A. Mikelis, ein geschichtliches Dokument über die Verfolgung der Gläubigen und der Priester darstellt.

Am 10. April 1977, nach der Andacht, kam zu mir in die Sakristei der Pašuš-vis-Kirche das Ehepaar Vedeckis. Sie baten mich um Verzeihung und sagten, daß sie das nicht gewollt hätten, daß der Vorfall in die Zeitung käme. Sie be­klagten, daß ihr Sohn seine Arbeit als Musiklehrer bereits verloren habe und daß sie auf noch schlimmere Schikanen gefaßt seien. Und mit solchen Mitteln der Beweisführung, Antanas Mikelis, wollen Sie die Richtigkeit ihrer Be­hauptungen nachweisen?!

Außerdem wiederhole ich an dieser Stelle, was ich bereits im Exekutivkomi­tee vorgebracht habe: zu mir kam die Frau von Adomas Večkys und erzählte mir, daß Sicherheitsbeamte zu ihnen ins Haus gekommen seien und von Več­kys die Abfassung einer Erklärung verlangt hätten. Hatte Adomas Večkys denn die Möglichkeit, seine Erklärung auch anders abzufassen? Oh ja, das hätte er tun können, doch dann wäre er nicht mehr lange Lehrer geblieben. Schule und Kirche sind voneinander getrennt, dennoch drängen die Kinder und Jugendlichen zur Kirche und wünschen die Gemeinschaft mit dem Priester. So manchen Peitschenhieb seitens der Atheisten müssen diejenigen unter ihnen einstecken, die die aufgestellten Hürden zu durchbrechen suchen. Doch diese Kinder und Jugendlichen, deren Seelen von den Narben dieser Schläge gekennzeichnet sind, werden zu aktiven Kämpfern für den Glauben, für die Kirche!

Die von den Atheisten angewandten, groben Mittel führen nicht zum Ziel. In der Osternacht 1977 umringten Kinder und Jugendliche meinen Beichtstuhl wie ein Bienenschwarm. Als ich nach der Andacht aus der Pašušvis-Kirche hinaustrat, überreichte mir eine Gruppe Jugendlicher einen Strauß frischer Blumen. Es waren nicht nur Mädchen (zu denen ich ja, wie Sie schreiben, eine „besondere Zuneigung" hege), sondern auch junge Männer, die erst un­längst ihren Militärdienst hinter sich hatten.

Ich bin der festen Überzeugung, daß Sie, Antanas, Jadvyga, Aleksandras und alle anderen Atheisten, eines Tages die Knüppel, mit denen Ihr eure schmerzhaften Schläge austeilt, beiseite legen und zu feineren Kampfmitteln übergehen werdet.

In den 16 Jahren, in denen ich nun schon Priester bin, habe ich viele Krän­kungen durch die Atheisten einstecken müssen. Ich kenne keinen Priester in Litauen, der nicht schreckliche Erlebnisse mit den Atheisten hatte. Doch noch nie habe ich gehört, daß auch nur ein einziges Mal ein Atheist wegen der Verfolgung eines Gläubigen oder Priesters zur Rechenschaft gezogen worden ist! Oder seid Ihr Atheisten vielleicht eine unangreifbare Kaste von Auser­wählten, die sich niemals irrt?

Wir befinden uns in einem Ringkampf der Ideologien. Ich fordere Euch auf­richtig dazu auf, ehrenvoll zu kämpfen, so wie es unter Menschen, nicht wie unter wilden Tieren, üblich ist. Ihr seid doch von Eurem Sieg überzeugt, in Euren Händen befinden sich alle sozialen Massenmedien: Presse, Rundfunk, Fernsehen! Ihr dürft Euch im Ringen um die atheistische Weltanschauung frei bewegen. Wir, die Priester und die Gläubigen, verfügen nicht über diese Mittel. Ihr seid bestimmt schon ungeduldig, wollt Euren atheistischen Triumphtanz auf den Trümmern der Kirche und den Gräbern der Gläubigen aufführen ... Da müßt Ihr Euch noch etwas gedulden, sind wir denn daran schuld, noch lebendig zu sein?!

Am Schluß Ihres Artikels, Antanas Mikelis, steht die versteckte Drohung, mich ins Gefängnis zu bringen. Ihnen gefällt mein Antlitz nicht, es ist „das Ge­sicht eines feindlich gesonnenen Priesters". Nicht nur uns Priester, jeden gläu­bigen Menschen zwingen die ungesetzlichen Handlungen der Atheisten zu einer gegnerischen Einstellung. Doch kann man denn alle, die sich den Athe­isten entgegenstellen, ins Gefängnis bringen? Das ist denn doch wohl eine nicht zu bewältigende Aufgabe.

Eine Kopie meines Antwortschreibens auf den Artikel in der Rayonzeitung von Radviliškis sende ich samt Zeitungsartikel zur Kenntnisnahme an den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten.

Der Administrator der Kirchen von Grinkiškis und Pašušvis, Priester J. Vaicekauskas

 

Grinkiškis, 12. April 1977

 

An die Kurie des Erzbistums von Kaunas

Erklärung des Priesters Juozas Vaicekauskas,

wohnh. in Grinkiškis, Rayon Radviliškis

Am 17. März 1977 wurde ich zum stellvertretenden Vorsitzenden des Rayon-Exekutivkomitees von Radviliškis, Alfredas Krikštanas, bestellt. Dort mußte ich mich in Zimmer 22 gegenüber einer Sonderkommission unter dem Vorsitz von A. Krikštanas und den Mitgliedern: Antanas Mikelis, Redakteur der Rayonzeitung Komunizmo aušra(Morgenröte des Kommunismus), Vai-šutis, Leiter der Finanzabteilung, Petras Vaičiūnas und Valentinas Paliünas verantworten. Die Kommission beschuldigte mich, eine Kinderversammlung während der Osternacht 1976 in der Kirche von Pašušvis organisiert und den Kindern Einladungen versandt zu haben. Außerdem wurde mir zur Last ge­legt, daß in meinem Hause Schüler und Schülerinnen verkehrten. Am Sonnabend der Karwoche 1976 zelebrierte ich die Abendandacht in der Kirche von Grinkiškis. Danach ging ich nach Pašušvis, um dort die vorösterli­che Messe zu halten. Die Kirche in Pašušvis hat, wie bekannt ist, keinen eigenen Priester. Als ich um 22 Uhr die Kirche betrat, empfing mich eine dichte Menge Erwachsener, Jugendlicher und Kinder. Die Leute hatten eini­ge Stunden geduldig auf mein Kommen gewartet. Bis 24 Uhr nahm ich die Beichte ab, danach fand der große vorösterliche Gottesdienst statt, der bis 2 Uhr Nachts dauerte. Die Gemeinde ging jedoch nicht auseinander, sondern wartete nun auf die Auferstehungsfeierlichkeiten. Zu dieser späten Nacht­stunde verkehren ja auch keine Busse mehr. So baten mich die Mütter, ihren jüngeren Kindern die Übernachtung auf dem Fußboden des dem Kirchen­komitees in Pašušvis gehörenden Hauses zu gestatten. Die Mütter trugen Stroh herbei, legten ihre Kinder schlafen und kehrten in die Kirche zurück, um bis zum Morgen aufzubleiben und zu beten. Das mißfiel den Atheisten von Pašušvis sehr. Die Schuldirektorin Jadvyga Baltraitienė zwang alle Kin­der, die in der Kirche übernachtet hatten, eine Erklärung abzufassen. Einige dieser Erklärungen der Kinder las mir der Kommissionsvorsitzende Krikštanas vor.

Der Vorsitzende wollte mir, unter Zustimmung der übrigen Kommissionsmit­glieder, nachweisen, wie sehr ich die sowjetischen Gesetze überschritten habe, weil ich die Kinder in der Kirche beließ. Ich versuchte, mich zu recht­fertigen und sagte, daß es nicht Aufgabe des Priesters sei, den Leuten die so­wjetischen Gesetze beizubringen und ich auch nicht das Recht habe, Kinder aus der Kirche zu vertreiben. Die Kommissionsmitglieder wurden daraufhin beleidigend. Allen voran ließ Antanas Mikelis seinem Haß mir gegenüber freien Lauf. Er machte Ausführungen, daß die Priester das Zölibat nicht be­folgten und auch ich mich darin nicht von den anderen unterscheide. „Woher wissen Sie denn das so genau, ich habe doch vor ihnen keine Beichte abge­legt", fragte ich ihn. Mein Ausruf löste Gelächter und spöttische Anspielun­gen seitens der Kommission aus. A. Mikelis wollte von mir wissen, weshalb ich den Organisten der Pašušvis-Kirche entlassen habe, weshalb eine Wasch­frau aus Kaunas zu mir käme? Das ist doch eine grobe Einmischung in die Angelegenheiten der Kirche. Indes, jeder meiner Einwände wurde mit einer neuen Hohnkaskade beantwortet. Kommissionsmitglied Vaičiūnas schrie mich an, daß ich ein Freudenhaus eröffnet hätte. Der Kommissionsvor­sitzende A. Krikštanas versuchte seine Kollegen zu beschwichtigen, doch die waren derart ins Fahrwasser geraten, daß sie nicht mehr auf ihn hörten. Als ich mich verteidigen wollte, wurde ich von Mitglied Vaišutis angeherrscht, den Mund zu halten. A. Mikelis verhörte mich weiter, er fragte mich, wieso in der Auslandspresse ein Artikel über die Geschehnisse in Pašušvis erschei­nen konnte. Man drohte mir mit einer Zeitungsglosse und einem Gerichtsver­fahren.

Ich erinnerte die Kommission daran, daß ich bereits mehrere Eingaben über das erlittene Unrecht der Gläubigen von Pašušvis und Grinkiškis durch die Atheisten und über meine bedrohliche Lage eingereicht hätte, die jedoch keine Beachtung fanden. Ich wies daraufhin, daß mich am 13. März 1977 die Gläubigen beim Verlassen der Kirche umringten, um sich bei mir zu bekla­gen, wie die Schuldirektorin J. Baltraitienė fortgesetzt ihre Kinder schicka-niere, daß sie in einer Elternversammlung das Verbot, Kinder zur Kirche mit­zunehmen, ausgesprochen habe, wobei die Bemerkung gefallen sei, daß sie den Priester noch fertigmachen werde. Meine Worte veranlaßten Kom­missionsmitglied Antanas Mikelis zu dem Ausruf: „Und wir werden dich fertigmachen, du wirst versetzt"!

Unmöglich, den ganzen Vorgang zu schildern. Noch lange wurde ich er­mahnt, beschimpft, verspottet, jeder nach seinem Gusto. Endlich wurde der Schiedsspruch verkündet: eine Verwarnung. Diese beinhaltete, daß mir bei Fortführung der „Übertretung" sowjetischer Gesetze eine strenge Strafe drohe. Man erwähnte meine früheren „Vergehen" in den Kirchensprengeln von Balninki und Pajieslis.

Ich bitte zu bedenken, daß sich derart die Creme der atheistischen Gesell­schaft aufführt, und wie springen da mit den Gläubigen und dem Priester in Pašušvis und Grinkiškis das atheistische Fußvolk um! Ich habe darüber meinen Freunden unter den Priestern berichtet. Wir werden nicht schweigen!

Sich an den Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten beim Ministerrat der Litauischen SSR zu wenden, ist meiner Meinung nach sinnlos, weil sich dieser Rat an die Regeln seines Chefs, Tumėnas, hält. Als ich meine Absicht erwähnte, mich beim Bevollmächtigten des Rates für Religionsange­legenheiten zu beschweren, wurde ich in der Sitzung nur ausgelacht. Hiermit erstatte ich der Kurie des Erzbistums Kaunas Meldung, daß ich wegen der ständigen Einmischung der Atheisten in die Angelegenheiten der Kirche und wegen Verfolgung und Bedrohung meiner Person, das Priesteramt an den Kirchen von Grinkiškis und Pašušvis nicht zufriedenstellend und unbehindert ausüben kann.

Priester J. Vaicekauskas

 

Grinkiškis, 22. März 1977