Raseiniai

Im März 1980 erging an die Mittelschule Nr. 1 und 2 in Raseiniai die Order, dieje­nigen Kinder namentlich zu nennen, die die Messe besuchten, und eine Liste mit den Namen an das Parteikomitee zu schicken.

Šaukotas, Rayon Radviliškis

Pfarrer Bronius Gimžauskas schreibt in seinem Brief vom 12. März 1980 an die sowjetische Regierung:

»Am 11. März 1980 kam Ričardas Kriaučiūnas, Schüler der 5. Klasse, in Tränen aufgelöst zu Hause an. Seinen Eltern sagte er, daß die Schuldirektorin Filomena Taujenskaitė ihn in ihr Büro gerufen hätte und ihn dort als Fanatiker, Spätzünder und Versager bezeichnet hätte und daß er eine Schande für die ganze Schule sei, weil er die heilige Messe besuche. Die Direktorin verlangte von ihm einen Aufsatz über das Thema, weshalb er in die Kirche ginge.

Die Direktorin Taujenskaitė warf ihm vor, die Messe als Pionier besucht zu ha­ben, was unter 18 Jahren nicht erlaubt ist. Seine Eltern — Aldona und Petras — haben aber schon vor langer Zeit das Pioniertuch und das Verfassungsbuch der UdSSR an die Schulleitung zurückgegeben. Dabei gaben sie zum Ausdruck, daß unter § 52 nachzulesen ist, daß jeder Bürger der UdSSR eine Religion nach seiner Wahl praktizieren könne und daß jedem Denkfreiheit garantiert sei . . . Es ist bereits das zweite Mal, daß die Direktorin F. Taujenskaitė der Schule in Šaukotas offensichtlich die Verfassung verletzt hat, indem sie gläubige Schüler verfolgte.

Am 2. Oktober 1979 wurde eine Verwandte der Lehrerin, Frau A. Kapitauskienė, in Šaukotas kirchlich beerdigt. Die Schulkinder brachten Kränze und Blumen in die Kirche für den Sarg. Daraufhin befahl die Direktorin sofort, daß die Kinder die Kirche zu verlassen hätten. An der Totenmesse durften sie nicht teilnehmen.«

Kvėdarna, Rayon Šilalė

Vytautas Tamašauskas, dessen Vater kürzlich gestorben ist, wollte seine Familie durch seine Arbeit als Organist in der Kirche zu Kvėdarna finanziell unterstützen. Sein Studium wollte er in Abendkursen fortsetzen. Der Vize-Vorsitzende des Exe­kutivkomitees des Rayons Šilalė terrorisierte daraufhin lange Zeit den jungen Mann. Er versuchte, ihm die Arbeit als Organist auszureden. Man wollte ihm auch die Abendschule verbieten. Daraufhin schrieb seine Mutter viele Protestbrie­fe und erreichte schließlich, daß die Schulleitung ihr im Dezember 1979 mitteilte, ihr Sohn könne die Abendschule besuchen.

Marijampole, Kapsukas

Am 29. März 1980 starb der Schüler Arvydas Vružinskas aus der 11. Klasse auf tragische Weise. Als Katholiken wünschten seine Eltern eine kirchliche Beerdi­gung. Infolgedessen durften seine Mitschüler aus der Mittelschule Nr. 2 nicht den Sarg begleiten und auch keinen Chor aufstellen. Die Eltern protestierten dagegen. Die Lehrerin Brazauskienė sprach bei den Eltern vor. Doch die blieben bei ihrer Meinung. Die Schulleitung erließ daher ein striktes Verbot an alle Schüler, dem Verstorbenen das letzte Geleit in der Kirche zu geben. Schüler, die sich gerade in der Wohnung von der Familie Vružinskas aufhielten, wurden von Frau Svirinie-nė, Mitglied des Elternrates und der kommunistischen Partei, eingeschüchtert. Sie würde dafür sorgen, daß ihre Zeugnisse schlecht ausfielen und daß sie in keine hö­here Schule überwechseln könnten, wenn sie an Arvydas Sarg in der Kirche stän­den. Sie unterstrich entschieden, daß der Parteisekretär Sinickas aus Kapsukas persönlich dieses Verbot für die Schulkinder erlassen habe. Aufgrund dessen be­gleiteten die eingeschüchterten Schüler den Sarg nur bis an die Kirchentüre. Wei­ter reichte ihr Mut nicht.

Tauragė, Mittelschule Nr. 2

Mit dem Frühjahr 1980 beginnt bereits das 2. Jahr von Verfolgungen durch die Sicherheitspolizei für den graduierten Schüler der 9 b, für Sigitas Jucikas. Im Sommer 1979 hatte er einen Fahrradunfall mit schweren Kopfverletzungen. Seit­dem erpreßt die Sicherheitspolizei den Jungen ständig in der Hoffnung, daß der physisch geschwächte Jugendliche dem nicht widerstehen kann und Konzessionen eingeht. Der Sicherheitsbeamte Antanas Laurinavičius trifft sich mehrere Male im Monat mit ihm. Als Sigitas Jucikas sich weigerte, zum Staatssicherheitsdienst zu gehen, schrie der Beamte ihn an: »Du entkommst uns nicht! Du kommst auch un­freiwillig hierher.« Als er in das Miliz-Kommissariat kam, wartete dort bereits der Beamte Laurinavičius mit den Worten auf ihn: »Wie du siehst, kriegen wir dich!« Vr i der Schulschwester wurde ihm gesagt, er müsse den Arzt wegen einer Unter­suchung aufsuchen. In der Poliklinik traf er dann wiederum auf den Sicherheits­beamten.

 

Der junge Mann muß genaue Angaben über seinen Freundes- und Bekannten­kreis machen. Über jeden seiner Schritte muß er Rechenschaft ablegen. Darüber hinaus droht man ihm mit körperlichen Strafen. Er muß striktes Stillschweigen über diese Verhöre wahren.

Seine Privatpost wird unerlaubt kontrolliert. In den Verhören ist der Inhalt seiner Briefe Gesprächsthema. Ergebnis dieses konstanten Terrors ist eine starke Ver­schlechterung seines Gesundheitszustandes. Er zieht sich von allem zurück, mei­det seine Freunde, weil er weiß, daß schon wenig später die Sicherheitspolizei Ein­zelheiten der Gespräche von ihm wissen will.

 

 

Tauragė

 

In der Mittelschule Nr. 6 gab Ende November 1979 die Lehrerin Montvilienė der Schülerin Jugita Šiniauskaitė aus der 4. Klasse eine sehr schlechte Note in Mathe­matik. Das Mädchen ist gläubig. Trotz anderer guter Noten wird sie das Schul­jahr nicht mit »sehr gut« abschließen. Als Strafe für die Teilnahme an einer kirch­lichen Prozession erhielt sie in den mündlichen wie schriftlichen Arbeiten nur die Note »befriedigend«.

Am 15. Januar 1980 wurde Remigijus Žebelys, Schüler der 11. Klasse der Mittel­schule Nr. 4, aufgefordert, bei dem Rayon-Militärkommissariat vorzusprechen. Er war sehr erstaunt, als ihm der Sicherheitsbeamte Laurinavičius sehr höflich die Tür öffnete. Er stellte sich selbst als Antanas vor, fragte den Schüler, ob er nach wie vor die Absicht hätte, in das Theologische Seminar einzutreten und bot ihm seine Hilfe an: »Eine Hand wäscht die andere. Wir verhelfen dir zum Seminar, und du gibst uns dafür ein paar Informationen.«

Am 26. Januar 1980 mußte sich der Schüler der 10. Klasse der Mittelschule Nr. 1, Gintaras Jonikas, beim Militärkommissariat des Rayons Tauragė vorstellen. Dort traf er auch den Sicherheitsbeamten Antanas Laurinavičius. Der Beamte fragte Gintaras, was er zu studieren beabsichtige, befragte ihn über Freunde, die die Kir­che besuchten, etc. »Du sollst nach Žemaičiu Kalvarija gehen. Merk dir die Per­sonen, denen der Rosenkranz gegeben wird, und wer von den Priestern die Zere­monie ausübt.«* Gintaras ging nicht nach Kalvarija und schwor sich, zu keinem weiteren Treffen der Sicherheitsbeamten zu erscheinen.

Am 16. Februar 1980 rief Frau Archarova, Lehrerin für russische Sprache an der Mittelschule Nr. 5. in Tauragė, Schüler an. Sie verhöhnte sie folgendermaßen: »Ihr geht doch bestimmt in die Kirche, wo nur Lug und Trug verbreitet wird.« Die Antwort der Schülerin Aurelija Saveikytė war: »Ich aber muß auch unter Lug und Trug leben, nur weil ich in die Kirche gehe!« Darauf hatte die Lehrerin nichts zu erwidern.

 

*   Bei dieser Zeremonie werden spezielle Rosenkränze an Vertreter verschiedener Ortschaften übergeben, die ein Gelübde ablegten, für das litauische Volk zu beten.

Am 29. Februar 1980 ließ die Lehrerin für litauische Sprache von der Schule Nr. 5, Frau Krikštaponienė, ein Diktat über ein atheistisches Thema schreiben. Die Schülerin der 6 a, Aurelija Saveikytė, schrieb das Wort »Gott« mit Großbuchsta­ben. Sie mußte deshalb nachsitzen und dasselbe Wort mit kleinen Buchstaben schreiben.