Am 22. November 1978 haben drei Priester — Alfonsas Svarinskas, Sigitas Tamkevičius und Juozas Zdebskis — in einer in Moskau durchgeführten Pres­sekonferenz den Auslandsjournalisten mitgeteilt, daß am 13. November in Li­tauen ein Katholisches Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen ge­gründet wurde. Die Journalisten wurden mit den Mitgliedern des Katholischen Komitees zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen (VRG), mit seinem Pro­gramm und mit vier vorbereiteten Dokumenten bekannt gemacht. Untenstehend bringen wir den Aufruf dieses Komitees, der den litauischen Bi­schöfen und der sowjetischen Regierung zugesandt und an die Journalisten des Auslandes verteilt wurde:

Das Katholische Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges werden Bischöfe, Priester und Gläubige in Litauen oft mit der religiösen Diskriminierung konfrontiert. Ähnlich ist die Lage auch der anderen Gläubigen in der Sowjetunion. Die Gläubigen haben nicht die Rechte, welche die Atheisten im Staate genießen dürfen. Die sowjeti­sehe Verfassung deklariert lediglich die Kultusfreiheit, aber auch diese begrenzte Freiheit wird in der Praxis oft behindert. Viele Gesetze, welche die Angelegen­heiten der Gläubigen regeln, entsprechen nicht den Verhältnissen in Litauen und widersprechen nicht nur der sowjetischen Verfassung, sondern auch den inter­nationalen Vereinbarungen der UdSSR.

Deshalb haben wir Katholiken uns entschlossen, das Katholische Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen zu gründen, das die gleichen Rechte der Katholiken mit den Atheisten erstrebt. Durch unsere Tätigkeit hoffen wir, den Gläubigen zu helfen, und wenn die rechtliche und praktische Gleichheit der Gläubigen mit den Atheisten verwirklicht ist, wird auch die Autorität der So­wjetunion im christlichen Westen viel gewinnen. Zur Erreichung dieses Zieles wollen wir:

1.   die Aufmerksamkeit der sowjetischen Regierung auf Tatsachen der Diskri­minierung der Kirche und der einzelnen Gläubigen lenken;

2.   die Leitung der Kirche und, wenn nötig, auch die Öffentlichkeit informieren über die Lage der Gläubigen in Litauen und in den anderen sowjetischen Repu­bliken;

3.   danach streben, daß die sowjetischen Gesetze und deren praktische Anwen­dung, welche die Angelegenheiten der Kirche und der Gläubigen betreffen, den internationalen Vereinbarungen der UdSSR nicht widersprechen;

4.   den Priestern und Gläubigen ihre Rechte erklären und bei deren Verteidi­gung behilflich sein.

Das Katholische Komitee zur VRG wird öffentlich wirken und keine politischen Ziele verfolgen.

Wenn auch das Katholische Komitee zur VRG zuallererst für die Verteidigung der Rechte der Katholiken Sorge tragen wird, so wird es doch auch den anderen Gläubigen, die sich an dieses wenden, zu helfen bestrebt sein. Das Katholische Komitee zur VRG erklärt sich solidarisch mit den Verteidigern der Menschenrechte in der Sowjetunion und auf der ganzen Welt und ist ent­schlossen, auf dem Gebiet der Verteidigung von Menschenrechten mit allen zu­sammenzuarbeiten. Besonders enge Zusammenarbeit ist beabsichtigt mit dem christlichen Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen in der UdSSR. Diese Zusammenarbeit halten wir für unseren bescheidenen Beitrag nicht nur zur Verteidigung der Menschenrechte und Gläubigen, sondern auch zur ökume­nischen Bewegung.

Wenn irgendein Mitglied des Katholischen Komitees zur VRG seine Pflichten nicht wahrnehmen kann, tritt an seiner Stelle sofort ein im voraus vorgesehener Kandidat ein.

Das Katholische Komitee zur VRG bittet interessierte Personen, sich mit ihren

Sorgen an irgendein Mitglied dieses Komitees zu wenden.

Adressen der Mitglieder des Katholischen Komitees zur VRG:

Priester Jonas Kauneckas, 235610 Telšiai, Pionierių 51;

Priester Alfonsas Svarinskas, 234422 Raseinių raj., Viduklė, Šaltinio 1;

Priester Sigitas Tamkevičius, 234290 Vilkaviškio raj., Kybartai, Darvino 12; Priester Vincas Vėlavičius, 235915 Skaudvilė, Tauragės 17; Priester Juozas Zdebskis, 234560 Lazdijų raj., Šlavantai. 13. November 1978

Das Katholische Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen hat weder einen Vorsitzenden noch einen Sekretär gewählt, und alle fünf Mitglieder berei­ten in gleicher Weise die Dokumente vor und tragen in gleicher Weise die Ver­antwortung für die Tätigkeit des Katholischen Komitees.

Im ersten Dokument wenden sich die Mitglieder des Komitees zur VRG an den Heiligen Vater:

Heiliger Vater!

Lange Zeit, als unsere Gläubigen laut nach Hilfe gerufen haben, als wir verfolgt wurden und gekämpft haben, wurden wir für die »schweigende Kirche« gehal­ten. Wir haben uns sehr gefreut, aus dem Munde Eurer Heiligkeit zu hören, daß es von nun an keine »schweigende Kirche« mehr gibt, denn sie wird sprechen mit den Lippen des Papstes.

In der Kirche wird am deutlichsten die Stimme der Apostelnachfolger — der Bi­schöfe — gehört, aber unter den Verhältnissen des kämpferischen Atheismus wird diese Stimme manchmal ganz gedämpft. Im Bewußtsein unserer Verant­wortung vor Gott und der Kirche und ebenso in der Erkenntnis, daß eine objek­tive Information über die Lage der katholischen Kirche in Litauen nicht immer den Apostolischen Stuhl erreicht hat, haben wir, die Priester in Litauen, uns entschlossen, zu reden und die heiligsten Rechte der Kirche und der Gläubigen zu verteidigen, denn unser Schweigen und Abwarten bildet die günstigsten Ver­hältnisse zur Zerstörung der Kirche von innen und außen. Zu diesem Zweck ha­ben wir uns eben zum Katholischen Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen zusammengefunden.

Indem wir unsere kindliche Liebe und bedingungslose Treue dem Apostolischen Stuhl gegenüber zum Ausdruck bringen, bitten wir Euch, Heiliger Vater, unse­ren Entschluß und Arbeit zu segnen. 13. November 1978

Mitglieder des Katholischen Komitees zur Verteidigung der Rechte der Gläubi­gen:

(Unterschriften)

Im zweiten Dokument wird darum gebeten, daß die verbannten Bischöfe Vincentas Sladkevičius und Julijonas Steponavičius ihre Hirtenpflichten wieder ausüben können.

Im dritten Dokument, das an den Innenminister der UdSSR gerichtet ist, wird

um die Reiseerlaubnis für den Priester Pranas Masilionis ersucht, damit er seine Brüder besuchen kann, die in den USA wohnen. Die sowjetische Regierung hat schon mehrere Male für den Priester P. Masilionis die Reiseerlaubnis nach den USA verweigert und damit die Schlußakte von Helsinki grob verletzt. Im vierten Dokument, gerichtet an den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten, P. Anilionis, berichten die Mitglieder des Katholischen Komi­tees zur VRG über die Bestrafung der Priester Jonas Zubrus, Alfonsas Svarin­skas und Sigitas Tamkevičius wegen Allerseelenprozession und betrachten dies als eine grobe Diskriminierung der Priester und Gläubigen. In dem Dokument heißt es: »Wir sind überzeugt, daß nicht nur die oben erwähnten Strafen annul­liert werden müssen, sondern auch die der Verfassung und den internationalen Vereinbarungen der UdSSR widersprechenden Bestimmungen über religiöse Vereinigungen (Anordnung des Obersten Sowjet der Litauischen SSR vom 28. Juli 1976), durch welche die Priester und Gläubigen diskriminiert werden. So­lange diese Bestimmungen gelten, werden die Katholiken Litauens sich für Bür­ger zweiter Klasse der Sowjetunion halten.«

Während der Pressekonferenz wurden die Auslandsjournalisten ebenfalls mit einem Schreiben bekannt gemacht, das an den Papst Johannes Paul IL, an die Leiter der Orthodoxen Kirche, an den Primas der Anglikanischen Kirche, an den Weltkirchenrat, an die Gesellschaftlichen Christlichen Komitees und an den Präsidenten der USA, J. Carter, gerichtet war. Dieses Schreiben wurde unter­zeichnet sowohl von den Mitgliedern des Christlichen Komitees zur Verteidi­gung der Rechte der Gläubigen der UdSSR als auch von denen des Katholischen Komitees zur VRG. In dem Schreiben wird um Anstrengungen gebeten, damit die UNO eine »Konvention wegen des Kampfes gegen religiöse Diskriminie­rung« oder ein gleichwertiges Dokument verabschiedet.