Folgendes Schreiben haben die Exekutivkomitees aller Städte und Gemeinden erhalten und, nachdem sie im geheimen die Nachrichten eingesammelt haben, mußten sie es dem Exekutivkomitee ihres Rayons zuschicken:

Rayon . . . Rat der Volksdeputierten

Exekutivkomitee

den 8. Dezember 1978   Nr.

Wir bitten, bis zum 2. Januar 1979 dem Exekutivkomitee des Rayons (persön­lich) die Information zuzustellen über die religiösen Gemeinschaften aller Kon­fessionen, über den Stand der Religiosität in der Gemeinde, Wohnort, Stadt, die

Tätigkeit der Geistlichen, die des Exekutivkomitees der Gemeinde, des Wohn­orts, der Stadt geleistete Arbeit in der Kontrolle wegen der Befolgung der Geset­ze über die religiösen Kulte vom Jahre 1978.

In der Information ist es nötig, alle Fragen zu beantworten, die in der Gedächt­nisstütze aufgeführt sind. Außerdem muß man die beigefügten Formblätter Nr. 1 und 2 genau ausfüllen.

 

Fragen, die man in der Information nötig beleuchten muß:

Gedächtnisstütze

I. Die Lage der religiösen Gemeinschaften aller Konfessionen und der Stand der Religiosität

1. Wieviel Gebetshäuser nach einzelnen Konfessionen?

2. Die Zahl der Geistlichen in den Religionsgemeinschaften.

3. Der jetzige Zustand der Gebetshäuser, deren Wartung, Renovierung.

4. Wann wurde die Inventur des in den Gebetshäusern vorhandenen Staats­eigentums durchgeführt? Der Zustand des Staatseigentums.

5. Charakteristik der Tätigkeit der Exekutivorgane der Religionsgemeinschaf­ten (positive und negative Beispiele).

6. Der Stand der Religiosität und Einnahmen und Ausgaben gemäß den beige­fügten Formblättern Nr. 1 und 2.

II. Charakteristik der Tätigkeit der Geistlichen

1. Wer verwaltet Wirtschaft und Finanzen der Religionsgemeinschaften, sam­melt die Opfergaben?

2. Wie halten die Geistlichen die Gesetze ein. Charakteristische Beispiele von Gesetzesverletzungen.

3. Mischen sich die Priester nicht in die Angelegenheiten von Familien, Kol­lektiven, Schulen ein. Und wenn solche Fälle vorgekommen sind, dann kon­krete Beispiele beschreiben.

4. Wer gibt den Kindern Katechismusunterricht, wie wird die Konfirmation organisiert, die Familiennamen der Kultdiener, welche in dieser Frage die Gesetze verletzen, mit konkreten Beispielen?

5. Wie zahlreich und in welchen Kirchen dienen die Kinder bei der Messe und bei den kirchlichen Zeremonien (Zahl der Ministranten)?

6. Die Mittel der Geistlichen in der Aktivierung des religiösen Lebens (Arbeit mit Jugend, Eltern, Frauen, Gebildeten), die Hauptrichtungen und Tenden­zen ihrer Arbeit mit den erwähnten Einwohnerkategorien, wie wirkt sich

das auf die gläubigen und die anderen Einwohner der Gemeinde, des Wohnortes, der Stadt aus?

7. Wieviel Predigten im Jahr wurden gehalten und gehört? Allgemeiner Inhalt
und Beschaffenheit der Predigten:

—     Hat es Fälle gegeben, daß in den Predigten die Wirklichkeit des sowjeti­schen Lebens entstellt, daß die Predigten zu politischen und anderen Zwecken gebraucht wurden?

—     Beizulegen ist die Wiedergabe des Inhalts der Weihnachtspredigt (auf einem eigenen Blatt).

8. Beschreibe den Verlauf des besonderen religiösen Festes

—         des Patroziniums, das in der Gemeinde, Wohnort, Stadt gefeiert wurde; Teilnehmerzahl, Bemühungen der Geistlichen, möglichst viele Menschen zur Teilnahme zu bewegen, die Aktivität der Gläubigen bei dieser Feier in einer Reihe der letzten Jahre — Vergleiche.

9. Hat es Fälle gegeben, daß die Priester während der religiösen Feste Prozes-
sionen-Aufmärsche der Gläubigen organisiert haben, wobei § 50 der Be-
stimmungen über die religiösen Vereinigungen verletzt wurde?

10. Die Lebensverhältnisse der Priester: sie haben Kommunalwohnungen, Ei­genheime, wohnen im Pfarreigebäude, mieten Privatwohnungen (Wohnun­gen mit Bequemlichkeiten und ohne dieselben), ist Telefon vorhanden, be­sitzen sie eigene Wagen, Motorräder für ihren persönlichen Gebrauch?

Ende 1978 mußten alle Pfarrer in Litauen die Fragen der Fragebogen beantwor­ten, die ihnen von den Diözesankurien und von den Exekutivkomitees zuge­schickt wurden. Im Fragebogen »Form Nr. 1« standen sogar solche Fragen: Gibt es in der religiösen Gemeinde »heilige Stätten«? Wie viele Kinder im schul­pflichtigen Alter wurden getauft? Volljährige? Wie viele zur ersten Kommunion zugelassen? Wie viele konfirmiert? Wieviel Osterbeichten gab es? Wie viele nichtregistrierte Kultdiener gibt es?

Im Fragebogen »Form Nr. 2«, bei der Beantwortung der Frage, wieviel »für die Renovierung des Gebetshauses« ausgegeben wurde, muß man zu den Renovie­rungsausgaben alle Steuerabgaben addieren: für die Bodenrente, das Kirchenge­bäude, die Versicherung, Strom (25 Kop. per 1 kW), die Heizungskosten und andere. Es scheint, daß die atheistische Regierung diese aufgeblasenen Angaben zu Propagandazwecken gebrauchen wird — so werden die Kirchen in Litauen renoviert! Und Steuern — gar keine!

Ein Teil der Priester in Litauen hat damit angefangen, diese Fragebogen nicht mehr zu beantworten. In solchen Fällen »übernehmen« sie dann die Dechanten oder die Mitarbeiter der Kurien und füllen diese Fragebogen nach eigenem Gut­dünken aus, damit sie es ja selber dem Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten recht machen.

Es ist an der Zeit, daß die Diözesankurien sich mit dieser erniedrigenden Arbeit nicht mehr beschäftigen und ihren Priestern keine gottlosen Fragebogen mehr zuschicken und damit auch dem Atheistenrat der Republik und dem KGB die benötigte Information nicht mehr liefern.

An die Kurie des Erzbistums Kaunas

Auch in diesem Jahr, wie alljährlich, haben wir von der Kurie einen Fragebogen (Form 2) erhalten. Es stellt sich heraus, daß er mit dem Fragebogen, der von den Exekutivkomitees des Rayons zugestellt wurde, buchstäblich identisch ist. Demnach werden sie von den Atheisten zusammengestellt und über den Bevoll­mächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten auf zwei Wegen verschickt. Es stellt sich die Frage, warum muß man die Zeit vergeuden und das Papier verschmieren, das im täglichen Leben so knapp ist.

Jedes Jahr tauchen in diesen Fragebogen ständig neue Fragen auf. In diesem Jahr hat die Frechheit der Atheisten alle Grenzen überschritten — sie fangen an, sogar in den Gewissensbereich sich hineinzudrängen, indem sie Angaben verlan­gen, wieviel Gläubige ihre Osterbeichte abgelegt haben. Außerdem beleidigen sie in dem Fragebogen die Priester, indem sie diese als Kultdiener bezeichnen. Ich bin ein Priester und kein Kultdiener. Deshalb nicht verpflichtet, auf Beleidi­gungen zu hören, diskriminiert zu werden und den Atheisten Nachrichten über die geistliche Lage der Kirche zu geben. Diese Nachrichten dienen der atheisti­schen Propaganda und der Vernichtung der Kirche.

Im vergangenen Jahr wollten die Atheisten von Raseiniai mir einen Prozeß für die Examinierung der Kinder zur ersten hl. Kommunion machen. Als in diesem Jahr (29. Juni) bei der Erstkommunion am Haupteingang der Kirche eine Pho­toaufnahme von den Kindern gemacht wurde, beobachtete sorgfältig der Leiter der Unterabteilung des Sicherheitsdienstes von Raseiniai, V. Gardauskas, die Kinder. Muß man denn nach solchen und ähnlichen Fällen den Atheisten noch angeben, wie viele Kinder zum ersten Mal die hl. Kommunion empfangen ha­ben?

In diesen zwei Jahren meiner pastoralen Tätigkeit in Viduklė haben die hohen Würdenträger des Rayons mich ständig verleumdet in ihren Reden und in der Presse; haben mir nicht gestattet, in Šiluva die Predigten zu halten, den Prie­stern ist es verboten, mich zu den Patroziniumsfesten einzuladen. Einigen Bos­sen ist der Pfarrer von Viduklė zur idée fixe geworden. Die Gottlosen bedrängen auch die gläubigen Kinder und ihre Eltern. Die Lehrer Vaicekauskas, Mockus und andere terrorisieren die Kinder, damit sie nicht bei der hl. Messe ministrieren und nicht an den Prozessionen teilnehmen. Der Vor­sitzende der Gemeinde Viduklė, A. Zigmantas, hat dem Česlovas Marcinkeviči­us (seine Frau ist kürzlich gestorben und hat zwei minderjährige Kinder hinter­lassen) gedroht: »Wenn du nicht aufhörst, im Kirchenchor zu singen, dann wird das Gewerkschaftskomitee dir keine Unterstützung bewilligen.« Der Direktor des Sowchoses von Viduklė, E. Zaikauskas, will einen Feuerwehrmann nur des­halb vom Dienst entlassen, weil sein Junge bei der hl. Messe ministriert.

Außerdem zeigt auch die diesjährige 50-Rubel-Strafe für mich, nur dafür, daß ich am Vorabend des Festes von Allerseelen die Prozession der Gläubigen zum Friedhof geleitet habe, ganz deutlich die wahren Ziele der Atheisten und auch ihre Kampfmethoden.

Deshalb werde ich dieses Jahr und in Zukunft keine Fragebogen der Atheisten mehr beantworten, ob ich sie nun von der Kurie oder vom Exekutivkomitee er­halte. Das Kirchenkomitee wird dem Rayon Nachrichten geben über die ökono­mische Lage der Kirche. Zu unserer Kirche schicken die Gottlosen jeden Sonn­tag ihre Korrespondenten, die sollen dann die Angaben sammeln, die sie über die Tätigkeit der Kirche brauchen.

Und überhaupt muß man sich wundern, daß die Kurie gegen solche Fragebogen nicht protestiert und diese an die Priester verschickt. Schließlich muß man eine Grenze festlegen, die zu überschreiten niemandem erlaubt ist.

Viduklė, den 26. Dezember 1978,               Priester Alfonsas Svarinskas

Fest des hl. Stephanus                              Pfarrer von Viduklė