Am 10. Mai 1982 hat der Stellvertreter des Bevollmächtigten des RfR Juozėnas an der Universität für Marxismus-Leninismus zu Vilnius für die zukünftigen Propagandisten einen Vortrag zum Thema »Der Staat und die Religion« gehalten. Das Ziel dieses Vortrags ist es, den von den Atheisten geführten Kampf gegen die Katholische Kirche in Litauen zu stärken. Aus diesem Grund versuchte Juozėnas in seinem Vortrag die beidseitigen Be­ziehungen zwischen dem Staat und der Religion zu durchleuchten, die Män­gel und die Fehler der Propagandistenarbeit herauszuheben und gleichzeitig die neuen Richtlinien abzustecken.

Einen großen Einfluß auf die Menschen hat nach der Meinung von Juozėnas Radio Vatikan, das seine Sendungen in die Sowjetunion sogar in sieben Sprachen ausstrahlt: ukrainisch, weißruthenisch, litauisch, lettisch, russisch, grusinisch und armenisch. Die Sendungen sind in der letzten Zeit qualifiziert vorbereitet: Es wurde eine ständige Sendung für die Jugend eingerichtet, in den Sendungen wird in der »Chronik« angegebenes Material verwendet, denn die Menschen interessieren sich mehr, wenn sie über eine oder andere in der Nähe lebende Person und ihnen persönlich bekannte Personen hören.

Die »Chronik der Litauischen Katholischen Kirche«, so unterstrich Juozėnas, hat Berichterstatter an verschiedenen Stellen der Republik, und nicht nur die extremistisch gesinnten Priester allein unterstützen und erhalten sie. Nach den vom Redner vorgelegten Angaben gibt es in der Republik 1200 registrierte klösterlich lebende Frauen, deren Zahl sich im Jahr um 10 Pro­zent vergrößert. Man glaubt, daß es noch einmal so viele nicht registrierte gibt. Der Stellvertreter des Bevollmächtigten des RfR schlug den Propagan­disten vor, den noch sehr oft hinsichtlich der Geistlichkeit benützten Ter­minus »Dunkelmann« zu vergessen, denn der Vatikan habe in Rom 17 Hochschulen; in Europa arbeiten 45 katholische Universitäten. In unserer Republik — erklärte Juozėnas — gibt es mehr als 10 Mitglieder des Jesuiten­ordens. Wie sie Jesuiten geworden sind, bleibt ein großes Geheimnis, doch glaubt man, daß dabei das nachbarliche Polen eine Rolle spielt. Im allge­meinen hat den Worten Juozėnas zufolge Polen in Litauen einen großen Einfluß, besonders auf Vilnius und Umgebung.

Auf den Grad der Religiosität der Einwohner in Litauen eingehend, gab Juozėnas einige statistische Angaben. Danach lassen zur Zeit 41 Prozent der Einwohner Litauens ihre Kinder taufen, 35 Prozent werden mit kirch­lichen Zeremonien beerdigt, 22 Prozent der Jungvermählten lassen sich kirchlich trauen; 22 000 bis 23 000 Heranwachsende gehen jedes Jahr zur Erstkommunion und empfangen das Sakrament der Firmung.

Diese Angaben stammen von der Geistlichkeit, sie sind aber in Wirklichkeit wesentlich höher, beklagte sich der Redner.

Viel Aufmerksamkeit wurde in dem Vortrag dem 1978 gegründeten Komitee der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen gewidmet, das sieben Priester in sich vereinigt, der Meinung Juozėnas' nach, alle Extre­misten. Den Propagandisten wurde vorgeschlagen, sich ihre Namen und Adressen zu notieren.

»Die Formierung dieser Gruppe ist kein Zufall gewesen«, sagte Juozėnas, »ihre Erscheinung traf mit den Attacken für die Menschenrechte und der Dissidentenbewegung in Moskau zusammen; es ist klar, daß hier ein Anstoß von außen gewesen sein mußte.« Das schlimmste dabei, daß sich um diese Gruppe etwa 60 Priester, ebenfalls Extremisten, zusammenrotten. Der größte Teil der 1200 Klosterfrauen stehen ebenfalls unter ihrem Einfluß. Von den Extremisten unabhängig Arbeitende gibt es nicht. Die offizielle Kirche regiere sehr unterschiedlich. Sowohl auf die Kirchenkomitees als auch auf die Kirchenchöre sei die Wirkung dieser Priester zu spüren.

Der Redner war verärgert, weil die Gläubigen nicht bereit seien, öffentlich gegen ihre Priester auszusagen.

Der Stellvertreter des Bevollmächtigten versuchte in seinem Vortrag, die Arbeitsgebiete der Extremisten-Priester zu umreißen:

- Die »Chronik der LKK« ist schon in 52 Nummern erschienen. Das ist eine Veröffentlichung, die bis zu 40 mit einer Schreibmaschine geschriebene Seiten erreicht. Außerdem werden im Untergrund noch etwa 20 verschiedene Veröffentlichungen herausgegeben. Ihre Auflage sei nicht groß, Ziel sei es, sie ins Ausland zu schicken.

- Das Aufhetzen der Menschen gegen die Vorschriften der religiösen Ver­einigungen und die Gesetze.

- Dementsprechend verbreitete Predigten. In den Kirchen werden öffent­lich Unterschriften gesammelt und zuerst ins Ausland geschickt, und erst dann, zum Schein, an die Führer des Staates.

- Das Nichtbeachten des Gesetzes, das verbietet, die Kinder organisiert in der Religion zu unterrichten.

Die extremistisch eingestellten Priester nützen, nach der Meinung von Juozenas, qualifiziert die »vorkommenden einzelnen unüberlegten« Tat­sachen und Fehler aus, wie »Mißverständnisse« in Krankenhäusern bei der Bereitstellung eines separaten Raumes, wenn Kranke religiöse Dienste in Anspruch nehmen wollen. Er nannte verschiedene Probleme in den Schulen: atheistische Zeichnungen mit beleidigendem Charakter, die nur die Eltern aufhetzen; die Eintragung der religiösen Uberzeugung in die Charakteristik der Schüler; mißlungene Reden der Lehrer mit den gläubigen Schülern über ein atheistisches Thema; Fälle, wo ein Schüler öffentlich an den Pranger gestellt und befragt wird; die Herabsetzung der Note im Betragen für die gläubigen Schüler. »Es kann sehr unangenehm werden, wenn die Eltern solche Lehrer vor Gericht bringen«, erklärte Juozėnas, »warum das Betragen dieses Schülers nicht beispielhaft ist, und die Nachrichten gehen schon ins Ausland. Die Zeiten sind schon vorbei, wo die >kleinenc Abweichungen unbemerkt geblieben sind.«

Auch die bildungslose atheistische Propaganda fördert, nach der Meinung des Redners, den Extremismus. Es ist eine unangenehme Sache, wenn in den Rayonzeitungen Artikel erscheinen, die sich auf völlig ungeprüfte Tat­sachen stützen. Es gibt nicht wenige Fälle, bei denen die Priester die Redak­tionen der Rayonzeitungen bei Gericht verklagen. Die Richter kommen in eine sehr verzwickte Lage, und darüber berichtet sofort auch Radio Vatikan. Solche Fälle dürfen überhaupt nicht vorkommen. Unüberlegte Äußerungen der verantwortlichen Mitarbeiter bringen nur Schaden. Sie meinen, — er­klärte Juozėnas — »daß alles geheim bleiben werde, vergessen aber dabei, daß sie ihre Frauen und Schwiegermütter haben, die sofort zum Priester rennen.« Und schon macht es der Vatikan bekannt.

Die Vorladungen der Schüler in das Arbeitszimmer des Direktors zur Ge­hirnwäsche findet nicht immer ihre Berechtigung. Mit der Umerziehung der Arbeiter ist es auch nicht viel besser. Auf derselben Bank arbeitet nämlich ein Gläubiger und ein Nichtgläubiger. Wenn man den Gläubigen zu Ge­sprächen vorzuladen beginnt, könnte es dem Ungläubigen erscheinen, daß es schon eine Verfolgung ist, es entsteht ein Mitleid.. . In der ideologischen Arbeit muß man sich mit einer konkreten Erklärungs­arbeit beschäftigen. Man muß die Gesetze und die richtige Lage klarstellen. Eine besondere Aufmerksamkeit muß man den Kirchenkomitees widmen.

»Ich möchte die zukünftigen Propagandisten zur Mithilfe einladen« —- sagte Juozėnas. — »Man muß nicht nur die Tatsachen erklären, sondern auch mehr Aufmerksamkeit den atheistischen Vorträgen widmen, sie wesentlich praktischer, unter der Beachtung der Ortsverhältnisse vorbereiten. Man kann nicht denselben Vortrag in einer Universität und in einer Kolchose halten.

Merkt euch also, daß die Erscheinungen, die in der Katholischen Kirche vorkommen, mit administrativen Maßnahmen nicht beseitigt werden. Man braucht eine sorgfältige Arbeit« — mit solchen Worten schloß der Stell­vertreter des Bevollmächtigten des RfR Juozenas seinen Vortrag.

P.S. Aus den Worten des Bevollmächtigten des RfR Juozėnas entsteht der Eindruck, daß die Behörde des RfR viele Tatsachen über die Vergehen der Atheisten bei der Durchführung der atheistischen Propaganda kennt, aber man hat noch nicht gehört, daß sie wegen der Verletzung der Gesetze bestraft worden sind, obwohl die Beschwerden der Katholiken nicht auf­hören, an verschiedene staatliche Behörden zu gehen.