Der Kleriker Ričardas Jakutis, seit langem als Mitarbeiter des sowjetischen Ge­heimdienstes verdächtig, wurde vor Weihnachten 1977 aus dem Priesterseminar Kaunas ausgeschlossen. Begründung der Regierungsmaßnahme — Trunksucht und amoralischer Lebenswandel. Entsprechende Vorfälle sind in Kaunas, Šiau­liai, Telšiai, Šilalė, Riga, Klaipėda und Mažeikiai stadtbekannt, darunter nächt­liche Saufgelage (wobei z. B. in Šiauliai ein Taxi auf R. Jakutis wartete), ferner nackte Orgien mit Frauen in Telšiai, und wurden an Ort und Stelle von einer Kommission unter Vorsitz des Rektors untersucht. Nach der Verweisung aus dem Seminar bekannte sich R. Jakutis dem Rektor und Seminarleiter gegenüber als schuldig, auch öffentlich gegenüber seinen Studienkollegen. Kaum nach Šiauliai zurückgekehrt, begann er jedoch dortselbst »Beweise« seiner angebli­chen Unschuld zu sammeln. Unter anderem versuchte er von Zeugen der fragli­chen Vorfälle Aussagen zu erhalten, daß er die ihm zur Last gelegten Verfehlun­gen nicht begangen habe. Frau Šorienė, Zeugin seiner Nacktorgien in Telšiai, versprach er goldene Berge, flehte sie weinend und auf Knien an, ihre Aussage zu widerrufen oder zurückzuziehen. Nach dreimaligem Besuch des R. Jakutis zog Frau Šorienė schließlich ihre Aussage zurück, erklärte danach aber, vom Gewissen bedrängt, dem Rektor des Seminars schriftlich den wahren Sachver­halt.

Auf einer Tagung der Seminarleitung am 11. Januar 1978 verlangte der Admini­strator des Erzbistums Vilnius, Č. Krivaitis, Wiederaufnahme des (trotz öffent­lichen Schuldbekenntnisses angeblich unschuldig verleumdeten) Klerikers R. Ja­kutis. Daraufhin begaben sich der Pfarrherr der Gemeinde vom »Tor der Mor­genröte«, Dekan Gutauskas, und der Pfarrherr von St. Peter, A. Dilys, beide aus Vilnius, in die Stadt Telšiai, um die Unschuld des R. Jakutis festzustellen. Geheim, ohne Wissen der Kurie des Bistums Telšiai und der Seminarleitung, be­suchten sie die Zeugen der fraglichen Vorfälle. Dabei ging es ihnen weniger um die Vergehen des R. Jakutis als darum, festzustellen, wer diese Vorfälle ans Licht der Öffentlichkeit gebracht habe. Beim Besuch der Familie der Frau Šo­rienė erkundigten sich diese Abgesandten des Erzbistums Vilnius sogar, ob die Familie etwa materieller Hilfe bedürfe! Bei einem zufälligen Zusammentreffen mit Kanonikus Beinorius, dem Kanzler des Bistums Telšiai, erklärten sie, sich von der Unschuld des R. Jakutis überzeugt zu haben.

Warum bemühen sich Krivaitis, Dilys und Gutauskas sosehr um die Wiederauf­nahme des Angestellten des Geheimdienstes? Warum arbeiten diese Geistlichen nicht für die Kirche Litauens, sondern für die Sowjetmacht? Kurz danach, am 4. Februar, erschien in der Literaturzeitschrift Literatūra ir Menas (Literatur und Kunst), Vilnius, Nr. 5, 1978, S. 13, eine Meldung, wo­nach Pfarrer A. Gutauskas den amerikanischen Korrespondenten und Heraus­gebern eines geplanten Buches »Journey accross Russia, Soviet Union today« die Lage der Gläubigen in Litauen geschildert habe. Dazu schreibt Literatūra ir Menas: »Die Verfasser des Buches interessierten sich für die religiöse Lage in Li­tauen, denn dies wäre Lieblingsthema der westlichen Propagandatelefone . . . und sprachen darüber mit Pfarrer Gutauskas, der sich gerade auf einen Vati­kanbesuch vorbereitet, und notierten sich seine Worte über die Lage der Gläubi­gen in der Republik.«

Mit anderen Worten, Pfarrer A. Gutauskas versucht an allen Fronten der für ihre Freiheit kämpfenden Kirche Litauens zu schaden. Äußerungen des Monsignore Č. Krivaitis über die »Freiheit« der Gläubigen in Litauen sind in der ausländischen Presse ziemlich häufig. Verständlich daher, warum gerade diese Geistlichen einen Geheimdienstagenten und öffentlichen Missetäter verteidigen — ihnen geht es um die Vermehrung ihrer eignen Art, um einen weiteren Priester und Kirchenzerstörer diesen Typs. Aufgebracht über die Visite der Pfarrer Gutauskas und Dilys, übergab Frau Šorienė dem Direktor der Taubstummen-Internatsschule Telšiai eine Erklärung. Darin verlangte sie, die Komplizin des R. Jakutis — seine Beischläferin, die Lehrerin Liutkevičiūtė, und sein Saufkumpan, der Lehrer Stulgys, mögen Geständnisse ablegen. Frau Šorie­nė machen Geistliche, Jakutis selbst und Geheimdienstbeamte mit ihren Forde­rungen das Leben unerträglich. Ebenfalls empört über die Besuche der Pfarrer Dilys und Gutauskas zeigte sich eine weitere Zeugin der Orgien des R. Jakutis — Frl. Činskytė. Sie richtete folgendes Schreiben (weiter unten) an die Bischöfe und Bistumsverwalter Litauens. Trotz aller obigen Tatsachen »arbeitet« Jakutis gegenwärtig in der Kirche von Nemenčinė. In Šiauliai rühmt er sich der Tatsa­che, daß ihn die Kurie in Vilnius zwecks »Ableistung eines liturgischen Prakti­kums der Gemeinde Nemenčinė zugeteilt habe«. Und im Herbst werde er dann in das Priesterseminar zurückkehren.

Wie wird die Geschichte wohl enden? Wann wird ein öffentlich bekannter Mis­setäter und Geheimdienstagent endgültig aus dem Priesterseminar ausgewiesen?

Erklärung

gegenüber den Bischöfen und Verwaltern der Bistümer Litauens

Ich bin, als Zeugin des lustigen Lebenswandels des Klerikers R. Jakutis, in eine sehr unangenehme Geschichte verwickelt. In einer Nacht vergnügte sich Jakutis bei einem seiner Freunde, der in meinem Hause wohnt, mit einigen Damen. Es wurde getrunken. Nach seiner Relegierung aus dem Priesterseminar besuchte mich Jakutis und bat flehentlich um eine schriftliche Erklärung, daß ich ihm verzeihe, versuchte sogar zu weinen. Erst behauptete er, unschuldig zu sein. Als er aber merkte, daß dies nicht wirkte, erklärte er sich für schuldig, er habe das sogar gebeichtet. Ich habe lange mit ihm gesprochen, und mein Rat lautete: Du selbst kennst deinen wankelmütigen Charakter und weißt, daß du zum Priester­beruf gänzlich ungeeignet bist. Wozu unternimmst du dennoch unnötige Schrit­te? Auf meine Vorhaltungen, er versuche, ohne wirklich zu glauben, Priester zu werden, erwiderte er: »Alle haben Zweifel«, und erklärte zum Abschluß unserer Unterredung: »Ihre Argumente sind gut, aber ich werde trotzdem Pfarrer wer­den.« Meinen Vorschlag, doch lieber nachzudenken und dem beabsichtigten Priestertum zu entsagen, beantwortete er mit — »Vielleicht werde ich es wirk­lich überdenken, doch nicht jetzt.« Wann wohl?

Seine Versuche, in das Priesterseminar zurückzukehren, hat Jakutis nicht auf­gegeben. Vor einigen Tagen erschienen hier zwei Männer und stellten sich als Geistliche aus Vilnius vor, die Auskünfte über den Kleriker Jakutis haben woll­ten. Ich erzählte ihnen die wichtigsten Einzelheiten unserer Unterredung, daß es sich keineswegs um Verleumdung handele und er seine Schuld selbst zugegeben habe. Den Besuchern schien dies unwichtig, und sie wollten vor allem wissen, wer die Sache an die Öffentlichkeit gebracht habe. Ich gestattete mir die Bemer­kung: »Seltsam, daß Sie sich weniger für die Wahrheit interessieren, als viel­mehr für diejenigen, die Wahrheiten verbreiten?« Es entstand der Eindruck, als handele es sich um Geistliche, die die Wahrheit nicht mögen. Der Heiland hat gesagt: »Wer die Wahrheit nicht liebt, ist nicht von Gott.« Deshalb wende ich mich an Euch, die Ihr die Wahrheit liebt. Kümmert Euch mehr darum, daß gottlose und amoralische Kleriker aus dem Priesterseminar entfernt werden. Ich meine, ein gottloser Priester bereitet der Hölle mehr Freu­de als hundert Atheismus-Lektoren. Wenn wir selbst, aus welchen Erwägungen auch immer, nicht alles tun, um die Kirche vor Fremdkörpern zu schützen, so werden wir am Tage des Jüngsten Gerichts vor aller Welt als Schande der Kirche dastehen!

 

Telšiai, den 2. Februar 1978                                      gez. Činskytė

 

Einige Details zum Verhalten des Klerikers Ričardas Jakutis (dem Rektor des Priesterseminars bekannt).

Im Sommer (August) 1976 erschien in der Stadt Mažeikiai (per Taxi der Stadt Šiauliai) der Kleriker R. Jakutis mit zwei Damen bei Pfarrer Žilys, der für Jaku­tis und seine Begleitung einen Empfang ausrichtete. Der Kleriker trank erhebli­che Mengen Cognac, und die beiden Damen benahmen sich äußerst ungezwun­gen. Das Taxi wartete auf Jakutis, bis er mit seinen Begleiterinnen erst spät in der Nacht wegfuhr.

Im gleichen Sommer veranstaltete Jakutis samt ähnlicher Begleitung Saufgelage in verschiedenen Restaurants in Klaipėda und Riga. Weitere Ausflüge dieser Art fanden in den Osterferien, 10.—18. April, statt.

Sein Benehmen rechtfertigt R. Jakutis wie folgt: je forscher ein Geistlicher in seinem Benehmen, je mehr wird er leisten: ist er mit Frauen zimperlich, wird er es auch bei der Pastoralarbeit sein. Was Sünden anbelangt, so würden diese ja bei der Beichte vergeben. Im übrigen betreffe der Zölibat Pfarrer, nicht aber Se­minaristen.

Zu Weihnachten 1976, gegen 1 Uhr nachts, erschien Jakutis mit einem Freund und zwei Frauen per Taxi zu Besuch im Hause Freundschaftsplatz 13. Der Freund verschwand alsbald, während der Kleriker derartig zu feiern begann, daß die Nachbarin, Frau Šorienė, die ein Kleinkind zu betreuen hatte, den Krach nicht mehr aushalten konnte. Ruhe suchend, begab sie sich in das Zim­mer, wo sie Jakutis völlig nackt mit einer Frauensperson in einer Lage vorfand, die näher zu schildern ihr der Anstand verbietet. Der Tisch stand voller halbge­leerter Cognacflaschen, eine Sauferei war in vollem Gang. Im Januar 1977 verbrachte Jakutis eine Nacht mit einem Freund und zwei Frau­en bei Jurkus, Sowjetplatz 17-4.

Ende Juni erschien er nachts, in einem städtischen Taxi der Stadt Šiauliai, im Hause Šermuksniy-Gatvė 4 zu einem Saufgelage. In seiner Begleitung befanden sich zwei seiner Freunde und drei Frauen. Das Taxi wartete wieder bis zur Ab­fahrt um drei Uhr früh. Jakutis fuhr zusammen mit den Frauen davon. Ständi­ge Begleiterin des Jakutis ist Frl. Liutkevičiūtė, Lehrerin an der Taubstummen-Internatsschule Telšiai. Sie gibt außerdem Deutschunterricht an anderen Schu­len.

Jakutis selbst bekennt sich schuldig, bestreitet die Tatsachen nicht. Das Taxi ha­be der Ortspfarrer bezahlt.

20. Dezember 1977                            Der Rektor des Priesterseminars