Am 26.-28 Januar 1982 fand in Pakruojis der Prozeß gegen die Mörder des Priesters Leonas Mažeika statt. Der Saal des Kulturhauses, in dem die Gerichsverhandlung stattfand, nahm etwa 300 Personen auf. Die übrigen Leute hörten die Gerichtsverhandlung durch die Lautsprecher im Neben­saal.

Den Vorsitz der auswärtigen Sitzung des Obersten Gerichts der LSSR hatte Ignotas, die Volksräte — Kasiulienė und Smičius, der Staatsanwalt — der Stellvertreter des Staatsanwaltes der LSSR B. Žeberskis; die Rechtsanwältin von Šiauliai Kručaitė verteidigte den Angeklagten Kazlauskas, der Rechts­anwalt von Pakruojis Mesonis verteidigte die Baltramiejūnienė. Die Angeklagten — Ona Baltramiejūnienė und Adolfas Kazlauskas waren gleichzeitig wegen drei Vergehen angeklagt:

1.     Verletzung von Pamerneckas;

2.     Ermordung des Priesters Leonas Mažeika und der Klosterfrau Teklė Martinaitytė am 8. August 1981;

3.     Raub im Kaufladen von Vilūnaičiai.

Der Angeklagte Adolfas Kazlauskas, 40 Jahre alt, Bildung 8 Volksschul­klassen, 5mal vor Gericht gestanden. Ona Baltramiejūnienė, geboren 1947, Lehrerin an den Achtjahreschulen in Stačiūnai und in Gačionys gewesen. Sie studierte durch Fernunterricht am pädagogischen Institut zu Šiauliai, bis sie wegen der Unzuverlässigkeit aus den Listen der Studenten gestrichen wurde. Einige Zeit arbeitete sie als Führerin der Pioniere und als Direktorin des Kulturhauses. Im Jahre 1978 lernte sie den Kazlauskas kennen. Be­schuldigt wird sie, weil sie über keine der Verbrechen von Kazlauskas eine Mitteilung machte.

Während der Voruntersuchung gab Kazlauskas zu, daß er den Priester Mažeika ermordete, und schilderte die Umstände der Ermordung. In der zweiten Dezemberhälfte 1981 hat Kazlauskas seine Geständnisse über die Ermordung während der Voruntersuchung widerrufen. Während der Ge­richtsverhandlung sagte er, daß er während der Verhöre deshalb die Er­mordung des Priesters zugegeben hat, weil die Miliz ihn schmerzlich zu­sammengeschlagen haben soll; um die notwendigen Beweise aus ihm her­auszubekommen, habe der Milizvorsteher sogar Kognak und Äpfel gegeben. Vor dem Gericht erzählte Kazlauskas, daß sich zu ihnen der Lette Ilmars gesellt habe. Zu der Zeit, als der Pfarrer von Pamūšis, Mažeika, ermordet wurde, waren Ilmars und Baltramiejūnienė irgendwo verreist. Als der Ilmars von ihnen nicht weggehen wollte, habe Kazlauskas ihn erschlagen und in einem Entwässerungsgraben verscharrt; er bat zu erlauben, die Stelle zu zeigen. Damit das Gericht seinen Worten glaubt, wies Kazlauskas auf noch zwei seiner Verbrechen hin, die in dem Prozeß gar nicht aufgetreten waren. »Ich weiß, daß mir die Todesstrafe droht, ich habe Ilmars umgebracht, aber den Priester und seine Haushälterin habe ich nicht umgebracht«, — sprach Adolfas Kazlauskas vor dem Gericht. In der während des Prozesses gezeigten Videoaufzeichnung (über den Ort und die Umstände des Verbre­chens) sprach Kazlauskas exaltiert, wie ein Angetrunkener. Einige Ärzte aus Pakruojis sagten vor Gericht aus, welche die ermordete Teklė Martinaitytė operiert haben; sie haben es schon fertiggebracht, einige Einzelheiten zu »vergessen«. Einige Zeugen haben einen Mann und eine Frau am Bach vor der Ermordung des Priesters Mažeika gesehen, die an­deren sahen sie beim Weglaufen. Die Frau erkannten alle aus der Foto­aufnahme, und in Wirklichkeit, den Mann aber — nicht, denn sie sahen ihn nur von hinten. Nur der Zeuge Zenonas Markauskas behauptete, daß er dem Kazlauskas und der Baltramiejūnienė begegnet ist, und nach einer halben Stunde erfahren hat, daß der Pfarrer von Pamūšis ermordet wurde. Ona Baltramiejūnienė behauptete, daß gemeinsam mit ihr auch der Kazlaus­kas gewesen ist; sie schob während des Prozesses die ganze Schuld auf Kazlauskas.

Die Mutter der Baltramiejūnienė, Stanislava Motiejūnienė, behauptete, daß Kazlauskas zusammen mit einem Mann, der einen schwarzen Anzug trug, zu ihr gekommen war; sie aber sei erschrocken und verweigerte ihnen die Übernachtung; dann gingen sie beide fort.

Im Verlauf des Prozesses war deutlich die Tendenz zu spüren, den Prozeß in die gewünschte Richtung zu lenken. Bei der Vernehmung der Zeugen formulierte der Richter seine Fragen so, daß es ihnen nur zu bejahen blieb. Ein Teil der Zeugen waren schon in der Lage gewesen, einige Feinheiten zu »vergessen«. Das Gericht beachtete die Version mit Ilmars nicht, reagierte auf die Erzählung der Motiejūnienė über den Besuch von Kazlauskas und einer anderen Person nicht, erkundigte sich nicht einmal, wer der Mann mit dem schwarzen Anzug war. Es erhob überhaupt nicht die Frage, warum zwei Menschen — Mažeika und Martinaitytė — ermordet worden sind. Der Staatsanwalt Žeberskis begann seine Anklagerede mit den Worten: »Bei uns sind noch nicht alle Auswüchse der Vergangenheit beseitigt...«, die beiden Verbrecher aber — sind Früchte der sowjetischen Erziehung. Er verurteilte streng den Kazlauskas, sprach aber wesentlich milder über Baltramiejūnienė. Der Staatsanwalt gab zu, daß, wenn nicht die Aussagen der Baltramiejūnienė wären, dann würde seine (des Staatsanwaltes) Lage in diesem Prozeß viel schwieriger sein. Jetzt aber kann er sich auf ihre Aussagen stützen.

Für Kazlauskas verlangte der Staatsanwalt die höchste Strafe — Erschießen. Für Ona Baltramiejūnienė 4 Jahre und Zwangsbehandlung gegen Trinksucht in einem Straflager.

Der Rechtsanwalt der Baltramiejūnienė Mesonis, auf Grund der gewogenen Worte des Staatsanwaltes hinsichtlich der Angeklagten, schob die ganze Schuld auf Kazlauskas. Die Rechtsanwältin von Kazlauskas Kručaitė ver­suchte die Anschuldigungen des Staatsanwaltes zu bestreiten. Sie sprach: »Der Staatsanwalt verlangt für meinen Mandanten die höchste Strafe. We­gen der Ermordung des Priesters Mažeika gibt es keine ausreichenden Be­weise ... Nicht alle Umstände des Prozesses sind überprüft, ihn zum Er­schießen zu verurteilen, wo im Prozeß noch Zweifel bestehen, ist riskant. Daß er während der Voruntersuchung eingestanden hat, ist noch kein Be­weis. Erst muß man noch klären, warum er diese Beweise abgab. Ihm wurde Kognak zum Trinken gegeben... Seine Version über Ilmars verlangt nach einer Klärung.

Dieses Alibi wurde nicht überprüft. Einen Menschen kann man nach seiner Gehweise nicht erkennen.«

Im Laufe des Prozesses bat Kazlauskas um Erlaubnis, zu zeigen, daß er nicht hinkt; das Gericht erlaubte es aber nicht.

In seinem letzten Wort wiederholte Kazlauskas, daß er den Pfarrer von Pamūšis, Priester Leonas Mažeika, und seine Haushälterin Teklė Martinai­tytė nicht ermordet hat. Er beschuldigte die Regierung, daß sie Schuld daran hat, wenn er heute ein Verbrecher ist. Er schloß seine Rede mit den Worten:

»Eure Regierung, eure Macht! Erschießt mich! Den Priester habe ich nicht ermordet.«

Baltramiejūnienė versprach in ihrer kurzen Rede, sich zu bessern. Das Volk ist überzeugt, daß jemand die beiden Kriminellen zum Ausführen dieses grausamen Verbrechens benützte. Das Sachbeweismaterial ist schon ver­nichtet. Also, die Wahrheit über die Mörder des Priesters Leonas Mažeika und Teklė Martinaitytė hat das Gericht nicht enthüllt... und wird es auch nicht enthüllen. Die Korrespondentin S. Mockuvienė versuchte in ihrem Artikel »Durch Abwege in den Abgrund«, abgedruckt am 20. Februar 1982 in der » Valstiečiu laikrastis« (»Bauernzeitung«), die Öffentlichkeit über den Menschenmord und die Strafe, die die Mörder bekommen haben, zu infor­mieren. Die Korrespondentin goß, leider, das ganze Spülwasser auf die Adresse der westlichen Rundfunkanstalten, besonders des Radio Vatikan. Das ist die sowjetische Manier zu reden und nichts auszusagen. Die Zeitung der Republik »Tiesa« (»Die Wahrheit«) verschwieg dieses tragische Ereignis überhaupt.