Vilnius

Das Kultusministerium der Litauischen SSR Verordnung Nr. 239, 2. August 1977

Wegen der nicht grundsatztreuen Haltung der Leitung und der Pädagogen der achtjährigen Schule Šumskas, Rayon Vilnius, während der Beerdigung des Schüler-Pioniers der Klasse 5, M. Mikulskis. 22

Am 19. Oktober 1976 ist der Schüler-Pionier M. Mikulskis der achtjährigen Schule Šumskas, Rayon Vilnius, Sohn der Lehrerin A. Mikulskaja, gestorben. Er wurde kirchlich bestattet.

Der Schüler wurde zu Hause ohne kirchliche Symbole aufgebahrt. Aber beim Wegtragen des Leichnams aus dem Haus wurde klar, daß der Sarg zur Kirche getragen wurde. Zum Begräbnis gekommen war die Mehrheit der Schüler, der Lehrer und die Einwohner der Gemeinde. Die Schüler begleiteten den Sarg mit Blumen und Kränzen bis zur Kirche. An den religiösen Hand­lungen nahmen sie nicht teil, sondern warteten auf der Straße bis sie zu Ende gingen. Die Lehrer der achtjährigen Schule Šumskas, ausgenommen N. Sutova... Gurin, H. Hrinovičius und A. Mikulskaja sowie ein Teil der Schüler, nahmen an den weiteren Zeremonien der Beerdigung nicht teil.

Nach den religiösen Handlungen in der Kirche ging die Beerdigungsprozession mit dem Pfarrer in kirchlicher Kleidung, den übriggebliebenen Schülern, die die Blumen und Kränze trugen, sowie den Einwohnern der Gemeinde zum Friedhof. Hier wurden die religiösen Handlungen fortgesetzt.

Die Leitung der Schule (Die Direktorin — Kommunistin J. Sidarevič, der stellvertretende Direktor S. Soboliev) und das Kollegium verhielten sich bei dem Ablauf der Beerdigung passiv, ergriffen nicht die Initiative, damit die Beerdigung nach den zivilen Bräuchen gestaltet werden konnte. Wegen der nicht grundsätzlichen Haltung der Leitung und der Pädagogen der Schule, wurde der Schüler mit religiösen Zeremonien beerdigt, an denen viele Schüler und sogar einige Lehrer teilnahmen.

Das Lehrerkollegium blieb weiterhin gleichgültig gegenüber diesem Vorfall, auch die Abteilung für Volksbildung (Leiter A. Ditkevičius) maß ihm keine besondere Bedeutung bei und verhinderte ähnliche Vorkommnisse bei künftigen Anlässen nicht; dagegen war diese Beerdigung Besprechungsthema bei einer der regelmäßig stattfindenden Gewerkschaftsversammlungen.

Verordnung

1. Es wird festgestellt, daß das Lehrerkollegium der achtjährigen Schule Šumskas (Direktorin J. Sidaravič) sich unverantwortlich verhalten hat, indem es zuließ, daß ein Schüler mit religiöser Zeremonie beerdigt wurde, die Schüler sich selbst überlassen waren, was von unbefugten Personen zum religiösen Gang zum Friedhof ausgenutzt wurde. In der Schule wird die atheistische Arbeit mit den Schülern vernachlässigt, sie wird nur formal geführt.

2. Für die passive Haltung bei der kirchlichen Beerdigung des Schülers und für die Erlaubnis, die Schüler daran geschlossen teilnehmen zu lassen, wird der Direktorin der achtjährigen Schule Šumskas, J. Sidarevič, ein scharfer Verweis erteilt.

3. Es wird festgestellt, daß die Lehrerin A. Mikulskaja sich nicht grund­satzgetreu verhielt, als sie ihren Sohn kirchlich beerdigen ließ. Damit hat sie die Verhaltensnormen eines Sowjetlehrers verletzt.

4. Die Schulleitung und das Lehrerkollegium sind darauf hinzuweisen, bei der kommunistischen Erziehung der Schüler erhöhte Verantwortung zu üben, um ihre wissenschaftlich-materialistische Weltanschauung zu formen.

5. Für die unverantwortliche Bewertung der Haltung der Schulleitung und der verantwortlichen Lehrer der achtjährigen Schule Šumskas, für nicht grundsatzgetreue Wertung sowie für die Nichtbestrafung der schuldigen Personen und für die Nichtergreifung von Maßnahmen, um ähnliche Fälle zu verhindern, wird dem Leiter der Abteilung für Volksbildung des Rayons Vilnius, A. Ditkevičius, ein Verweis erteilt.

6. Die Abteilung für Volksbildung des Rayons Vilnius (Leiter A. Ditke­vičius) wird verpflichtet, im Schuljahr 1977/78 während des ersten Halbjahres zu überprüfen, wie die wissenschaftlich-materialistische Weltanschauung der Schüler der achtjährigen Schule Šumskas während des Unterrichts und nach dem Schulbetrieb gefestigt wird. Davon ist das Kultusministerium in Kenntnis zu setzen.

7. An die Leiter der Abteilung für Volksbildung der Rayons und Städte:

1. Es ist zu gewährleisten, daß in der Tätigkeit der Schule gemäß dem Beschluß des Kollegiums des Kultusministeriums der Litauischen SSR über Verbesserungen der Maßnahmen des Kultusministeriums für die atheisti­sche Erziehung der Schüler in Ausführung des Beschlusses des ZK der Litauischen KP vom 11. April 1977, betreffend die Mittelschule Pabiržė, vorgegangen wird,, um den Schülern die wissenschaftlich-materialistische Weltanschauung einzuimpfen.

2. Die atheistische Erziehung der Schüler in den Schulen ist zu verstärken, es sind Maßnahmen und Formen der atheistischen Propaganda zu verbessern, es ist zu gewährleisten, daß die Schüler an keiner Veranstaltung teilnehmen, die mit religiösen Riten durchgeführt wird.

Der Vorsitzende des Kollegiums Der Kultusminister A. Rimkus.

Šiluva

21. August 1977. „Gegrüßt seist Du Maria, voll der Gnaden..." Aus den Herzen der Tausende von Menschen umfassenden Menge schallten die machtvollen Worte des Gebetes; sie fanden Widerhall im geheimnisvollen Brausen des Waldes; die ganze Luft war wie mit Freude erfüllt und es schien, als ob sie dem Takt der marschierenden Menge zustimmte. Es waren die Freunde der Eucharistie, die auf ihrem III. Eucharistischen Marsch in geraden Doppelreihen mit Blumen in den Händen auf dem Weg waren, die wundertätige Mutter Gottes von Šiluva zu verehren. Durch ihre Fürsprache erbaten sie für Litauen vom Eucharistischen Jesus Abstinenz, Sittlichkeit und Glauben; sie beteten zu Gott für die Sünden des Volkes, schöpften für sich Kraft, Stärke und Mut.

Solche Pilgermärsche sind schon zu einer schönen Tradition geworden. Angefangen hat es im Jahre 1975. Es sind zugleich Wallfahrten der Buße. Aus allen Ecken Litauens versammeln sich diejenigen (meistens Kinder und Jugendliche), die sich um die Zukunft ihres Vaterlandes Litauen sorgen, und pilgern, laut den Rosenkranz betend, zu Fuß nach Šiluva.

Nicht wiederzugeben ist der Eindruck, wenn der mächtige Zug „Maria, Maria" anstimmt, oder gemeinsam den Rosenkranz betet. Um so erstaun­licher ist diese Tatsache, wenn man die Lage in Litauen bedenkt, wo die gläubigen Jugendlichen verfolgt werden, wo es fast unmöglich ist, eine Fahrt­gelegenheit oder einen Fahrer nach Šiluva zu bekommen.

In den Jahren 1975 und 1976 verliefen die Wallfahrten verhältnismäßig ruhig, obwohl manche Fahrer angehalten wurden; außerdem versuchte man, die Teilnehmer abzuschrecken, denn die Kennzeichen der privaten Autos wurden demonstrativ aufgeschrieben.

In diesem Jahr wurde die Obrigkeit besonders aktiv. Die Polizei und die Sicherheitsbeamten bewachten den Wald, wo wir uns für den gemeinsamen Marsch versammelten, schon ab 5 Uhr morgens. Polizeiautos wachten auf jeder Straße, die nach Šiluva führte und vorbeifahrende Pkws wurden durchsucht. Dabei mußten die Mitfahrer aussteigen und manchem Fahrer wurde sogar der Führerschein abgenommen. Die Polizei schrieb die Kenn­zeichen der privaten Wagen auf und kontrollierte die Dokumente der Eigentümer. Viele waren gezwungen, den Weg zum verabredeten Sammelpunkt eiligst zu Fuß zu bewältigen. Aber die Menschen, voller Enthusiasmus und Mut, Hessen sich nicht einschüchtern.

Am Treffpunkt im Wald wurde ein Kreuz aufgerichtet, das Jugendliche mit einem Rautenkranz schmückten und um das sie einen Kreis bildeten und laut den Rosenkranz beteten. Die Polizei und die Sicherheitsbeamten gingen verwirrt umher; da die Pilger von ihnen keine Notiz nahmen, befanden sie sich in einer bemitleidenswerten Lage.

Nachdem alle angekommen waren, stellten sie sich in Reihen auf, und es wurde das Motto der Pilgerfahrt verkündet:

„Wir wollen für Litauen beten und Maria bitten, uns vor der Alkoholflut, vor der Unsittlichkeit und vor der Gottlosigkeit zu beschützen. Wir werden für uns und andere um einen festen Glauben, um Mut und Willenskraft bitten. Wir werden auch für diejenigen beten, die uns daran hindern und es verbieten; wir werden beten, daß der gute Jesus ihnen die Gnade erweist, ihre Fehler einzusehen. Sie sind ja auch Gotteskinder und vom selben Volk — Söhne Litauens. Wir haben keine Feinde (obwohl wir von vielen als Feinde angesehen werden), sondern nur irrende Brüder, deswegen haben wir im Herzen nur den einen großen Wunsch, daß alle verstehen mögen, daß der Mensch nicht nur von Brot allein lebt, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt".

Die Reihen der Menschen bewegten sich in Richtung Šiluva und deren Herzen und Lippen wiederholten: „Sveika Marija... Sveika Marija... Sveika Marija..." (Sei gegrüßt Maria...)

Fahrzeuge der Sicherheitsbeamten und der Polizei (es waren 10) umkreisten die Wallfahrer auf dem ganzen Weg. Aus einem Auto wurde der Marsch sogar heimlich gefilmt. Im Städtchen auf den Kreuzungen und Bürgersteigen standen die Polizisten und beobachteten aufmerksam die Pilger.

Nach der Messe, als sich die Teilnehmer schon auf dem Heimweg befanden, wollten zwei Polizisten gewaltsam einen Teilnehmer abführen. Aber die zu diesem Zeitpunkt auf der Straße befindlichen Pilger versuchten angesichts des von der Polizei an den Händen ergriffenen Mannes, laut schreiend den unschuldigen Menschen zu retten. Die Menschenmenge entriß den festge­nommenen Pilger den Polizisten. Da sich viele Menschen in der Nähe befanden, hatte die Polizei nicht den Mut, erneut jemanden festzuhalten. Auch auf dem Heimweg überwachte die Verkehrspolizei noch immer die Straßen, kontrollierte vorbeifahrende Autos, suchte sogar unter den Reisenden der Linienbusse nach „Verbrechern" — den friedlichen Pilgern. Am nächsten Tag wurden vom Sicherheitsdienst Vilnius Frau J. Petkevičienė und vom Sicherheitsdienst Šiauliai K. Jurevičius vorgeladen.

Das ist noch ein offenkundiger Beweis der Religionsverfolgung in Litauen man darf nicht beten, man darf sich nicht zum Glauben bekennen, obwohl die Staatsgesetze — die Verfassung und der Entwurf zur neuen Verfassung — es verbürgen. Diese Garantie ist nur eine Augen wischerei, nur Propaganda, im täglichen Leben ist alles ganz anders.

Laut statistischen Angaben nahmen an dieser eucharistischen Pilgerfahrt zwischen 800 und 1 000 Pilger teil; im Jahre 1975 waren es um 500-600 Teil­nehmer; 1976 nahmen 600-700 Pilger teil.

Šilalė

In den letzten Dezembertagen des Jahres 1976 besichtigte der Stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees des Rayons Šilalė, P. Baguška, bei allen Pfarrern des Rayons die Wohn- und Schlafzimmer, sowie die Küchen. Wozu soll das gut sein? Da er erst im Herbst 1976 seine Tätigkeit aufgenommen hatte, war es seine erste Vorbereitung für einen Angriff auf die Geistlichkeit.

Kvėdarna

Am 3. und 5. Januar 1977 wurden der Pfarrer von Kvėdarna, Julijonas Miškinis, und der Vorsitzende des Pfarrgemeinderates, Antanas Poška, zum Jahresbericht vom Exekutivkomitee des Rayons Šilalė vorgeladen. Der Stellvertretende Vorsitzende des Rayons, P. Baguška, erklärte mit erhobener Stimme: „Werden auch weiter die Kinder die Messe ministrieren oder kirch­liche Lieder singen, so müssen der Pfarrer und der Vorsitzende des Pfarr­gemeinderates ihre Stellen anderen überlassen".

Kvėdarna

Am 13. Juni 1977 lud der Stellvertretende Vorsitzende des Rayons Šilalė, P. Baguška, den Pfarrer Julijonas Miškinis und den Vorsitzenden des Pfarr­gemeinderates der Pfarrei Kvėdarna vor. Baguška befahl streng, daß die Kinder die Messe nicht mehr ministrieren und der Pfarrer bei Beerdigungen die Leichnahme nicht zum Friedhof begleiten dürften. Der Pfarrer erklärte, es gebe ein vom Ministerrat bestätigtes „Ritual", nach welchem er auch beerdigte. Außerdem wird die Gestaltung der Zeremonien von den Kurien festgelegt. Baguška schrie, daß er kein Ritual und keine Kurie anerkenne. Bei Nichtbefolgung seiner Anordnungen werde er dem Pfarrer die „Hörner abstoßen".

Im Juli 1977 wurde der Pfarrer von Kvėdarna, J. Miškinis, wieder in das Büro des Stellvertretenden Vorsitzenden des Rayons Šilalė, P. Baguška, vorgeladen. Diesmal kam P. Baguška, der Vertreter des Sicherheitsdienstes, Jackus, zu Hilfe. Hier wurden wieder Vorwürfe erhoben und Drohungen ausgestoßen; man dürfe die Verstorbenen nicht zum Friedhof begleiten, weil damit der Verkehr gestört sei, ohne Pfarrer bestünden keine Behinderungen des Verkehrs. In Wirklichkeit werden die Trauerzüge ohne jemanden aufzu­halten, über die Nebenstraße Jūra, geleitet.

Der Vertreter vom Sicherheitsdienst, Jackus, beschuldigte den Pfarrer, er würde sich mit dem Stellvertretenden Vorsitzenden des Rayons, P. Baguška, nicht vertragen und nicht verstehen. Der Pfarrer erklärte, schon wegen der erhobenen Stimme sei eine Unterhaltung wie unter gebildeten Menschen unmöglich und erinnerte an den Ausspruch des Stellvertretenden Vorsitzenden: „In meinem Büro kann ich tun, was ich will..." Der Sicherheitsbeamte versuchte den Stellvertretenden Vorsitzenden zu rechtfertigen, er sei noch ein ganz junger Mitarbeiter. Beide Beamten griffen den Pfarrer an, weil er dem Dekan Kan. Feliksas Valaičis nicht gehorche. Sie nahmen auch am Alter des Papstes Anstoß. Darauf erwiderte der Pfarrer, die Moskauer Führer wären auch überaltert und strebten nur danach, ihren eigenen Personenkult zu verewigen.

Kvėdarana An den

Beauftragten des Rates für religiöse Angelegenheiten beim Ministerrat der Litauischen SSR, K. Tumėnas

Eingabe

des Pfarrers Julijonas Miškinis, wohnhaft in Kvėdarna, Rayon Šilalė

Am 1. Oktober dieses Jahres erschien in der Regionalzeitung des Rayons Šilalė „Artojas" (Der Pflüger) ein vom dem Redakteur Alfonsas Briedis verfaßte Artikel „Žvejyba drumsčiant vandenį (Im Trüben fischen). Dieser Artikel stellt eine offene und öffentliche Beleidigung meiner Person als Bürger der UdSSR dar. Während einer Gerichtsverhandlung werden immer beide Seiten gehört. Hier wird gerichtet, verdammt und angeklagt für etwas, was ich bestimmt nicht verbrochen habe.

Im Artikel werden Kinder erwähnt, die der Hl. Messe dienen und im Kirchenchor singen. Sie aus der Kirche zu weisen oder vom Altar zu jagen, wie der Stellvertretende des Exekutivkomitees des Rayons Šilalė, Petras Boguška, fordert, habe ich kein Recht, da die Kirche nicht mir gehört, sondern der Gemeinde. Die Kirchengemeinde besteht aus allen getauften Erwachsenen wie auch Kindern. Die Kirche wird von den Gemeindemit­gliedern unterhalten. Darum haben sie das Recht, mit den Kindern oder auch ohne sie in die Kirche zu gehen; auch den Platz, den sie in der Kirche einnehmen, können sie selbst bestimmen. Dasselbe gilt auch für den Gesang. Wenn die sangesfreudigen Eltern auch ihre Kinder zur Orgel mitnehmen, so wird der Pfarrer doch nicht auf die Empore steigen, um die Kinder hinaus­zuwerfen. Meine Pflicht als Pfarrer ist es, die gläubigen Eltern zu ermuntern, auf die religiöse Erziehung ihrer Kinder achtzugeben. Ich bin überzeugt, daß die Kinder, die von ihren Eltern in die Kirche mitgenommen werden, nicht die Fenster der neuen Bushaltestelle, die Fenster des Kiosks „Lelija" aus­geschlagen haben oder die Köpfe der Standbilder auf dem Kirchenhof mit Töpfen versehen haben. Kann man schweigen, wenn solche Dinge passieren, ist man denn nicht verpflichtet, die Eltern zu ermahnen, daß sie besser auf ihre Kinder aufpassen sollten? Es ist besser, wenn die Eltern ihre Kinder in die Kirche mitnehmen, als wenn diese ihrem Schicksal überlassen werden.

Im Dezember des letzten Jahres, als ich in liturgischer Kleidung unterwegs zu einem Kranken war, haben zwei Schüler mit harten Schneebällen die Fensterscheiben des Autos beworfen. Fast wäre es zu einem Unfall gekommen. Über diesen Vorfall habe ich die Schule in Kenntnis gesetzt, und solche Vorfälle haben sich nicht wiederholt. Nach ein paar Tagen wurde ich von dem Stellvertretenden Vorsitzenden des Exekutivkomitees des Rayons, P. Baguška, vorgeladen, der mich mit erregter Stimme anschrie, ich hätte kein Recht mich zu beschweren. Heißt dies, daß man mit einem Pfarrer alles machen darf: ihn anschwärzen, verleumden, bewerfen, er aber rechtlos bleibt?

A. Briedis schreibt, ich hätte in der Predigt Pfarrmitglieder beschuldigt und die Namen der „Sünder" dem Kirchenvorsteher genannt. Welche Namen? Wessen, wem und wann? Es heißt, will man jemanden schlagen, so findet man auch einen Stock. Vielleicht nennt der Autor dieses Artikels deswegen auch keine Namen, sondern erfindet selbst welche und gibt nur Initialen an: B.D., M.J. und P. Wenn alles wahr ist, was er berichtet, wieso verschweigt er die Namen? Er tut es anscheinend nur deswegen, um einen anzuschwärzen und die Feststellung der Wahrheit zu erschweren. Mit keinem habe ich alte Rechnungen beglichen, keinen, der gekommen ist, habe ich verleumdet,

Dieb oder Dirne genannt; so was konnte nur der Autor des Artikels in der Zeitung tun. Es besteht auch die Möglichkeit, daß er jemanden bestochen hat, damit er Lügen über den Pfarrer verbreite. Warum aber kommen die Verleumder nicht zum Vorschein? Es müßten Zeugen vorhanden sein. Kann man jemanden richten, ohne Zeugen zu haben?

Zu der Zeit, als ich im Kvėdarna wohnte, geschah in der Kirche kein Dieb­stahl. In der Zeitung wird dagegen vom Diebstahl eines Kreuzes berichtet.

Es stellt sich die Frage, ob ein Schreiber ein beleidigendes Feuilleton über Kinder und Abtreibungen schreiben und diese immer wiederholen kann, ohne ein Strafverfahren befürchten zu müssen. Jeder hat das Recht, seinen guten Namen zu verteidigen. Ich habe keinem geraten, er solle abtreiben. Wenn man das immer wieder behaupten kann, kann man genauso gut behaupten, ich wäre ein Mörder, ein Brandstifter, daß ich die Schaufenster­scheiben zerschlage und ähnliches, aber wird es der Wahrheit entsprechen?

Zum Schluß wirft mir derselbe Verfasser des Artikels, A. Briedis, Unter­schlagungen vor. Er schreibt, ich hätte aus der Gemeindekasse die Abeiter entlohnt. Wann und für wen? Bevor man eine solche Behauptung druckt, sollte man sie überprüfen. Es besteht ein Kirchenkomitee, das den Arbeits­vertrag abgeschlossen hat und die Arbeiter bezahlte; es führt auch das Ein-und Ausgabenbuch. Die Zeitung beschuldigt dagegen mich.

Am 13. Juni dieses Jahres wurde ich vom Stellvertretenden Vorsitzenden, P. Baguška, in das Exekutivkomitee des Rayons Šilalė, vorgeladen. Kaum hatte ich das Büro betreten, schrie mich der Stellvertretende Vorsitzende an: „Wir werden Ihnen die Hörner abstoßen!" Als ich eine Bemerkung wegen des angeschlagenen Tons machte, erwiderte er: „In meinem Büro tue ich, was ich will..." Am stärksten wurde ich angegriffen, daß ich mich nicht an die Vorschriften bei Beerdigungen halte, weil ich mit auf den Friedhof gehe. Ich versuchte zu erklären, es gebe aus dem Jahre 1966 ein Ritual, nach welchem ich auch die Beerdigungszeremonie durchführe, daß uns die Zeremonien, wie sie auszuführen seien, von der Kurie vorgeschrieben werden. Es folgte eine kurze Antwort: „Ich erkenne keine Kurie und kein Ritual an; zum Friedhof darf man vorher oder nachher gehen, Hauptsache nicht zusammen mit der Trauergemeinde". Als ich mich erkundigte, wie ich den Leuten das begreiflich machen solle, antwortete er, es sei nicht meine Pflicht, die Gesetze auszulegen, sondern sie auszuführen.

Am 26. Juli wurde ich aus demselben Grund wieder nach Šilalė, vorgeladen. Am Schluß der Unterredung wurde mir erklärt, wenn ich auch weiterhin an den Beerdigungen teilnehmen würde, so dürfe ich nicht mehr im Rayon Šilalė wohnen.

Am 3. oder 4. Oktober dieses Jahres erklärte Lehrerin Krasnickienė in der litauischen Stunde der Mittelschule Kvėdarna den Begriff Ausbeuter, und als lebendiges Beispiel dafür wurde der Pfarrer von Kvėdarna, Julijonas Miški­nis, genannt. Es würde mich interessieren, wann ich sie, ohne sie überhaupt zu kennen, ausgebeutet oder ihr etwas zuleide getan habe? Hat sie das Recht, so etwas den Schülern zu erklären?

Ich bin schon 16 Jahre im Dienst und hier ist nicht meine erste Stellung. Überall bin ich mit allen gut ausgekommen. Ich frage mich, gibt es überhaupt Gerechtigkeit und wo kann man sie finden? Wenn es Gerechtig­keit gibt, so müßten die Lügen in der Presse widerrufen werden. Oder sind wir, die Geistlichen, vogelfrei?

Ich bitte Sie sehr, dafür zu sorgen, daß die Wahrheit ans Licht kommt.

J. Miškinis

Kvėdarna, den 7. Oktober 1977 Pfarrer von Kvėdarna

(Anmerkung der Redaktion: Die Eingabe wurde gekürzt.)

Warum die Behörden des Rayons Šilalė auf den Pfarrer J. Miškinis böse sind, kann man demselben Artikel „Im Trüben fischen" entnehmen. Dort steht: „Zuerst nur einige, später schon eine Gruppe von minderjährigen Mädchen, wurden in den Kirchenchor aufgenommen. Zum Dienen der Messe kamen auch die Knaben..."

Den größten Haß des atheistischen Regimes in Litauen bekommen diejenigen aktiven Pfarrer zu spüren, die die Jugendlichen an die Kirche zu binden versuchen.

Viduklė

An den

Ersten Sekretär der Litauischen Kommunistischen Partei, P.Griškevičius Eingabe

der Gläubigen, der römisch-katholischen Pfarrei Viduklė. Die sowjetische Presse, besonders die Zeitung Valstiečių laikraštis (Bauern­zeitung), die für die landwirtschaftliche Gebiete bestimmt ist, behauptet,

daß die Gesetze in Litauen die volle Gewissensfreiheit garantieren. Aber in der Praxis sieht es anders aus. Wir haben das Unrecht noch nicht ver­gessen, welches der Kirche zugefügt wurde durch die Verurteilung der Pfarrer A. Šeškevičius, J. Zdebskis und P. Bubnys wegen einer Prüfung der Kinder aus Anlaß der Vorbereitung zur Beichte und ersten hl. Kommunion. Jetzt erlebt die Pfarrei Viduklė dasselbe Unglück. Im vergangenen Jahr ging eine etwa tausend Personen umfassende Menge der Einwohner von Viduklė am Vorabend von Allerseelen zum Friedhof, um ihre Toten zu ehren. Dieses mißfiel den einheimischen Atheisten (nebenbei bemerkt, diese kann man bei uns an den Fingern abzählen) uns so belegte die Administrativkommission beim Exekutivkomitee des Rayons Raseiniai unseren Pfarrer Alfonsas Svarinskas mit 50 Rubeln Geldstrafe. Es scheint so, daß die Atheisten ihre Toten ehren können, den Gläubigen ist es aber verboten, oder sie dürfen ihrer Toten nur unter Leitung der Atheisten, nur mit sowjetischer und atheisti­scher Poesie gedenken, aber nicht mit Gebeten und religiösen Liedern.

Am 26. Juli dieses Jahres prüfte der Pfarrer in der Kirche von Viduklė die Kinder, welche sich auf die erste hl. Kommunion und die Firmung vorberei­teten. Es ist allgemein bekannt, daß die Anweisung der Bischöfe verpflichtet, die Kinder zu überprüfen, und wenn es nötig ist, zu bitten, sich besser vorzu­bereiten. Dies ist also die heilige Pflicht eines Pfarrers. Am Nachmittag, um 17 Uhr, kamen der Gemeindevorsitzende, A. Zigmantas, ein Polizist und drei Lehrerinnen in die Kirche. Ohne dem Pfarrer, den Kindern und deren während der Überprüfung in der Kirche anwesenden Eltern ein Wort zu sagen, gingen sie wieder hinaus und setzten in der Feuerwache ein Protokoll auf, daß der Pfarrer die Kinder unterrichtet habe. Es geht das Gerücht um, daß das Verfahren gegen den Pfarrer an die Staatsanwaltschaft in Vilnius weiter­geleitet wurde. Wir sind der Meinung, daß die Vertreter des Staates sich hätten vorstellen, den Zweck ihres Kommens erklären und den Pfarrer um eine Erklärung bitten müssen. Mit dem gezeigten Benehmen haben sie nur die Kinder erschreckt und die Gläubigen der Pfarrgemeinde von Viduklė erzürnt. Es ist bedauerlich, daß dort, wo Kinder wirklich Verbrechen begehen, keine Polizei, keine Vertreter des Staates und keine Lehrer zur Stelle sind. Unlängst wurde im Haus der Kultur von Viduklė eine Schülerin wegen Diebstahls angeklagt. Es ist allen bekannt, daß man die Fahrräder nicht auf der Straße und auf den Höfen stehen lassen darf, aber alle schwiegen darüber.

Die Maßnahmen vom 9. August 1977 gaben uns den Rest. Der Beauftragte der Gemeindepolizei von Viduklė, Ltn. Butkus, und zwei Lehrerinnen ver­folgten die Kinder auf den Straßen sowie in die Wohnungen und schleppten sie ohne elterliche Einwilligung in die Mittelschule zum Verhör. Hätten die Kinder ein Verbrechen begangen (in diesem Fall waren es eher die Jäger), so hätte man die Eltern vorladen müssen und in ihrer Anwesenheit die Kinder befragen müssen. Jedem Menschen guten Willens ist klar, wieviel die Angaben und diktierten Erklärungen wert sind, die mit Gewalt erpreßt wurden. Leider können das nur die Atheisten nicht verstehen. Ihnen ist jedes Mittel recht. Eine solche Jagd hat Viduklė noch nie gesehen. Es ist zweifelhaft, ob sie der sowjetischen Regierung Ehre bereitet? Die Schule verliert bei Eltern und Kinder in solchen Fällen die Autorität. Es ist fraglich, ob ein gläubiger Mensch noch den Versicherungen, in Litauen gebe es volle Religionsfreiheit, Glauben schenken wird.

Wir sind vollkommen sicher, und das bestätigt die Nachkriegszeit in Litauen, daß aus unseren Kindern gute Menschen werden können allein durch einen tiefen Glauben an Gott. Wegen der zur Zeit katastrophalen Moral der Jugendlichen und der Erwachsenen tragen die Atheisten Litauens die volle Verantwortung. Mit Gewalt werden sie unsere Kinder und uns nicht gottlos machen. Im Gegenteil, — Verfolgung, Verhöre und Gerichtsverfahren — werden uns noch enger an die Kirche binden. Bis jetzt gaben uns die Atheisten keine schönen und nachahmenswerten Beispiele — es ist allen bekannt, — wie es in ihren eigenen Familien aussieht.

Kommt es zu einem Gerichtsverfahren gegen unseren Pfarrer, A. Svarinskas, wegen der Überprüfung der Kenntnisse unserer Kinder (wir haben unsere Kinder selbst unterrichtet und werden alles daransetzen, daß sie keine Atheisten werden), so müssen wir es als gewöhnliche Fertigmachung eines guten und der Kirche ergebenen Pfarrers betrachten.

Dieser schmerzliche Fall berührt nicht nur die Eltern, deren Kinder gejagt und mit Gewalt verhört wurden, nicht nur die Eltern, deren Kinder sich in diesem Jahr auf die Beichte und Erste hl. Kommunion vorbereitet haben, nicht nur die tief gläubige Pfarrgemeinde von Viduklė, sondern alle Gläubigen Litauens. Es ist ein brutaler Verstoß gegen die Menschenrechte und die sowjetische Verfassung. Darum verwahren wir uns energisch gegen solche eigenwilligen Maßnahmen der Atheisten und bitten Sie, alle Mittel zu ergreifen, daß solche Vorfälle, die dem sowjetischen Regime keineswegs zur Ehre gereichen, sich in Viduklė und auch anderswo in ganz Litauen nicht wiederholen. Wir werden niemals damit einverstanden sein, als Bürger zweiter Klasse in unserer Heimat betrachtet zu werden.

Viduklė, den 14. September 1977

Am Fest der Verehrung des hl. Kreuzes

Unterschriften von 192 Gläubigen der Pfarrei Viduklė

Kaišiadorys

Die Bischöfe haben in einem Rundschreiben den Wunsch geäußert, man solle, falls die entsprechenden Voraussetzungen vorhanden sind, z.B., wenn die Vorkirche durch ein verschließbares Gitter von der Hauptkirche getrennt ist, die Vorkirche nach der Frühmesse offenlassen, damit die Gläubigen die Möglichkeit zum Gebet haben. In Kaišiadorys wurde der Vorraum den ganzen Tag über offengehalten, nur das Gitter zum Dom wurde abgesperrt.

Am 17. September 1977, um 14 Uhr haben Verbrecher, nachdem sie die Gitter aufgesperrt und in die Kirche eingedrungen waren, die Tür des Taber­nakels aufgebrochen und die hl. Hostien verstreut. Aus dem Tabernakel des seitlichen Altars, der die Sachen für die Taufe enthielt, holten sie die Gefäße mit demhl.Öl heraus, gössen das Weihwasser auf den Boden; in ein anderes Gefäß gössen sie stinkende Flüssigkeit und bespukten den Fußboden. Daraus ist ersichtlich, daß die Verbrecher nicht auf ein paar Rubel aus waren, sondern sie wollten die Kirche und das hl.Sakrament schänden. Bezeichnend war die Reaktion der Polizei. Die Polizeibeamten versuchten hartnäckig, den Pfarrer nach seiner Einbruchsanzeige zu überzeugen, die Gittertür zum Dom sei nicht verschlossen gewesen... Aufgefordert, sich an Ort und Stelle über die Folgen des Einbruchs zu informieren, kamen sie erst gar nicht nach.

Kirdeikiai (Rayon Utena)

Am 28. Juli 1977, um 18 Uhr, prüfte der Pfarrer der Pfarrei Kirdeikiai, Petras Kražauskas, die mit ihren Müttern gekommenen Kinder, die sich auf die erste Beichte und Kommunion vorbereiteten. Um 18,15 erschienen in der Kirche der Vorsitzende des Exekutivkomitees des Rayons Utena, Vytautas Talmantas, der Direktor des Sowchoses von Kirdeikiai, Gediminas Mačinskas, und die Sekretärin der Verbandsgemeinde von Kirdeikiai. Nach ihrem Erscheinen in der Kirche fingen sie an, die Kinder zu zählen und in ein Merkbuch einzutragen. V. Talmantas ging zum Pfarrer und erklärte, der Pfarrer hätte gegen die Gesetze verstoßen, indem er die Kinder nicht einzeln prüfte (es waren 31 Kinder). Der Pfarrer rechtfertigte sich mit dem Hinweis, die Beschuldigung sei grundlos, weil ein solches Verbot gegen die Verfassung der UdSSR und die Schlußakte von Helsinki verstoße. Der Vorsitzende des Exekutivkomitees drohte dem Pfarrer mit Gefängnis und befahl der Sekretärin, ein Protokoll aufzusetzen, das der Pfarrer aber nicht unterschrieb.

Nachdem der Vorsitzende vom Pfarrer erfahren hatte, daß die erste hl. Kommunion am 14.August stattfinden sollte, höhnte er ironisch: „Es ist bedauerlich, daß du dich nach soviel Mühen nicht über die Früchte deiner Arbeit wirst freuen können, weil bis zum 14. August nicht ein Düftchen von dir hier übrigbleiben wird. Wir werden dich schon fertigmachen!"

Am 31. Juli, um 16 Uhr, kam der Stellvertretende Vorsitzende des Exekutiv­komitees des Rayons Utena, Labanauskas, mit G. Mačinskas und dem Lehrer Krasauskas. Obwohl kein Kind anwesend war, setzten sie ein Protokoll auf.Diesmal versuchte Labanauskas die Taktik zu ändern: er versuchte den Pfarrer zu überzeugen, er solle mehr auf seine schwache Gesundheit achten, die durch das Gefängnisleben noch mehr leiden würde (es drohten zwei Jahre Gefängnis), deswegen sei es besser, wenn man die Kinder nicht zur gemeinsamen ersten hl. Kommunion zuließe. Andernfalls müßte er mit einer Strafe rechnen und aus der Pfarrei wegziehen.

Am 3. August erhielt Pfarrer P. Kražauskas ein Telegramm, das eine Vor­ladung in die Kurie enthielt. Der Administrator des Bistums, Kanonikus J. Andrikonis, schalt den Pfarrer P. Kražauskas, weil er nicht im Einvernehmen mit der Rayonverwaltung lebe und sich auf die feierliche erste hl.Kommunion vorbereite. Deswegen werde er die Pfarrgemeinde verlassen müssen. Pfarrer P. Kražauskas erklärte, daß er deswegen nicht aus der Pfarrei wegziehen werde. Da drohte ihm Kanonikus J. Andrikonis mit Suspendierung. Am 5. August, um 8 Uhr morgens, kam der Stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees, Labanauskas nach Kirdeikiai und nahm den Pfarrer mit. Die Administrativkommission belegte den Pfarrer mit 50 Rubeln Geldstrafe und warnte ihn davor, mit den Kindern zu arbeiten, sonst drohe ihm ein Strafprozeß.

Am selben Tag, um 18 Uhr, kamen die Kinder mit ihren Müttern in die Kirche, um zur ersten Beichte zu gehen. In diesem Augenblick wurde der Pfarrer zu einem Kranken gerufen. Noch bevor er in die Kirche zurück­gekehrt war, erschien Labanauskas wieder in Begleitung von Mačinskas, der Direktorin der Mittelschule von Kirdeikiai, Rasteniene, und noch einer Frau. Der Stellvertretende sagte den Müttern, sie würden durch ihr Erscheinen den Pfarrer ins Verderben stürzen, zeigte ihnen die zwei aufgesetzten Protokolle, die angeordnete Geldstrafe und erklärte, falls der Pfarrer jetzt erschiene, würde er gleich festgenommen. Die Direktorin ängstigte die Kinder, sie würden in der Schule noch miteinander sprechen. Die verängstigten Mütter und Kinder gingen auseinander. Als der Pfarrer zurückkehrte, fand er kein einiziges Kind vor.

Am 7. August gab der Pfarrer, ohne die Drohungen der Kurie und der Obrig­keit zu beachten, bekannt, daß am nächsten Sonntag die gemeinsame erste

hl. Kommunion stattfinden werde. Den Müttern machte er Mut, sie sollten

sich nicht vor Repressalien fürchten.

Am 14. August war die Kirche während der Messe voll von Betenden für die Verfolger. Während der Predigt machte der Pfarrer die Gläubigen auf die Folgen der atheistischen Tätigkeit in Litauen aufmerksam und forderte sie auf, das Gebet zu schätzen, falls die Eltern und die Kinder vermeiden wollten, Opfer des schändlichen Atheismus zu werden.

Ceikiniai (Rayon Ignalina)

Am 28. September 1977 bestellte der Gemeindevorsteher von Ceikiniai den Pfarrer K. Gureckas in sein Amt und forderte ihn auf, folgendes Formular auszufüllen:

An die Vorsitzenden der Exekutivkomitees der Städte und Gemeinden. Bis zum 5. Oktober dieses Jahres ist die Liste der Sänger im Kirchenchor mit Angabe der Namen, Vornamen, des Alters, derAusbildung und Arbeitsstätte dem Exekutivkomitee einzureichen.

Unterschrieben: Der Stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees des Rayons, A. Vaitonis".

Der Pfarrer der Pfarrei Ceikiniai, K. Gureckas, lehnte ab, dieser Forderung nachzukommen.

Ceikiniai (Rayon Ignalina)

Die Rentnerin Stase Kazimierenienė arbeitet als Glöcknerin in der Kirche von Ceikiniai. Der Kirchengemeinderat zahlte ihr dafür monatlich 5 Rubel. Als Kolchoserentnerin bekam sie monatlich 21,90 Rubel Rente. Im August 1977 warnte der Leiter des Sozialamtes des Rayons Ignalina, A. Kajenas, die Frau S. Kazimierenienė, ihr werde die Staatsrente entzogen, wenn sie auch weiterhin als Glöcknerin in der Kirche bliebe. Frau S. Kazi­mierenienė verließ den Posten als Glöcknerin.

Palūšė (Rayon Ignalina)

Der Rentner Ignas Bečelis (geb. 1902) wohnt in Palūšė. Er bezieht monatlich 25 Rubel Staatsrente. Der Alte arbeitete in der Kirche Palūšė als Küster. Der Kirchengemeinderat zahlte ihm monatlich 13 Rubel.

Im Juli 1977 teilte der Leiter des Sozialamtes des Rayons Ignalina, J. Kajėnas, Bečelis mit, daß er als Rentner nach irgend einem Gesetz den Küsterberuf nicht ausüben dürfe. Er müsse sich für die Rente oder die Arbeit in der Kirche entscheiden. Für die zurückliegende Zeit bis zum 15. November 1977, in der er Rente bezog und als Küster arbeitete, müsse er 2500 Rubel an den Staat zurückzahlen.

Vilnius

Stasys Maskoliūnas arbeitete als Setzer in dem Verlag des ZK der Litauischen KP (Tiesos Str.) in Vilnius. Samstags kam er nach Palūšė, wo seine Familie lebte. Hier spielte er sonntags während der Messe in der Kirche auf der Orgel. Davon erfuhr die Leitung des Verlags. 1976 teilte die Personalleiterin des Verlags, Bieliauskienė, ihm mit, es sei nicht zulässig, als Verlagsarbeiter in der Kirche auf der Orgel zu spielen.

Die Familie S. Maskoliūnas wohnt vorübergehend bei den Eltern der Frau in Palūšė. Die Druckereiverwaltung hatte versprochen, ihm bis 1977 eine Staats­wohnung anzuweisen. Im Mai d.J. teilte die Leiterin der Personalabteilung mit, er hätte sich strafbar gemacht — sich als Orgelspieler betätigt — des­wegen bekäme er die versprochene Wohnung nicht. S. Maskoliūnas gab den Posten des Setzers in der Druckerei auf und sucht jetzt eine Arbeit in der Provinz.

Žvirgždaičiai (Rayon Šakiai)

Am 27. September 1977 lud die Stellvertretende Vorsitzende des Exekutiv­komitees des Rayons Šakiai, D. Noreikienė, den Dekan von Šakiai, Pfarrer J. Žemaitis, den Pfarrer der Pfarrei K. Naumiestis, J. Jakaitis und den Vorsitzenden des Kirchengemeinderates von K. Naumiestis, Kuraitis, vor. An dieser Besprechung nahmen auch die Gläubigen der Pfarrei Žvirgždaičiai, J. Daniliauskienė, J. Strimaitis, A. Kėvelaitis und A. Gurgždienė, teil. Das Exekutivkomitee des Rayons Šakiai hatte beschlossen, die Pfarrgemeinde Žvirgždaičiai an die Pfarrei K. Naumiestis anzuschließen und den Kirchen­gemeinderat der Pfarrei K. Naumiestis mit drei Mitgliedern des Kirchen-gemeinderates Žvirgždaičiai zu erweitern.

Die Stellvertretende Vorsitzende D. Noreikiene überreichte dem Vorsitzenden des Kirchengemeinderates von K. Naumiestis die Genehmigung des Rayon­architekten A. Švedas, die Kapelle von Žvirgždaičiai instandzusetzen. Die Rayonverwaltung erteilte dem Pfarrer von K. Naumiestis nur eine befristete Genehmigung, die Pfarrei Žvirgždaičiai zu betreuen, weil nach den neuen Bestimmungen über religiöse Vereinigungen „Jede religiöse Gemeinschaft oder jede Gläubigengruppe berechtigt ist, nur ein Bethaus zu benutzen "(Art. 10).

Die Behörde des Rayons Šakiai hat die Pfarrei Žvirgždaičiai der Pfarrei von K. Naumiestis nur deswegen einverleibt, um sie in Zukunft auflösen zu können. Angesichts des Rückgangs der Priesterzahlen, können nur die Pfarreien auf Dauer überleben, die registriert sind. Eingliederung in eine andere Pfarrgemeinde kommt einer Auflösung gleich. Deswegen ist es verständlich, daß die Gläubigen von Žvirgždaičiai die Eingliederung in die Pfarrgemeinde von K. Naimiestis nicht freut und sie entschlossen sind, für die Selbständigkeit ihrer Pfarrei zu kämpfen.

Vilkaviškis

Die Atheisten von Vilkaviškis lassen die Trauerzüge, die ohne kirchliche Riten vorgenommen werden, auf der Hauptstraße — Pergalės Str. — ziehen, bei Beerdigungen mit religiösen Riten dagegen, darf man nur 200 Meter bis zur Kreuzung gehen. Wo ist hier die Gleichberechtigung?

Pajüralis (Rayon Šilalė)

Am 7. Oktober 1977 lud der Stellvertretende Vorsitzende des Rayons Šilalė den Pfarrer von Pajüralis, Julijonas Budzikis, vor und „klärte" ihn gemeinsam mit einem Vertreter des Sicherheitsdienstes anderthalb Stunden lang auf, wie er zu predigen habe und daß es ihm nicht zustehe, die Kirche und die Geistlichen zu verteidigen.

Upyna (Rayon Šilalė)

Anfang September 1977 lud der Stellvertretende Vorsitzende des Rayons Šilalė, P. Baguška, den Pfarrer von Upyna und Girdiškė, Adolfas Pudžemis, zum Rayonamt vor. Dieser lehnte es jedoch ab, dort zu erscheinen. Am 13. Sept. kam P. Baguška selbst und tadelte den Pfarrer wegen seiner Ungehorsamkeit; gleichzeitig verbot er ihm, die Verstorbenen zum Friedhof zu geleiten. Der Pfarrer A. Pudžemis lehnte es ab, seine Anweisungen zu befolgen mit dem Hinweis, daß jeder Rayon seine eigenen Bestimmungen habe. Außerdem behauptete er, er hätte keine Neuerungen eingeführt, alte Bräuche werde er aber auch weiterhin beibehalten.

Kvėdarna (Rayon Šilalė)

Am 14. Oktober 1977 lud der Stellvertretende Vorsitzende des Rayons Šilalė, P.Baguška, die siebzigjährige Frau Rupšlaukienė aus Kvėdarna vor und überschüttete sie mit Vorwürfen, daß sie die Kinder beten lehre.

Leipalingis (Rayon Lazdijai)

Am 20. Oktober 1977 forderte die Klassenlehrerin der Mittelschule von Leipalingis die Schüler der Klasse 5b auf, folgende Fragen zu beantworten: Bist du gläubig? Zweifelst du? Sind die Eltern gläubig? u.s.w. Insgesamt 17 Fragen. Auf dem Fragebogen mußten die Kinder ihre Namen und Vornamen eintragen.