In der Kathedrale und der kleinen Kirche von Telšiai beteiligt sich die Jugend aktiv am Gottesdienst. Jugendliche versehen den Meßdienst, Mädchen singen und adorieren. Mut und Enthusiasmus dieser jungen Menschen bereiten den Atheisten großes Kopfzerbrechen. Die Lehrerschaft von Telšiai versuchte die Jugend mit ziemlich groben Maßnahmen zu »bekämpfen« — wie Leibesvisita­tionen, Wegnahme von Gebetbüchern, Verminderung der Betragensnoten, Ver­bot der Teilnahme an kirchlichen Bestattungen, öffentliche Verhöhnung einzel­ner Schüler, zwangsweises Ausfüllen von Fragebögen usw. Als diese pädagogi­schen Polizeimethoden nichts bewirkten, kam Hilfe aus Vilnius . . . Am 12. Dezember 1977 erschien in Telšiai der Referent im Amt des Bevollmäch­tigten des Rats für religiöse Angelegenheiten — Raslanas. Über dessen Person meldet die kleine Litauische Sowjetenzyklopädie (MLTE), Band 3, S. 39, Raslanas sei 1940 in Telšiai als Verwaltungsbeamter tätig gewe­sen. Welcher Art von Tätigkeit mag er dort wohl nachgegangen sein? Die Einwohner von Telšiai haben ihn als früheren NKWD-Geheimdienstmann wiedererkannt, der in den Fall »Märtyrer des Žemaitenlandes« — in der Nacht vom 24. zum 25. Juni 1941 — verwickelt war — und der in der gleichnamigen Publikation wiederholt (auf den Seiten 13, 14, 15, 20) erwähnt wird. Über den damaligen Gefängnisdirektor Antanas Vaitkus schreibt dieselbe Enzyklopädie (MLTE, Band 3, S. 657), er sei, genau wie Raslanas, »1940/41 als Verwaltungs­beamter in Telšiai tätig gewesen«. Dies, obwohl nach dem Foltern politischer Gefangener sogar seine Hosen und Schuhe blutverschmiert waren. (Siehe »Mär­tyrer des Zemaitenlandes« — Žemaičiu Kankiniai, S. 17). Sollte etwa auch Ras­lanas ein Verbrecher gleichen Kalibers sein?

Anscheinend ist man heute der Ansicht, er allein könne mit der gläubigen Ju­gend von Telšiai fertig werden. Sicher verfügt er über einige Erfahrung. War er doch im Juni 1941 mit anderen Tschekisten führend an der Ermordung jener 73 Märtyrer des Zemaitenlandes beteiligt. Damals erlebte man extremste Formen des Sadismus, die tierisch zu nennen einer Verharmlosung gleichkommen wür­den (s. Žemaičiu Kankiniai, S. 4). Eine internationale Kommission hat die Lei­chen der zwischen dem 22. und 25. Juni 1941 zu Tode gefolterten politischen Häftlinge untersucht und das Ergebnis dokumentarisch festgehalten. Hier eini­ge alle 73 Opfer betreffende Einzelheiten des Berichts: . . . Haut abgezogen, Gehirnmasse verrührt — Gehirn herausgequollen — Schädel zertrümmert . . . Gliedmaßen verbrüht und enthäutet (die zum Brühen benutzte Kohlsuppe wur­de ebenfalls gefunden) . . . gespaltene Kieferknochen . . . Auge ausgestochen, durch das Hirnmasse herausquillt . . . Haut abgestreift . . . Geschlechtsteile zerschlagen, zerrieben, zerhackt . . . abgerissene Ohren . . . Loch im Hinter­kopf . . . ausgelaufene Augen . . . Zunge abgeschnitten . . . obere Schädel­decke, Gehirnmasse fehlen . . . mit Pferdezaum aufgezäumt . . . mit Axt er­schlagen . . . alle Schädelknochen zerstückelt . . . aus Leib hervorquellende Därme . . . herausquellende Lungenmaße . . . Gesicht zerschnitten . . . Zunge fehlt . . . Zunge zerschnitten . . . Brustknochen herausgerissen . . . abgerissene Hautfetzen . . . Augen fehlen usw. Diese Einzelheiten sind als Obduktionsbe­funde aus dem BuchŽemaičiu Kankiniai, Telšiai 1942, entnommen. Alle 73 Opfer waren so zugerichtet, ohne Gerichtsbeschluß umgebracht. Einer der Ver­antwortlichen und Veranstalter dieses Blutbades ist Raslanas. Und bis zum heu­tigen Tage regelt er die Anliegen der Gläubigen im Amt des Bevollmächtigten für religiöse Angelegenheiten. Alle Folterknechte sollten vor Gericht gestellt werden, wie die deutschen Verbrecher in Nürnberg. Doch die Sowjetregierung hat nicht einen einzigen der ihren abgeurteilt, hat auch nicht die Absicht, solche Verbrecher zu bestrafen. Ist die Lage der gläubigen Menschen in Litauen gar deshalb so tragisch, weil ihre Anliegen von solchen Verbrechern bearbeitet wer­den? Nebenbei bemerkt — der Bevollmächtigte K. Tumėnas ist nur eine zweit­rangige Figur — Raslanas ist das eigentliche Oberhaupt des Amtes. Da die al­ten, bluttriefenden Methoden heute nicht mehr praktikabel sind, hat sich der Henker Raslanas zwecks Abrechnung mit den Gläubigen in Telšiai andere Me­thoden einfallen lassen. Man versucht jetzt zu »beweisen«, es gebe in Telšiai ei­ne Untergrundorganisation der Gläubigen, die sich angeblich Organisation der Eucharistiehelden nennt. Tätig sind nicht nur Angestellte des KGB, auch Lehrer wirken als aktive Helfer der Geheimpolizei mit. Statt Kinder zu unterrichten, haben sie ihr Handwerk gewechselt und sind Vernehmungsbeamte geworden, die Kinder aus dem Unterricht heraus vorladen, Unterrichtsstunden willkürlich kürzen, »alles« zu wissen behaupten und die Kinder zwingen, solches von den Lehrern frei erfundene »Wissen« auch noch zu »bestätigen« . . . Als besonders eifrig hat sich bei dieser Art Tätigkeit der Direktor der Mittel­schule III, Jankauskas, erwiesen. Persönlich hat er die Schülerin Uksaitė der 9. und den Schüler Memis der 10. Klasse vernommen, einzuschüchtern und umzu­stimmen versucht. Seine Frau, Klassenlehrerin der 8. Klasse, ist ihm dabei eine getreue Gehilfin. Sie vernahm die Schüler Rudavičius und Sarutis. Außerdem mußten die Schüler Fragebogen ausfüllen mit Fragen wie — Gehst du zur Kir­che? Warum? Warum nicht? Glaubst du, daß es einen Gott gibt? Werden bei euch kirchliche Feiertage eingehalten? usw.

In der Mittelschule IV wurde der Schüler Baškys (3. Klasse) von der Lehrerin Raudienė vernommen, Schüler der Oberklassen von der Direktorin Frau Ado­maitienė und dem Lehrer Andrijauskas, Rayonsleiter der Atheisten. Im Verlauf der Verhöre wurden Unterrichtsstunden gekürzt bzw. fielen ganz aus. Vernommen wurden die Schülerinnen Meiženytė Bumblauskaitė, Riškutė (Kl. 8), Jurkutė Misevičiūtė (Kl. 10), Stonkutė (Kl. 9), die Schüler Meiženis und Bružas (Kl. 9) und mehrere andere.

In der Mittelschule V versuchte die Klassenlehrerin der 9. Klasse, Frau Juškienė, die Mutter des Schülers Remėžis zu bedrohen, weil ihr Sohn als Meßbube tätig sei. Der Schüler Bružas der Mittelschule IV wurde in unflätiger Weise verhöhnt. Angesichts dieser Vorfälle sagte Pfarrvikar Kauneckas in seiner Predigt in Tel­siai: »Am 60. Jahrestag der Oktoberrevolution erscholl überall das (russische) Lied >Ja drugoij takoij strany neznaju, gde tak wolno dyšet čelovek< (deutsch: Ich weiß von keinem anderen Lande, wo der Mensch so frei atmet) . . . Wie können in Telšiai gläubige Menschen frei atmen, wenn man sie verhöhnt und quält, bis Tränen fließen . . .«

Den Kindern wird verboten, an Kiosken verkaufte Abzeichen mit Kreuzzeichen zu tragen. Gleich werden sie befragt — Wo hast du das Abzeichen her, warum trägst du es, bist du etwa ein Freund der Eucharistie? Freunde der Eucharistie, so behaupten die Vernehmer — das sei eine politische Organisation, die Nach­richten ans Ausland verkaufe, die Sowjetmacht verleumde u. a. m. Die Jugend wird gefragt, wer die Führer der Freunde der Eucharistie seien; ihnen wird sug­geriert, es sei wohl der Organist der Kathedrale, der als gemeingefährlicher Ver­brecher bereits im Gefängnis gesessen habe. Auch den Chorsängern der Kathe­drale läßt man keine Ruhe; so wurden Frau Remėžienė, der Schüler Memis und die Schülerin Juškaitė vom Geheimdienst vorgeladen.

Allen Schülern wird gedroht, Bemerkungen über ihre Gläubigkeit würden in die sogenannte »Charakteristik« eingetragen, was ihre weitere Ausbildung verhin­dern werde. Wer kümmert sich schon um das Lenindekret, das Angaben zur Religion in Personaldokumenten verbietet!? Vergeblich wird man nach Gerech­tigkeit Ausschau halten, wo ein Raslanas umgeht — dieser erfahrene Geheim­dienstler steht über allem Gesetz. Noch am 9. Dezember 1978 drohte der stell­vertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees Telšiai dem vorgeladenen Administrator des Bistums Telšiai — wenn die Jugend weiter die Kirche besuche, wer­de Anklage erhoben wegen Organisierung einer antisowjetischen Wandspruch­aktion zur Feier der Oktoberrevolution. Zu der Unterredung vorgeladen waren auch die Gemeindepfarrer der Kirchen.

Mit anderen Worten — der Schuldige ist bereits vorgesehen und hat als solcher bewiesen zu werden. Dies scheint der eigentliche Grund der Anwesenheit des Raslanas in Telšiai zu sein — die Märtyrer des Žemaitenlandes wurden seiner­zeit ohne Gerichtsverfahren sogar zu Tode gefoltert. Daher ist es auch jetzt un­wichtig, daß die Jugend von gewissen Aktionen überhaupt nichts weiß — Be­schuldigung, »Beweis«, Strafe, das ist die vorgesehene Reihenfolge. Die Atheisten wundern sich über die Standfestigkeit der gläubigen Jugendli­chen. Deren Antwort lautet meist: »Ich glaube und werde auch weiter gläubig sein. Ihr wollt die Aufnahme in eine Hochschule verhindern? Gut, so werde ich eben arbeiten gehen.« In der vierten Klasse der Mittelschule V verlas die Klas­senlehrerin Frau Ramauskiene die Namen derjenigen Schüler, die zur Kirche ge­hen. Daraufhin meldete sich die Schülerin Latvinskaitė und erklärte: »Sie haben nicht alle genannt — auch ich gehe zur Kirche.«

Aus diesem Anlaß sagte der Vikar der Kathedrale in Telšiai an Weihnachten: »Wohlan, sehet nach, ob die Zahl der jugendlichen Kirchgänger in den Kirchen von Telšiai zurückgegangen ist!? Die Zahl ist größer geworden. Sind Ihre Kin­der verstummt, sind die jungen Stimmen, die beim heiligen Meßopfer antwor­ten, leiser geworden? Sie klingen frischer denn je! Die Jugend des Žemaitenlan­des ist tapfer und fest — Eichbäumen gleich.

Ich meine sogar, diese Attacke der Atheisten war notwendig: die Schwachen sind abgefallen, Judasse gingen zu den Atheisten über, traten vielleicht gar dem Komsomol bei — bei uns blieben die festen kleinen Eichbäume, die aufrechten Fichten.«

Hier der Grund für die Schwäche der Atheisten. Bei einer atheistischen Nach­mittagsversammlung in Telsiai erklärte dazu der Redner Jeselskis: »Es gibt viele Atheisten in Litauen, einige — zigtausend sogar — doch wirkliche Atheisten kann man an den Fingern einer Hand abzählen.« Die Atheistenbewegung in Li­tauen ist schwach, weil man unter Zwang Atheist wird oder um den Preis, sein Gewissen zu verkaufen.«