J. Aničas und J. Mačiulis beschweren sich in ihrem Buch »Katalikybės evoliuci-ja« (Die Evolution des Katholizismus) über die litauische religiöse Presse im Aus­land, die Erdichtungen über die Gläubigen in Litauen verbreitet, z. B. »Die reli­giöse Ausübung in der Sowjetunion wird als zu bestrafendes Vergehen, die Gläu­bigen als verdächtige Bürger angesehen« (Seite 206).

Die verehrten Autoren möchten bitte dann auch solch eine Tatsache erklären. Juozas Valiulis, Schüler der 7. Klasse der Mittelschule in Saldutiškis, hatte im Sommer 1973 in der Kirche zu Labanänoris der hl. Messe gedient. Der Schüler war Primus seiner Klasse, doch als das neue Schuljahr begann, bekam er mangel­hafte Noten!

Seine Mutter, Veronika Valiulienė, unterrichtete in der Grundschule in Plaučiš-kiai. Am 20. Oktober 1973 wurde sie von Visitatoren aufgesucht: dem Leiter der Bildungsabteilung, Ribokas, dem Leiter der Abteilung für Methodik, Untulis, und der Sekretärin der Komsomolzen, Kadzickaitė. Man prüfte ihren Unterricht. Die Kinder wurden nicht nach dem Programm des zur Zeit laufenden Stoffes, sondern nach dem Katechismus und Gebeten befragt. Die Kinder wußten in den Religionsangelegenheiten ihrem Alter gemäß ganz gut Bescheid und antworte­ten mutig. Danach ergossen sich die forschenden Fragen der Untersucher: Wer habe denn den Kindern das Glaubensrecht beigebracht? Die Kinder antworteten wieder: Vater, Mutter, Bruder und Schwester ... Die Fragen wurden listiger: »Und wo arbeiten eure Väter? Was arbeiten sie?« Hier fühlten die Kinder etwas Ungutes und vermieden es, auf die Fragen direkt zu antworten. Da wendete sich die Kommission an die Lehrerin selbst: »Genossin, glauben Sie an Gott?« »Ja, ich glaube!« antwortete die Lehrerin entschlossen im Angesicht der ganzen Klas­se. »Die Schule ist für Sie nicht der rechte Ort, um in ihr zu arbeiten«, das war das Ergebnis der Visitatoren. Sofort schrieb die Lehrerin ein Entlassungsgesuch aus ihrer Arbeit und wollte ihn den »Gästen« übergeben, aber diese nahmen ihn nicht an, sie befahlen ihr, in die Bildungsabteilung nach Utena zu fahren. Anderntags fuhr die Lehrerin in die Bezirksstadt und fand dort schon die vorbereiteten Ent­lassungsdokumente vor. Es wurde V. Valiulienė bei dieser Gelegenheit gesagt, daß wegen ihr auch der Pfarrer von Labanoriai zu leiden hätte: Er wird dafür be­straft werden, weil er die Kinder zum Altar führt.

Schon am 1. November arbeitete diese Mutter von drei Kindern nicht mehr in der Schule.

Es dauerte nicht lange, und ihr Mann, Edvardas Valiulis, der als Heizer an der III. Mittelschule in Utena arbeitete, wurde ebenso aus seiner Tätigkeit entlassen. Angeblicher Entlassungsgrund: er könnte die Kinder gedanklich beeinflussen. Außerdem war er im Priesterseminar (1946 gelangte E. Valiulis in die Zahl der 158 Kleriker, die später aus dem Seminar entlassen worden sind). In der Biographie der Lehrerin V. Valiulienė ist solch ein »Strafvergehen« nicht das erste. 1959 restaurierte ihr Mann das im heimatlichen Gehöft stehende Kreuz, welches von seinem Vater errichtet worden war. Die Ortsleitung der Ländereien verlangte, daß man dieses Kreuz abreiße. V. Valiulienė pflegte das Blumenbeet am Kreuz, und das genügte, um die »Verbrecherin« zur »Umerziehung« in eine andere Schule zu versetzen, die 22 Kilometer, in Reškutėnai (Kreis Švenčionys), entfernt lag. Von ihrer Wohnstätte, im Dorf Palsodė, fuhr sie, so lange dies mög­lich war, mit dem Fahrrad, und im Winter mußte sie weit von ihrer Familie ge­trennt leben.

Wie diese Tatsache zeigt, ist das keine »Erfindung«, sondern Realität. Das Prak­tizieren der Religion in unserem Lande ist eine unerwünschte Sache, und die Gläubigen gelten hier als verdächtige Bürger. Auch hilft das Gesetz nichts, das den Menschen aufgrund seiner religiösen Einstellung aus der Arbeit zu entlassen verbietet: dies ist nur eine Dekoration, die man beliebig oft drehen kann.