Am 5. September 1979 druckte die Zeitung Tiesa (Wahrheit) ein ELTA-Bulletin, in dem zwei Priester — Alfonsas Svarinskas und Sigitas Tamkevičius — einen öffentlichen Verweis erhielten wegen der Verbreitung von Schmähschriften gegen den Sowjetstaat und die soziale Ordnung.
Wie soll nun diese offizielle und weitangelegte Verwarnung verstanden werden? Nur ein unerfahrenes Mitglied der kommunistischen Jugend kann davon überzeugt sein, daß diese Priester von der Kanzel irgendjemanden verleumdet haben sollen. Die Antwort muß anderswo gesucht werden.
Am 13. November 1978 wurde das Katholische Komitee für die Verteidigung der Rechte der Gläubigen in Litauen gegründet und sogleich mit Sympathie und Tatkraft von der Mehrheit der litauischen Priester aufgenommen. Anfangs versuchte die Sowjetregierung, das Katholische Komitee zu ignorieren: der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten, Anilionis, verglich die Arbeit des Komitees mit einem Fliegengesumm. Als aber am Anfang dieses Jahres 522 Priester und zwei Bischöfe öffentlich ihre Unterstützung dem Katholischen Komitee zusagten, wurden Partei und KGB alarmiert, da sie damit ihre Pläne gefährdet sahen, die Kirche in Rußland von innen her zerstören zu können und dabei nicht mehr mit der Unterstützung der Mehrheit der Priester für eine atheistische Regierung rechnen könnten.
Die öffentliche und weitverbreitete Verwarnung zweier Mitglieder des Katholischen Komitees für die Verteidigung der Rechte der Gläubigen, Pater Svarinskas und Pater Tamkevičius, sollte die Aktivität des Komitees lähmen und alle litauischen Priester einschüchtern, »nicht zu versuchen, gegen den Strom zu schwimmen«.
Welche Wirkung hatte diese Warnung der Staatsanwaltschaft? Die Chronik kennt den Kommentar vieler Priester und Gläubiger zu dem Schicksal dieser zwei Priester und ebenso die Entscheidung anderer Priester, mit dem Katholischen Komitee für die Verteidigung der Rechte der Gläubigen zusammenzuarbeiten für den Fall, daß die beiden festgenommen würden.