Vom 16. bis 18. Mai 1983 fand vor dem Obersten Gericht zu Vilnius die Gerichtsverhandlung gegen Jadvyga Bieliauskienė statt (verhaftet am 29. November 1982).

In den Gerichtssaal gelangten, wie immer, nur die allernächsten Verwandten: die Schwestern, ein erwachsener Sohn und ihr Mann. In der Umgebung des Obersten Gerichts und auf dem Leninprospekt herrschte ein Belagerungs­zustand: An jeder Haltestelle der Oberleitungsbusse befand sich Miliz, und noch mehr war in den Bussen selbst, damit keinem der Menschen in den Kopf käme, sich in die Richtung des Gerichtsgebäudes zu begeben.

Alle, die zu dem Prozeß angefahren kamen, versammelten sich in Aušros Vartai (Tor der Morgenröte) und beteten dort während der ganzen Tage.

Obwohl die Angeklagte Jadvyga Bieliauskienė schon viele Monate in den unterirdischen Verließen des Sicherheitsdienstes verbracht hatte, war sie moralisch trotzdem kein bißchen gebrochen: Mit einem Lächeln sagte sie aufrecht, fest und mutig die Wahrheit. Gleich am Anfang der Verhandlung verzichtete Bieliauskienė auf die Dienste eines Rechtsanwaltes.

Der Staatsanwalt beschuldigte sie der antisowjetischen Tätigkeit: der Unter­weisung der Kinder in der Kirche und der Vervielfältigung und Verbreitung der antisowjetischen Literatur.

Der Zeuge war der Direktor der Mittelschule von Garliava. Er sagte mehr über den früheren Vikar von Garliava, Priester Vaclovas Stakėnas (Mitglied des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen) aus, indem er ihn der antisowjetischen Tätigkeit und der Unterweisung der Jugend in der Kirche und außerhalb der Kirche beschuldigte.

Gegen J. Bieliauskienė sagten zwei Frauen und ein junger Schüler namens Antanas aus, den die Schüler schon seit langer Zeit für undurchsichtig hielten. Er sagte während der Verhandlung alles standardmäßig herunter, was ihm die Sicherheitsbeamten vorgesagt hatten, und es schien, als habe er Angst, Frau Bieliauskienė anzuschauen. Dann wandte sich das Gericht an Jadvyga mit der Frage: »Was sagen Sie dazu?« Die Angeklagte lächelte und sagte: »Der liebe kleine Anton — ein begabtes Kind, nur diesmal hat er sich verfangen!« Alle anderen Schüler wandten sich der Angeklagten zu, schauten ihr in die Augen und sagten aus, sie als eine gute, gläubige Frau zu kennen und von keiner ihrer Tätigkeiten etwas zu wissen.

Die antisowjetische Literatur, die der Sicherheitsdienst bei Jadvyga Bieliaus­kienė gefunden hat, waren »Die Geschichte Litauens« von Šapoka und Ge­dichte von B. Brazdžionis.

J. Bieliauskienė hielt eine mutige und fundierte Verteidigungsrede und das Schlußwort.

Das Gericht verurteilte Jadvyga Bieliauskienė zu 4 Jahren Lager mit stren­gem Regime und zu 3 Jahren Verbannung.