Kišinev

Eine winzige Kapelle zu Kišinev ist das einzige katholische Gotteshaus in der ganzen Moldauischen Republik. An Sonn- und Feiertagen ist das Kirchlein überfüllt, wegen Platzmangel und Atemnot werden Menschen ohnmächtig, oft­mals muß sogar die »Erste Hilfe« kommen. Nach mehrmaliger Hilfeleistung weigerte sich das Personal jedoch, weiter tätig zu werden. Bei einem erneuten Notruf erklärte man:

— Ihr betet doch zu Gott — möge Gott euch helfen!

Menschen aus der gesamten Moldauischen Republik versammeln sich hier, um zu beten, kommen per Autobus, per Anhalter aus einem Umkreis von 100 bis 200 Kilometer — und können nicht einmal beichten, denn der einzige Priester ist physisch nicht in der Lage, alle Katholiken der Republik zu versorgen. Wieder­holt haben sich die Gläubigen an den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten, Wikonski, gewandt und um Zulassung wenigstens eines zu­sätzlichen katholischen Geistlichen gebeten. Der Bevollmächtigte des Rates wollte erst gar nichts davon hören — die Sowjetmacht habe Kummer genug mit dem einen amtierenden Pfarrer, nicht auszudenken, was aus der Moldauischen Republik werden soll, wenn es zwei Priester gibt.

Man zählt rund 40000 Katholiken in Moldavien. Die Mehrheit ist wegen des Priestermangels permanenter religiöser Praxis einigermaßen entwöhnt, doch be­kennen sich alle um so stolzer zu ihrem katholischen Glauben. Auf Drängen seiner Gläubigen bat Pfarrer Zavalnjuks im Jahre 1978 den Bi­schof von Riga, den Katholiken in der Moldauischen Republik das Sakrament

der Firmung zu spenden. Der für die Moldauische Republik zuständige Bevoll­mächtigte des Rates, Wikonski, erklärte sich auch bereit, dem Bischof eine ent­sprechende Genehmigung zu erteilen, wenn Moskau nichts dagegen habe. Man einigte sich auf den 4. Juni, alle Katholiken bereiteten sich freudig auf das festli­che Ereignis vor, und Pfarrer Zavalnjuks flog eigens nach Riga, um den Bischof nach Kischenew zu geleiten. Doch stellte sich dort heraus, daß der Rigaer Be­vollmächtigte »von der Sache nichts weiß«. Bei telefonischer Nachfrage in Mos­kau erklärte der stellvertretende Vorsitzende des Rates für religiöse Angelegen­heiten, Tarasow, Moskau sei für dieses Problem nicht zuständig. Als sich der Vorsitzende des Gemeindekomitees, Faiglewitsch, erneut zu Wi­konski begab, entschied dieser, er wolle überhaupt keinen Bischof sehen, und verweigerte die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung. Dasselbe erklärte Wi­konski auch den Scharen der Gläubigen, die seinen Amtssitz belagerten. An dem Vorfall wurde wenigstens deutlich gemacht, daß die Vertreter der sowjeti­schen Staatsmacht zwei Dinge wahrhaft vorbildlich erledigen — lügen und be­trügen.

Am 27. Juni 1978, dem Tag des heiligen Vladimir, waren zum Namenstag des Gemeindepfarrers einige seiner Amtsbrüder und zahlreiche Gläubige erschie­nen, die hofften, bei der Anwesenheit mehrerer Priester eine Beichtgelegenheit zu haben. Die Regierungsvertreter verboten den auswärtigen Geistlichen aber, in der Kapelle Gottesdienst zu halten ober Beichten zu hören. Die Sekretärin des Lenin-Rayons, Trofonowa, überwachte den Gottesdienst und beschimpfte an­schließend die Mitglieder des Gemeindekomitees, daß zu viele Kinder anwesend wären und Jugendliche ministrierten.

Bei unmoralischen Filmen besteht in der Sowjetunion Jugendverbot für Kinder unter 16 Jahren. Ministrieren bei der heiligen Messe ist dagegen Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr verboten.

S/aboda-Raskovoj

Pausenlos versenden die Gläubigen von Raskov Telegramme nach Kisinev und verlangen die Entsendung eines Priesters, doch die Regierungsstellen weigern sich, dem Wunsche nachzukommen. Das ist nicht alles. Die Atheisten verfolgen Gläubige auf jede nur mögliche Art und Weise, um ihnen die Praktizierung ih­res Glaubens »abzugewöhnen«. Kinder leiden am meisten darunter. Nachdem man sie aus einem Zimmer vertrieben hatte, wo sie sich zum Gebet versammel­ten, trafen sich die Kinder auf dem Friedhof. Auch hier wurden sie von KGB-Agenten verjagt. Im Walde entdeckten die Kinder dann Mauerreste eines zer­störten Kirchenbaus und zimmerten sich daraus einen kleinen Altar, an dem sie sich allabendlich zum Gebet versammelten. Die Atheisten spürten auch diese Stätte auf und zerstörten den Altar. Jetzt versammeln sich die Kinder zusam­men mit den Erwachsenen in einem kleinen Zimmer innerhalb der Umfriedung des früheren Kirchenbaus. Hier erschien am Abend des 29. Mai der Vorsitzende des Dorfsowjets, Bugoras, packte die Kinder beim Kragen und schleifte sie re­gelrecht aus dem Gebetsraum. Solche Überfälle auf Minderjährige sind in Ras-kov keineswegs ungewöhnlich.

Die Kleinen kämpfen für ihren Glauben nicht nur mit Beten, sondern auch mit eigenem Opfer-Verzicht auf manches kindliche Vergnügen wie Süßigkeiten und bestellen von dem ersparten Geld Meßfeiern mit Sondergebeten zu Gott für Re­ligionsfreiheit und Standhaftigkeit im Glauben.

Fast jede zweite Woche reisen Katholiken aus Raskov ins entfernte Moskau, um dort die Einsetzung eines Pfarrers zu erwirken. Um die unangenehmen Katholi­ken loszuwerden, fiel Moskau nichts Besseres ein, als die Flucht in ein neues Be­trugsmanöver. Ein Priester könne durchaus in Raskov tätig werden, doch finde sich keiner dazu bereit, erklärte man den Gläubigen. Genosse Koschuk, Sekre­tär von Kamenka, erklärte jedoch unmißverständlich: »Solange ich hier amtie­re, werdet ihr hier einen Pfarrer sowenig sehen wie eure eigenen Ohren ohne Spiegel.«

Die Katholiken von Raškov bestürmen die Behörden mit der Bitte um offizielle Registrierung ihres Kirchenkomitees — doch die zuständigen Stellen verschan­zen sich hinter immer neuen Vorwänden, um die Registration abzulehnen.