Kybartai

Am 5. Juni 1983 wurde in der Kirche zu Kybartai wie jedes Jahr der Tag des Vaters gefeiert. Die Kinder und die zahlreich versammelte Jugend gra­tulierten mit Gedichtversen und Blumen ihren Vätern und bedankten sich bei ihnen für ihre väterliche Liebe und Fürsorge.

Obwohl das Gedenken des Vatertages in der Kirche zu Kybartai schon ein gewohntes Fest ist, hatte es dieses Jahr eine ganz andere Nuance. Es war ein schmerzvoller Anblick, zu sehen, wie die Tränen sowohl den Kindern als auch den Vätern über die Wangen rollten, als man sich im Namen der ganzen Pfarrei mit den innigsten Versen und Gebeten bedankte und Gottes Hilfe herabrief auf den geistlichen Vater der Pfarrei Kybartai, den Priester Sigitas Tamkevičius, der in den Verliesen des Sicherheitsdienstes leiden muß. Noch herzzerreißender war es, als man sah, wie die Väter die Blumen, die ihnen ihre Kinder geschenkt hatten, zum Beichtstuhl des geliebten Prie­sters trugen und sie dort niederlegten. Es dauerte kaum 15 Minuten, bis der Beichtstuhl vor lauter Blumen beinahe zugedeckt war. Das war eine deut­liche Sprache der Liebe und Solidarität, die die gläubigen Bürger von Ky­bartai ihrem teueren geistlichen Vater im Leiden erwiesen.

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Am 6. Juni 1983 — einen Monat nach der Festnahme des Priesters S. Tamkevicius — fand in der Kirche zu Kybartai aus diesem Anlaß ein be­sonderer Gedenktag statt. Die Kirche konnte die versammelten Gläubigen kaum aufnehmen. Nach der hl. Messe bewegten sich alle Versammelten auf Knien in einer Prozession um die Kirche, um durch das Rosenkranzgebet die Hilfe der Mutter Gottes für den Priester S. Tamkevičius zu erflehen und um die Kraft für die Pfarrei zu erbitten, alle kommenden Prüfungen mit Geduld zu ertragen.

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Um für den verhafteten Priester S. Tamkevičius zu beten, versammelte sich am 6. Juli 1983 in der Kirche von Kybartai wieder eine Menge von Gläu­bigen. Ab 19 Uhr war das Allerheiligste Sakrament zur Anbetung ausge­setzt. Die zahlreich versammelten Gläubigen beteten eine ganze Stunde Jesus im Allerheiligsten Sakrament an. Um 20 Uhr begann die feierliche Hl. Messe für den inhaftierten Priester S. Tamkevičius. 6 Priester konzele­brierten die Hl. Messe; es wurden 2 Predigten gehalten. Der Priester er­mutigte in seiner Predigt die trauernden Einwohner von Kybartai: »Seid nicht traurig, daß sie die zwei besten Priester Litauens festgenommen ha­ben! Wir müssen uns über sie freuen und auf sie stolz sein! Es wäre doch sonderbar und unerklärlich, wenn in einem Volk, das wegen seines Glaubens verfolgt wird, die Priester nicht leiden würden. Dann könnte man denken, daß es in diesem Volk keine guten Priester gibt. Wir haben aber heute schon zwei Priester-Märtyrer! Wir wollen auf sie stolz sein und uns über sie freuen!«

Nach der Hl. Messe bewegten sich die Priester, die Mädchen in National­trachten und das ganze gläubige Volk auf den Knien in einer Prozession um die Kirche. Am Schluß hob sich zum Himmel empor das Lied: »Maria, Maria. .. erleichtere die Knechtschaft. .. errette uns vor dem grausamen Feind«.

Josvainiai (Rayon Kėdainiai)

Am 18. Juli 1983 schrieb der Pfarrer von Josvainiai, Priester Leonės Ka­linauskas, an den Apostolischen Administrator der Erzdiözese Kaunas, Bischof L. Povilonis, eine Erklärung folgenden Inhalts: »Am 13. Mai d. J. legten mir die Gemeindebediensteten von Josvainiai, Ona Ribačiauskienė und Grūdienė, eine Ermahnung des Bevollmächtigten des RfR, Anilionis, zur Unterschrift vor. Ich habe diese Ermahnung nicht unterschrieben, denn die Anschuldigung, ich hätte Artikel 19 des Statutes der religiösen Gemeinschaften verletzt, halte ich für unbegründet; von 700 Priestern haben sich 522 durch ihre Unterschrift gegen dieses Statut gewen­det, weil es dem Auftrag Christi widerspricht, das Evangelium in der ganzen Welt zu verkünden und außerdem nicht mit dem Kirchenrecht und der Verfassung der LSSR in Einklang steht.

Ich wurde außerdem wegen einer »antigesellschaftlichen« Predigt ermahnt, die ich am 21. 5. 1983 am Kirchhof der Kirche von Vepriai gehalten habe. Als ich die beiden Besucherinnen fragte, was denn »antigesellschaftlich« bedeute, erklärten sie mir, daß das soviel wie »volksfeindlich« sei. Auf dem Kirchhof befand sich aber nur das gläubige Volk, das seit der am Morgen konzelebrierten Messe zu Tausenden auf den Wegen und Stegen singend durch die Wälder ging und die Kreuzwegstationen von Vepriai betrachtete. Die 35 Stationen des Kalvarienberges haben die Gläubigen gut in Erinne­rung behalten, wenn auch die Kapellchen selber schon längst abgerissen sind. Der Pfarrer von Siesikai, Priester Algirdas Mocius, half mir, die Sta­tionen des Leidens Christi zu erklären und sich bei der Betrachtung der Sta­tionen zu sammeln. Nur bei den drei letzten Stationen des Kreuzweges un­terstrich ich, daß es eben diese von Christus gebrachte Wahrheit — das Evangelium ist, das unseren Herrn selbst, seine heiligen Apostel und Märty­rer wie auch die im Gefängnis leidenden Priester unserer Tage, Alf. Sva­rinskas und S. Tamkevičius, gekrönt hat.

Deswegen bin ich der Meinung, daß ich mich wegen meiner Rede über das Opfer des Kreuzes Christi und über jene, die für Christus leiden, weder gegen die Kirche noch gegen den Staat vergangen habe.

Prienai

Verehrte Redaktion,

der in dem Artikel »Der Vikar schlug die Tür zu« in der Nr. 55 der »Nau-jasis gyvenimas (»Das neue Leben«) zitierte Brief von Albinas Mykolaitis aus dem Dorfe Klebiškis ist nicht richtig. A. Mykolaitis schreibt: »Der Vi­kar sagte kein einziges Wort über den Verstorbenen, sondern schimpfte nur über die Atheisten und forderte dazu auf, der Regierung nicht zu gehorchen.« Das entspricht nicht der Wahrheit. Wir, die Unterzeichner, haben an der Beerdigung des Sohnes von A. Mykolaitis teilgenommen und bescheinigen hiermit, daß der Priester Antanas Gražulis so nicht gesprochen hat. A. Mykolaitis behauptet ebenfalls, daß der Vikar A. Gražulis ihn gezwungen habe, während der Beerdigung des Sohnes allein deswegen auf das Or­chester zu verzichten, weil dort Menschen anderer Nationalitäten mitspielen. Das stimmt ebenfalls nicht. Das Orchester weigerte sich zu spielen, weil ein Kreuz mitgetragen wurde.

 

Am 26. Mai 1983        Die Unterzeichner:

Mykolaitienė (die Ehefrau)        N. Siaurusevičienė (Dorf Pagraižis)

die Schwestern des A. Mykolaitis:     M. Dereškevičienė (Dorf Ašminta) O. Urbonavičienė (Dorf Dumiškės)    K. Kažemėkaitienė (aus Kaunas) K. Žilinskienė (Dorf Prienlaukis)

 

Andere Personen, die an der Beerdigung teilgenommen haben:

Ginelienė            Deltuvienė

Mozūrienė         Ulevičienė

Marcinkevičienė        Bondar

Šumauskas        Senavaitienė

Banronienė        Krūvelienė

Burbulienė         Petruskienė

Kažemėkaitis      Karalienė

Mikušauskienė    Mockapetienė

Paplauskienė       Ulevičius

Žilinskas            Urbanavičius
Šumauskienė

Abschrift: an Bischof Liudvikas Povilonis Erklärung

der Gläubigen        des Dorfes Ašminta, Pfarrei Prienai

In dem Artikel »Der Vikar schlug die Tür zu« in der Zeitung »Naujasis gyvenimas« vom 12. Mai 1983 hat Redakteur Matulaitis den Vikar unserer Pfarrei, Antanas Gražulis, verleumdet, er habe bei Besuchen der Gläubigen in unserem Wohnort durch Vertrauenspersonen je 10 Rubel gesammelt. Insgesamt habe er 700 Rubel eingesammelt.

Wir sind verärgert über eine solche Verleumdung des Priesters A. Gražulis, weil niemand von uns für den Priester Geld gesammelt hat.

Deswegen verlangen wir, die genannte Verleumdung durch dieselbe Zeitung zu widerrufen.

Unterzeichner: 45 Gläubige des Wohnorts Ašminta.

Ein Exemplar dieses Protestschreibens mit den Unterschriften der Gläu­bigen des Dorfes ist an die Redaktion der Rayonzeitung »Naujasis gyveni­mas« abgeschickt worden.

Kapsukas

An das Exekutivkomitee der Stadt Kapsukas Erklärung

des Priesters Šulskis Pranas, Sohn des Juozas, wohnhaft Stadt Kapsukas, I. Laukaitytės 18

Am 16. Mai dieses Jahres wurde mir ein Beschluß Nr. 95 vom 13. April 1983 des Exekutivkomitees der Stadt Kapsukas überreicht, der von niemand unterzeichnet und an niemand adressiert ist, und nur mit dem von Schreib­maschine geschriebenen Namen des Vorsitzenden des Exekutivkomitees, K. Sukačius, und der Sekretärin des Exekutivkomitees, B. Plikynienė, be­stätigt ist.

In diesem Schreiben beruft man sich auf den Beschluß Nr. 99 vom 13. März 1981 des Ministerrates der LSSR »wegen der Einhaltung des Gesetzes zur Bekämpfung eigenwilliger Bauten« und verlangt, daß ich das »an der Fas­sade des Wohnhauses auf der Straßenseite eigenwillig angebrachte hölzerne Kreuz« entfernen soll.

Weder die von Ihnen zugeschickten Schreiben noch die Erklärungen Ihrer Bediensteten konnten mich überzeugen, daß das an meiner Hauswand auf­gehängte Kreuz als »eigenwilliger Bau« betrachtet werden könnte; das kann man auch nicht aus dem von Ihnen genannten Beschluß des Minister­rates der LSSR ersehen, wo über das Errichten von Wohnhäusern wie auch von Gebäudeteilen geschrieben wird; man sagt aber nichts über schmücken­den Zierat, wie Blumenkapellchen, Vasen, Holzschnitzereien, Sonnen oder eben auch Kreuze (die letzteren nennen auch Ihre Mitarbeiter in dem mir zugeschickten Schreiben »dekorative Elemente«). Deswegen bitte ich Sie, das Kreuz in Ruhe zu lassen. Wenn Sie aber meinen, daß ich zum Auf­hängen des Kreuzes ein Berechtigungsdokument haben muß, dann bitte ich Sie, mir ein solches Dokument auszustellen.

Am 17. Mai 1983

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Am 26. Mai 1983 schreibt Priester P. Šulskis wieder ein Schreiben an das Exekutivkomitee:

Noch einmal wegen des Kreuzes:

Als am 16. Februar dieses Jahres zwei Ihrer Mitarbeiter gekommen waren und die Unterlagen für die Bestandsaufnahme des Hauses überprüften und mich dabei gefragt haben, ob ich ein Berechtigungsdokument hätte, ein Kreuz an der Außenwand der Hausfassade aufzuhängen, fragte ich sie auch einiges. Ich weiß aber nicht, warum sie mir die folgenden Fragen nicht be­antwortet haben:

1.     Welche Gesetze verbieten, ein Kreuz auf dem eigenen Hof aufzustellen oder an der Außenwand des Hauses aufzuhängen?

2.     Wenn dazu ein Berechtigungsdokument nötig ist, werden solche ausgestellt? Wer stellt sie aus?

3.     Warum sehe ich sehr oft im Fernsehen, daß in Moskau, Leningrad oder auch anderswo stolze Kreuze auf den Türmen der orthodoxen Kirchen — Museen stehen, während sie in Litauen nicht nur auf den Feldern oder neben den Wegen vernichtet werden, sondern auch auf den Höfen der Ein­wohner und sogar von den architektonischen Denkmälern abgerissen werden (zum Beispiel von der Kathedrale zu Vilnius oder der Garnisonskirche zu Kaunas)?

Nach dieser Unterredung bekam ich folgende Schreiben:

1.     Am 23. Februar ein Dokument vom 16. 2. 1983 ohne Nummer und ohne Stempel.

2.     Am 12. April eine Einladung, an einer Sitzung des Exekutivkomitees der Stadt teilzunehmen.

3.     Am 16. Mai einen Beschluß des Exekutivkomitees Nr. 95 vom 13. 4. 1983 (ohne Adresse und ohne Unterschriften).

4.     Am 24. Mai eine wiederholte Aufforderung, den Beschluß des Exekutiv­komitees vom 13. 4. 1983 durchzuführen.

Auf Ihren Beschluß vom 13. 4. 1983 habe ich Ihnen geantwortet. Sie haben aber meiner Antwort keine Aufmerksamkeit geschenkt, deswegen werde ich Ihnen einiges ausführlicher in Erinnerung bringen.

Dem Exekutivkomitee ist, wie mir scheint, schon lange und gut bekannt, daß ich ein Invalide der ersten Gruppe bin, daß ich nicht nur nicht gehen, sondern mich nicht einmal frei aufsetzen kann, und daß daran nicht ich selbst schuld bin, sondern die sowjetischen Soldaten, die mich am 25. Juni 1946 angeschossen haben. Wie kann ich dann an einer Sitzung des Exekutiv­komitees der Stadt teilnehmen? (...)

In Ihrem Schreiben vom 13. 4. 1983 wird der Beschluß Nr. 99 des Minister­rates der LSSR vom 16. 3. 1983 genannt, auf Grund dessen Sie von mir verlangen, daß ich das Kreuz von der Fassade des Hauses entfernen soll. In diesem Beschluß wird aber von Wohnhäusern (und ihren Teilen) und anderen Bauten (und ihren Teilen) gesprochen, die dem Eigentümer irgend­welchen greifbaren Nutzen bringen. Über Zierat zur Ausschmückung wird darin nichts gesagt und auch kein Wort über die Inneneinrichtung der rechtmäßig erstellten Bauten verloren.

Mein »Vergehen« haben Sie in Ihrem Schreiben vom 24. Mai 1983 etwas anders beschrieben: »...Sie haben die von der Regierung festgelegte Ord­nung des Bauens und Aufstellens verschiedener dekorativer Elemente ver­letzt.« Wenn Sie mir keine Hinweise geben können, wo ich mich mit dieser Ordnung bekannt machen kann, dann ist das alles nur eine nichtssagende Wortspielerei. Habe ich vielleicht kein Recht, in die von der Regierung fest­gelegte Ordnung, mit ihren Beschlüssen über eigenwillige Bauten Einsicht zu nehmen? Ist das vielleicht ein Geheimnis, das man niemandem verraten darf, weil Sie mir weder Ihre Mitarbeiter nannten, noch Sie in Ihren Schrei­ben auf sie hingewiesen haben, mit der Ausnahme des Beschlusses des Mi­nisterrates der LSSR vom 16. 3. 1981, der für meinen Fall wirklich unge­eignet ist?

Man muß aus alledem schließen, daß die Aufforderung des Exekutivkomi­tees der Stadt, das Kreuz zu entfernen, nur mit ideologischen Berechnungen begründet ist. Darf man aber dazu die Machtbefugnis des Exekutivkomitees gebrauchen?« (Die Erklärung ist abgekürzt — Red.).

Auf diese erklärende Darlegung antwortete dem Priester Pranas Šulskis niemand mehr. Am 1. Juni 1983 aber kamen gegen 10 Uhr der Ober­ingenieur der Verwaltung für Bauwesen und Architektur A. Banaitis mit einem Milizmann zu Priester P. Šulskis und fingen an, alle Schreiben des Exekutivkomitees der Stadt wegen des Kreuzes vorzulesen. Als der Priester sagte, daß alle diese Schreiben angekommen und bekannt seien, das Kreuz aber nicht zum Herunternehmen aufgehängt sei, drohte A. Banaitis: »Wir werden es zwangsweise herunternehmen!«

Während deses Gespräches trafen die Gehilfen von Banaitis ein, rissen das Kreuz von der Wand herunter, warfen es auf einen Lastwagen und fuhren damit weg. Die Straße wurde während der Operation von der Miliz be­wacht, die Straße war für den Verkehr gesperrt.

Girdžiai Rayon Jurbarkas)

Am 29. Juni 1983 schrieb der Pfarrer von Girdžiai, Priester Viktoras Šauklys, an die Redaktion der Rayonzeitung »Šviesa« (»Das Licht«) ein Schreiben folgenden Inhalts: »In der von Ihnen redigierten Zeitung hat A. Svirbutavičiūtė noch nie dagewesene Sachen zusammenphantasiert. In den drei Nummern (70, 71, 72) des Monats Juni 1983 verleumdete sie mich und schimpfte über die Kirchendienerin I. Jakiulytė.

Die Korrespondentin warf dem Pfarrer grausame Sachen vor: Er soll ein Verbindungsmann zwischen den Waldmännern (Partisanen) gewesen sein und soll die Ermordung der sowjetischen Bürger gesegnet haben. Er habe die Hl. Messe für die gefallenen Banditen zelebriert, kurz gesagt, auf seiner Vergangenheit lastet ein rotes Tuch. Wahrhaftig grauenhafte Anschuldi­gungen!

In Wirklichkeit war es aber so: Der Untersuchungsrichter machte verzwei­felte Anstrengungen, um mir einen Prozeß zusammenbasteln zu können. Zweimal führte er mich vors Gericht, aber jedesmal fand das Tribunal keine Beweise und weigerte sich, mich zu verurteilen. Man mußte den vorgewor­fenen Paragraphen streichen.

Wenn die Korrespondentin sich um die Wahrheit gekümmert hätte, dann hätte sie die Akten durchgelesen und nicht phantasiert und nie dagewesene Sachen geschrieben. Aber dem atheistischen Haß ist die Wahrheit leider nicht wichtig.

Die Kirchendienerin I. Jasiulytė beschuldigt sie des Mangels an Nächsten­liebe. Um dies zu beweisen, benützt sie folgenden Fall:

Als wir noch in der Pfarrei Šiupyliai gelebt haben, hatte dort die Medizin­station keinen Sanitäter. Darum kamen die Kolchosbauern zu Jasiulytė, um sich von ihr die Injektionen geben zu lassen. Auch der Bürger J. P. kam zu ihr, Jasiulytė habe aber zu dem Angekommenen gesagt: »Wir wollen zuerst in die Kirche gehen, und nachher bekommen Sie die Injektion.« Damit habe sie gezeigt, daß sie keine Nächstenliebe habe, schreibt die Kor­respondentin.

Und so war es in Wirklichkeit: Dieser Kolchosbauer ist nur wegen einer einfachen Injektion gekommen. Er kam direkt vor dem Gottesdienst, für den die Leute schon in der Kirche versammelt waren, die die Hl. Messe bestellt hatten. Es war also vernünftiger, eher einen einzelnen warten zu lassen, als daß etwa 20 Personen ihre Zeit verlieren.

Wo kann man hier also eine böse Tat oder Mangel an Nächstenliebe sehen? Weiter wird Jasiulytė beschuldigt, daß sie die Schüler, die in die Kirche gehen, warne, sich vor den Lehrern zu hüten.

Das wissen die Schüler aber auch ohne Warnung. Sie wissen es deswegen, weil man sie wegen aktiver Teilnahme an Gottesdiensten ausschimpft, schilt, die Noten im Betragen herabsetzt. Nicht nur die Kinder sind eingeschüchtert, sondern auch die Erwachsenen.

Die Zeitung zog auch über I. Jasiulytė her und nannte sie eine »Schwarz-magierin«, weil die Kirchendienerin ein Kind angesprochen hatte, in die Kirche zu gehen. Welchen Namen aber verdienen jene, die die Schüler ängstigen und ihnen die Note im Betragen herabsetzen? Die Jugend besucht deswegen die Kirche, weil Christus ein Leben nach dem Tode verspricht. Und was versprechen die Atheisten? Nichts, lediglich den Zerfall und ein ewiges Vergehen, die Menschen möchten aber auch nach dem Tode leben. Deswegen schütteln die Menschen solche armseligen und leeren Versprechungen ab.

Ich weiß, daß Sie diese Rechtfertigung nicht drucken werden, denn es gab noch nie einen Fall, daß einem verleumdeten Diener der Kirche erlaubt gewesen wäre, sich zu rechtfertigen oder daß eine Verleumdung widerrufen worden wäre. (Der Text ist gekürzt — Red.).

 

Paveisininkai (Rayon Lazdijai)

Am 29. Juni 1983 sammelten sich Leute im Kirchlein von Paveisininkai (das im Jahre 1969 von den Regierungsgottlosen durch eine List verwüstet wurde), um dort das Fest St. Peter und Paul zu begehen. Bei der von der Regierung geschlossenen Kirche wachten vom frühen Morgen an schon die Beamten der Rayonverwaltung und die Miliz, auf den Wegen standen die Grenz­soldaten und die Verkehrspolizei und ließen die Gläubigen nicht einmal in den Kirchhof gelangen. Die Leute, die zu dem Fest gingen, wurden schon unterwegs zusammengeholt und wieder zurück nach Hause gebracht. Der Bevollmächtigte der Miliz von Kapčiamiestis, V. Kavaliauskas, der Vor­steher des Sicherheitsdienstes von Lazdijai, A. Gylys, und ihre Gefolgs­männer gaben allen den Befehl, schleunigst zu verschwinden. Eine kleine Schar von Menschen, die dennoch bis in den Kirchhof gelangt war, begann vor der abgesperrten Kirchentür zu beten. Die Beamten aber störten das Gebet; deswegen mußten die Versammelten wieder auseinandergehen. Unter­wegs nach Hause wurden folgende Jugendliche angehalten und mit je 15 Tagen Arrest bestraft: Alma Žibūdaitė, Laima Ramanauskaitė, Angelina Ramanauskaitė und Vytautas Jakavičius.

Vilnius

Am 9. Februar 1983 hat die Parteiorganisation des Instituts für Denkmal­konservierung an die Mitarbeiter des Instituts einen Fragebogen mit 32 ideologischen Fragen verteilt. Zur Auswahl wurden zu jeder Frage einige

Antworten gegeben. Alle Fragen, die ersten 5 — 6 ausgenommen, in denen die Person, das Alter, Nationalität, Parteizugehörigkeit usw. angegeben werden mußten, bezogen sich auf das Verhältnis zur Religion, z. B.: Wie stellen Sie sich Gott vor? Besuchen Sie oft die Kirche, um dort zu beten? Feiern Sie die religiösen Feste? Warum? Lesen Sie religiöse Literatur? Besteht die Möglichkeit, daß die Religion verschwinden könnte? Hilft die Religion den Menschen, die Sittlichkeit zu erhalten? Wovon ist die Erhaltung des Friedens auf Erden abhängig? Was ist das Ziel Ihres Lebens? usw.

 

Žalpiai (Rayon Kelmė)

 

An den Staatsanwalt der SSR Litauen

Abschrift: an den Apostolischen Administrator der Erzdiözese Kaunas und der Diözese Vilkaviškis, Bischof L. Povilonis

Protesterklärung

des Exekutivkomitees und der Gläubigen der römisch-katholischen Gemein­schaft der Gläubigen von Žalpiai.

Während der großen Ablaßfeier am 29. Mai 1983 in Žalpiai, Rayon Kelmė, drang während des Gottesdienstes ein betrunkener Mann namens Lapinskas in die Kirche ein. Er verursachte einen Radau in der Kirche, indem er das Protestschreiben der Gläubigen an den Staatsanwalt der LSSR wegen der Freilassung des inhaftierten Priester S. Tamkevičius und der Verhöre der anderen Priester mit etwa 300 Unterschriften den Gläubigen aus den Hän­den riß und es zerriß. Die Frauen, die sich in der Kirche widersetzen wollten, wurden von Lapinskas mit Füßen gestoßen und geschubst. Als die Männer sich einmischten, begann ein ausgesprochener Ringkampf. Als er nicht mehr mit den Händen umherschlagen konnte, stieß er mit den Füßen und biß mit den Zähnen. Bis er aus der Kirche zum Kirchhof hinaus­gejagt wurde, bekam auch er selbst einige Schläge zu spüren, die ihn zur Besinnung bringen sollten. Auf dem Kirchhof entstand ein Geschrei und eine Panik.

Nachdem die Gläubigen den Raufbold aus dem Kirchhof hinausbefördert hatten, wollten sie ihn der Miliz übergeben, konnten aber die Miliz nicht anrufen, weil alle Fernsprecher abgeschaltet waren. Dann kam ein Mann (die Miliz kennt ihn) und schlug vor, er selbst werde den Raufbold mit seinem Auto zur Miliz bringen. Er nahm aber den Raufbold durch die eine Tür in das Auto hinein, durch die andere ließ er ihn wieder laufen. Offensichtlich war dieser ein Mittäter beim Hervorrufen dieses Durcheinanders gewesen. Anstelle daß die Beamten der Miliz und des Sicherheitsdienstes des Rayons Kelmė den richtigen Täter gesucht hätten, der einen Radau und eine Panik während des Gottesdienstes in der Kirche verursacht hatte, begannen sie, unschuldige Menschen, die den Unruhestifter besänftigen wollten, festzu­nehmen und zu verhören.

Noch am selben Tag nahmen sie am Busbahnhof in Kelmė die Organistin der Kirche von Žalpiai, R. Teresiūtė, fest, die zur Zeit der Unruhe Orgel spielte und zwei Knaben, die während der hl. Messe ministriert hatten und den Radaumacher erst dann sahen, als er schon vom Kirchhof weggeschafft war.

Am nächsten Tag begann die Miliz und der Sicherheitsdienst des Rayons Kelmė gemeinsam mit demselben Lapinskas, der das Durcheinander in der Kirche verursacht hatte, nach unschuldigen Menschen zu suchen, die den Radau und die Panik zu beschwichtigen versucht haben, um sie zu verhören.

Wer dieser Radaumacher war, begann erst dann klar zu werden, als der Staatsanwalt von Kelmė, die Miliz und der Sicherheitsdienst sich um seine Gesundheit Sorgen zu machen begannen. Noch an demselben Tag fingen sie an, nach den Schuldigen zu suchen, die Lapinskas zu bändigen versucht hatten. Wie kann man aber in einer tausendfachen Menschenmenge den Schuldigen finden? Die Hauptschuldigen sind Lapinskas selbst und seine Mittäter, die in der Kirche den Gottesdienst gestört und einen solchen Radau verursacht haben, der nicht nur in der Pfarrei Žalpiai, sondern in ganz Litauen bekannt wurde.

Wenn die aktiveren Gläubigen den Raufbold nicht den Händen der Men­schenmenge entrissen und ihn vom Kirchhof entfernt hätten, dann hätte ihm die beleidigte, aufgeregte, aufgebrachte Menschenmenge schon noch einen Denkzettel mitgegeben.

Wir bitten den Staatsanwalt der SSR Litauen, Maßnahmen zu ergreifen, daß der Raufbold (die Miliz kennt ihn) und seine Berater und Mittäter festgenommen und gemäß § 145 des StGB der LSSR wegen der Herbei­führung eines Radaus während des Gottesdienstes in der Kirche bestraft werden.

Wir bitten Sie, der Staatsanwaltschaft des Rayons Kelmė zu befehlen, mit der Verfolgung der unschuldigen Gläubigen aufzuhören und die Festge­nommenen freizulassen.

Ist es denn möglich, daß dort, wo die Glaubensfreiheit herrscht, keine Ge­setze in Kraft sein können, die die Rechte der Gläubigen wenigstens in der Kirche verteidigen?

Am 29. Mai 1983

Unterzeichnet von den Mitgliedern des Kirchenkomitees und den Gläubigen — insgesamt 70 Personen