Die gläubigen Schüler werden gezwungen, den Organisationen der Pioniere und des Komsomol beizutreten

Die Schüler der ersten Klassen werden eigenmächtig, ohne Einverständnis der Kinder selbst oder der Eltern, in die Pioniere oder in die Organisation der Oktoberrevolution eingeschrieben. Die Kinder werden lediglich angewiesen, sich ein Sternabzeichen oder ein rotes Halstuch zu kaufen. Viele Lehrer besorgen selbst die Sternabzeichen und das Halstuch und gebieten den Kindern, das Geld mitzubringen. Nach der unfreiwilligen Einschreibung wird den Kindern verboten, zu heucheln und in die Kirche zu gehen, da ja ein wahrer Pionier keinen Gott habe. Dies alles tun die Lehrer meist nicht aus eigener

Initiative, sondern auf Befehl des Kultusministeriums. In den meisten litaui­schen Schulen ist das Tragen der roten Halstücher unpopulär und die Kinder vermeiden dies möglichst.

„Die Religiosität der Eltern und der Kinder selbst ist die grundlegende, wenn nicht die einzige treibende Kraft, warum die Kinder sich weigern, in die Organisationen der Pioniere einzutreten. Man kann deshalb in solchen Fällen, wenn das Kind sich weigert einzutreten, schlußfolgern, daß es in einer reli­giösen Familie erzogen wird und auch selber mehr oder weniger religiös ist", so argumentiert B. Bitinas, Spezialist für Schüleratheismus (Religingi mokiniai ir jų perauklėjimas — Religiöse Schüler und dren Umerziehung, 1969, S. 128).

Anläßlich des 50-jährigen Staatsjubiläums der UdSSR 1972-73, wurden die Schüler der höheren Klassen in besonderem Maße angehalten, dem Komsomol beizutreten. Man überzeugte sie davon, daß es viel schwieriger sei, als Nicht­Komsomolze in die höhere Schule zu gelangen. In der Tat werden viele Bewerber abgewiesen, die nicht dem Komsomol angehören. In einigen Schulen behielten 1972 die Erzieher die Schüler 3 - 4 Stunden nach dem Unter­richt zurück und versuchten, sie zum Beitritt zu bewegen. Zur Zeit wird ein immer größerer Unwille der Schüler, diesen Organisationen anzugehören, verzeichnet. Die einen tun dies aus patriotischen, die anderen aus religiösen Überlegungen und wollen nicht wider ihre Überzeugung handeln, die Mehr­heit aber sieht keinen Nutzen darin.

Die Klassenerzieher müssen der Kultusabteilung des Rayons über die Anzahl der Komsomolmitglieder Rechenschaft ablegen. Sind es nur wenige in einer Klasse, so folgert die Kultusabteilung, daß die Lehrerin ein schlechtes Beispiel sei. Darum bemühen sich die Karrieristen, sich wenigstens dadurch auszu­zeichnen, daß in ihrer Klasse alle 100°/o-ige Komsomolzen seien. Im Herbst 1972 schrieben sich viele Nicht-Komsomolzen in die Hochschulen ein. Es scheint immer schwieriger zu werden, den 100%-igen Wunschtraum tu verwirklichen. Der Beitritt in den Komsomol gilt als sehr wichtiges Moment in der atheistischen Schülererziehung. „Der Entschluß, Komsomolmitglied zu werden, ist zugleich der Entschluß, endgültig den religiösen Ansichten zu entsagen" (B. Bitinas, Religingi mokiniai ir jų perauklėjimas — Religiöse Schüler und ihre Umerziehung, S. 108).

Bei der Einschreibung fragt niemand den Schüler nach seinem Glauben, doch hinterher wird er so manches Mal scharf kritisiert. Eine Mittelschülerin in Čedasai erzählt: „Ich erinnere mich, wie erniedrigend es war, als die Komso­molversammlung über meinen Kirchenbesuch beriet." Viele katholische Schüler, die dem Komsomol angehören, beginnen aus Angst vor Unannehm­lichkeiten in der Schule, die Kirche zu meiden; damit es die Freunde und

Lehrer nicht sehen, fahren sie in einen anderen Ort, um dort ihre Religions­praktik auszuüben und zuletzt hören sie überhaupt auf, den Glauben zu prak­tizieren. Heute wird es den litauischen katholischen Jugendlichen immer klarer, daß es ein großer Fehler ist, dem Komsomol beizutreten. In den Mittelschulen muß neben anderen Gruppen auch der Atheistenzirkel wirken. Die Freiwilligen sind rar, deshalb werden gläubige Schüler gewaltsam in den Aufgabenkreis einbezogen. So werden aus jeder Klasse diesen Zirkeln, mehrere Vertreter zugeteilt. Manchmal werden alle Komsomolzen eingetragen, wie z.B. in der Mittelschule in Punia, und manchmal sogar aktiv den Glauben praktizierende Schüler, damit sie dort „umerzogen" werden. Um die Gläubigen in die atheistischen Zirkel zu bringen, greifen manche Lehrer sogar zu einer List. Im ersten Schulhalbjahr 1972 - 73 ließ die Lehrerin der Mittelschule in Krosna, Frl. Danauskaitė, alle Schüler, die an einem Ausflug mit „Kirchen­besuch" u.s.w. teilnehmen wollten, in eine Liste eintragen. Die Kinder druch-schauten die Tücke nicht und schrieben sich damit in den Atheistenzirkel ein; doch als sie später den Betrug erkannt hatten, traten sie wieder aus. Von der Unbeliebtheit des Atheismus unter den Schülern spricht die Tatsache, daß die Atheistenzirkel fast auf allen litauischen Achulen dahinsiechen: sie fungieren nur so weit, wie es sein muß.".

Die Einschreibung des gläubigen Schülers in die Atheistenzirkel, ist der gröbste Verstoß gegen die Überzeugung der Kinder und Eltern. Eine weit gebräulichere Gewissensnötigung ist der Zwang, gläubigeSchüler mit atheistischen Fragestellungen zu beschäftigen, im atheistischen Unterricht ausgefragt zuwerden, atheistische Aufsätze und Diktate schreiben und an der atheistischen Laienbewegung teilnehmenzu lassen.

B. Bitinas schreibt: ,, Wir werden einige Möglichkeiten aufzeigen, wie man die Schüler in das atheistische Betätigungsfeld einbeziehen kann. Eine davon ist die öffentliche Stellungsnahme des religiösen Schülers in Bezug auf atheistische Themata (während eines Gesprächs, einer Leserkonferrenz, Filmbesprechung, in der Wandzeitung u.s.w.)... Wichtig ist es, daß der Schüler bei seiner Stellungs­nahme veranlaßt wird, zu einer Endlösung zu gelangen. Nun muß der Schüler sich so verhalten, wie er gesprochen hat. andernfalls wird er von den Klassen­kameraden als Heuchler angesehen. Gewöhnlich ist der Heranwachsende solchen Anschuldigungen gegenüber sehr empfindlich. (Religingi mokiniai ir jų perauklėjimas — Religiöse Schüler und ihre Umerziehung, S. 165). Bedrüfen diese unmenschlichen Worte, die von der völligen Mißachtung der Gewissensfreiheit der Schüler zeugen, noch zusätzlicher Erläuterungen? Es bleibt nur noch hinzuzufügen, daß das erwähnte Buch vom Kultusministerium der LSSR herausgegeben und den Lehrern als Anleitung zur atheistischen Schülererziehung empfohlen wurde.

Die Zeichenlehrer lassen die gläubigen Schüler sehr oft ein atheistisches Thema bearbeiten. Weigert sich einer, so bekommt er eine fünf. Solch eine Vergewaltigung der gläubigen Schüler, wird für human und auch als den vom Kultusministerium aufgestellten Programmen entsprechend gehalten.

Hohn und Terror

Die Schüler, die die Kirche besuchen, werden oft verspottet und bei den Klassenversammlungen, in den Wandzeitungen u.s.w. angegriffen. Im April 1972 ging die Schülerin der X. Klasse der Mittelschule in Aštrioji Kirsna, Lina Galinskaitė, zur Totenwache ihres Nachbarn und kniete nieder um für ihn ein Gebet zu sprechen. Die Vorsitzende des Schulkomitees, Lukoševičienė und die Sekretärin der Parteiorganisation, Valiukonienė, sahen dies und waren darob sehr erzürnt. Am nächsten Tag wurde sofort eine Klassenversammlung anberaumt. Dort wurde L. Galinskaitė von der Erzieherin eine öffentliche Rüge erteilt, weil sie „gekniet und sich bekreuzigt" habe.

·     Ich kniete nieder und werde dies auch wieder tun. Ich habe mich bekreuzigt und werde mich immer wieder bekreuzigen. Sie haben kein Recht mir dies zu verbieten, — anwortete mutig das Mädchen.

·     Du darfst ruhig herumkriechen, doch dafür wird man dich von der Schule weisen oder du bekommst im Betragen eine fünf.

Lukoševičienė und Valiukonienė beschlossen, das Betragen des Mädchens angesichts aller Schüler zu erörtern. Die Komsomolzen sollten ihr Benehmen verurteilen.

—              Wir gehen selbst in die Kirche und beten, wie sollen wir also unsere Freundin verdammen — widersetzten sich die Schüler.

Die Vorsitzende des Schulkomitees rief eine andere Versammlung ein; sie wollte, daß wenigstens die Putzfrauen das gläubige Mädchen schuldig sprechen sollten. Die Frauen jedoch verteidigten sie einstimmig. Im Allgemeinen vermeiden es die Lherer, die religiösen Kinder zu verspotten (aber auch das kommt vor), sondern ermuntern die Schüler dazu. In dem Buch Religingi mokiniai ir jų perauklėjimas (Religiöse Schüler und ihre Umer­ziehung), heißt es: „Einige Leute behaupten, daß bei der atheistischen Schülererziehung satyrische Kritik hinsichtlich der Schüler, die Religions­praktik ausüben, nicht notwendig sei. Was die jüngeren Heranwachsenden betrifft, so zeigt unser erarbeitetes Material, daß diese Behauptung nicht kategorisch übernommen werden kann. Manchmal führt die in satyrischer Form vorgebrachte öffentliche Meinung eher dazu, die religiösen Schüler zu veranlassen die atheistische Erziehung anzunehmen, als es andere Formen der atheistischen Beeinflussung vermögen. Der Heranwachsende möchte nicht zum Gespött eines Kollektivs werden und dies ist weit wirksamer, als die Anleitung der Eltern, die Religion ausüben" (S. 122). „Der Schüler fühlt sich unwohl, wenn er wegen seiner Religionspraktik ausgescholten wird, noch dazu wenn er Pionier ist" (ebenda).

Gegen das Ministrieren

Vor allem werden jene Schüler terrorisiert, die bei der Messe dienen und an Prozessionen teilnehmen. (Siehe Chronik der LKK, Nr. 1, 2, 3, 4). Die Lehrer weisen die Schüler zurecht, nicht an den religiösen Zeremonien teilzunehmen, reden den Eltern zu, ihre Kinder nicht an den Altar zu lassen, und die Regie­rungsfunktionäre drohen den Priestern mit Versetzung in eine kleinere Gemeinde u.s.w. Die Atheisten befürchten, daß die Teilnahme an den religiösen Zeremonien bewußte Katholiken heranwachsen läßt, besonders aber, daß sich aus den Ministranten Kandidaten für das Priesterseminar ergeben könnten.

Der Schüler des Gymnasiums E. in Karklėnai diente bei der Messe. Direktor A. Vilkas rief ihn zu sich und fragte:

·     Dienst du wirklich bei der Messe?

·     Ja, das stimmt.

·     Was zahlt dir der Pfarrer dafür?

·     Mich entlohnt ein Höherer.

·     Du erhälst dadurch eine Charakteristik, daß du nirgendwo eintreten kannst.

·     Und jene Komsomolzen, die abends betrunken um das Kulturhaus herum­lungern und lauter fünfer in den Zeugnissen haben, bekommen die eine gute Charakteristik und dürfen in die Hochschule?

·     Klosterschwester!

Ein anderer Schüler P. wurde ebenfalls wegen seines Glaubens verfolgt. Direktor Vilkas rief ihn in sein Kabinett und fragte ihn, ob er in die Kirche gehe.

·     Ich gehe nicht nur zur Kirche, sondern spiele dort auch auf der Orgel.

·     Ich weiß, ich kenne deine Mätzchen. Ich werde das Fanatikernest ausrotten, — schrie der Direktor.

·     Wir alle sind auf irgendeine Weise fanatisch. Ich glaube an Gott und auch Sie glauben... Ist das schlecht? Wir haben doch Gewissensfreiheit.

·     Wir werden sehen, was du machst, wenn du wegen deiner schlechten Charakteristik zur Armee mußt, — drohte der Direktor.

Sehr beunruhigt sind die atheistischen Lehrer und Regierungsfunktionäre, wenn sie erfahren, daß die Schüler den Priester besuchen und die von ihm erhaltene Literatur lesen. Der Kontakt von Geistlichen mit Schülern ist sogar gesetzlich untersagt.

Bemerken die Lehrer bei einem Schüler die Tendenz zum Eintritt in das Priesterseminar, so bemühen sie sich speziell auf ihn einzuwirken und seinem Trachten eine andere Richtung zu geben. Manches mal kommt es zu Schmeicheleinen gegeüber solcher Schülern, nur um deren Sympathie zu gewinnen. Aber auch das Gegenteil wird praktiziert; dann werden die Schüler während des Schuljahres und bei den Examen besonders hart herangenommen.

Gegen den Kirchgang

Wegen des Kirchenbesuches werden den Schülern des öfteren die Noten ver­schlechtert, besonders die Betragensnote. Aurelija Račinskaitė, Schülerin der 1. Klasse der VIII. Klassenschule in Rageliai (Rayon Rokiškis), hatte im 2. Trimester 1972 in allen Fächern lauter zweier und im Betragen eine drei. Am Zeugnisende befand sich der Vermerk: Das Betragen im 2. Trimester ist nur befriedigend, weil sie zur Kirche geht.

Oft nehmen die Lehrer den gläubigen Schülern die Kreuzchen und Medaillons weg. Hier zeigt die Direktorin der II. Mittelschule in Kaunas, Rimkienė, besondere Erfahrung. Im Januar 1973 riß sie einem Mädchen das Medaillon vom Hals und meinte: „MeineSchublade ist voll von solchen Eisenstückchen!"

Es kommt vor, daß die Eltern für die Religiosität ihrer Kinder sogar am Arbeitsplatz behelligt werden. In den Versammlungen müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, sie verderben die Sowjetjugend, da sie die Schule daran hinderten, bewußte Kommunismusverfechter heranzuziehen.

Die Reaktion der gläubigen Schüler auf die Diskriminierung

Ein großer Teil der Schüler paßt sich den Gegebenheiten der Glaubensver­folgung an und tritt: um den Lehrer zu schmeicheln und da sie keine Unan­nehmlichkeiten haben wollen, den Organisationen der Pioniere und des Komsomol bei und vermeidet es, in die Kirche zu gehen. Man kann sie nicht Atheisten nennen, denn sie haben die Verbindung zur Kirche nicht völlig abgebrochen.

Ein Teil der Schüler schenkt der einseitigen atheistischen Propaganda Glauben. Besonders die Schüler der höheren Klassen fangen an, sich zu ver­stellen und meiden es, als Gläubige erkannt zu werden, da es ihnen am nötigen Religionswissen mangelt und weil sie nur die Verhöhnung und Vergewaltigung des Glaubens kennen; manche wenden sich sogar völlig vom Glauben ab. Schüler dieser Art zeichnen sich dadurch aus, daß sie keinen Sinn für Ideologie aubringen: weder für die des Atheismus noch für die der Religion, sondern sie sind nur an Sport, Fernsehen und später am Trinken und an Sex interessiert. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß in den litauischen Lagern die jugend­lichen Kriminellen den größten Anteil bilden...

Viele Schüler, die den Organisationen der Pioniere und des Komsomol bei­treten, erkennen nicht das eine Übel. Da sie in einer lügnerischen und gewissenlosen Atmosphäre, die sich in Litauen in den Nachkriegsjahren ent­wickelt hat, aufwachsen, sind sie nicht in der Lage, die volle Bedeutung des Schadens, der durch Heuchelei und Charakterlosigkeit angerichtet wird, zu begreifen.

Viele Schüler, die am atheistischen Unterricht teilnehmen und atheistische Aufsätze schreiben müssen, sehen darin nichts moralisch Schlechtes. Die Desorientierung in den Glaubens- und Moralfragen und die schmerzliche Gewaltsamkeit sind die Hauptbeweggründe dafür, daß die Schüler vor der Religion solch einen Greuel haben und nicht wieder gutzumachende Fehler begehen. Hier trifft die Eltern besondere Verantwortung. Die einen sind in Religionsdingen sehr nachlässig, die anderen fürchten sich, ihre Kinder zu verteidigen, wenn diese wegen ihres Glaubens terrorisiert werden, die dritten geben ihren Kindern sogar einen schlechten Rat: „Schreib dich ein Kind, in den Komsomol. Es ist nur wichtig, daß du Gott im Herzen behälst."

Wachsender Widerstand der Kinder und der Eltern

Ein Teil der Schüler wagte es, sich zu widersetzen und aktiv seine Überzeugung zu verteidigen.

Im ersten Schulhalbjahr 1972/73 wurden in der Mittelschule in Griškabūdis den Schülern der 9. - 11. Klasse drei Fragen vorgelegt mit dem Zweck, ihre Ansichten zu erfahren. 90% antworteten, sie glaubten an Gott. In der VIII. Klassenschule von Salininkai schrieben die Schüler am 15. September 1970, genau das Gegnteil dessen, was der Lehrer diktierte. Obwohl sie keinen Fehler machten, benotete der Direktor das Diktat mit einer 6.

In der Mittelschule von Memel fand im Februar 1972 folgendes Gespräch zwischen der Lehrerin und der Schülerin N. aus der VII. Klasse statt:

·     Ich geniere mich, da du eine gute Schülerin bist, daß du immer noch nicht zu den Pionieren gehörst.

·     Ich schäme gar nicht.

·     Warum willst du die einzige Ausnahme in der Klasse sein?

·     Ich will nicht heucheln. Ich möchte so sein, wie ich wirklich bin.

Die Lehrerin sprach während der ganzen Unterrichtsstunde über die Pionier­organisation. Zuletzt sagte sie:

— Die Organisation besteht. Wenn man dir befiehlt beizutreten, dann tu' es ohne Überlegung.

Als die Pioniere ihr gewaltsam den roten Schlips umbinden wollten, wehrte sich das Mädchen: „Ich lasse niemanden an meinen Hals." 1971 wurde im „Litauischen Pionier" der Brief eines Mädchens abgedruckt. Es schreibt: „Ich bin Pionier; doch das Halstuch habe ich nur deswegen umge­bunden, weil es die Erzieherin verlangte... ich gehe in die Kirche. Und nicht weil es die Großmutter, der Opa oder die Eltern verlangen, sondern freiwillig. Wie fast alle Schüler meiner Klasse empfange ich die Kommunion. Ich glaube fest daran, daß es Gott gibt."

In der Medizinschule von Memel hielt der Theaterdirektor B. Juškevičius 1969 atheistische Vorlesungen. Um einen Schein zu bekommen, mußte man schriftlich einige weltanschauliche Fragen beantworten. Der atheistische Dozent nahm es sich sehr zu Herzen, als er indem Aufsatz eines Mädchens folgende Gedanken fand:

,,Es heißt, daß die verschiedenen Religionen aus der Ohnmacht und Unwissenheit der Menschen entstanden seien, doch das ist nicht wahr. Der Ursprung der Religion ist weitaus würdiger...

Die Wisenschaftler erforschen allerlei Gesetze, zwingt dies nicht, darüber nachzudenken, wer dies alles geschaffen hat? Der Mensch erforscht nur das, was Gott lange vorher geschaffen hat. Der Mensch ist mehr als ein Stück Fleisch und ein Knochenhaufen. Er hat eine unsterbliche Seele. Christus hat wirklich gelebt. Mit seiner Geburt fängt die Zeitzählung an... Wenn alle Menschen aufrichtige und standfeste Katholiken wären, wie schön und ideal wäre das Leben, gleichsam paradisisch. Man brauchte weder Heere, noch die Miliz, noch Gefängnisse, doch jetzt... Ich glaube, daß allein der katholische Glaube der wahre ist. Dies war schon früher meine Überzeugung, doch die Vorlesungen haben mich nur noch mehr darin bestärkt..." Zur Zeit verspürt man unter den Schülern den immer stärkeren Wunsch, ihre Überzeugungen zu verteidigen und keinem Zwang nachzugeben. Die größte Unterstützung erhalten hier die gläubigen Schüler von ihren religiösen Eltern.

In der Mittelschule in Kapsukas bekannte ein Mädchen öffentlich vor der Klasse, daß es gläubig sei. Die Erzieherin ließ den Vater rufen. Dieser ver­teidigte mutig seine Tochter:

— Sie verlangen doch nicht, daß ein Mensch für einen Teller Suppe seine Überzeugungen preisgibt? —

In der Pfarrei Karklėnai erfuhr eine Mutter, daß ihre Kinder in der Fastenzeit singen und theaterspielen sollten. Beherzt ging sie zur Schulleiterin und erklärte, daß sie dies ihren Kindern nicht erlauben werde.

—              Sie kümmern sich um die Versetzung des Kindes, ich aber sorge mich um sein ganzes Leben und die Ewigkeit. Meine Kinder sollen keine Rowdies sein...

In einer Gemeinde in Žemaitija erfuhren die Eltern, daß die Kinder nach der Schule irgendein gottloses Theaterstück einübten. Am nächsten Tag ging eine Mutter zum Direktor und erklärte:

—              Meine Kinder werden nicht wider Gott theaterspielen. Bestehen Sie aber darauf, so werden die Kinder ab morgen nicht mehr in die Schule kommen. — Die Kinder brauchten nicht am atheistischen Theaterspiel teilzunehmen.

Eine Mutter schrieb an die Redaktion des „Litauischen Pioniers": „...warum sind jetzt, wo es so viele wissenschaftliche Errungenschaften gibt, die Menschen so blind und erkennen nicht den größten Geist — Gott? Ich bedaure zutiefst jene Mütter, die ihren Kindern nicht beibringen, Gott zu erkennen. Ich glaube wahrlich an Gott und möchte daß auch meine Kinder gläubig sind. Sollte ich je meine Kinder sagen hören, daß Gott unnötig sei, dann sollten sie lieber jetzt schon tot sein."

Jene Eltern, die den Glauben ihrer Kinder verteidigen, sind in den Augen der Atheisten Fanatiker. In Wirklichkeit jedoch ist jemand ein Fanatiker, wenn er gegenüber den Andersdenkenden voller Haß ist. Ist denn die gegenwärtige Verfolgung der gläubigen Schüler anders als durch Fanatismus zu erklären? Im Laufe der letzten Jahre schlössen sich die Eltern immer mehr zusammen, um gemeinsam für ihre Kinder einzustehen. Hierbei wären einige Kollektiv­eingaben zu erwähnen: Eingabe der Eltern aus der Pfarrei Valkininkai vom 10. Oktober 1971 an die Rayonverwaltung (siehe Chronik der LKK Nr. 2); Eingabe der Eltern der Gemeinde Simnas vom August 1971 an die Regierung der UdSSR; Eingabe der Eltern aus Lukšiai vom Februar 1972 an den Staats­anwalt der LSSR (siehe Chronik der LKK Nr. 2); Eingabe der Eltern aus Adutiškis vom 20. April 1972 an L. Brežnev (sihe Chronik der LKK Nr. 4). Alle Kollektiveingaben belegen mit Tatsachen die Verfolgungen der Schüler und fordern eine Verbesserung der Situation. Sie sind ein Beweis für das immer stärker werdende Bewußtsein der Katholiken und zeigen, daß die Eltern in Zukunft immer energischer ihre Kinder gegenüber jedem, der die Gewisssensfreiheit mißachtet, verteidigen werden.