Litauen befindet sich beinahe schon 200 Jahre (1795-1977) unter russischer Besatzung, wenn man von einer kurzen Zeit der Unabhängigkeit (1918—1940) absieht. Litauen mußte in dieser Zeit von seinen Kolonial­herren viel leiden. Es wurde nicht nur ausgebeutet, sondern mußte auch lange und schwer kämpfen, um seine größten Werte zu erhalten: den katholischen Glauben und die nationale Identität. Lange Zeit wurden die Litauer auf ver­schiedenste Weise ausgebeutet, verfolgt, massenweise deportiert und auch gemordet.

Um ihr Leben und ihre Freiheit zu retten, um dem ungeliebten Militärdienst bei der Armee der Besatzungsmacht oder dem Tod in Sibirien zu entkom­men, sind viele Litauer ins Ausland gegangen, besonders in die Vereinigten Staaten. Getrennt von ihren Eltern und Geschwistern haben sie niemals auf­gehört, ihre Heimat Litauen und die dort leidenden Angehörigen zu lieben. Auch jetzt fühlen sie sich als Kinder desselben Vaterlandes Litauen. Unsere ausgewanderten und verantwortungsbewußten Landsleute haben straffe Or­ganisationen geschaffen. Auch in der Emigration haben sie litauische Pfar­reien gegründet, und ihre eigenen Zentren für Wissenschaft und Kunst aufge­baut. Hier bringen sie ihre eigenen Zeitungen heraus, vertreten einmütig und beharrlich die Rechte ihres unterjochten Vaterlandes, finden Möglichkeiten, 48 auch hochgestellte kirchliche Persönlichkeiten zu informieren und Verbin­dung mit Vertretern des politischen und öffentlichen Lebens zur Beschützung ihres leidenden Heimatlandes aufzunehmen.

Unsere Landsleute, Geistliche und Laien, stellen bei ihren Begegnungen mit den litauischen Touristen aus dem Ausland oder auch bei ihren eigenen Rei­sen ins Ausland fest, wie vielen von ihnen es schwer fällt, sich in den kompli­zierten Fragen des religiösen Lebens in Litauen zurechtzufinden. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, vermögen sogar hochgestellte geistliche Würdenträger viele Probleme nicht zu begreifen oder zu lösen, von gewöhnli­chen Gläubigen ganz zu schweigen. Die einen von ihnen meinen, daß alle reli­giösen Fragen, auch die mit der geheimen Tätigkeit der Gläubigen zusam­menhängenden, von den Ortsordinarien gelöst werden könnten. Dabei wird vergessen, daß die Tätigkeit vieler von ihnen eingeengt ist und daß manche Gläubige sich scheuen, an einige von ihnen heranzutreten. Die anderen können nicht begreifen, wie in Litauen etwa 70% der Kinder Katechismusun­terricht erhalten, obwohl dafür doch in Litauen einige Priester und Laien mit Gefängnis bestraft worden sind. Sie haben keine Ahnung, in welchem Aus­maß die Kinderkatechese in Litauen unter Katakombenverhältnissen erfolgt, durchgeführt von Priestern und Laien, die weder Geld- noch Gefängnis­strafen fürchten.

Es hat sogar Touristen gegeben, die erstaunt waren, wieso die zur Deporta­tion festgenommenen Litauer keine Polizeistation telephonisch verständigt haben, um ihre Deportation zu verhindern. Ihnen fällt es oft schwer, zu unter­scheiden, welchen Personen man trauen darf und welchen nicht. Für sie ist unvorstellbar, wie viele Menschen in Litauen vom Geheimdienst angeworben sind, die sowohl Einzelpersonen als auch die öffentliche Meinung irreführen können. Teilweise finden wir diese Erscheinung verständlich, denn unsere komplizierte Lage zu verstehen ist sehr schwer, wenn man nicht länger hier gelebt oder Sibirien nicht gesehen hat. Auch Bischöfe und Gläubige der be­nachbarten sozialistischen Länder wie Deutschland und Polen geben zu, daß sie uns nur schwer verstehen können. Um so schwerer fällt es den Menschen, die in der freiheitlichen westlichen Zivilisation geboren und großgeworden sind, unsere Verhältnisse zu verstehen. Dieser Tatbestand wird noch zusätz­lich erschwert durch schlaue Täuschungsmanöver der Feinde unseres Glau­bens und unseres Volkes. Sie können ungehindert ihre irreführenden Schrif­ten nach dem Ausland verschicken und Artikel publizieren. Das Schlimmste ist, daß zu dieser Irreführung auch Geistliche verschiedenen Ranges in Wort und Schrift beitragen, wenn auch unter Druck. Einige von ihnen erfüllen die Aufträge der Atheisten auch dann sorgfältig, wenn sie zum Vatikan kommen, indem sie ihn falsch informieren. Gott sei Dank, daß wenigstens in der letzten Zeit dieser Betrug offenkundig geworden ist. Aber auch diejenigen im Ausland lebenden Priester und Laien, die uns besser ver­stehen und mit uns fühlen, klagen, daß sie keine Privilegien und keine Hilfe erflehen können. Unsere mündlichen und schriftlichen Wünsche sind bisher meistens erfolglos geblieben. Wir hoffen, daß die Leitung der katholischen Kirche und unsere Landsleute uns besser und mehr unterstützen, wenn sie unsere Verhältnisse genauer und umfassender kennenlernen. Zunächst halten wir es für unsere Pflicht, dem Apostolischen Stuhl für die Er­richtung einer eigenen Kirchenprovinz zu danken. Wir danken auch dem jetzigen Hl. Vater Paulus VI. für die uns in der letzten Zeit gewidmete Auf­merksamkeit: Für inhaltsreiche Sendungen des Radio Vatikan, für die Nicht­anerkennung der Okkupation Litauens, für die Gründung des Kollegiums St. Kasimir, für Erhebung der Gnadenkirche von Šiluva zur Basilika, für herzlichen Empfang der Vertreter unseres Volkes, die als Pilger den Hl. Vater besuchen, für die feinfühlige Reaktion auf die Beschwerdeschrift der 17000, für Bemühungen, auf diplomatischem Wege uns zu helfen, für alle herzliche Liebe und inständige Gebete.

Wir danken für den Willen, alle Hilfsmöglichkeiten für uns auszuschöpfen. Wir wissen, daß unsere Stärke in der Einheit mit dem Hl. Vater und der ka­tholischen Kirche besteht. Die Okkupanten haben auf verschiedene Weise versucht, unsere Bischöfe und einzelne Priester vom Apostolischen Stuhl zu trennen. Für ihre Treue mußten sie vieles erdulden. Die Katholiken Litauens haben in den schwersten Zeiten ihre Diszipliniertheit und Gehorsam dem Hl. Vater gegenüber bewahrt.

Wir rufen die Litauer auf der ganzen Erde und die Katholiken der ganzen Welt auf, Liebe, Ehrfurcht und Vertrauen zu wahren und sich einer ungesun­den, lieblosen Kritik der Kirchenführer zu enthalten. Wir verurteilen jede Tätigkeit, welche die Einheit der Kirche zerstört. Wir hoffen, daß der Hl. Va­ter in Würdigung unserer Hingabe und Treue in Zukunft uns noch mehr Ver­trauen schenken und nach Möglichkeit unsere Wünsche erfüllen wird. Wir sind dankbar den Katholiken Irlands, die uns eine herzliche und brüder­liche Anteilnahme gezeigt und unserem leidenden Volk eine Statue der seli­gen Jungfrau Maria geschenkt haben.

Wir danken ganz besonders auch den Bischöfen, Senatoren und Kongreß­männern der Vereinigten Staaten für die Verteidigung des Glaubens in Li­tauen und der Freiheit der verhafteten Litauer. Dankbar sind wir einer gan­zen Reihe von Bischöfen, Priestern und Gläubigen in Italien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz, die in Wort und Schrift für die Freiheit des Glaubens in Litauen kämpfen, dankbar auch den Verteidigern der Men­schenrechte der Sowjetunion, besonders dem Akademiker A. Sacharov und dem für die Verteidigung dieser Freiheit inhaftierten Dr. S. Kovalev. Bei der Gelegenheit möchten wir auch den jüdischen Journalisten und der von ihnen betreuten Presse unseren Dank aussprechen, die ihrem großen Leserkreis das uns von den Atheisten der Sowjetunion immer wieder zugefügte Unrecht be­kanntmachen. In den schrecklichen Zeiten des Hitlerterrors haben mehrere Priester in Litauen unter Risiko ihres eigenen Lebens das Leben von nicht wenigen Juden gerettet. Solche Fakten sind beschrieben in dem Buch „Ir be ginklo kariai" (Kämpfer auch ohne Waffen). Auch der wiederholt von den Gottlosen geschmähte Bischof V. Brizgys hat in seiner Predigt in der Garni­sonskirche von Kaunas die Massenliquidierung der Juden als mit der christli­chen Moral unvereinbar öffentlich gebrandmarkt.

In Anbetracht der Hilfsbereitschaft unserer Landsleute und der Freunde der katholischen Kirche Litauens, in der Erkenntnis, daß die Atheisten der So­wjetunion die öffentliche Meinung der Welt irrezuführen versuchen, haben wir uns entschlossen, wenigstens in kurzen Zügen unsere Landsleute, die Gläubigen der ganzen Welt und alle Menschen guten Willens offen zu infor­mieren über die brennenden Probleme Litauens und der katholischen Kirche, die einer schnellen und energischen Lösung bedürfen, und über Meinungen, die bei Priestern und Gläubigen bestehen.

Ohne Rücksicht auf größte Gefahren, versuchen wir alles zu tun, damit der Glaube in unserem Lande erhalten bleibt.

Um die von den Atheisten der Sowjetunion praktizierte Verschlagenheit leichter zu verstehen, wollen wir kurz mit den von ihnen zur Vernichtung der orthodoxen Kirche in der Sowjetunion angewandten Methoden bekannt­machen. Anschließend werden wir auf die Probleme der römisch-katho­lischen Kirche in der ganzen Sowjetunion, besonders in Litauen eingehen. Nach marxistischer Theorie ist die Religion eine kapitalistische ausbeuteri­sche Erscheinung des sozialen Lebens. In den Ländern, in denen die kapitali­stische Ordnung abgeschafft ist, müßte die Religion schrittweise verschwin­den. Religion sei Opium für das Volk.

Weil aber das Leben diese Theorie nicht bestätigt und die Religion in den kommunistisch beherrschten Ländern sich behauptet, deshalb benützen sie die verschiedensten propagandistischen, administrativen und sogar physi­schen Vernichtungsmittel, damit diese Theorie sich bestätigt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß die Sowjetunion folgende Politik verfolgt: Religion wird vorläufig toleriert, sofern sie eine verschwindende Erscheinung ist, aber mit aller Kraft dort vernichtet, wo sie neue Lebenstriebe zu zeigen beginnt. Einer verschwindenden römisch-katholilschen Kirche erlauben die sowjeti­schen Kultgesetze eine beschränkte Tätigkeit: Vollzug der Kulthandlungen der Priester und Spendung der Sakramente. Aber auch hier gibt es keine eigentliche Freiheit. Überhaupt wird die Tätigkeit der Gläubigen durch ver­schiedene inoffizielle, streng geheime oder halb geheime Erlasse und In­struktionen gehemmt. Meistens werden die Methoden des zaristischen Ruß­land blind kopiert: man ernennt Bischofskandidaten, mischt sich in die Tätig­keit der bischöflichen Generalvikariate ein, in die Tätigkeit der einzelnen Pfarrgemeinden und beauftragt mit ihrer Verwaltung die sogenannten Kir­chenkomitees, deren Mitglieder auch Atheisten sein können. Auf diese Weise wird die Verwaltung und Tätigkeit der Kirche gelähmt, und zwar von innen her.

Lage der orthodoxen Kirche in der Sowjetunion

Als nach der Oktoberrevolution in Rußland die Bolschewiken alle Regie­rungsgewalt in die Hand genommen hatten, setzte eine Behinderung der Gläubigen, besonders der Orthodoxen und Katholiken ein, die bald zu bluti­ger Verfolgung wurde. Durch neuerlassene Dekrete wurde die Kirche vom Staat getrennt und die Schule von der Kirche. In Wirklichkeit hat man die or­thodoxe Kirche durch den Staat unterjocht und in der Schule eine atheistische Erziehung eingeführt, wobei der Gottesdienstbesuch für die Jugend verboten wurde. Die Sowjetregierung ist durch viele Jahre ihrer Herrschaft zu der Überzeugung gekommen, daß die beste Weise der Glaubensbekämpfung nicht eine blutige Verfolgung, sondern die Zerstörung der Kirche von innen her ist. Zum Unglück lebte das Oberhaupt der orthodoxen Kirche innerhalb des Territoriums von Rußland. Außerdem sind die Orthodoxen gewöhnt, der Zivilregierung gehorsam zu sein. Nach schrecklichen Verfolgungen mußte die orthodoxe Kirche, wenn sie sich überhaupt halten wollte, der atheistischen Regierung alle möglichen Zugeständnisse machen. Man hat sie zum Einver­ständnis gezwungen, daß die Kirche von Personen geleitet wurde, welche Di­rektiven von Atheisten auszuführen versprechen. Das hat der orthodoxen Kirche sehr geschadet. Weil ihre Hierarchen durch verschiedene Erklärungen die Sowjetregierung gelobt und die Weltöffentlichkeit über angebliche Glau­bensfreiheit in der Sowjetunion irregeführt haben, sowie zur Mitarbeit mit dem Sicherheitsdienst bereit waren, verlor sie in den Augen der Priester und Gläubigen ihre Autorität. Es gab Bischöfe, die bei der Schließung von Kir­chen den Atheisten behilflich waren. Ein Teil der orthodoxen Geistlichen ist nur wenig gebildet, verschiedenen Lastern, sowie der Trunksucht und dem Materialismus ergeben. Sie haben kaum eine Seelsorgetätigkeit entfaltet, keine Kinderkatechese betrieben, sie predigen selten, ungern hören sie Beichte und ungern besuchen sie die Kranken. Die Mehrzahl begnügt sich mit dem Vollzug des gottesdienstlichen Ritus. Deshalb gibt es in Rußland nur wenig bewußte Gläubige.

Aber ein Teil der orthodoxen Priester und Gläubigen beachtet die Einschrän­kungen durch ihre Hierarchen nicht -, sie verkünden mutig das Evangelium Christi und tragen Sorge dafür, daß der Glaube nicht untergeht. Solche Per­sonen werden von den Gläubigen geachtet. Von ihrer Tätigkeit wird die Zu­kunft der orthodoxen Kirche in der Sowjetunion abhängig sein. Eine ähnliche Lage herrscht auch bei den Christen anderer Konfessionen. Die öffentlich tätigen Protestanten, Baptisten und verschiedene Sekten haben als Leiter Personen, die von Atheisten ausgesucht und ihnen ergeben sind. Durch diese können die Atheisten die Gemeindetätigkeit von innen zer­setzen.

Die aktivsten, die ihre religiöse Tätigkeit am wirksamsten entfaltet haben, sind die von der Regierung verfolgten, geheim oder halb geheim wirkenden Baptisen, Fünfzig-Tage-Adventisten, Zeugen Jehowas und andere religiöse Gruppen.

Lage der katholischen Kirche in der Sowjetunion

Mit den gleichen Methoden wollen die Atheisten in der Sowjetunion auch die katholische Kirche vernichten. Anfangs haben sie diese mit physischen Mitteln — durch Verhaftung und Verbannung der Kirchenleiter - von Bi­schöfen, Priestern und aktiveren Laien - vernichtet. In der letzten Zeit wol­len sie die katholische Kirche von innen her zerstören und bemühen sich des­halb, auf die Posten von Hierarchen Personen zu erheben, die ihre Direktiven auszuführen bereit sind, damit aber die Tätigkeit der Kirche lahmlegen. Gott sei Dank ist dieser Plan nur zum Teil gelungen. Im europäischen Teil der Russischen Föderation sind nur wenige katholische Kirchen geöffnet, diese sind weniger für Pastoration und mehr für Repräsentation bestimmt. Die St. Ludwig Kirche in Moskau befindet sich im Hof des Zentralgebäudes des Sicherheitskomitees der Sowjetunion. Deshalb wird dort jede auch noch so geringe religiöse Tätigkeit von den Beamten des Sicherheitsdienstes sorgfältig registriert. Die Mehrzahl der Kirchenbesucher bilden alte Polinnen, Auslän­der und Vertreter der russischen Intelligenz. Ähnlich ist die Lage der Kirche in Leningrad. Der Vorsitzende ihres Komitees ist der Vertreter des Sicher­heitsdienstes, er lebt mit einer fremden Frau zusammen und geht trotzdem zur hl. Kommunion. Als ein Priester aus Litauen zu Besuch kam und mit den Gläubigen sprechen wollte, hat der Vorsitzende dies nicht zugelassen. Die einheimischen Katholiken fürchten sich, in diesen Kirchen getraut zu werden. Es ist zweifelhaft, ob innerhalb eines ganzen Jahres wenigstens ein Kind zur hl. Kommunion vorbereitet wurde. Der katholische Glaube in Rußland ist zum Untergang verurteilt, wenn dort keine katakombenähnliche Tätigkeit entwickelt wird.

Etwas besser ist die Lage der anderen Kirchengemeinden, die innerhalb des Territoriums der Sowjetunion existieren, wo es aktive Gläubige gibt, die zur Katakombentätigkeit fähig sind, besonders unter den Deutschen und zum Teil auch unter den Polen. Wo keine Katakombentätigkeit vorhanden ist, da ist die katholische Kirche entweder ganz verschwunden oder am Absterben (in den Weiten Sibiriens).

Besonders schwer ist die Lage der Kirche innerhalb der Weißrussischen Re­publik. In keiner anderen Republik wird der katholische Glaube so verfolgt wie in Weißrußland. Hier sind viele herrliche Gotteshäuser geschlossen, andere in Lagerhäuser umgewandelt, verwahrlost und baufällig (Druja, Vyd-džiai u. a.). Hier herrscht auch großer Priestermangel. Ein Priester muß mancherorts die Gläubigen von 28 ehemaligen Pfarreien versorgen. Es gibt kein Priesterseminar und keine Anzeichen, daß neue Priester in den Kata­komben ausgebildet werden. Und wenn der eine oder andere Jungmann sich gefunden hatte, der seinen Willen bekundete in das Priesterseminar von Riga oder von Kaunas einzutreten, dann haben die Beamten des Sicherheits­dienstes ihn mit Anträgen zur Mitarbeit so bedrängt, daß er gezwungen war, in andere Republiken zu flüchten. Außerdem nimmt das Priesterseminar von Kaunas keine Kandidaten aus Weißrußland oder der Ukraine auf, aus Angst, die Sicherheitsbeamten könnten statt guter Menschen ihre Agenten ein­schleusen.

Die Kandidaten zum Priesterseminar wählt hier der Bevollmächtigte für Kul­tusangelegenheiten aus. Viele Priester Weißrußlands befinden sich im Alter von 70 Jahren, ja manche müssen zur Kirche getragen werden (z. B. der Pfarrer von Borūnai, der das Bein gebrochen hat und nicht bis zur Kirche ge­hen kann). In weiteren 5-10 Jahren könnte Weißrußland ohne Priester sein. Hier ist es verboten, Priester aus der Nachbarschaft zur Aushilfe einzuladen. Eine unmenschliche Arbeitslast treibt die jetzt noch einsatzfähigen Priester schnell zum Friedhof. Zu den Kranken müssen sie oft 130-200 Kilometer fahren.

In Minsk gibt es an die 40 Tausend Katholiken, aber keine einzige katholi­sche Kirche, die geöffnet wäre. Die Regierung hat den Katholiken erlaubt, Gottesdienst in einem orthodoxen Gotteshaus zu halten. Haben die Priester nicht einen Fehler begangen, als sie von dieser Erlaubnis keinen Gebrauch machten?

Weihnachten 1976 gab es in Gardinas, wo 3 katholische Kirchen geöffnet sind, keinen einzigen Priester, der für die Gläubigen eine Messe hätte feiern können. Die Gläubigen haben geweint, als sie zu dieser Zeit versammelt waren und ihnen das Schreiben ihres Ortsgeistlichen verlesen wurde, mit dem ihnen bekanntgegeben wurde, daß der Ortsgeistliche schwer erkrankt sei und nicht die nötige Kraft habe, um eine hl. Messe feiern zu können. Die schöne Kirche von Para verteidigen die Gläubigen schon 18 Jahre lang gegen die Schließung und halten jeden Sonntag einen Gottesdienst ohne Priester. Lange Zeit standen die Mitglieder des Kirchenkomitees an der Kirchentür und untersuchten die Personalausweise der Jugendlichen. Die Regierung hatte Jugendlichen bis zu achtzehn Jahren verboten, das Gotteshaus zu betre­ten. Besonders werden die Priester in solchen Pfarreien verfolgt, in denen Kinder zur Kirche kommen, z. B. in Breslava. Schwere pastorale Probleme wirft die Sprache auf. Die heranwachsende Jugend kann kein Polnisch mehr. Viele Ortspriester wollen aber keinen Katechismusunterricht für Kinder in weißrussischer oder russischer Sprache geben. Dadurch wird die Ausbreitung des Atheismus begünstigt. Sehr demoralisierend wird die in Weißrußland stark verbreitete Trunksucht. Die katholische Kirche wird am stärksten ver­folgt nicht von den Einheimischen, sondern von den russischen Ankömmlin­gen. Hier wird die Kirchenverfolgung gleichzeitig mit der Denationalisierung Weißrußlands betrieben.

Ukraine

Hier ist die Lage der römisch-katholischen Kirche ähnlich wie in Weißruß­land: die Priester sterben aus, es besteht kein Priesterseminar im Land. In der Ukraine gibt es einige jüngere Priester, die im Seminar zu Riga studiert haben. Den Katholiken des westlichen Ritus helfen die Geistlichen der Ostkirche. Der Seelsorge schadet jedoch sehr die nationale Unduldsamkeit zwischen Ukrainern und Polen.

Noch schwerer ist die Lage der griechisch-katholischen Gläubigen (der Unierten). Ihre Gotteshäuser sind alle geschlossen, die Priester werden heftig verfolgt. Es fehlt nicht an Lebensopfern. Den Priestern werden liturgische Bücher, Geräte und Gewänder weggenommen, da sie Eigentum des Patriar­chen von Moskau seien. Einige orthodoxe Geistliche halfen bei der Verfol­gung der Katholiken. Diese Lage ist für die Gläubigen des Ostritus in der Ukraine sehr peinlich, denn sie sehen, daß eine zu große Freundschaft zwi­schen den Katholiken Roms und dem Moskauer Patriarchat besteht, die aber für ihre Belange keine stärkere Unterstützung bedeutet. Glücklich ist die Kirche des Ostritus in der Ukraine insofern, als sie ihre Ka­takombentätigkeit stark entwickelt hat. Die örtlichen Beamten des Sicher­heitsdienstes sind der Meinung, daß in der Stadt Lvov jeder Ortsteil einen eigenen Priester des Ostritus hat. Man sagt, es werde bedauert, daß man sie in die Katakomben getrieben habe. Deshalb bestünde keine Möglichkeit, ihre Tätigkeit zu kontrollieren. Die Ukrainer, seit alters her an Verfolgungen ge­wöhnt und in Katakombentätigkeit geübt, sind für die Atheisten schwer zu unterdrücken. Sie sind ihrem Märtyrer-Kardinal J. Slipyj dankbar, der ihnen in guter Kenntnis der örtlichen Verhältnisse viel helfen konnte.

 

Lettland

Schon seit 1940 habe die Sowjetunion mit der Betreuung und Evangelisation aller Katholiken innerhalb der Union den Erzbischof von Riga betraut. Aber irgendwelche Folgen dieses Apostolates innerhalb dieser 40 Jahre sind schwer festzustellen. Man muß jedoch anerkennen, daß die Bischöfe Lett­lands diese Pflicht zum Teil erfüllen. Obwohl sie selbst nur wenige Priester haben, entsenden sie doch einige in die noch offengebliebenen Kirchen der Sowjetunion. Aber eine breitere Evangelisation in der Sowjetunion betreiben sie nicht. Warum? Die lettischen Katholiken bilden nur ein Viertel der Ge­samtbevölkerung Lettlands. Von alters her sind sie gewohnt, den Forderun­gen der Regierung gefügig zu sein. Um so eher vollziehen sie jetzt die Forde­rungen einer atheistischen Regierung, welche die Tätigkeit der Kirche behin­dert. Das religiöse Leben ist in vielen Pfarreien Lettlands etwas schwach. Die Priester fürchten, von der Regierung bestraft zu werden, und erhalten keine Ermunterungen von ihren Bischöfen; oft trauen sie auch einander nicht, die Mehrzahl begnügt sich mit dem Abhalten von Gottesdienst und Spendung der Sakramente an ältere und sterbende Menschen. Der Katechismusunter­richt ist vernachlässigt. Vielen weiblichen Ordensgemeinschaften fehlt der Geist des Apostolats. Sie haben die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils nicht studiert und sind um ihre Durchführung nicht bemüht. Sie geben kaum den Kindern Katechismusunterricht und nehmen wenig Anteil an der Seel­sorgearbeit. Sie sollen von oben die Anweisung erhalten haben - zu beten und zu warten.

Besser ist die Lage der katholischen Kirche in Tadschikien, Kasachstan und anderer Republiken, in denen viele eifrige deutsche und zum Teil auch polni­sche Katholiken leben. An deren Glaubenseifer und Gesinnung könnten sich die Gläubigen im Westen Deutschlands und in anderen europäischen Län­dern erbauen. Das sind erstaunliche Beispiele vom Wirken des Hl. Geistes! Ein Ergebnis der Tätigkeit von eifrigen Priestern, Ordensleuten und Tertia­ren. Sie haben es verstanden, ihre Gläubigen auf das Katakombenleben vor­zubereiten; die Gläubigen haben es fertiggebracht, ohne Bischöfe und Priester ihren Glauben zu bewahren. Der Glaube ist besonders in den Gegen­den lebendig, die von Priestern besucht werden, die selbst früher Gefangene und Verbannte gewesen sind. Eine besondere Verehrung hat P. A. Šeškevi­čius SJ, bei den Gläubigen erlangt. In vielen Wohnungen der Deutschen Asiens hängt neben den Heiligenbildern das Porträt von P. A. Šeškevičius. Die Atheisten der Sowjetunion schmieden neue Pläne zur Vernichtung der katholischen Kirche in der Sowjetunion. Man hört, daß sie durch einige Zuge­ständnisse an den Vatikan die Gründung eines Zentrums der katholischen Kirche in Moskau erreichen wollen. Ihr Leiter müßte ein der Regierung erge­bener Prälat im Kardinalsrang sein. Ihm müßten alle Bistümer der katholi­schen Kirche innerhalb der Sowjetunion unterstellt sein: in Litauen, in der Ukraine, in Weißrußland u. a. Damit wäre der erste Schritt zum Schisma vor­bereitet. Schon jetzt lassen einige orthodoxe Geistliche verlauten - da die ka­tholische Kirche den Moskauer Patriarchen als einen rechtmäßigen Hierar­chen anerkenne, wäre es für die Katholiken der Sowjetunion an der Zeit, sich vom Hl. Vater in Rom loszusagen. Ihre Leitung könnte der Patriarch von Moskau übernehmen.

Für uns ist die sogenannte „Ostpolitik" der letzten Zeit schwer verständlich geworden. Unserer Meinung nach hat sie der katholischen Kirche im Osten schwer geschadet. Wir hören folgende Erwägungen: die Sowjetunion ist ein mächtiger Staat, der zur Zeit mit physischer Gewalt nicht zu bezwingen ist. Man muß nach diplomatischen Wegen suchen, mit dieser Macht übereinzu­kommen, um die dort lebenden Gläubigen vor der Vernichtung zu bewahren. Unserer Ansicht nach halten jedoch nicht die diplomatischen Hilfsmittel von Grausamkeit ab, sondern die Notwendigkeit, mit der Stärke mächtiger Staaten, mit der Meinung der Weltöffentlichkeit und des eigenen Volkes zu rechnen und die Angst vor einem neuen Nürnberger Prozeß. Die Vertreter der Sowjetunion suchen gern Kontakte mit dem Apostolischen Stuhl, damit sie nach Zugeständnissen der katholischen Kirche noch subtiler die Kirche verfolgen können, insbesondere durch ihnen ergebene Kirchen­leiter. Die den Atheisten schmeichelnden Bischöfe stören oft durch ihre mündlich oder schriftlich gegebenen Erlasse besonders die Tätigkeit der Ka­takombenkirche (verbieten oft, in Privathäusern die hl. Messe für verfolgte Angestellte zu feiern, hindern oft das Beichtehören außerhalb ihrer Bistums­grenzen in Privatwohnungen, besonders von Ordensfrauen). Den Katholiken in östlichen Ländern imponiert eine mutige Glaubensvertei­digung. Wenn die Katholiken Litauens von Nicht-Katholiken oder gar von Personen mit atheistischer Weltanschauung verteidigt werden, wie durch die Akademiker A. Sacharov oder S. Kovalev, die ihre Freiheit riskieren, dann erwarten wir um so mehr ein uns verteidigendes Wort von unseren Brüdern, den katholischen Bischöfen und Gläubigen der anderen Länder. Gott sei Dank, in der letzten Zeit vernehmen wir auch schon ihre uns verteidigenden Stimmen.

Man hat den Eindruck, daß die Katholiken ihr Einvernehmen mit den Athe­isten Moskaus nicht stören wollen und deshalb die Taktik des Stillschweigens gewählt haben. Ein litauischer Bischof, aus Rom zurückgekehrt, hat behaup­tet, in seiner Audienz hätte der Hl. Vater geraten, die Gläubigen der Sowjet­union sollten „beten und ruhig und geduldig warten". Wir sind gewohnt, irregeführt zu werden und glauben einfach nicht, daß der Hl. Vater uns das geraten haben soll. Wir haben das Evangelium, die Beschlüsse des II. Vatika­nischen Konzils über die Missionen und Apostolat, wir hören die Worte des Hl. Vaters Paulus VI. im Rundfunk über die Evangelisationspflicht in der heutigen Welt, auch unter Aufopferung des eigenen Lebens. Wie können wir dann warten und schweigen, da doch die Atheisten und andere Feinde der Kirche nicht warten und nicht schweigen? Können wir ruhig zuschauen und warten, wenn Hunderttausende von Jugendlichen um uns herum vorhanden sind— Studenten und Intellektuelle, die sich nach dem Evangelium sehnen, enttäuscht von Atheismus und dem daraus resultierenden Sittenverfall? Würden wir so handeln, dann machten wir uns alle schuldig. Der hl. Paulus hat den Ausruf getan: „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkün­dige"! In dieser Hinsicht könnten uns verschiedene Sektierer der Sowjetuni­on als Beispiel dienen: Zeugen Jehovas, Adventisten. Sie haben die für die Sowjetunion passenden Methoden gefunden. Sie werden geistig und materiell von ihren Glaubensbrüdern im Ausland unterstützt. In ihren Reihen haben sie Mitglieder herangezogen, die von einem weder Tod noch

Verfolgung fürchtenden Apostolatsgeist beseelt sind, versorgt mit der neuesten Literatur, straff organisiert mit rangverschiedenen Leitern: eines Zirkels, eines Dorfes, einer Stadtgemeinde, Region, Republik usw.

Aber die katholische Kirche in der Sowjetunion war lange Jahre gleichsam wie abgestorben, ohne eine größere apostolische Tätigkeit zu zeigen. Jetzt ist die Lage stark verändert. Wir brauchen nicht ein einschläferndes, sondern ein ermutigendes Wort, eine angemessene Wirkungsfreiheit und entsprechende Vollmachten, ohne die wir uns nicht berechtigt fühlen, andere mit einer he­roischen Aufgabe zu beauftragen. Unsere Stärke ist die Einheit mit dem Hl. Vater und eine mutige und gut organisierte Verteidigung der verfolgten Kirche. Wir können uns freuen, daß in dieser Hinsicht die katholische Kirche gute Fortschritte gemacht hat. Die auf Grund solcher Anstrengungen hervor­gehobenen Tatsachen von Glaubensverfolgungen in der Sowjetunion haben sogar die kommunistischen Parteien im Ausland gezwungen, die in der So­wjetunion betriebene Verfolgung der Gläubigen zu verurteilen.

 

Litauen

ist wegen seiner geographischen Lage und geschichtlichen Entwicklung ein Vorposten der katholischen Kirche im Osten. Es kann die Aufgabe der Evan­gelisation im Osten erfüllen und der Menschheit durch Schaffung einer Syn­these von östlicher und westlicher Kultur dienen. Das Niveau des religiösen Lebens in Litauen könnte für die katholische Kirche und die Geschichte Eu­ropas von besonderer Bedeutung werden. Deshalb müßte die röm.-katholi­sche Kirche sehr daran interessiert sein, daß sich der Katholizismus in Litauen halten kann, in den Prüfungen erstarkt, bei gebührender Unterstützung sich voll entfalten und in der Lage sein kann, die von Vorsehung und Kirche be­stimmte Mission zu erfüllen. Im Baltikum ist Litauen der Staat, dessen Ein­wohner in der Mehrzahl katholisch sind. Auch jetzt wirkt die katholische Kir­che sowohl offiziell als auch in den Katakomben. Ihre Tätigkeit könnte noch wirksamer sein, wenn sie moralische und materielle Unterstützung durch die anderen Gläubigen erhielte. Ungeachtet einer langen, hartnäckigen und grausamen atheistischen Verfolgung ist der katholische Glaube in Litauen le­bendig geblieben. Dem Hl. Vater dürfen wir mit Freuden mitteilen, daß bei uns nur selten ein Priester auf sein Priesteramt verzichtet, daß es an Berufun­gen zum geistlichen Stand nicht fehlt, daß das eucharistische Leben rege ist und das Bußsakrament geschätzt wird. Wir haben viele Beweise, wie mutig die Priester und Gläubigen in Litauen ihren Glauben verteidigen. Wir haben eine Reihe von Blutzeugen des Glaubens und Jungfrauen, die bei Verteidi­gung ihrer Unschuld ihr Leben geopfert haben (Studentin Elena Spirgeviciūtė Stasė Lusaitė, Danutė Burbaitė u. a.). In unserem Land ist ein apostolischer Geist lebendig, der vom Verlangen besselt ist, den katholischen Glauben in den weiten vom Atheismus beherrschten Gebieten zu verbreiten. Auch in einer katakombenähnlichen Weise wirkt die katholische Kirche kräftig: es blüht die Untergrundpresse, der Katechismusunterricht ist breit gestreut, un­geachtet vielfältiger Opfer existieren die Ordensgemeinschaften. Es fehlt nicht an Funktionären in verantwortlichen Positionen und auch nicht an Mit­gliedern der Kommunistischen Partei, die, wenn auch im Geheimen, ihren Glauben bekennen. Beim Sterben bitten sie um ein Begräbnis mit katholi­schen Riten. Wir haben einige Märtyrer-Bischöfe: Erzfb. T. Matulionis, M. Reinys, Bischöfe V. Borisevičius, P. Ramanauskas. Für ihre Treue zur Kirche verbannt sind die Bischöfe J. Steponavičius und V. Sladkevičius. Etwa 600 litauische Priester sind in Gefängnissen gewesen und haben dort nicht aufgehört, die Lehre Christi zu verbreiten.

Aber die Ateisten Litauens hören nicht auf, das Leben der katholischen Kir­che auf verschiedenste Weise zu zerstören.

1.        Als erstes Mittel der Zerstörung der katholischen Kirche Litauens sind eifrige und beständige Bemühungen der Atheisten zu nennen, in die Hierarchie der katholischen Kirche Personen einzuschleusen, die bereit sind, die Direktiven ihrer atheistischen Auftraggeber auszuführen:

a) lügnerische Propaganda über angebliche Glaubensfreiheit in Litauen für das Ausland zu verbreiten. Nach Annahme dieser Bedingung verspricht man den verbannten Bischöfen die Erlaubnis, ihren Pflichten offiziell nachgehen zu dürfen; b) zu helfen, den Vatikan irrezuführen und mit den von den Athe­isten gewünschten Kandidaten die Bischofsstühle zu besetzen; c) die pasto­rale Tätigkeit zu untergraben durch Ignorierung der Beschlüsse des II. Vati­kanischen Konzils und der neuesten Dekrete des Hl. Vaters; d) die nach­lässigen Priester zu protegieren durch Versetzung auf wichtige Posten, die eif­rigen zu verfolgen durch Versetzung in abgelegene Stellen; d) den Katechis­musunterricht zu vernachlässigen usw. Zum Teil ist es den Atheisten gelun­gen, ihre Pläne durchzuführen, aber nicht ganz. Die neuernannten Bischöfe kümmern sich um die Seelsorge, so gut es geht. Die aus Altersgründen zur Pflichterfüllung und zum Widerstand gegen die Forderungen der Atheisten unfähigen würden ehrenvoll handeln, wenn sie ihr Amt niederlegen würden.

2.      Die Atheisten hindern die Kandidaten am Eintritt in das Priesterseminar, versuchen die eintretenden als Agenten des Sicherheitsdienstes anzuwerben, sorgen für einen niedrigen Stand der Wissenschaft und der Erziehung im Priesterseminar. Die Bischöfe können weder die Seminarleitung noch die Professoren frei bestimmen. Sie sind nicht imstande, die offenbar für diese Pflichten ungeeigneten Personen zu entlassen. Den Klerikern fehlt es an theologischen Handbüchern. Sehr dürftig ist die Seminarbibliothek, weil sie nicht durch neue, im Ausland erscheinende Werke rein religiösen Inhaltes er­gänzt wird. Es ist daher nicht verwunderlich, daß der Stand der Wissenschaft und der moralischen Erziehung im Priesterseminar von Kaunas recht niedrig ist. Junge Priester erholen sich geistig vielfach erst mit Beginn der Ausübung ihrer priesterlichen Pflichten.

3.      Eines der wirksamsten Zerstörungsmittel des Katholizismus in Litauen ist die gut organisierte atheistische Zwangserziehung der Kinder ohne jede Rücksicht auf die Deklaration der Menschenrecht oder auf die Beschlüsse der Konferenz von Helsinki. Auch jetzt noch werden die Priester für Katechis­musunterricht mit Geldstrafen belegt.

Die litauischen Lehrer werden vom Kultusministerium mit den verschieden­sten Mitteln gezwungen, die Jugend atheistisch zu erziehen. Der Teil der Leh­rer, der allein auf seinen Aufstieg bedacht ist, erfüllt diese Aufgabe sehr eif­rig. Nach Angaben der Atheisten Litauens kommen 70 Prozent der Kinder gläubig in die Schule; die Mittelschule absolvieren aber nur 30 Prozent, die ihren Glauben bewahrt haben. Weiter wird der Glaube in den Hochschulen zerstört. Alle Studenten sind verpflichtet, den Kursus des sogenannten „wissenschaftlichen Atheismus" zu absolvieren.

Weil der Kirchenbesuch für die Jugend verboten ist und ein großer Mangel an religiöser Literatur herrscht, ist ein Großteil der Jugend weniger atheistisch, als vielmehr ignorant. Die Früchte des Atheismus sind ein sogar den Athe­isten selbst Sorge bereitender moralischer Tiefstand der Jugend.

4.        Eine der am stärksten den Glauben und die Sittlichkeit der Litauer schädigende, die Würde der menschlichen Persönlichkeit erniedrigende Einwirkung ist die umfangreiche Anwerbung zu Spitzeldiensten für die Sicherheitsorgane mit allen möglichen Mitteln: durch Überredungen, Bestechungen, Erpressungen, Drohungen mit Entlassung von der Arbeit, schönsten Versprechungen von Aufstiegsmöglichkeiten oder von der Ermöglichung eines Hochschulstudiums. Wer nicht einverstanden ist, dem werden alle möglichen Strafen angedroht. Den Angeworbenen werden oft Strafen für kriminelle Delikte nachgelassen. Der Anwerbung sind fast alle ausgesetzt, angefangen von den ABC-Schützen bis hinauf zu den Bischöfen. Man muß schon zugeben, daß diese durch lange Jahre andauernde Terrorisierung ihre Resultate zeigt. Deshalb gibt es heute viele Litauer, die einander nicht trauen, ein offenes Wort fürchten und ständig Angst haben, von anderen verraten zu werden.

Ganz besonders stark werden die Anwärter des Priesterseminars umworben. Wer nicht einverstanden ist, Agent des Sicherheitsdienstes zu werden, dem wird gedroht, er würde in das Priesterseminar nicht aufgenommen oder seine Priesterweihe würde verhindert werden. Die Kleriker werden besonders in ihrer Ferienzeit terrorisiert. Manchmal wird von ihnen die Verpflichtung ab­verlangt, daß sie nach einigen Priesterjahren später öffentlich auf das Priesteramt verzichten müßten, wie es mit Hochw. Vytautas Starkus, Pfarrer von Sidabravas, geschehen ist.

5.        Am 28. Juli 1976 ist in Litauen ein neues Gesetz erlassen worden, in dem eine noch größere Beschränkung der Tätigkeit der katholischen Kirche vorgesehen ist. Ein Paragraph des neuen Gesetzes erlaubt dem Priester nur, religiöse Dienste ausschließlich in der Kirche zu erfüllen, bei der er von der Regierung registriert ist. Nach dieser Bestimmung ist es den Priestern verboten, zu den Nachbargeistlichen zur Aushilfe zu kommen, wenn sie an Patroziniumsfesten oder bei Beerdigungen mit der Andacht stark überlastet sind.

Nach diesem Gesetz ist es verboten, Religion zu lehren. Diese Lehre wird nur in den Priesterseminaren gestattet. Man muß neue Verfolgungen für alle er­warten, die mit den Kindern beten oder den Katechismus beibringen, Kennt­nisse vermitteln — sie werden jetzt aufgrund des neuen Gesetzes, bestraft werden. Das gleiche Gesetz verbietet den Priestern, ihre Gläubigen vor Weihnachten zu besuchen, obwohl die Kanones der katholischen Kirche dazu verpflichten. Der gleiche Ukas bestimmt, daß Gläubige nicht mehr selbst die Frage der Gründung von neuen Kirchengemeinden lösen dürfen, da dies künftig in die Zuständigkeit der Mitglieder des Exekutivkomitees im Rayon gehört.

Die katholische Kirche in Litauen wirkt auf zweifache Weise: öffentlich und geheim. Ganz auf katakombenähnliche Tätigkeit angewiesen sind alle männ­lichen und weiblichen Ordensgemeinschaften, Jugendliche, die sich im Ge­heimen auf das Priestertum vorbereiten, fast alle Lehrer und verschiedene Angestellte, die einen öffentlichen Kirchenbesuch und Sakramentenempfang fürchten, weil sie sonst schikaniert werden. Ein guter Teil auch der offiziell wirkenden Priester ist gezwungen, zugleich eine katakombenähnliche Tätig­keit auszuüben: Kinder auf die hl. Kommunion und auf das Firmungssakra­ment vorzubereiten, Kranke in solchen Krankenhäusern zu besuchen, in die ein Priester vom Krankenhauspersonal nicht hereingelassen wird, die Ange­stellten zu trauen.

Die katholische Kirche wirkt entweder ausschließlich oder doch zum großen Teil auf katakombenähnliche Weise in den weiten Gebieten Rußlands. Sie kann deshalb wirken, weil sie die Einschränkungen der Atheisten einfach nicht beachtet. Eine solche Tätigkeit ist sehr schwer, weil sie von den Athe­isten stärker verfolgt wird. Aber auch schwerer bezwingbar, wenn sie gut or­ganisiert ist. Die öffentlich wirkende katholische Kirche können die Athe­isten jederzeit vernichten — die Kirchen schließen, die Bischöfe und Priester verhaften. Aber es ist für sie sehr schwer, die Katakombenkirche zu besiegen, weil sie deren Tätigkeit nicht zu kontrollieren vermögen. Die in Katakom­benverhältnissen tätige Kirche behindert nicht die offizielle wirkende Orts­kirche, erstrebt nicht die Zerstörung ihrer Zucht oder ihre Spaltung, sondern bemüht sich mit allen Kräften, ihre Tätigkeit zu ergänzen. Soweit sie es kann, unterstützt sie die Autorität des Hirten, ist bemüht, Bedingungen für eine freiere Tätigkeit zu erkämpfen, verteidigt die Hirten gegen Verfolgung und Nötigung durch die Regierung, schneidet den Weg ab für ihre irreführenden Äußerungen.

Beziehungen der Katakombenkirche zur atheistischen Regierung

Die Regierung ist über die Tätigkeit der Katakombenkirche sehr ungehalten, weil sie darüber keine Kontrolle hat. Während die öffentlich wirkende Kirche so etwas wie Privilegien hat, wird die Katakombenkirche verfolgt. Deshalb werden die geheim wirkenden Priester und Ordensleute als Agenten des Va­tikans oder Mitarbeiter von ausländischen Geheimdiensten bezeichnet. Die Beschuldiger selbst wissen, daß dies nicht der Wahrheit entspricht. Auch die in Katakombenverhältnissen wirkende katholische Kirche bereitet keinen Aufstand vor und will nicht mit Gewalt gegen die sowjetische Ordnung kämp­fen. Sie verbietet nicht den Katholiken in der sowjetischen Armee zu dienen, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, oder in den staatlichen Behörden und Fabri­ken zu arbeiten. Viele Katholiken sind vorbildliche und vertrauenswürdige Mitarbeiter. Sogar die in ein katakombenähnliches Leben hineingetriebenen Ordensschwestern gelten als gewissenhafte Mitarbeiterinnen des Gesund­heitswesens, die sorgfältig auch Parteimitglieder und Sicherheitsdienstbeamte pflegen. Die in katakombenähnlichen Verhältnissen tätige Kirche ist nicht bemüht, gute Beziehungen des Apostolischen Stuhles mit der Sowjetunion zu zerstören. Sie ist vielmehr bestrebt, allen Menschen die Lehre Christi unge­hindert zu verkünden.

Es wurde ein großer pastoraler Fehler begangen, daß die Bischöfe, Priester und Gläubigen Litauens nicht rechtzeitig auf eine Seelsorgearbeit unter kata­kombenähnlichen Verhältnissen vorbereitet wurden, weder in juristischer noch in pastoraler Hinsicht. In dem Maße, in dem die Glaubensfreiheit sich vergrößert, wird die Katakombenkirche an Bedeutung verlieren. Je stärker die Verfolgung, um so mehr wird die Kirche gezwungen sein, tiefer in die Ka­takomben zu gehen und ihre Bedeutung wird zunehmen. In Anbetracht dieser Tatsachen wollen wir hoffen, daß unsere litauischen Brüder im Aus­land und die Bischöfe und Gläubigen der ganzen Welt uns helfen werden, unseren katholischen Glauben zu erhalten, uns helfen werden durch ihre Ge­bete und Opfer, und uns gegenüber den Glaubensverfolgern mit allen Kräf­ten verteidigen werden. So gut es eben möglich ist, werden sie die in Händen von Katholiken und von anderen guten Menschen befindlichen Mitteln der Nachrichtenübermittlung besser in diesem Sinne benützen. Soweit es geht, werden sie sich dafür einsetzen, daß die Leitung der katholischen Kirche nicht nur der öffentlichen, sondern auch der in katakombenähnlichen Verhältnis­sen tätigen Kirche Hilfe leiste.

In der letzten Zeit ist das Verhältnis zwischen dem Apostolischen Stuhl und der Sowjetunion besser geworden. Die Vertreter dieses Staates statten dem Hl. Vater ständig Besuche ab. Kardinäle weilen in Moskau und Leningrad zu Besuch. Keiner wird leugnen, daß man alle diplomatischen Kanäle ausnützen muß, um Wege sogar mit einer atheistischen Regierung zu suchen für Frie­den, Gerechtigkeit und Rassengleichheit in der Welt. Die Atheisten suchen gerne gute Beziehungen zum Apostolischen Stuhl. Aber durch diese diploma­tische Tätigkeit wollen sie Zugeständnisse aushandeln, mit denen sie der Kir­che mehr Schaden zufügen könnten. In der Regel halten sie ihre Verspre­chungen und Verträge nicht ein. Keine Freude für uns bedeuten die Verlaut­barungen der neuen Bischöfe Ungarns und der Tschechoslowakei. Die Athe­isten verbreiten Angst, wenn man ihren Forderungen keine Rechnung trüge, wenn die Tätigkeit der aktiven Katholiken nicht gehemmt würde, dann könn­te erneut eine blutige Verfolgung der Gläubigen ausgelöst werden, wie in den Jahren 1917-1923 oder 1930-1938. Für uns aber ist nicht so sehr eine blu­tige Verfolgung gefährlich, als vielmehr ein lautloser Erstickungstod, durch den die Kirche mit eigenen Händen erwürgt würde.

Alle diese Dinge vor Augen, bitten wir unsere litauischen Brüder im Ausland um Folgendes:

1.         Mehr Sorgfalt, Liebe, geistige und materielle Hilfe zu erweisen, besonders für unsere in katakombenähnlichen Verhältnissen lebende Kirche.

2.      In geziemender Weise den Apostolischen Stuhl zu bitten:

a.      soweit möglich, die Seligsprechung des Dieners Gottes Jurgis Matulai­tis - Matulevičius zu beschleunigen;

b.      dafür zu sorgen, daß die Seligsprechungsprozesse der neuen litaui­schen Märtyrer für Glauben und Sittlichkeit eingeleitet werden: für Erz-bischof T. Matulionis, Bischof V. Borisevičius, Studentin Elena Spirgevi-čiūtė, die einen der hl. Maria Goretti ähnlichen Heroismus gezeigt hat;

c.      den Hl. Vater zu bitten, keinen sittlichen und politisch kompromitier-ten Personen Bischofsstellen oder Ehrentitel zu verleihen und nicht auf die Empfehlungen derjenigen zu vertrauen, die den Apostolischen Stuhl bereits irregeführt haben;

d.      Anregungen zu geben, für die Evangelisation der Sowjetunion zu sor­gen: den Ortsordinarien zu befehlen, keine Schwierigkeiten denen zu machen, die in diesem Gebiet Missionsarbeit leisten wollen;

e.      Anstrengungen zu unternehmen, damit die Gläubigen Weißrußlands und der Ukraine das Recht erhalten, ihr eigenes Priesterseminar zu er­öffnen;

f.      dafür zu sorgen, daß Kirchen eröffnet und Priester bestimmt werden, wenigstens für die größeren Städte der Sowjetunion, wie Kijev, Minsk, Novosibirsk, Krasnojarsk, Omsk, Tomsk und ähnl.; pastorale Bestimmun­gen zu erlassen, die vom Apostolischen Stuhl durch Rundfunk zu verbrei­ten wären, welche die Evangelisation der Sowjetunion anregen und vom Tag ihrer Verlautbarung an Gültigkeit haben müßten; darauf hinzuwei­sen, daß die Ortsordinarien kein Recht hätten, deren Durchführung zu hindern. Den Priestern, die gegen kirchliche Disziplin nicht verstoßen ha­ben, die Beichtfakultät zu geben ohne Rücksicht auf Bistumsgrenzen, in Privatwohnungen, und das nicht nur für die Laien, sondern auch für die Ordensschwestern.

Das Dekret des II. Vatikanischen Konzils „Christus Dominus" Nr. 7 ermahnt die Bischöfe der ganzen Welt, besondere Liebe und Fürsorge den Priestern zu erweisen, die um Christi Willen alle möglichen Verfolgungen erleiden, ihnen zu helfen durch Gebet und Unterstützung. Außerdem ermahnt es alle Gläu­bigen, besonders solche in höheren Positionen, mutig die verfolgten Gläubi­gen zu verteidigen (vgl. Gaudium et spes 75). Wir erwarten, daß diese Be­stimmungen eifrig befolgt werden. Die Beschlüsse der Konferenz von Helsin­ki bieten gute Voraussetzungen, um die unterdrückten und verfolgten Gläu­bigen auf der ganzen Welt zu verteidigen, besonders in der Sowjetunion. Diese Erklärung wurde niedergeschrieben nach Anrufung des Heiligen Geistes um Erleuchtung, nach Anhörung der Meinung von vielen Priestern, Ordensleuten und gläubigen Laien. Wir hoffen, daß unsere litauischen Brü­der im Ausland, die Gläubigen und Menschen guten Willens auf der ganzen Welt uns nach Kräften helfen werden. Wir werden den Allerhöchsten bitten, daß unser Hilferuf erhört werde.