Prienai

Am 18. Mai 1980 mußten die Schüler der Mittelschule in Prienai, Aldonas Gudai-tis und Aigis Gudaitis, bei der Stellvertreterin des Direktors der Schule vorspre­chen. Hier wurden sie von Sicherheitsbeamten aus Prienai erwartet, die die Schü­ler zu dem KGB-Aufenthaltsort von Prienai brachten. Beide Schüler wurden be­fragt, wo sie vom 15. bis 17. Februar gewesen wären. Sie wurden beschuldigt, am 16. Februar die Trikolore, die Fahne des unabhängigen Litauens, gehißt zu ha­ben. Die Brüder Gudaitis wiesen die Beschuldigung zurück. Die Untersuchungs­richter benahmen sich sehr grob und wurden oft sehr laut: »Welcher Freiheit be­darfst du?! Hast du nicht genug zu essen . . . Rotznase, mit solchen wie dir wer­den wir schon fertig.« Dreiviertelstunde wurden die unschuldigen Kinder strapa­ziert, und bevor man sie laufen ließ, gab man ihnen den Befehl mit auf den Weg, daß deren Eltern sich anderntags im Staatssicherheitsdienst einzufinden hätten.

 

Prienai

Am 14. Mai 1980 wurde Vida Mačiulytė in das KGB von Prienai gerufen. Die Mitarbeiter des KGB befragten die Schülerin, ob sie den Häftlingen Plumpa, Sa-dūnaitė u. a. Grüße geschrieben habe, ob sie in die Kirche ginge und ob ihr die Brüder Gudaitis bekannt wären usw.

 

Pakuonis (Kreis Prienai)

Am 27. Mai hatte sich eine Gruppe von Mädchen auf dem Kirchhof der Kirche von Pakuonis versammelt. Zum bevorstehenden Kirchweihfest übten sich die Mädchen im Blumenstreuen. In diesem Moment kamen die Schulleiterin Deltu­vienė, die Kreisvorsitzende Pečkienė und die Parteisekretärin Padrezienė auf den Kirchhof und jagten mit großen Drohungen die Schülerinnen davon. Sie erklär­ten, daß Schüler an dieser Prozession nicht teilnehmen dürften.

 

Tirkšliai (Kreis Mažeikiai)

Am 4. Mai 1980 teilte der Pfarrer Vincentas Gauronskas in seiner Predigt zum Muttertag mit, daß ihm irgendein Beamter telefonisch eine entschiedene Forde­rung gestellt habe. Er wolle nicht, daß Kinder der hl. Messe dienen und den Ro­senkranz beten. Sollten sie es doch tun, würde man am 12. Mai das Pfarrhaus ab­brennen. Der Pfarrer fragte während seiner Predigt, ob es denn nicht klar sei, daß hier ein Atheist gedroht habe? Und bestehe nicht eine Verbindung zwischen der Drohung und den Verbrennungen der Hl.-Georg-Kirchen zu Batakiai, Gaurė und Šiauliai in den Sowjetjahren? Und sollte es ein Zufall sein, daß in der ganzen Um­gebung fast alle Kirchen, wie die von Žemaičiu Kalvarija, Seda, Gadūnava, Al­sėdžiai und Tryškiai entweiht worden sind, daß man in die Kirche von Mažeikiai eingebrochen ist, die Kathedrale von Telšiai beraubt hat und die Grabmäler des Friedhofs in Plungė vernichtet worden sind?

Am anderen Tag kamen fünf neue Jungen in die Kirche von Tirkšliai, um der hl. Messe zu dienen. So antworten die Niederlitauer mit noch größerem Eifer auf die Drohungen und die Gewalt der Atheisten.Seda (Kreis Mažeikiai)

Am 4. Mai 1980, morgens um 7.30 Uhr, wurde Jonas Račkauskas, Schüler der XI. Klasse der Mittelschule von Seda, von irgendwelchen fremden Leuten ge­weckt. Sie baten ihn, sich in den PKW zu setzen und ihnen bei der Suche nach ei­nem Einwohner von Seda behilflich zu sein. Unterwegs aber bog der Wagen in Richtung Plungė ab. Der Schüler bat den Fahrer anzuhalten, dieser fuhr jedoch weiter. Während der Schüler plötzlich die Wagentür öffnete, rief er »Staatssicher­heitsdienst« und sprang aus dem PKW. Die zwei im Wagen sitzenden Männer versuchten erfolglos, ihn aufzuhalten. Am 6. Mai, wieder in der Frühe, als die ganze Familie sich schon auf der Farm befand, wurde eine Haussuchung durchge­führt. Die Personen, die diese Haussuchung durchführten, zeigten nur kurz ihre Dienstausweise und sagten, sie wären aus dem KGB in Plungė. Der Schüler Jonas Račkauskas wird beschuldigt, die festliche Übergabe des Rosenkranzes in Žemai­čiu Kalvarija organisiert und den Rosenkranz in der Kirche von Seda gebetet zu haben. (Jeden Tag beten 10—20 Kinder den Rosenkranz in der Kirche.) Die Haussuchung wurde mit strolchhaften Methoden vollzogen: Es wurde kein Durchsuchungsbefehl, versehen mit einer Sanktion des Staatsanwaltes, vorge­zeigt, kein Durchsuchungsprotokoll geschrieben, und diese Haussuchung verlief ganz ohne Zeugen. Es könnte so aussehen, als ob diese zwei Vorfälle die Taten ei­niger Strolche waren, wenn sie nicht in Verbindung mit der schon vorhergegange­nen Verfolgungsaktion des Schülers in der Mittelschule ständen. Jonas Račkaus­kas wird in der Schule ständig beleidigt. Der Direktor Labžentis sagte im Unter­richt der Gemeinschaftskunde, in dem er die Gläubigen verschiedentlich auslach­te, daß er insbesondere den Priester J. Kauneckas hasse, obwohl er ihn überhaupt nicht kennen würde. Dazu bemerkte der Schüler J. Račkauskas: »Herr Direktor, aber die sowjetische Konstitution verbietet den Haß!« Der erzürnte Direktor packte den Jugendlichen am Kragen und führte ihn aus der Klasse. (Der Direktor Labžentis ist wegen Veruntreuung staatlicher Gelder seines Postens enthoben worden und unterrichtet derzeit in der Schule Gemeinschaftskunde —die sowjetische Moral!)

Dafür, weil J. Račkauskas einige Freunde mit in die Kirche eingeladen hatte, drohte man ihm, daß er keine Abiturexamen halten werden dürfe, oder aber im Examen durchfallen werde. — Am 12. Mai wurde eine gemeinsame Sitzung des Bezirkes Seda und der Stadt einberufen, um das Benehmen des Schülers zu be­sprechen. An der Sitzung nahmen teil: der Kreisvorsitzende Petkus, der Vorsit­zende der Stadt Ramanauskas, die Schuldirektorin Butkutė, ihre Stellvertreterin Plekaitienė, die Lehrer Spernauskas und Fr. Petraitienė und sechs Mitglieder des Elternkomitees. — Dem Jugendlichen wurde gestattet, sich nur fünf Minuten zu verteidigen, aber das reichte auch schon — alle konnten daraus ersehen, daß man den Schüler zu Unrecht verfolgt und ständig grob beleidigt hatte. Der Kampf des gläubigen Jugendlichen mit den Atheisten wird dadurch er­schwert, daß er in diesem Kampf keine Unterstützung von dem Pfarrer, Priester Petras Serapinas, erhält, der selber eifrig bemüht ist, Kinder dem Altar fernzu­halten.

 

Seda (Kreis Mažeikiai)

Am 24. Mai 1980 brachte Jonas Račkauskas, Schüler der XI. Klasse der Mittel­schule in Seda, dem Lehrerausschuß ein ärztliches Attest bei, in dem er aufgrund schlechter Sehfähigkeit von den Abiturexamen freigestellt worden ist. Aber davon abgesehen, mußte der Schüler daran teilnehmen. Der Lehrer Labžentis verwirk­lichte während des Examens seine Drohung — der Schüler bekam in der Prüfung in Gemeinschaftskunde eine mangelhafte Note.

 

Betygala (Kreis Raseiniai)

Als 1979 der neue Pfarrer, Priester Juozas Varvuolis, in der Pfarrgemeinde seine Arbeit angetreten hatte, wurde das religiöse Leben aktiver, und das mißfiel der Kreis- und Orts Verwaltung. Der Pfarrer wurde zum Exekutivkomitee nach Rasei­niai gebeten. Hier mußte er erklären, warum er der schwerkranken, langjährigen Kirchenchoristin Šaibokaitė im Krankenhaus die Letzte Ölung erteilt habe. Der Pfarrer war von Ona Petrauskienė in das Krankenhaus gerufen worden. Am 18. Januar d. J. ließ man sie in den Bezirk Betygala kommen, wo ihr die stellver­tretende Vorsitzende des Bezirkes Raseiniai, Stonienė, dafür, daß sie den Priester und zwei Schüler mit ins Krankenhaus gebracht hatte, mit einer Geldstrafe und sogar mit einer zweijährigen Freiheitsstrafe drohte. Die beiden Schüler, Žydrūnas Pupeikis und Gintas Kalina, hatte sie als Meßdiener mit in die Kirche gebracht.

Die stellvertretende Direktorin der Schule, Viršlienė, befahl den Schülern Ž. Pu-peika und G. Kaiina schriftliche Erklärungen einzureichen, warum sie in der hl. Messe dienen und die Kirche besuchen würden.

 

Kupiškis

Am 18. Mai 1980 feierte der in den Ruhestand getretene Priester der Pfarrgemein­de Kupiškis, Edvardas Vaišnora, sein 50jähriges Priesterjubiläum. Zu den Feier­lichkeiten versprach der Bischof der Diözese Panevėžys, Romualdas Krikščiūnas, zu kommen. Man informierte die Mitglieder der Pfarrgemeinde über das Priester­jubiläum und die Ankunft des Bischofs. Dieses beunruhigte die Atheisten: am Gottesdienst könnten viele Kinder und Jugendliche teilnehmen. Die dritte Sekre­tärin des Komitess der kommunistischen Partei, Marinkienė, unterstützt vom er­sten Sekretär, Tamošiūnas, befahl den Lehrern der Mittelschule, die Kinder am Sonntag zu beschäftigen. Die Lehrer behielten einen Teil der Kinder auf dem Sportplatz in Obhut, und die anderen gingen in den Wald . . . Trotzdem gehorchten einige Schüler nicht — viele von ihnen nahmen am Sonn­tagsgottesdienst teil. Dafür mußten die gläubigen Schüler büßen.