Wenn Priester,,fürchten "

Den Priestern ist es verboten, Kindern die Glaubenswahrheiten beizubringen. Sie haben lediglich dasRecht des Examinierens. Da die Eltern oft selbst nicht in der Lage sind, ihre Kinder geziemend auf dieErste Kommunion vorzubereiten, erlauben es die meisten Priester, besonders in den größerenGemeinden, daß die Kinder wenig oder gar nicht vorbereitet die Kommunion empfangen. In der VilnaerGemeinde Aušros Vartai (Ostra Brahma) gingen die Kinder schon längere Zeit zur Ersten Kommunion,ohne die Gebete richtig sprechen zu können. Sie kamen in Scharen aus Weißrußland, wo es überhauptkeine Priester gibt. Ihre Eltern können sie nicht vorbereiten, denn es ist verboten Katechismen odersonstige religiöse Literatur zu drucken. Da die Priester sich nun weigern, die Kinder zu unterrichten,gewinnen die Gläubigen den Eindruck, wenn sich sogar die Priester fürchten, um wieviel mehr müssen dann wir vor der Regierung zittern. So kommt es, daß die Eltern sehr leicht und schnell bereit sind, ihreKinder zu verteidigen, wenn diese nur nichtigen Vorwänden ihre religiösen Praktiken versäumen: „DieLehrer werden schelten, man wird es in der Beurteilung vermerken, dem Kind wird die höhere Schule verwehrt" u.s.w.

Die,,gehorsamen "unddie,,ungehorsamen"Priester

Die Regierung zwingt die Priester, den Kindern zu verbieten, bei der Messe zu dienen oder anProzessionen teilzunehmen. Priester, die sich nicht an diese Anweisung halten, werden bestraft. Dieswird heute besonders streng gehandhabt. Die einen Priester sind entschlossen, alle Schwierigkeiten zu ertragen und erlauben es den Kindern, an religiösen Zeremonien teilzunehmen, die anderen, die derRegierung schmeicheln wollen, denen ihr guter Posten und ihre Ruhe viel bedeuten, „wollen keineUnannehmlichkeiten mit der Regierung haben" und verbieten es den Kindern, an Prozessionen teilzu­nehmen und bei der Hl. Messe zu ministrieren. Oft sieht man deshalb keine Kinder, sondern Greise am Altar.

Einen nicht zu übersehenden negativen Einfluß hinsichtlich dieser Frage übte zweifellos das erzwungeneSchreiben des Dr. J. Stankevičius, Amtsherr des Erz­bistums Kaunas und Bistums Vilkaviškis vom 31.Mai 1961 aus, in dem es heißt: „Gemäß Verordnung des Bevollmächtigten des Religionsrates, Rugienis, dürfen an den liturgischen Feierlichkeiten offizell nur jene Jugendlichen teil­nehmen, die das 18.Lebensjahr vollendet haben. Kinder jüngeren Alters dürfen nicht bei der Messe dienen, im Kirchenchorsingen, Kirchenbanner tragen und Blumen streuen. An den liturgisch-religiösen Praktiken nehmen Kinder zusammen mit ihren Eltern teil." Dies Rundschreiben bewirkte, daß sich einige Priester dadurchentlastet sahen, obwohl gleichzeitig vielerorts die Kinder wieder an den religiösen Feierlichkeitenteilzunehmen begannen. Da in sehr vielen Gemeinden Kinder an den Feierlichkeiten teilnehmen, wird Rugienis die Arbeit stark erschwert.

Priester als Agenten

Die Sicherheitsorgane versuchen, manche Priester als Agenten anzuwerben. Um sie für das schmutzigeGeschäft der Zerstörung der Kirche zu gewinnen, benützen die Sicherheitsbeauftragten folgende Mittel:als Gegenleistung für die Unterschrift, als Agent zu arbeiten, versprechen sie den Priestern eine Stelle in einer guten Pfarrei,einen Dekantitel oder noch höhere Aufstiegs­möglichkeiten, zu Studienzwecken nach Rom reisen zukönnen, eine Reise nach den USA, oder schlichtweg eine monatliche Bezahlung. Die moralisch schwachen Priester werden einfach erpresst; wenn sie sich nicht zur Mitarbeit bereit erklärten, würde-man all ihre Vergehen öffentlich aufdecken. Der eine oder andere seelisch angeschlagene Priester stehtim Dienste der Sicherheits­organe und wird gezwungen, die Befehle der Sowjetregierung auszuführen.

Die angeworbenen Priester arbeiten niemals ernsthaft für den Sicherheits­dienst; da sie aber ihre innereZwiespältigkeit fühlen, verlieren sie schließlich vollkommen ihren moralischen Halt, sind übernervösund ergeben sich dem Alkohol. Solche Priester suchen sich damit zu rechtfertigen, daß sie nicht an denGrundfesten der Kirche rütteln, sondern nur einen „Dialog" mit der Sowjetregierung suchen.Anscheinend ist sich der Vatilan nicht im klaren darüber, was dieser „Dialog" bedeutet. Es ist die vollkommene Kapitulation. Völliger Verrat der Kirchenangelegenheiten. Dies sehen wir am Schicksal der Nachkriegspriester. Das Ausland behandelt oft jene Priester, die für den Sicherheitsdiendt arbeiten, alssolche, die sich der Situation der Verfolgung anpassen können. Dies zeugt von einer vollkommenenUnkenntnis der Situation in unserem Lande.

Kontrolle der aktiven Priester

Die Regierung zwingt die Bischöfe, die aktiveren Priester jenen Pfarrern „zur Beaufsichtigung"zuzuteilen, die überaus ängstlich sind oder sogar für den Sicherheitsdienst arbeiten. DerSicherheitsdienst wiederum warnt diese, daß sie für alle „Taktlosigkeiten" der Vikare verantwortlichseien und befiehlt ihnen, diese zu überwachen, damit sie keine „antisowjetischen" Predigten halten, daßsie nicht viel herumreisen u.s.w. Z.B. mußte der Gemeindepfarrer von Prienai, Berteška, über jede Reisedes Vikars J. Zdebkis Meldung erstatten. Zur Zeit haben bereits viele aktive Priester viehl mehr von ihren eigenen Leuten zu erdulden als von den Regierungsbeamten. So vollzieht die Regierung ihre Taktikder Entfremdung der Priester untereinander, bringt die Priester gegen die Kurien auf und umgekehrt. DiePriester, die für den Sicherheitsdienst tätig sind, bezeichnen ihre aktiven Mitarbeiter als Hitzköpfe, Extremisten, Aufrührer, „mit dem Kopf durch die Wand wollend," sich selber aber als weise, mit derBefähigung, ruhig eine „tiefe Furche" zu ziehen, wobei jedoch meistens nur noch einige alte Leute in derKirche verbleiben.

Aufgaben der priesterlichen Agenten

Die Sicherheitsorgane sind bestrebt, die angeworbenen Priester in die Sowjet­propaganda einzubeziehen.Z.B. finden sich in der speziell fürs Ausland publizierten Ausgabe von J. Rimaitis Bažnyčia Lietuvoje (DieKirche in Litauen) in englischer und italienischer Sprache und ebenso in dem Buch von J.AničasSocialinis politinis Kataliku Bažnyčios vaidmuo Lietuvoje 1945—1952 (Die sozialpolitische Rolle der Katholische einige unwahre Aussagen von Priestern, die die vertoigung ü£i ouiuoigen als eine Erscheinung derNachkriegswirren abtun. Zwiefellos gelingt es der Regierung, auch einen Priester, der nicht für denSicherheitsdienst arbeitet, dazu zu bringen, von der Glaubens-,,Freiheit" in Litauen zu sprechen.

Die spezielle Aufgabe der angeworbenen Priester ist es, die aus dem Ausland angereisten Touristen undbesonders die Priester ideell „zu bearbeiten." Hierbei verfälschen sie die wahre Situation derkatholischen Kirche: der Glaube werde keineswegs eingeengt, wer wolle, könne getrost beten, das Priesterseminar versorge die Pfarreien ausreichend mit Priestern; einige Priester seien aber wahreHitzköpfe. Wenn es diese nicht gäbe, dann würden die Bischöfe von der Sowjetregierung viel mehrZugeständnisse erhalten u.s.w. Um den Ausländern zu beweisen, wie gut es die Sowjetregierung mit denPriestern meine, zeigt man ihnen die Villa des Amtsherrn Mons. Č. Krivaitis am Ufer des Neris, dasPfarrhaus des Priesters St. Lydis der Gemeinde der Unbe­fleckten Empfängnis der Hl. Jungfrau Maria inVilnius u.a. Der Landfremde hat ja nicht die Möglichkeit, in eine abgelegene Ortschaft zu fahren und zu erkennen, daß die Priester manchmal nicht einmal die minimalsten Lebens­bedingungen haben. Z.B.mußte im Sommer 1972 der Gemeindepfarrer von Valakbūdis, A. Lukošaitis, in einem Zelt auf demKirchhof hausen, weil ihm die Regierung nicht gestattete, ein Haus zu erwerben. Und dabei stand das Altersheim, das man der Gemeinde abgenommen hatte, nahezu leer.

Irreführung des Vatikans

Um die unverfälschte Wahrheit zu erkennen, die kunstvoll verhüllte Tücke, Heuchelei und Verrat derSowjetbeamten zu spüren, muß man länger in Litauen gelebt haben. Deshalb ist es nicht weiterverwunderlich, daß der Vatikan lange Zeit irregeführt wurde. Mit den Augen, der in Litauen Lebendenbetrachtet wurden Entscheidungen gefällt, die der litauischen katholischen Kirche sehr zum Nachteilgereichen. Noch heute empfinden es die Priester und Gläubigen Litauens schmerzlich, daß der Hl. Stuhlin seiner Fürsprache für die diskriminierten Menschen in aller Welt; nur sehr verhüllt über die„schweigende und leidende Kirche" spricht und nicht öffentlich die Verfolgungen in der Sowjetunionaufdeckt und verurteilt.

Vollkommene Zerstörung der Kirche in Litauen

Niemand in Litauen hält einen Dialog mit der Sowjetregierung für möglich. Er dient der atheistischenRegierung allein zur besseren Anpassung, um dann umso erfolgreicher die Kirche von innen zerstören zukönnen. Jedem in Litauen ist es klar, daß die Kirche nicht untergeht, wenn sich die Priester in denGefängnissen befinden, wenn die Schüler gezwungen werden, entgegen ihrer Überzeugung zu reden undzu handeln, wenn es keine Presse gibt, keine offiziell erlaubten Gebetbücher und Katechismen; doch dielitauische katho­lische Kirche wird sich Zuneigung der Gläubigen verscherzen, wenn sie auf­grund ihrerSchmeicheleien gegenüber der Sowjetregierung ihr Vertrauen ein­büßt. Ähnliches widerfuhr derorthodoxen Kirche in Rußland.