Die Nachrichten, die uns aus dem Priesterseminar von Kaunas erreichen, sind nicht erfreulich. Der KGB versucht auch weiterhin mit allem Eifer, die Kleriker des Seminars als Agenten des Sicherheitsdienstes anzuwerben. Den Kandidaten des Seminars gegenüber haben die Tschekisten sich nicht ge­schämt, geradeheraus zu sagen: „Wenn du nicht für uns arbeitest, dann kommst du nicht in das Seminar". Die Kleriker des Priesterseminars werden gezwungen, schriftlich zu versprechen, daß sie laufend den Sicherheitsdienst interessierende Informationen liefern werden.

Dank des KGB und des Rates für religiöse Angelegenheiten (RRA) ist eine beachtliche Gruppe von Kandidaten in das Priesterseminar gekommen, die für die Priesterweihe ganz und gar ungeeignet sind, da sie die guten Kleriker terrorisieren. Die Seminarleitung scheut sich aus Furcht vor Repressalien, solche Kleriker aus dem Seminar zu entfernen. Das Schmerzlichste ist, daß früher einige ähnliche Seminaristen die Priesterweihe erhalten haben, obwohl die Bischöfe, die die Weihe spendeten, wußten, daß dies sogar das Kirchenrecht für einige verbietet.

Man muß der Seminarleitung danken, daß sie vor Weihnachten 1977 den Kleriker des IV. Kursus, R. Jakutis, vom Seminar verwiesen hat, der in den Ferien getrunken, sich schlecht aufgeführt hat und von den Klerikern für einen Agenten des KGB gehalten wurde. Man kann den Verwalter des Erz­bistums Vilnius, Č. Krivaitis, sowie andere nicht verstehen, die während einer Sitzung im Seminar diesen Kleriker verteidigt haben. Die passive Haltung von einigen Dozenten und Ordinarien während dieser Sitzung ist ein Zeichen, bis zu welchem Grad sie den Forderungen des KGB Zugeständnisse dafür machen.

Einer der Dozenten des Priesterseminars hat den Ausspruch getan, daß „wir uns den Luxus nicht leisten können, Kleriker durch das Tor hinauszuwerfen". Es ist jetzt wirklich so, daß jeder Priester, der seine Tätigkeit antritt, für die Kirche sehr wertvoll ist, aber es ist doch ganz klar, daß moralisch tiefstehende oder für den KGB arbeitende Kleriker nicht dem Wohl der Kirche dienen werden.

Einige Kleriker arbeiten ganz offensichtlich im Auftrag des KGB. Eifrige finden in ihren Schubladen kleine Schreiben mit der Aufforderung, nicht so eifrig zu sein, denn die Zukunft sei nicht in den Händen der Eifrigen. Aus den Schubladen der Kleriker verschwinden die von ihnen geschriebenen Übungs­predigten. Es gibt Kleriker, die fast öffentlich ihre Verbindung zum KGB demonstrieren. So hatte Vytautas Rudys den Mut, einem anderen Kleriker glatt ins Gesicht zu sagen: „Der Sicherheitsdienst ist allmächtig und ich werde dafür sorgen, daß du im Priesterseminar nicht studieren kannst". Dieser „Kleriker" hat einige Alumnen des Seminars zur Mitarbeit aufgefordert. Er verlangte Hergabe von Informationen über das Seminar bei strenger Geheimhaltung. Nach den Frühjahrsexerzitien 1977 hat V. Rudys erklärt, daß er seinen Priesterberuf nie ernst nehmen werde und daß er auf das geistliche Leben pfeife. Dem Rudys Ähnliche gibt es auch in anderen Kursen. Der Kleriker des III. Kursus, Kazlauskas, hat an den Bevollmächtigten des Rates K. Tumėnas eine lügenhafte Beschwerde geschrieben, daß Hochw. j. Kauneckas im Seminar eine antisowjetische Rede gehalten habe. Die Seminarleitung und die Ordinarien wissen, daß es eine Gruppe von ähnlichen Klerikern im I. Kursus gibt; und auch im V. Kursus gibt es Kleriker, die weder in morali­scher noch in weltanschaulicher Hinsicht für den Empfang der Priesterweihe geeignet sind.

Da es zur Zeit keine Mittel gibt, die Katholische Kirche in Litauen vor der Gefahr zu schützen, daß aus dem Priesterseminar moralisch dekadente oder für den KGB arbeitende Priester hervorgehen, wird von jetzt an die „Chronik der LKK" die Namen der Kleriker veröffentlichen, welche die Ordnung im Priesterseminar offensichtlich zerstören oder Aufträge des KGB erfüllen. Auch werden alle diejenigen genannt, welche diese Sorte von Klerikern verteidigen. Die bisherigen Bemühungen, moralisch korupte KGB-Agenten vom Empfang der Priesterweihe auszuschließen, sind fruchtlos geblieben. Die Furcht vor dem KGB hat viele gelähmt, und das hat den Sicherheitsdienst ermutigt, noch stärker in das Seminar einzudringen. Nur dem KGB kann heute daran gelegen sein, Kleriker und Priester über das heimliche Zerstörungs­werk am Seminar hinwegzutäuschen.

Die „Chronik der LKK" ermahnt alle Kleriker, diszipliniert zu sein, sich um eine ernste Verinnerlichung zu bemühen, aber nicht der Angst zu verfallen, daß sie aus politischen Gründen aus dem Seminar entfernt werden könnten. Sie ermahnt alle, aktiv daran mitzuhelfen, daß das Priesterseminar nicht zu einem Stützpunkt des KGB wird.

Im September 1977 wurde von einer „Gruppe von Klerikern" an die Bischöfe Litauens ein Schreiben gerichtet, in dem einige Priester beschuldigt werden, Kleriker „in die Politik" verwickeln und die Einheit des Seminars zerstören zu wollen. Täuschend ähnliche Sorgen werden auch in einer vom KGB redigier­ten kleinen Schrift „Kirche und die Chronik der LKK" vorgebracht. Diese Schrift hat auch schon den Westen erreicht und wird von der Tageszeitung der

Emigranten Draugas (Der Freund) ganz richtig bewertet: „Der Wolf im Schafspelz". Hier veröffentlichen wir das KGB-Blättchen, das im Herbst 1977 im Namen einer „Gruppe von Klerikern" im Seminar, in den Kurien und unter den Priestern verbreitet wurde:

„In letzter Zeit haben unerwartet einige Priester damit angefangen, sich Sorgen über die Existenz des Priesterseminars von Kaunas zu machen. Auf den ersten Blick scheint die Sorge begrüßenswert und notwendig zu sein. Aber die Kehrseite ist der Versuch, die gesunde Atmosphäre des Priester­seminars zu stören, die Kleriker von theologischen Studien und vom Selbst­unterricht abzuhalten, die heute so notwendig sind für einen intelligenten Priester. Wir Alumnen des Seminars müßten für diese Sorge nur dankbar sein, wenn sie wirklich vorhandene und nicht erdachte Mängel rügen würde. Jetzt aber versuchen die genannten Beschützer unter dem Deckmantel der Güte und Hilfsbereitschaft, uns in politische Aktivitäten hineinzuziehen, die uns fremd sind. Sie wollen, daß wir ihren politischen Interessen dienen. Außerdem hat sich gezeigt, daß die Besorgnis um uns doch nicht ganz so unerwartet ist. Denn diese kleine Gruppe von Priestern ist darauf gekommen, ihre Aufmerksamkeit auf die Alumnen des Seminars zu lenken, um eventuell unter ihnen Zustim­mung zu finden. So konnte man dies in einem Flugblatt „SOS" lesen, das im Frühjahr erschien und die gegenwärtige Lage des Seminars untersucht. Die Verfasser des Flugblattes sind so sehr über diese Zustände besorgt, daß sie vor lauter Sorge sogar vergessen haben, ihre Namen anzugeben und nur als „Priester Litauens" unterschrieben. Mehrere von uns haben zehn, zwanzig und mehr litauische Priester gefragt, ob sie etwas von diesem Flugblatt wüßten und ob sie es mit verfaßt hätten. Aus durchsichtigen Gründen hat keiner davon gewußt, und wenn sie über den Inhalt des Blättchens etwas gehört haben, so haben sie alle die gegenteilige Meinung geäußert, nämlich ihre Zufriedenheit mit dem gegenwärtigen Geist des Seminars, dem Lernwillen der Kleriker, ihre Mühe um Vervollkommnung und ihren Widerwillen gegen jede Einseitigkeit.

Die Seminaristen müssen doch wohl selbst am besten wissen, was in unserem Seminar vor sich geht. Deshalb sind wir über die verdrehten Behauptungen der Verfasser des „SOS"-Blättchens und über deren verschiedene Hirngespinste so entrüstet, die sie erdenken und verbreiten, um eine unwahre Lage des Seminars darzustellen und diese in den Augen aller Menschen der ganzen Welt anzuschwärzen.

Was wollen denn die Verfasser des Blättchens „SOS"? Ihnen gefällt es nicht, daß die Seminaristen Sport treiben, daß sie um ihre Gesundheit besorgt sind, um ihre Lebensweise. Warum sollten wir auf Sport verzichten, der uns bisher sehr gefehlt hat als Ausgleich für die überwiegend sitzende Lebensweise bei unserem Studium. Wir müssen uns unsere Gesundheit erhalten und an aus­reichende Wohnmöglichkeiten denken, wenn wir später als Priester den schweren Anforderungen dieser Zeit gerecht werden wollen. So begrüßen wir alles, was zur Verbesserung unserer Wohnverhältnisse beitragen kann.

Die Verfasser von SOS widersprechen sich selber, wenn sie in demselben Blätt­chen schreiben, daß wir Invaliden seien und Arzneien und Erholung nötig hätten. Voll von Widersprüchen ist ihr ganzes SOS. Merkwürdig, gibt es denn immer noch solche Priester, die nicht verstehen können, daß der Mensch von heute die Presse nötig hat, und daß die Entrüstung über das Interesse der Kleriker für Zeitungen und ähnl. ein Zeichen von Umbildung ist. Der Vorwurf, daß wir nur die kommunistische Tiesa (Die Wahrheit) und Sportas (Sport) lesen, ist ganz unbegründet, da wir die gesamte polnische religiöse Literatur, das Journal des Moskauer Patriarchats und viele verschiedene Schriften aus einer Reihe von Ländern bekommen, und schließlich geben wir selbst die Wandzeitung Aukos kelyje(Auf dem Opferweg) heraus. Dagegen hat uns die Vorlesungsreihe niemand aufgezwungen, wir haben sie selbst gewünscht und werden in Zukunft bitten, daß ihre Zahl vergrößert wird. Das Wort eines guten Lektors ergänzt immer unser Wissen. Die Verfasser von SOS geben an, daß für uns nur politische Informationsvorlesungen gehalten würden, dabei vergessen sie aber mit Absicht, daß es auch Vorlesungen über Kunst, Archäologie, Ethik und andere Themen gegeben hat. Manchmal decken sie sogar uns völlig unbekannte Dinge auf. Sie schreiben, daß in diesem Studienjahr den Klerikern das Tragen sogar eines kleinen Kreuzes auf dem Rockaufschlag verboten sei, damit die zufällig getroffenen sowjetischen Jugendlichen nicht provoziert werden. Wir können uns an ein solches Verbot nicht erinnern. Wohl ist in einer vom Seminarpräfekt ge­haltenen Konferenz daran erinnert worden, daß die Höflichkeit einem Kleriker nicht erlaubt, auf das Niveau von Straßenjungen herabzusinken, die ihren ,Glauben' durch Umhängen von allen möglichen Kreuzchen demon­strieren, und sich an dem Flitterkram für Kleinkinder erfreuen dürften.

Immer sind Einschüchterungen, die bis zur Wirkung von Erpressungen gehen, Zeichen niedrigster Gesinnung, zu denen nur völlig skrupellose Menschen greifen. Ob ein Kleriker tatsächlich gesagt haben soll, als Priester könne er so viel trinken wie er wolle oder nicht — widerlich ist auf jeden Fall, einen so unbedachten Ausspruch zu einer Erpressung auszunutzen. Und wenn dieser Ausspruch gar von unseren „Beschützern" einfach ausgedacht worden sein sollte, dann braucht man dazu gar nichts mehr zu sagen. Es gibt noch viele Verleumdungen, die bedenkenlos verbreitet werden, um Unfrieden zu stiften und die Atmosphäre unter den Alumnen zu vergiften: Die Kleriker seien

Agenten des KGB (Anmerkung der Redaktion), sie seien ein Ausbund von Dummheit, körperlicher Verkommenheit und moralischem Tiefstand. Diese Giftmischer spielen sich als unsere „Beschützer" auf, sind in ihrer Würdelosigkeit nicht mehr zu unterbieten und setzen den gesamten Priester­stand in unerträgliche Weise herab.

Deshalb wagen wir es, uns an Eure Exzellenzen, die Bischöfe und Bistums­verwalter, mit der Bitte zu wenden, die genannte kleine Gruppe von Priestern aufzudecken und die Verfasser des SOS und sonstigen Gerüchtemacher ent­sprechend zu verwarnen und zu bestrafen. Wir sind auch weiterhin bereit, unter Ihrer Führung auf dem Wege zum Priestertum zu gehen und niemals mit solchen Elementen gemeinsame Sache zu machen.

Hochachtungsvoll...'' (unterzeichnet von einer Gruppe von Klerikern)

Auf dieses lügenhafte und Verwirrung stiftende KGB-Hetzblatt ist ein Brief von Hochw. J. Kauneckas (der 1977 das Priesterseminar absolviert hat) an die Alumnen des Seminars erschienen, den wir hier ebenfalls veröffentlichen:

,,An die Alumnen des interdiözesanen Priesterseminars

Irgend jemand ist auf den Gedanken gekommen, das Seminar zu verhöhnen: im Namen der Kleriker wurde eine Eingabe an die Bischöfe und Bistums­verwalter geschrieben und verschickt. Diese Eingabe erhielten auch einige Priester. Ich selbst bin gerade noch Kleriker gewesen und weiß gut, daß es im Seminar keinen Kleriker gibt, der eine solche offensichtliche Lüge verbreiten könnte.

In der Eingabe wird gelogen, daß das Seminar die gesamte polnische religiöse Literatur und viele verschiedene Schriften aus einer Reihe von Ländern bekommt. Es ist allgemein bekannt, daß es in Polen sogar einige religiöse Verlage gibt und jedes Bistum religiöse Zeitungen herausgibt. Alle religiösen Schriften Polens könnte man in den bescheidenen Räumen der Seminar­bibliothek gar nicht unterbringen. In Wirklichkeit bekommt das Seminar nur drei Informationszeitungen des ,Pax'-Verlages (ab vergangenem Studienjahr). Das eine oder andere überzählige polnische oder deutsche religiöse Buch wird dem Priesterseminar aus persönlichen Bibliotheken der Geistlichen übergeben. Es gibt keine systematische theologische Literatur im Seminar. Es gibt nicht einmal ein einziges Exemplar einer vollständigen heutigen Übersetzung der Hl.Schrift in irgendeiner Weltsprache. In Polen und anderen Ländern werden viele Predigtsammlungen herausgegeben. Aber im Seminar gibt es keinen vollständigen Predigtzyklus und es fehlen viele Päpstliche Enzykliken, Rund­schreiben und Dekrete des Apostolischen Stuhles. 6

Im vergangenen Sommer ist Hochw. Aleksandras Kaškevič (1976 hat er das Priesterseminar absolviert) nach Polen gefahren. Dort hat er versucht, für das Seminar religiöse Literatur zu bestellen und wollte, daß das Seminar regel­mäßig die religiöse Literatur bekommt. Es zeigte sich, daß das nicht gestattet ist. In deutscher Sprache gibt es von den neuen für geistliche Lesung oder Betrachtung bestimmten Büchern nur eins, und zwar über den hl .Pfarrer von Ars. Für geistliche Lesung und Betrachtung gibt es sogar in litauischer Sprache nicht einmal hundert Bücher aus der Vorkriegszeit. Es gibt kein einiziges theologisches Handbuch, überhaupt kein Buch, das die heutigen theologischen Probleme erörtern würde.

Mehr kann man also das Seminar nicht verhöhnen als mit dem Satz: ,Und viele verschiedene Schriften aus einer Reihe von Ländern'. Wir absolvieren das Seminar, ohne überhaupt die Werke der heutigen litauischen Theologen gesehen zu haben, ja ohne von ihnen etwas gehört zu haben. Es ist bekannt, daß im Ausland solche Werke von A. Maceina, Pr. Gaidamavičius, A. Grauslys u.a. herausgegeben werden. Diese erhalten Atheisten und zitieren sie. So werden z.B. in Problemos (Probleme) 1971, Nr.2, A. Maceina, Pr. Gaidamavičius, V. Kavolis, A. Baltinis, L. Tulaba, St. Yla, Lietuvių katalikų mokslo akademijos 1964 m. darbai (Arbeiten der litauischen katholischen Akademie der Wissenschaften 1964) zitiert. Die Atheisten untersuchen theo­logische Probleme, lesen theologische Bücher, und wir Theologen müssen uns mit Tiesa (Der Wahrheit), Sportas (Sport) und anderen sowjetischen Publika­tionen begnügen und deshalb wissen wir von den Neuigkeiten der theologischen Wissenschaft und von den heutigen Problemen in diesen Disziplinen überhaupt nichts.

,...sie alle (d.h. alle Priester Litauens) haben ihr Einverständnis mit dem gegen­wärtigen Geist des Seminars geäußert'.

Das ist nicht wahr, viele Priester sind über die Lage des Seminars besorgt. Darüber hat es sogar im Seminar selbst nicht wenige öffentliche kritische Äußerungen gegeben. Wir erinnern an das Wort des Rektors, zum Abschluß des Studienjahres im Frühjahr 1976 und an die Konferenz der Dozenten. Es kam selten vor, daß in der Betrachtung des Spirituals nicht Klagen zu hören waren über Weichlichkeit, Verletzung der Diziplin, Nichteinhaltung des Sitillschweigens und ähnliche. Wir alle erinnern uns gut an solche Vor­kommnisse: Bewirtungen während der Studienzeit, Schlaf, Kaffeeklatsch eine halbe Stunde vor dem Abendessen und sogar solche Gespräche während des strengen Stillschweigens, so daß es einem studierwilligen Kleriker unmöglich ist, sich zu konzentrieren. Darüber haben öfters die Dekane des Seminars gesprochen. Ihr werdet Euch alle wohl noch daran erinnern, wie der Leiter in den Samstagskoferenzen regelrecht gefleht hat, das

Stillschweigen einzuhalten, die anderen nicht zu stören, während der Arbeits­zeit keinen Imbiß einzunehmen, ,Im Kino bleibt ihr ja noch viel länger still sitzen...' Dank seiner außerordentlichen Bemühungen ist die Disziplin im Vergangenen Studienjahr etwas besser geworden.

Auch in ihren Betrachtungen haben die Kleriker nicht nur einzeln und nicht nur einmal über die Unordnung öffentlich gesprochen. Muß man an die Namen erinnern? Ich selbst habe in meinen Äußerungen öffentlich vor allen Klerikern mehrmals die Lage des Seminars kritisiert: Unordnung, Mangel an Fleiß, Verletzung der Disziplin und eine außerordentliche Gleichgültig einzelner den geistlichen Dingen gegenüber. Ein paar Gedanken wiederhole ich: ,Bist du es, der Valančius der Zukunft, der über dem ,Sport' ein Nickerchen macht?'

Die Wandzeitung des Seminars Aukos Kelyje (Auf dem Opferweg) hat über eine solche Zuchtlosigkeit der Kleriker geschrieben, daß .sogar an den Freitagen der Fastenzeit in einigen Zimmern zusätzlich ein Imbiß einge­nommen wird; nicht nur während der Arbeitszeit, sondern sogar während des strengen Stillschweigens wird Kaffee gekocht'. Und keiner hat öffentlich widersprochen, weil das eine gerechte Kritik gewesen ist, Tatsachen also, die allen bekannt waren. Eine solche .Ordnung' hat nur eine anonyme Gruppe von Klerikern zu verteidigen gewagt. Und diese Ordnung, wie wir sehen, ist im vergangenen Frühjahr nicht ganz so ideal gewesen. Wohl deshalb sind auch die SOS-Blättchen erschienen. Ihre Verfasser sind in Sorge, daß die Interessen einiger Alumnen sich nur auf die Speise beschränken, daß sie nur die Zeitungen Sportas und Tiesa lesen und für nichts anderes mehr Aufmerksamkeit zeigen. Diese .gerechte Sorge' aber, um mit den Autoren der Eingabe zu sprechen, ist ein .Versuch' die gesunde Atmosphäre des Seminars zu stören, die Kleriker von theologischen Studien und vom Selbst­unterricht abzuhalten'!

,...wir können uns an ein solches Verbot (kleine Kreuze auf dem Rockauf­schlag zu tragen) nicht erinnern'. Wohl können wir alle uns noch deutlich erinnern, wie im vergangenen Studienjahr im Seminar verboten wurde, kleine Kreuze zu tragen. Erst als wir das Seminar absolviert hatten, haben wir als Neupriester die Kreuzlein wieder angeheftet. Wie man sich damit behängen kann, das wissen nur die Autoren der .Eingabe'. Und man kann wohl kaum diese bescheidenen, kleinen, kaum zu bemerkenden Kreuzlein als ,Flitterkram' bezeichnen.

Konnten die Kleriker eine solche, der Wahrheit widersprechende .Eingabe' schreiben? Nein! Aber wer hat sie nun im Seminar verteilt? Wie ist sie in die Schubladen der Kleriker gelangt? Ohne die Hände des einen oder anderen Klerikers ging es doch wohl nicht. Wem aber dient ein solcher Kleriker in Wirklichkeit?

10.Oktober 1977 Priester Jonas Kauneckas"