Am 17. April 1980, um 10.00 Uhr, machten zwölf Sicherheitsbeamte unter der Leitung von Oberstleutnant Urbonas eine Hausdurchsuchung in der Wohnung von Pfarrer Alfonsas Svarinskas im Pfarrhaus von Viduklė. Der Durchsu­chungsbefehl war unterschrieben worden von dem litauischen Staatsanwalt Kai-relis und dem KGB-Vorsitzenden General Petkevičius. Zeugen — es waren Jonas Ivaškevičius und Laima Rudžionytė — hatte die Sicherheitspolizei aus Raseiniai ebenfalls mitgebracht. Grund für die Durchsuchung: Konfiszierung sogenannter »anti-sowjetischer« Literatur. Die Durchsuchung war um 16.00 Uhr abgeschlos­sen.

Folgendes wurde konfisziert:

—         eine Schreibmaschine;

—         Tiesos kelias (Der Weg der Wahrheit), Nr. 1, 9, 11;

—         14 Tonbandkassetten;

—         Fotokopien von Kontinentas (Der Kontinent) und Unterlagen des Katholi­schen Komitees für die Verteidigung der Rechte der Gläubigen.

Am selben Tag durchsuchten Sicherheitsbeamte unter der Leitung von KGB-Oberstleutnant Urbonas, aber ohne Befehl des Staatsanwaltes, die Wohnung von Monika Gavėneitė, ebenfalls im Pfarrhaus von Viduklė. Bei der Durchsuchung wurde konfisziert:

—        eine Schreibmaschine — Ateitis (Die Zukunft), Nr. 1 — Tiesos kelias, Nr. 9 und 12.

Priester Gustavas Gudanavičius, den die Sicherheitspolizei bei ihrer Durchsu­chung im Pfarrhaus vorfand, mußte sich einer Leibesvisitation unterziehen. Am 17. April 1980, um 9.30 Uhr, kam eine Gruppe von ca. 10 Männern unter der Leitung des KGB-Beamten J. Matulevičius zur Wohnung von Pfarrer Sigitas Tamkevičius, einem Mitglied des Katholischen Komitees für die Verteidigung der Rechte der Gläubigen. Er wohnt in Kybartai, Davino g. Nr. 12. Der vorgelegte Durchsuchungsbefehl war unterschrieben vom Vorsitzenden des Staatssicher­heitskomitees, General Petkevičius, und dem Staatsanwalt der Litauischen SSR, Kairelis. Die Durchsuchung dauerte über 9Vi Stunden. Man durchwühlte die Räume des Pfarrers, Keller, Schuppen, Hundehütte, Dach und Garten. Zeugen der Durchsuchung waren Liuda Jekelaitienė, Jouzas Mickevičius und Liuda Gar-bačiova. Sie waren nicht zufällig anwesend, sondern waren von dem KGB mitge­bracht, die den Sicherheitsbeamten bei der Durchsuchung assistierten.

Bei der Durchsuchung wurde konfisziert: 10 ausgewählte Ausgaben von Tiesos Kelias (Der Weg der Wahrheit);Rūpintojėlis (Der leidende Christ), Nr. 12; das Buch Arkivyskupas M. Reinys (Erzbischof M. Reinys); Gyvenimo menininkė (Lebenskünstler) von K. Čibiras; das Buch Rusu Caru bandymas surusinti Lietu­va (Die Anstrengungen der russischen Zaren Litauen zu verrussischen); die Allge­meine Erklärung der Menschenrechte; das Abkommen über die Diskriminierung bei der Erziehung; der Internationale Pakt für Wirtschaftliche, Soziale und Kultu­relle Rechte; eine Schreibmaschine; unbeschriebenes Papier; Kohleband; Tonbän­der; Aufnahmen von Radio Vatikan: Unterlagen des Katholischen Komitees für die Verteidigung der Rechte der Gläubigen; etc. Vier Exemplare von der Nr. 42 der Chronik der Katholischen Kirche in Litauen fand man im Schuppen. Am En­de der Durchsuchung weigerte sich der Priester, den Bericht zu unterzeichnen. Er protestierte, daß der Beamte Matulevičius in seinem Bericht Gegenstände ver­zeichnet hatte, die bei anderen, im gleichen Gebäude wohnenden Personen kon­fisziert wurden.

Nach der Durchsuchung in Kybartai tauchten Gerüchte auf, wonach zwei Geweh­re, ein Sack mit Geld und Funkgerät im Besitz des Priesters gefunden worden seien.

Am 17. April 1980 durchsuchten der Beamte Matulevičius und eine Gruppe von Sicherheitsbeamten ohne amtliche Order die Wohnung der in Kybartai, Darvino g. Nr. 12,lebenden Ona Kavaliauskaitė. Konfisziert wurde dabei folgendes:

Eine Schreibmaschine;

Aušra (Die Dämmerung), Nr. 19;

Lietuviu archyvas (Archiv der Literatur), Band 6; etc.

Eine Leibesvisitation wurde von der diensteifrigen Ona Paunksnienė vorgenom­men, Inspektor beim Staatssicherheitskomiteee des Rayons Vilkaviškis. Noch am selben Abend wurde Ona Kavaliauskaitė verhört.

Am selben Tag, wieder ohne behördliche Genehmigung, wurde die persönliche Habe von Ona Dranginaitė durchsucht. Sie ist wohnhaft in Vilnius und befand sich im Pfarrhaus von Kybartai, um in der Küche auszuhelfen. Bei ihr wurde kon-fiziert:

Nr. 38 und 39 der Chronik der Litauischen Katholischen Kirche; Perspektyvos (Perspektiven), Nr. 12; Kareivio Čionkino nuotikiai (Die Abenteuer des Privat­mannes Čionkinas) von Vainovičius; etc.

Milizinspektor Paunksnienė nahm an ihr auch eine Leibesvisitation vor. Fräulein Dranginaitė wurde nach der Durchsuchung verhört.

Am 17. April 1980 wurde Pfarrer Jonas Zubrus durchsucht, den Beamte bei sei­nem Besuch bei Pfarrer S. Tamkevičius vorfanden. In seinem Gepäck fand man ein Adreßbuch, welches konfisziert wurde.

Am 17. April 1980 durchsuchten Sicherheitsbeamte ohne den Auftrag des Staats­anwaltes die Wohnung des verstorbenen Priesters Virgilijus Jaugelis (Kybartai, Darbino, g. Nr. 12). Bei der Durchsuchung wurde konfisziert:

Nr. 40 und 41 der Chronik der Litauischen Katholischen Kirche; Tiesos kelias (Der Weg der Wahrheit), Nr. 1 und 9; 1 Exemplar der Chronika Tekuščich soby-tij (Chronik der laufenden Ereignisse); viele Briefe, darunter einige von der im Exil lebenden N. Sadunaitė; das Buch Kaip jie mus sušaudė (Wie man uns hinrichtete); BulgakovsTichije dümy (Leichte Meditationen); Franks Duša čelo-veka (Die Seele des Menschen); Dudkos O našem upovanij (Über unseren Geistes­zustand); Litauische Enzyklopädie, Band XV; zwei Alben über den Kreuzhügel; etc.

Nach der Durchsuchung schrieb die Mutter des Priesters Jaugelis an das Büro der Staatsanwaltschaft der Litauischen SSR und bat um die Bücher, verschiedene Publikationen und Manuskripte, die man aus dem Zimmer ihres Sohnes entwen­det hatte.

Am Morgen des 17. April 1980 näherte sich eine große Gruppe von Sicherheits­beamten über die einzelnen Gärten hin der Wohnung von Teresė Petrikienė, wohnhaft in Kybartai. Einer von ihnen hatte einen metallenen Rammbock bei sich. In dem Zimmer fanden die Beamten die in Kaunas wohnhafte Genovaitė Navickaitė und zwei Stenotypistinnen. Sie fanden dort ebenfalls die Ausgabe Nr. 42 der Chronik der Litauischen Katholischen Kirche und viele abgeschriebene Sei­ten. Danach wurde Genovaitė Navickaitė verhaftet und zum KGB nach Vilnius gebracht. Die Frauen mußten eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen. Die Vermieterin des Hauses, Frau T. Petrikienė, wurde zwei Tage lang verhört. Die Frau sagte aus, daß sie das Zimmer an Fräulein Navickaitė vermietet habe und sich nicht um die Aktivitäten der Mieter gekümmert hätte.

Im Augenblick ist Fräulein Navickaitė im KGB-Gefängnis in Vilnius: Vilnius, ab/d 17. Sie wird vom KGB-Chef V. Balčiūnas verhört.

Genovaitė Navickaitė, Tochter des Jonas, wurde am 18. Februar 1947 in Ditkü-nai, Bezirk Zarasei, geboren. Sie absolvierte die Mittelschule in Zarasai im Jahre 1965 und 1967 die Handeissschule in Kaunas. Ihr Studium setzte sie an der Medi­zinischen Schule in Kaunas fort und machte dort im Jahre 1970 ihren Abschluß. Sie arbeitete als staatlich anerkannte Krankenschwester in verschiedenen Kran­kenhäusern in Kaunas.

Am 17. April 1980 durchsuchten der KGB-Major Daugalas und fünf Beamte zu­sammen mit der Milizinspektorin Janulevičienė die Wohnung von Veronika Šul-čiuvienė (Kybartai, Čepajevo sk. Nr. 14), wo Fräulein Genovaitė Mačenskaitė, Organistin bei der Kirche in Kybartai, wohnt.

Aldona Kasparaitytė und Leonas Jakimavičius wurden zu Zeugen ernannt. Zweck der Durchsuchung war, antisowjetische Literatur und technische Einrich­tungen zur Vervielfältigung zu finden. Bei der Durchsuchung wurde folgendes be­schlagnahmt:

Aušra (Die Dämmerung), Nr. 17; Die Chronik der Litauischen Katholischen Kir­che, Nr. 42; Patarimai, kaip laikytis tardymo metu (Anweisungen, wie man sich bei Verhören verhalten soll); Tiesos kelias (Der Weg der Wahrheit), Nr. 10 und 11; Medvedev's Beprotystės klausimas (Die Frage des Wahnsinns); 16 Fotogra­fien; Gedichte; Noten; weißes Schreibpapier; Kohlepapier; Sparbuch Nr. 055093, welches Elena Lapienienė gehört; alles Geld; eine Startpistole; eine Erika-Schreib­maschine Nr. 5900161.

Die Durchsuchung begann um 9.00 Uhr. Währenddessen wurde Fräulein Ma­čenskaitė im Pfarrhaus von Kybartai festgehalten und die Sicherheitsbeamten ver­wehrten es ihr, Zeuge der Durchsuchung ihrer Wohnung zu sein. Danach wurde sie 3 Stunden lang verhört. Man wollte von ihr die Herkunft des Puplikationsma-terials wissen. Sie sagte aus, daß sie alles, die Publikationen, Bücher, Schreibma­schine usw. vom Priester Virgilijus Jaugelis bekommen hätte. Die Nr. 42 der Chronik hätte sie auf einem Katafalk im Kirchenvorraum gefunden. Das Verhör des Beamten Dauglas beschäftigte sich auch hauptsächlich mit der Person von Genovaitė Navickaitė, die seiner Meinung nach höchst kriminell sei.

Am 18. April 1980 um 16.40 Uhr drang eine Gruppe von Sicherheitsbeamten in das Pfarrhaus von Bagotoji (Rayon Kapsukas) ein. Sie zeigten Pfarrer Vaclovas Degutis einen Durchsuchungsbefehl und begannen mit ihrer Arbeit. Die Durchsu­chung wurde geleitet von KGB-Kapitän Jurkštas in Zusammenarbeit mit 10 Si­cherheitsbeamten und der Inspektorin des Staatssicherheitskomitees in Kapsukas, Mikuckienė. Janina Žilinskienė und Elena Grabauskienė (beide aus Kapsukas) waren Zeugen.

Bei der Durchsuchung wurden die Nr. 38 der Chronik der Litauischen Katholi­sehen Kirche; Aušra (Die Dämmerung) Nr. 18 und das Buch Dabarties kankiniai (Märtyrer von heute) von Pfarrer Degutis konfisziert.

Im zweiten Stock des Pfarrhauses fanden die Sicherheitsbeamten Ona Vitkaus­kaitė, wohnhaft in Kaunas, Partizanu g. Nr. 226—4. In ihrem Besitz war: eine Erika-Schreibmaschine, Nr. 42 der Chronik und 10 Abschriften von Seite 26 der Chronik.

Die Durchsuchung war um 22.30 Uhr beendet. Ona Vitkauskaitė wurde festge­nommen, zum KGB nach Vilnius gebracht und ist bis jetzt noch nicht wieder auf freiem Fuß.

Nach der Durchsuchung wurden der Pfarrer Vaclovas Degutis und seine Haus­hälterin Janina Pileckytė, deren Wohnung ebenfalls durchsucht wurde, verhört. Fräulein Ona Vitkauskaitė wurde am 23. April 1935 in Stuomenai, Bezirk Mari­jampolė geboren. Sie besuchte die Schule in Marijampolė, in Rietavas und Prie­nai. 1959 wurde sie mit der Städtischen Handelsschule Nr. 2 in Kaunas fertig und absolvierte einen Kurs über Technisches Zeichnen. 1970 beendete sie das Poly­technikum in Kaunas und absolvierte einen metallverarbeitenden Kurs. Sie arbei­tete als Kunstgewerblerin.

Am 18. April 1980 um 16.00 Uhr drang eine Gruppe von Sicherheitsbeamten in die Wohnung von Frau Pranciška Tuominės und Genovaitė Mačenskaitė ein, wohnhaft in Kapsukas, Dvidešimtmečio g. Nr. 3. Nach einer Überprüfung aller Zimmer händigten sie Joana Šukevičiūtė den Durchsuchungsbefehl aus. Sie ist ein junges Mädchen und wohnte im selben Gebäude. Sie forderten sie auf, das Papier zu unterschreiben und drohten damit, sie nach Vilnius zu bringen, falls sie sich weigere. Das Mädchen weigerte sich aber standhaft. Frl. Genovaitė Paliauskaitė, die gerade dort einen Besuch machte, und die im Haus wohnende Birutė Briliūtė (eine Musiklehrerin) wurden während der Durchsuchung zurückgehalten. Folgen­de Gegenstände wurden bei Birutė Briliūtė beschlagnahmt:

eine Erika-Schreibmaschine; eine Startpistole; 6 Tonbandkassetten; R. Medve-devs Buch Beprotystės klausimas(Die Frage des Wahnsinns); Vater Dudkos Po­kalbiai religiniais klausimais (Gespräche über Religionsfragen);Vainovičius' Ka­reivio Čionkino gyvenimas ir nepaprasti nuotykiai (Das Leben und die außerge­wöhnlichen Abenteuer des Privatmannes Chionkin); Abiturientai (Die Abiturien­ten), 3 Bände; SOS iš anapus (SOS von der anderen Seite); Fabiolė, Danguolė.

Die Sicherheitsbeamten durchsuchten nicht nur die Zimmer von Frau Toumienė, sondern auch denjenigen Teil des Hauses, den Genovaitė Mačenskaitė bewohnt, und zwar ohne Durchsuchungsbefehl. Auf Fragen der Hausbewohner, wie ihre Namen seien, gaben sie keine Antwort. Auch hinterließen sie keinen Bericht über die Durchsuchung. Die Zeugen halfen bei der Durchsuchung mit. Besonders eif­rig war dabei J. Cibulskas. Sie bezeichnete einen Koffer mit Werkzeugen als »sehr gefährliches anti-sowjetisches Material«. Dieser war jedoch von den Beamten sel­ber mitgebracht worden.

 

Die Durchsuchung dauerte 7 Stunden. Birutė Briliūtė und die ältere Frau Elena Babianskaja (die ab und zu in dem Gebäude lebt) mußten sich einer Leibesvisita­tion unterziehen. Frau Babianskajas Zimmer wurde ohne Anordnung des Staats­anwaltes durchsucht. Ein Ideal-Schreibmaschine und verschiedene religiöse Bü­cher wurden beschlagnahmt. Nachher wurde Frau Babianskaja von dem Sicher­heitsbeamten Valaitis verhört. Die alte Frau schrieb in ihrer Erklärung an den Staatsanwalt am 23. April 1980: »Es wäre passender, wenn sich die Augen der Sicherheitspolizei und der Miliz auf die Alkoholiker beiderlei Geschlechts richten würden und besonders auf diejenigen, die illegal Alkohol herstellen, und statt des­sen die Gläubigen in Frieden leben, studieren und arbeiten lassen und uns alte Menschen auf einen fröhlichen Tod vorbereiten lassen.«

Während der Durchsuchung beschimpften und verspotteten die Sicherheitsbeam­ten die Bewohner des Hauses. Der »Zeuge« Cibulskas spuckte auf ein religiöses Bild und spottete: »Welche Sorte von Pornographie ist das?« Als sie ein Kruzifix fanden, das noch nicht wieder aufgehängt worden war, konterte ein Sicherheits­beamter: »Warum läßt du deinen Bräutigam auf dem Tisch liegen?« Kultur und Benehmen der Durchsucher kann daran gemessen werden, daß, ob­wohl sich ein WC im Haus befand, sie dazu den Heizkeller benutzten.

Am 28. April 1980 um 7.00 Uhr kamen drei Sicherheitsbeamte unter der Leitung von Rainys in die Wohnung von Fräulein Ona Vitkauskaitė (sie war am 18. April festgenommen worden), wohnhaft in Kaunas, Partizanu g. Nr. 226—4. Zwei Be­trunkene wurden zu Zeugen erklärt. Wohnung und Untergeschoß wurden ohne Durchsuchungsbefehl durchsucht. Die persönlichen Dokumente von Fräulein Vitkauskaitė wurden dabei mitgenommen. Nach der Abfassung eines Berichtes wollten die Beamten, daß Fräulein Bernadeta Mališkaitė, die ebenfalls dort wohn­te, ihn unterschrieb. Sie weigerte sich. Eineinhalb Stunde später verließen sie die Wohnung ohne Hinterlassung eines Berichtes.

In den frühen Morgenstunden des 28. April 1980 wurde das Appartement von Fräulein Genovaitė Navickaitė (festgenommen am 17. April) und wohnhaft in Kaunas, Vašuokliu g. Nr. 4 von Sicherheitsbeamten unter der Leitung von Major Daugalas durchsucht. Sie fanden weder in ihrem Zimmer noch in ihrer Garage irgend etwas. Sie gingen, ohne einen Durchsuchungsbericht zurückzulassen.

Am 8. April 1980 durchsuchte der Milizkapitän Slibinskas vom Rayon Prienai die Wohnung von Kazimieras Sabaliauskas, wohnhaft in Pabališkiai.

Beschlagnahmt wurden bei der Durchsuchung: religiöse Bücher — T. Toths »Die Religion des jungen Menschen«; K. Naseckas Šviesos nešėjai (Träger des Lichtes); Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte; Notenblätter; usw.

Die eineinhalbstündige Durchsuchung wurde von sieben Personen durchgeführt. Das KGB macht jetzt auch schon Hetzjagd zusammen mit der Miliz auf religiöse Literatur.

Am 7. und 8. Mai 1980 wurde der Priester Antanas Gražulis, Hilfsgeistlicher in der Pfarrei von Prienai, vom KGB Vilnius verhört. Der Beamte Daugalas befrag­te den Priester, ob er die nachgenannten festgenommenen Personen kenne: P. Buzas, A. Janulis, G. Navickaitė, O. Vitauskaitė. Der Sicherheitsbeamte lastete Priester Gražulis an, bei der Herausgabe der Chronik der Litauischen Katholi­schen Kirche mitgewirkt zu haben, sie mit Material versorgt und außerdem Provi-las Buzas geholfen zu haben, einen Era-Photokopierer zu bauen. Dem Priester wurden Fingerabdrücke abgenommen. Er mußte auch Schriftproben abgeben. Der Beamte erklärte dann folgendes über Priester Gražulis: »Selbst wenn man ihn auf einen glühenden Kohlenrost legte, würde er trotzdem in seinem eigenen Sinn handeln und reden . . . Früher oder später werden wir ihn fangen, denn er ist vom Teufel besessen.«

Der Beamte sprach sehr aufgebracht über das Katholische Komitee zur Verteidi­gung der Rechte der Gläubigen, welches er folgendermaßen zu behandeln drohte: »Sie sind wie die Amerikaner: Sie benutzen andere für ihre schmutzige Arbeit.« Ende April wurde Fräulein Janina Pileckytė, Haushälterin des Pfarrers von Ba-gotiji, zum Verhör nach Vilnius vor das KGB geladen. Man befragte sie über die festgenommene Ona Vitkauskaitė, wann sie gekommen sei, ob sie ihre Schreib­maschine mitgebracht hätte, usw.

Am 6. Mai 1980 wurde Giedrė Strickaitė aus der Medizinischen Hochschule abge­holt und zum Verhör zum KGB nach Vilnius gebracht. Der Beamte Balčiūnas be­fragte sie über die festgenommene Genovaitė Navickaitė und über eine Person, die nach der Rede des Beamten Fräulein Strickaitė die Nr. 43 der Chronik ge­bracht haben sollte. Der Beamte Balčiūnas versuchte durch ein geschicktes Frage-und Antwortspiel die Informationen herauszuholen, die er wollte. Er versuchte es auch mit Drohungen: »es werden hier auch Personen geschlagen«. »Sie werden morgen und auch noch übermorgen hier sein, wenn Sie nicht die Wahrheit sagen«, »Sie werden Ihr Leben ruinieren.« Dies und ähnliches wurde zur Ein­schüchterung des jungen Mädchens gesagt. Fräulein Strickaitė sei eine Nonne und ihr Orden sei in die Politik verstrickt, war die Überzeugung des Beamten, und ihre Vorstellungen würden sich sehr bald ändern, wenn sie in Chuvash Bäu­me schneiden müßte. Der Beamte Balčiūnas war besonders schlecht auf die Prie­ster zu sprechen: auf A. Svarinskas und S. Tamkevičius. Er bezeichnete sie als Geier. »Sie haben das Blut aus zahllosen unschuldigen Personen gesaugt«, schrie der Beamte und tat so, als ob er die Unschuld »verteidigen« müßte.

Das Verhör dauerte den ganzen Tag, dann wurde Fräulein Giedrė Strickaitė nach Hause entlassen. Sie erhielt die Auflage, am nächsten Tag wieder vor dem KGB in Vilnius zu erscheinen. Sie wurde wiederum über Fräulein Navickaite befragt, abermals über die Chronik, etc.

An demselben Tag mußte der Vater von Fräulein Strickaitė, Valentinas, ebenfalls von Vilkaviškis nach Vilnius fahren, wo er vom KGB verhört wurde.

Am 14. Mai 1980 mußte die Lehrerin Ona Šarakauskaitė vor dem KGB in Vilnius zum Verhör erscheinen. Der Beamte Rainys befragte sie über die inhaftierte O. Vitkauskaitė. Er fragte, ob sie ihr die Chronik zum Lesen gegeben hätte, ob der sogenannte »Antanas« (der festgenommene A. Janulis) jemals in Fräulein Vit­kauskaitės Wohnung gewesen sei, ob sie P. Buzas kenne, ob die beschuldigte G. Navickaitė sie besucht hätte, etc. Nach Meinung des Beamten Rainys gehörte Fräulein Šarakauskaitės Freundin Bernadeta Mališkaitė zusammen mit Fräulein Navickaitė und Fräulein Vitkauskaitė ins Gefängnis.

Der Beamte Rainys konnte die beiden festgenommenen Frauen O. Vitkauskaitė und G. Navickaitė auch niemals überreden, die Protokolle zu unterschreiben. Fräulein Šarakauskaitė weigerte sich ebenfalls, etwas zu unterschreiben.

Am 15. Mai wurde die Lehrerin Bernadeta Mališkaitė zum Verhör vorgeladen. Der Beamte Rainys befragte sie über mehrere Personen: über P. Buzas, A. Janu­lis, G. Navickaitė und O. Vitkauskaitė. Er machte den Priester Tamkevičius dafür verantwortlich, daß diese unschuldigen Menschen im Gefängnis säßen. Außer­dem habe der Priester Virgilijus Jaugelis soweit gebracht, daß dieser sich vergifte­te und er ihn nun als Märtyrer und Heiligen darstellen könne. Der Beamte Rainys wurde wütend, als Fräulein Mališkaitė ihre Unterschrift unter das Protokoll des Verhörs verweigerte. Seine Schlußbemerkung war: »Wenn Sie so weitermachen, wird es schlimm mit Ihnen enden.«

Am 6. März 1980 wurde der Priester Feliskas Baliūnas, Pfarrer an der St.-Georgs-Kirche in Šiauliai, zum KGB in Šiauliai beordert. KGB-Beamte befragten Priester Baliūnas über J. Petkevičienė, M. Jurevičius (Mitglied der Helsinki-Gruppe) so­wie andere Personen. Sie legten Priester Baliūnas zur Last, diese Parasiten unter­stützt, Material für die Chronik gesammelt, das sowjetische Reglement beschul­digt zu haben, den Alkoholismus nicht zu bekämpfen, und forderten den Prie­ster zum Schluß auf, eine Erklärung zu unterschreiben. »Wenn Sie uns keine Schwierigkeiten bereiten, machen wir auch keine«, bemerkte der Sicherheitsagent dazu.

In Verbindung mit den nachfolgenden Anklagen der in Vilnius wohnhaften Per­sonen Antanas Terleckas, Julius Sasnaukas und Algirdas Statkevičius, wurden vom 6.—8. März 1980 in Šiauliai verschiedene Einwohner verhört. Eine Gruppe von Sicherheitsbeamten unter der Leitung von Major Pilelis verhörten Ona Lu-kauskaitė Poškienė, Jadvyga Petkevičienė, Mečislovas Jurevičius und Priester Fe­liskas Baliūnas. Der verhörende Beamte sagte, daß die drei in Vilnius ansässigen Personen wegen »antisowjetischer Attacken und Propaganda« angeklagt seien und daß es sehr gut möglich sei, daß noch weitere Personen damit zu tun hätten. Die Sicherheitsbeamten waren besonders an dem Memorandum interessiert, das von 45 Balten unterschrieben war und welches das Molotow-Ribbentrop-Abkommen, die Chronik der Litauischen Katholischen Kirche, Aušra (Die Däm­merung) und Proteste gegen Arrestierungen in Litauen betraf.

Am 15. April 1980 verhörte Major Markevičius Frau A. Ragaišienė bezüglich der in ihrer Wohnung stattgefundenen Pressekonferenz für ausländische Journali­sten, die extra nach Vilnius gereist waren. Ein anderer Punkt des Verhörs waren die Proteste gegen die Verhaltensweise des KGB gegenüber Romas Ragaišis.

Nijolė Galminaitė wurde am 10. Februar 1980 an der Bushaltestelle in Tauragė festgenommen. Sie wurde der Miliz vorgeführt und in eine Ausnüchterungszelle gebracht. Normalerweise werden Betrunkene von dort aus nach einer Nacht ent­lassen. Das junge Mädchen aber mußte dort drei Tage unter außerordentlich wid­rigen Umständen verbringen. Sie wurde einer sehr sorgfältigen Untersuchung unterzogen. Sogar Adressen aus ihrem Adreßbuch wurden kopiert. Durch­suchungsbefehl oder Protokoll existiert davon nicht. Das Verhör wurde drei Tage lang von einem vierschrötigen Sicherheitsbeamten durchgeführt. Durchsuchung, Verhör sowie Inhaftierung stellten eine Verletzung der sowjetischen Gesetze dar. Nijolė Galminaitė wurde einem Verhör unterzogen, das sich mit ihrem Glauben befaßte, mit Anschuldigungen, sich aktiv am Gottesdienst zu beteiligen. Man wollte auch wissen, warum sie Viduklė, Žemaičiu, Kalvarija und Telšiai besucht habe. Außerdem sollte sie Angaben zu kirchlichen Angelegenheiten machen. Man wollte im einzelnen wissen, wer die heilige Messe besucht, Andachten hält und Mitglied des Kirchenchores ist.

Zum Schluß legte man ihr nahe, Stillschweigen über das Verhör zu wahren, an­dernfalls sie wieder zur Sicherheitspolizei gebracht und mißhandelt würde. Außer­dem verlangten die Beamten von ihr, ihren Eltern zu verheimlichen, daß sie fest­genommen worden war. Über ihre Abwesenheit von drei Tagen sollte sie eine Ge­schichte erfinden.