15. August 1979 Nr. 20

Aufruf

An die litauischen Bischöfe, Priester, Intellektuellen und alle Brüder im Heimat­land sowie an alle, die im Ausland leben.

Kürzlich feierten Polens Katholiken den tausendsten Jahrestag der Christianisie­rung. Zehn Tage dauerten die Feierlichkeiten. In diesem Jahr wurde auch der To­destag des heiligen Stanislaus, Bischof und Märtyrer von Krakau, besonders feier­lich begangen. Der Heilige Vater besuchte aus diesem Anlaß Polen. Die Katholiken in der Ukraine bereiten sich auf die Tausendjahrfeier der ersten Christianisierung in Kiew/Rußland für das Jahr 1988 vor.

Und auch wir Litauer stehen am Vorabend großer Ereignisse:

1984 verzeichnet den fünfhundertsten Jahrestag des Todes des heiligen Kasimir; 1987 verzeichnet den sechshundertjährigen Jahrestag der Bekehrung Litauens.

Es ist daher für uns Katholiken in Litauen an der Zeit, Vorbereitungen zu diesen zwei bedeutenden Jahrestagen zu treffen.

Wir bitten alle Bischöfe, Priester, Radio Vatikan und die litauische Emigranten-Presse, die gesegnete Arbeit der katholischen Kirche in Litauen während der ver­gangenen 600 Jahre bekanntzugeben. Dazu soll die Katechese der Kinder gestärkt werden; Familien sollen noch mehr dem Leben einen christlichen Charakter ver­leihen, um größere Familien zu werden. Es obliegt den Priestern, die Menschen auf diese Jahrestage vorzubereiten, und zwar durch Missionen, Exerzitien und an­dere Übungen.

Litauen leidet nicht nur unter der Unfreiheit, sondern unter einer zunehmenden Zahl von Alkoholikern. Die geistige Wiedergeburt unseres Landes wird erst dann beginnen, wenn dieses Übel ausgemerzt sein wird. Das Katholische Komitee für die Verteidigung der Rechte der Gläubigen erhielt dazu Briefe aus allen Teilen des Landes: Jugendliche bitten um Hilfe und bezeugen damit die Macht des Alkohols auf die Jugend und die Familien, und wie sie sich immer mehr ausbreitet. Intellek­tuelle in Litauen versuchten, eine Gesellschaft der Temperenzler in diesem Jahr zu gründen, doch sie scheiterten an der Absage der sowjetischen Behörden, die die­sem noblen Ziel keine Genehmigung erteilten. Es bleibt daher keine andere Mög­lichkeit, als den Alkoholismus durch die Kirche zu bekämpfen. Wir bitten die Bischöfe, Priester, Intellektuelle und unsere Brüder hier und im Ausland, sich am Kampf für die Temperenz der Nation zu beteiligen. Unsere emi­grierten Brüder können uns dabei unschätzbare Dienste leisten, da sie über weit­aus mehr Möglichkeiten verfügen, sich an die breite Öffentlichkeit zu wenden. Wir schlagen vor, das Jahr 1980 zum Jahr der Temperenzbewegung in Litauen und im Ausland zu machen.

 

In Annäherung an die zwei anderen bedeutungsvollen Jahrestage müssen wir die Gelegenheit ergreifen und uns an die sowjetischen Behörden wenden mit der Bitte um Zurückgabe folgender Kirchen: Die Kathedrale von Vilnius, die St.-Casimir-Kirche, die Garnison-Kirche in Kaunas und die Friedenskönigin-Kirche in Klai­pėda.

Laßt uns fernerhin fordern, daß der Bischof von Vilnius, Julijonas Steponavičius, und der Bischof von Kaišiadorys, Vicentas Sladkevičius, zu ihren Diözesen zu­rückkehren sollen. Sie leben bereits seit zwanzig Jahren im Exil, und das ohne jeg­liche Gerichtsverhandlung.

 

Laßt uns alle ehrenwerten Unternehmungen unterstützen, die dazu beitragen, die geistige Wiedergeburt der Nation herbeizuführen.

Mit der gegenwärtigen religiösen Wiedergeburt Litauens sehen wir der Zukunft mit Hoffnung entgegen.

»Gott ist unsere Zuflucht und unsere Stärke« (Psalm 54).

Mitglieder des Katholischen Komitees für die Verteidigung der Rechte der Gläu­bigen:

Vater Jonas Kauneckas Vater Alfonsas Svarinskas Vater Sigitas Tamkevičius Vater Vincas Vėlavičius Vater Juozas Zdebskis

Übersicht über Dokumentationen, die das Katholische Komitee für die Verteidi­gung der Rechte der Gläubigen herausgegeben hat:

Nr. 21: Dokumentation über die brutale Einmischung sowjetischer Beamter in interne Angelegenheiten religiöser Gemeinschaften.

Nr. 22: Bittschriften zur Ausreise in den Westen für Viktor Vasiljev.

Nr. 23: Anläßlich ihrer 34. Sitzung wird die UN-Generalversammlung von der gewaltsamen gottlosen Kampagne gegen litauische Kinder unterrichtet.

Nr. 24: Das Zentralkomitee der Litauischen Kommunistischen Partei wird dar­über informiert, daß Regierungsorgane den Druck des Katechismus zu hindern versuchen, und daß selbst eine in Aussicht gestellte Druckauflage bei weitem zu gering ausfallen würde.

Nr. 25: Proteste gegen die Inhaftierungen von Vater Gleb Jakunin, Tatjana Velikanova und Antanas Terleckas. Dieses Dokument wurde von den nachfol­genden Priestern unterzeichnet:

K. Daknevičius, Ed. Samaška, L. Kalinauskas, A. Bulota, J. Indriūnas, E. Bartulis, A. Ylius, J. Vaičliūnas, P. Meilus, V. Pieslekas, S. Pilka, J. Survila, J. Baronas, G. Gudanavičius, V. Ramanauskas, A. Jokūbaus-kas, F. Balionas, A. Močius, J. Razmantas.

Nr. 26: Litauische Bischöfe und Priester werden aufgefordert, atheistischen Rä­ten gegenüber keine Angaben über religiöse Dienstleistungen zu machen.

Nr. 27: Die Behörden der Litauischen SSR werden aufgefordert, den inhaftier­ten Julius Sasnauskas und alle auf Grund von Gewissensfragen Inhaftierte freizu­lassen.

Nr. 28: Das Ministerium für Bildung und Erziehung der Litauischen SSR wird daran erinnert, daß religiöse Kinder bei Beerdigungen aus den Kirchen verjagt wurden.

Nr. 29: Der Gesundheitsminister wird darüber informiert, daß die meisten litaui­schen Krankenhäuser ihren schwerkranken Patienten nicht gestatten, einen Prie­ster zu sich rufen zu lassen.

Nr. 30: Das Komitee äußert seine Solidarität mit dem Mitglied der Literarischen Akademie, A. Sacharow, und bittet den Heiligen Vater um moralische Unterstüt­zung im Kampf um die Menschenrechte.

In einer Übertragung des Fernsehprogramms aus Vilnius mit dem Titel Argumen­tai (Argumente) am 9. März 1980 wurde dem Kommissar für religiöse Angele­genheiten, Petras Anilionis, und dem Rektor des Pädagogischen Institutes in Vil­nius, Jonas Aničas, das Wort gegeben. Die beiden Sprecher behaupteten, daß mit Hilfe des Vatikans der Imperialismus einen religiösen Extremismus in Litauen verursache. Extremistische Priester machten die sowjetische Wirklichkeit schlecht, forderten die Gläubigen auf, die sowjetischen Gesetze zu übertreten, verbreiteten im Ausland Verleumdungen usw. Als »Extremisten« wurden ge­nannt: Vater Alfonsas Svarinskas, Vater Sigitas Tamkevičius, Vater Jonas Kau-neckas. Vater Kauneckas wurde sehr eingehend angegriffen. Er sollte integere sowjetische Personen vorsätzlich verleumdet und somit Haß hervorgerufen ha­ben.