Nach der Festnahme des Priesters Sigitas Tamkevičius gab es eine ganze Flut von Verhören. Verhört wurden Priester, Gläubige, Jugendliche und sogar Kinder. Die Mitarbeiter des KGB interessierten besonders folgende Fragen:

a.       ob die verhörte Person Priester S. Tamkevičius kennt? Wie charakterisiert sie ihn?

b.     Worüber hat er in seinen Predigten gesprochen?

c.        Hat die verhörte Person wissentlich Erklärungen unterzeichnet, in denen es um die Verfolgung der Jugend oder um die Freilassung von Priester A. Svarinskas und Priester S. Tamkevičius ging?

d.       Haben die Priester nicht etwa den Text von der Kanzel verlesen, in dem vom Terror gegen die Jugend die Rede ist?

e.     Wer hat die Unterschriften gesammelt?

Nach dem Verhör beeilten sich die Sicherheitsbeamten, klarzumachen, daß der Priester S. Tamkevičius und der Priester Alf. Svarinskas rechtmäßig verhaftet und daß sie rechtmäßig beschuldigt seien, die sowjetische Ordnung wissentlich verunglimpft und verleumdet zu haben; daß in der Sowjetuion die vollkommene Gewissensfreiheit herrsche und daß niemand wegen seiner religiösen Überzeugungen verfolgt oder terrorisiert werde. Den konkreten Beweisen der Verfolgung der Religion, die die Verhörten aus eigenem Erleben angaben, schenkten die Sicherheitsbeamten keine Auf­merksamkeit und sie trugen sie auch nicht in das Protokoll ein; wenn dies der Verhörte ausdrücklich verlangte, hieß es, daß das nicht zu den Akten gehöre. Die Gläubigen weigerten sich massenweise, die Vernehmungsproto­kolle zu unterschreiben, weil sie gegen die ungerechte Festnahme des Prie­sters Sigitas Tamkevičius und des Priesters Alfonsas Svarinskas protestieren wollten, weil sie entsetzt darüber waren, wie man mit der Realität umging, weil sie eine Fälschung der Wahrnehmungsprotokolle befürchteten, indem man nachträglich »Aussagen« zur Person des Priesters S. Tamkevičius ein­fügt, die den Regierungsbeamten passen, den Priester aber belasten kön­nen. Das mißfiel den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes sehr.

Valkininkai (Rayon Varena)

Am 8. Juni 1983 verhörte der Tschekist Pilelis sechs Stunden lang den Pfarrer von Valkininkai, das Mitglied des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen, den Priester Aigis Keina. Der Untersuchungsbeamte fragte ihn über das Komitee der Katholiken zur Ver­teidigung der Rechte der Gläubigen aus, über seine Tätigkeit und seine Do­kumente, über seine Beziehungen zu den anderen Priestern. Der Verhörte weigerte sich, über die Tätigkeit des Komitees auszusagen. Während des Verhörs behauptete Pilelis, daß das Komitee nicht arbeiten dürfe und versuchte mit Drohungen und Erpressungen den Priester zu zwingen, aus dem Komitee der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen auszutreten. Priester A. Keina schrieb ein Schreiben folgenden Inhalts: »Das Komitee der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen hat sich zum Ziel gesetzt, zwischen der Zivilregierung und den Gläubigen zu vermitteln, damit den Gläubigen die in der Verfassung verankerten Rechte in gleichem Maße zugestanden würden wie den Ungläubigen. Unter nun eingetretenen Bedingungen aber ist es mir unmöglich, weiterhin als Mitglied im Komitee mitzuarbeiten, deswegen trete ich, A. Keina, hiermit aus dem Komitee aus.«

Nacingė (Rayon Varena)

Am 30. Juni 1983 wurde im Sicherheitsdienst zu Vilnius das Mitglied des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen, der Priester Kazimieras Žilys, vernommen. Die Vernehmung führte der Sicher­heitsbeamte Rainys. Dem Priester K. Žilys wurden folgende Fragen gestellt: »Seit wann sind Sie Mitglied dieses Komitees? Wer hat Ihnen vorgeschlagen, dem Komitee beizutreten? Womit zeichnet sich die Tätigkeit des Komitees jetzt aus? War der Priester Sigitas Tamkevičius nicht der Initiator dieses Komitees? Finden die Versammlungen des Komitees immer noch statt? Wer könnte jetzt der Anführer des Komitees sein? Haben Sie die >Chronik der LKK< gelesen?« usw. Der Priester Žilys stellte klar, daß alle Mitglieder des Komitees gleich sind und dieselben Rechte haben. Auf die Fragen, die die konkrete Tätigkeit des Komitees betreffen, verweigerte der Vernommene jede Antwort. Der Priester K. Žilys versicherte während des Verhörs, daß er in der Tätigkeit des Priesters Alf. Svarinskas wie auch des Priesters S. Tamkevičius nichts Antisowjetisches gesehen habe.

Den Satz in der Erklärung des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen wegen der Freilassung des Priesters Alfonsas Svarinskas, in dem gesagt wird, daß die eifrigsten Priester Litauens ver­haftet werden, hielt der Untersuchungsbeamte Rainys für eine Verleum­dung. »Ich betrachte A. Svarinskas als den eifrigsten Priester Litauens«, antwortete Priester K. Žilys. »Ich selbst verschweige manchmal, um meine Ruhe zu haben, die Tatsachen der Verfolgung der Gläubigen; das bedeutet, daß ich nicht immer, nicht überall meine Pflichten richtig erfülle, Priester A. Svarinskas dagegen schweigt nicht... Ist denn das Herausheben der Tat­sachen schon eine antisowjetische Tätigkeit?« — fragte Priester K. Žilys. Die Sicherheitsbeamten verlangten, der Priester K. Žilys solle aus dem Ko­mitee austreten. Der Priester K. Žilys erklärte darauf, daß er nur unter der Bedingung aus dem Komitee austreten werde, wenn ihn die Regierung als Missionar in die Ukraine oder nach Moldawien gehen lasse. »Wenn Sie wollen, daß eine andere Republik Sie als Missionar aufnimmt, müssen Sie gleich auf der Stelle eine Erklärung schreiben«, — sagte der Untersuchungs­beamte Rainys. Der Priester K. Žilys schrieb eine Erklärung, in der er wiederholte, daß er nur unter der Bedingung aus dem Komitee austreten werde, wenn sein Gesuch um Entsendung in die Mission erfüllt wird. Später wurde den Mitgliedern des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen die Rücktrittserklärung des Priesters K. Žilys gezeigt, ohne jedoch auf die Begründung des Rücktritts hinzuweisen.

Josvainiai (Rayon Kėdainiai)

Am 28. und 29. Juni 1983 wurde im Komitee des Sicherheitsdienstes zu Vilnius das Mitglied des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen, der Pfarrer der Pfarrei Josvainiai, Priester Leonas Kalinauskas, verhört. Während des Verhörs weigerte sich Priester L. Ka­linauskas, auf viele Fragen Aussagen zu machen, weil die Fragen selbst falsch waren, wie z. B.: »Was können Sie über die verleumderischen Do­kumente des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen sagen?«. Den Priester Sigitas Tamkevičius schilderte der Ver­hörte als einen eifrigen und frommen Priester. Der Priester L. Kalinauskas weigerte sich, das Vernehmungsprotokoll zu unterschreiben. Das Verhör dauerte etwa 5 Stunden. Am 29. Juni versuchte der Untersuchungsbeamte Rainys den Priester L. Kalinauskas zu überreden, sich von der Tätigkeit des Komitees zu distanzieren und schriftlich zurückzutreten, widrigenfalls drohe ihm, genau wie dem Priester Alfonsas Svarinskas und dem Priester Sigitas Tamkevičius, eine Verhaftung. Um den Priester L. Kalinauskas um­zuerziehen, waren noch zwei Tschekisten zu Hilfe gekommen. Diese ver­suchten, den § 17 des StGB auszulegen, und sagten, wenn man von den ver­brecherischen Taten Abstand nehme, werde man straffrei usw. Ohne irgend­was erreicht zu haben, versprachen die Tschekisten nach zwei Stunden, am 12. August nach Josvainiai zu kommen; bis zu der Zeit müsse sich der Priester L. Kalinauskas aber schon entschieden haben.

*

Zur Zeit verhört das KGB andauernd auch die anderen Mitglieder des Ko­mitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen, sie er­pressen sie verschiedenartig, nur damit diese aus dem Komitee der Katho­liken zur Verteidigung der Rechte derGläubigen möglichst bald austreten.

 

Kirdeikiai (Rayon Utena)

Am 11. Juli 1983 wurde im Sicherheitsdienst zu Vilnius der Pfarrer der Pfarrei Kirdeikiai, Priester Zenonas Navickas, verhört. Der Untersuchungs­richter führte Beweise vor, daß der Priester Z. Navickas unfähig sei, das Amt des Pfarrers auszuüben; er beschuldigte ihn, daß er in seinen Predigten die Regierung verleumde, tadelte ihn, weil er den Priester Alfonsas Sva­rinskas und den Priester Sigitas Tamkevičius verteidige und ihre Fotoauf­nahmen verbreite. Zu Ende des Verhörs las der Tschekist dem Priester Z. Navickas eine schriftliche Verwarnung vor, in der darauf hingewiesen wurde, daß gegen ihn ein Strafprozeß eröffnet werde, wenn er sich auch weiterhin so benehme.

Die Verwarnung unterschrieb Priester Z. Navickas nicht. Krikštonys (Rayon Lazdijai)

Am 29. Juni 1983 wurde Vladas Tamkevičius von seiner Arbeitsstelle aus in die Milizabteilung von Lazdijai vorgeladen. Hier stellte ihm ein Mit­arbeiter des Sicherheitsdienstes eine Vorladung nach Vilnius aus, um dort in dem Prozeß gegen seinen Bruder, Priester Sigitas Tamkevičius, als Zeuge auszusagen. Gleichzeitig wurde auch für seinen Bruder Albinas Tamkevičius, wohnhaft in Seirijai, eine Vorladung zu einem Verhör ausgestellt.

Am 30. Juni 1983 verhörte der Untersuchungsbeamte V. Baumila im Sicher­heitsdienst zu Vilnius Vladas und Albinas Tamkevičius. Den Untersu­chungsbeamten interessierte, was ihren Bruder Sigitas bewogen hatte, Priester zu werden, woher er seine Bücher bekommen habe, ob er oft zu Besuch gekommen und ob er nicht nervös gewesen sei; was er bei der Hochzeit der Tochter Birutė gesprochen habe usw. Das Verhör dauerte etwa drei Stunden.

Kaunas

Anfang Juli 1983 wurde im Sicherheitsdienst zu Kaunas Stasys Tamkevičius verhört. Der Untersuchungsbeamte fragte ihn, wer seinen Bruder bewogen habe, den Weg eines Priesters zu wählen, woher er Bücher bekommen und wer ihn unterstützt habe, als er im Priesterseminar zu Kaunas war usw. Während des Verhörs wurde versucht, dem Bruder klar zu machen, daß Priester Sigitas Tamkevičius die Regierung verleumdet habe. Stasys Tam­kevičius verneinte das, indem er erklärte, daß sie alle schon von klein an zu verantwortungsvollem Handeln erzogen worden seien. Sein Bruder habe niemanden verleumdet, sondern sich nur bemüht, seine priesterlichen Pflich­ten gewissenhaft zu erfüllen.

Vilkaviškis

Am 5. Juli 1983 wurde der Schüler der 10. Klasse, Arvydas Juška aus Vilka­viškis, in das Büro des Sicherheitsdienstes von Vilkaviškis zu dem Unter­suchungsbeamten V. Baumila vorgeladen. Der Junge hatte wegen seiner religiösen Anschauungen schon viel schmerzliches Unrecht erfahren müssen und ignorierte deswegen das Verhör — er beantwortete fast keine Fragen und weigerte sich entschieden, das Protokoll zu unterschreiben. Diese Un-nachgiebigkeit des Jungen ärgerte die Sicherheitsbeamten; sie ließen ihn nicht zum Mittagessen und sagten: »Du bleibst hier solange sitzen, bis du unterschreibst.«

 

Kybartai

Am 6. Juli 1983 brachten der Sicherheitsbeamte aus Vilkaviškis, V. Ka-nonenko, und der Mitarbeiter des KGB aus Vilnius, V. Baumila, die Schü­lerin der 10. Klasse an der K.-Donelaitis-Mittelschule zu Kybartai, Audronė

Juraitė, von zu Hause zum Verhör in die Miliz nach Kybartai. Ihr Bruder Evaldas Jūras begleitete das Mädchen.

Audronė wurde über den Pfarrer von Kybartai, Priester S. Tamkevičius, ausgefragt. Sie versuchten ihr zu beweisen, daß der Pfarrer in seinen Pre­digten die Lehrer verleumdet habe, indem er sagte, daß diese die gläubigen Schüler diskriminieren.

Audronė gab eine ganze Reihe von konkreten Beispielen der Diskriminie­rung wegen der religiösen Überzeugungen, aber keines davon wurde in das Vernehmungsprotokoll eingetragen.

Der Untersuchungsbeamte V. Baumila war erzürnt, weil Audronė sich wei­gerte, das Protokoll zu unterschreiben, und drohte ihr, daß sie mit solchen Anschauungen in keine Hochschule eintreten werde.

Das Mädchen antwortete darauf, daß man in der Schule bald überzeugt würde, daß in der Tat für die gläubige Jugend alle Wege in die Hochschule versperrt seien, deswegen mache sie sich gar nichts daraus und bereite sich auch nicht vor, irgendwo einzutreten, obwohl sie gut lerne. »Ich werde mich in der Kirche beschäftigen«, erklärte Audronė.

Als V. Baumila sah, daß er ihr keine Angst eingejagt hatte, erklärte er: »Wenn du nicht unterschreibst, werden wir dich für fünfzehn Jahre nach Vilnius mitnehmen, dann wirst du schon zu unterschreiben lernen.«

Auch diese Drohung hat nicht geholfen. Man mußte sich mit einem Protokoll ohne Unterschrift begnügen.

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Am 14. Juli 1983 kamen ein Untersuchungsbeamter des KGB aus Vilnius, der seinen Namen nicht nannte, und der Sicherheitsbeamte aus Vilkaviškis, V. Kanonenko, zu der Schülerin der 9. Klasse an der K.-Donelaitis-Mittel-schule zu Kybartai, Aušra Karaliūtė, nach Hause.

Das Mädchen war zu der Zeit allein zu Hause, verlor aber nicht die Fas­sung. Zuerst erklärte sie, daß sie nur mit einem Untersuchungsbeamten reden werde und bat V. Kanonenko, das Zimmer zu verlassen. Nachher erklärte sie entschlossen: »Fragen, die den Prozeß gegen den Pfarrer, Priester Sigitas Tamkevičius betreffen, werde ich nicht beantworten.« Der Unter­suchungsbeamte drohte ihr, daß man sie deswegen vor Gericht stellen könne. Aušra gab zur Antwort: »Dann stellt mich vors Gericht.« Dann »erbarmte« sich ihrer der Untersuchungsbeamte großherzig.

Wegen der standhaften Haltung von Aušra fand kein Verhör statt und wurde auch kein Protokoll aufgesetzt. Ohne irgendwas erreicht zu haben, sagte der Untersuchungsbeamte beim Weggehen: »Ihr seid alle gegen die sowjetische Regierung eingestellt, sogar deine Hunde sind gegen uns« (denn zu der Zeit bellten die zwei Hündchen von Aušra heftig, weil sie fremde Leute gewittert haben).

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Am 6. Juli 1983 verhörten Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes die Einwoh­nerin von Kybartai Ferencienė bei ihr zu Hause. Auf die Frage, wie sie den Priester Sigitas Tamkevičius schildern könnte, sagte die Frau mit Tränen in den Augen: »Wenn es nicht unseren Pfarrer, Priester S. Tamkevičius, gegeben hätte, wären vielleicht meine Kinder heute Landstreicher geworden oder würden im Gefängnis sitzen. Ihm ist es zu verdanken, daß sie gute und gewissenhafte Menschen geworden sind. Und wenn es möglich wäre, so wäre ich gerne einverstanden, daß Sie mich heute noch verhaften oder mich an die Wand stellen zum Erschießen, wenn Sie nur den Priester S. Tamke­vičius freilassen würden. Denn wenn ich sterben würde, würden nur zwei Kinder Waisenkinder werden, jetzt aber hat die ganze Pfarrei, ja sogar ganz Litauen einen guten Vater verloren. Wer wird uns jetzt verteidigen?«

Ferencienė erzählte noch eine ganze Reihe von Fakten der Diskriminierung wegen des Glaubens, sie hob die ihr bekannten Vergehen der Mitarbeiter der Partei "heraus, aber auch diesmal schrieb der Mitarbeiter des Sicherheits­dienstes nur die Aussagen ins Protokoll hinein, die ihm paßten, bei allem anderen tat er, als ob er das nicht hören würde.

Ferencienė unterschrieb das Protokoll nicht.

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Am 16. Juni 1983 wurde die Schülerin der 11. Klasse an der K.-Donelaitis-Mittelschule zu Kybartai, Vida Merkevičiūtė, zu einem Verhör vorgeladen. Sie ging nicht hin.

Nachdem man sie am 17. Juni durch List in der Schule vorgeladen hatte, überreichte man ihr eine offizielle Vorladung, der zufolge sie am 20. des­selben Monats zu einem Verhör nach Vilnius zum Untersuchungsbeamten des KGB, V. Baumila, fahren sollte. Damit sie dies auch wirklich tue, gab ihr der Direktor der Schule einen Lehrer mit, der Vida zum Amt des Sicher­heitsdienstes begleiten sollte. Das Mädchen verzichtete aber auf die Beglei­tung und fuhr allein hin.

Während des Verhörs sprach sie wenig. Das Protokoll unterschrieb sie nicht. Virbalis (Rayon Vilkaviškis)

Der Mitarbeiter des KGB der Stadt Vilnius, Vidas Baumila, verhörte am 16. Juni 1983 den Schüler der 10. Klasse der Mittelschule zu Virbalis,

Jonas Depšys, und die Schülerin der 9. Klasse derselben Schule, Lina Že-bertavičiūte, in der Mittelschule, nachdem er sie zuerst von zu Hause geholt hatte. Er fragte beide, ob sie den Priester S. Tamkevičius kennen, ob sie die Erklärungen wegen der Verfolgung der Jugend und wegen der Befreiung des Priesters A. Svarinskas und des Priesters S. Tamkevičius unterschrieben hätten und wo sie mit den Texten der Erklärungen bekannt geworden seien. Die Schüler verleugneten ihre Unterschriften nicht.

 

Vilkaviškis

Im Arbeits- und Erholungslager für die Schüler, das sich im Rayon Vilka­viškis befindet, tauchten am 26. Juni 1983 der Mitarbeiter des KGB der Stadt Vilkaviškis, Masalskis, und der Sicherheitsbeamte der Stadt Vilnius, V. Baumila, auf. Auf hinterlistige Weise luden sie die hier arbeitende Schü­lerin der 8. Klasse der V.-Vitkauskas-Mittelschule zu Vilkaviškis, Jūratė Alkevičiūtė, zu sich. Dem Mädchen wurde gesagt, es würde von ihrem Vater am Telefon verlangt. Als sie die Sicherheitsbeamten sah, nahm Jūratė Anstoß an dieser vorgespielten Lüge und weigerte sich, zu reden. Später aber verlangte sie, ihre Eltern herbeizuholen, sonst werde sie als Minder­jährige und ohne Wissen der Eltern überhaupt nicht reden.

Dann rief der Untersuchungsbeamte V. Baumila eine Lehrerin herein, die sich gerade im Lager befand.

Auf die Frage, ob unter der Erklärung wegen der Verfolgung der Jugend wirklich ihre eigene Unterschrift sei, antwortete Jūratė:

»Wie können Sie noch daran zweifeln, ob das meine Unterschrift ist oder nicht! Sie sehen doch, daß ich meinen vollen Vornamen und Familiennamen hingeschrieben habe und das alles unterzeichnete.«

Die Sicherheitsbeamten wunderten sich über die Kühnheit des Mädchens, nannten es eine harte Nuß und ärgerten sich sehr, als es sich weigerte, am Schluß des Verhörs das Protokoll zu unterschreiben.

 

Vilnius

Am 6. Mai 1983 wurde um etwa 11 Uhr die Einwohnerin von Vilnius, die Konditorin des Restaurants »Dainava«, Joana Bukaveckaitė, die zu der Gerichtsverhandlung gegen Priester Alf. Svarinskas gekommen war, von Sicherheitsbeamten und Milizmännern lügenhaft des Schwarzhandels be­schuldigt und festgenommen. Nach der Klärung der Personalien der Fest­genommenen führten die Tschekisten J. Bukaveckaitė in einen nebenan stehenden Autobus, um sie zu verhören. Es interessierte die Sicherheits­beamten, ob J. Bukaveckaitė nicht eine geheime Ordensfrau sei, wie weit sie in die Tätigkeit des Priesters Alf. Svarinskas verwickelt sei (mit ihren Worten gesagt: in die Politik), ob sie Schreibmaschine schreiben könne, ob sie die »Chronik«, »Aušra« oder andere Untergrundveröffentlichungen lese. Sie erkundigten sich, ob sie oft nach Šiluva und Kybartai komme, ob sie Birutė Briliūtė wie auch Zita und Onutė Šarakauskaitė kenne? Während des Verhörs wurde J. Bukaveckaitė mit Arresttagen gedroht, und sie wurde spöttisch Verteidigerin des Priesters Alf. Svarinskas genannt. Auf jene Fragen, die ihre Uberzeugungen, ihre Familie oder ihre Bekannten betrafen, antwortete Bukaveckaitė nicht. Deshalb drohte man, sie mit Arresttagen zu bestrafen. »Dein Schweigen betrachten wir als Bestätigung der Wahrheit (Bestätigung der Anschuldigungen des Sicherheitsdienstes — Red.)«, sagte der Tschekist.

Am Ende des Verhörs drohte der Sicherheitsbeamte J. Bukaveckaitė, sie werde sich — so wörtlich — »nur mit der Haut ihrer Eltern freikaufen können, falls sie jemals wieder in Šiluva, Kybartai oder Viduklė ihm be­gegnen werde«. Dazu brauchte man ihre Eltern nicht einmal physisch anzu­fassen, fügte er später hinzu.

Nach diesem Verhör, das J. Bukaveckaitė umerziehen sollte und zwei Stun­den gedauert hatte, wurde sie freigelassen.

Kaunas

Neben der Kathedrale — Basilika zu Kaunas sammelten am 29. Mai 1983 die Gläubigen Unterschriften für die Freilassung der Priester Alfonsas Sva­rinskas und Sigitas Tamkevičius. Zu der Einwohnerin von Kaunas, Giedrė Striokaitė, die ebenfalls Unterschriften sammelte, traten drei Männer in Zivil, und einer von ihnen versuchte, ihr den Text der Erklärung, unter der schon etwa 40 Personen unterzeichnet hatten, mit Gewalt aus den Händen zu reißen; ohne sich vorzustellen und ohne ihre Dokumente vorzuzeigen, faßten sie die anderen zwei an den Armen und schleppten sie in die Miliz­abteilung des Rayons Požėla. Hier durchsuchte einer der Sicherheitsbeamten das Handtäschchen von G. Striokaitė und notierte sich ihren Namen, die Adresse und die Arbeitsstelle. Als die Adresse nicht stimmte (die Apparatur der Anmeldung zeigte noch die frühere Adresse von Giedrė), verlangten die Tschekisten nach ihrem Personalausweis. Das Mädchen hatte ihren Personalausweis nicht dabei. Die Sicherheitsbeamten wollten schon die Schlüssel ihrer Wohnung an sich nehmen, und selber die nötigen Dokumente zu Hause suchen. Nach einem entschiedenen Widersetzen gegen derartiges Vorgehen der Sicherheitsbeamten, wurde G. Striokaitė mit einem Milizauto nach Hause gebracht. Beim Weggehen befahlen sie dem Mädchen, am nächsten Tag um 10 Uhr unbedingt im Arbeitszimmer 21 der Abteilung für innere Angelegenheiten des Rayons Požėla zu erscheinen. Eine schriftliche Vorladung, zu einem Verhör zu kommen, ließen sie ihr nicht zurück.

Am nächsten Tag ging G. Striokaitė nicht in die Milizabteilung, sondern in die Arbeit. (Sie arbeitet als Krankenschwester in der Unfallstation der Stadt Kaunas). Um etwa 14 Uhr meldete sich an ihrer Arbeitsstelle ein Milizmann; Giedrė war aber zu einem Kranken gerufen worden. Der Mi­lizmann verlangte streng, sie soll bis 15 Uhr in der Milizabteilung des Rayons Požėla vorstellig werden. Dort wartete ein Mann mittleren Alters in Zivilkleidern auf sie. Als sich die Vorgeladene nach seinem Namen er­kundigte, erwiderte der Sicherheitsbeamte, ohne seine Papiere vorzuzeigen: »Petraitis Juozas «.

Der Tschekist, angeblich also J. Petraitis, erklärte G. Striokaitė, daß sie wegen der Verletzung der öffentlichen Ordnung in die Milizabteilung vor­geladen sei; er beschuldigte sie, daß sie auf der Straße ein Durcheinander verursacht habe, die Leute am Rockzipfel zum Unterschreiben gezogen hätte und die Nichtunterschreibenden beschimpft habe. Alles waren grob erdachte Lügen, die der Tschekist nach und nach während des Verhörs wiederholte.

Die Vorgeladene wurde während des Verhörs ausgefragt, ob sie keine Ver­wandten im Ausland habe, ob sie schon einmal vor Gericht gestanden sei, was die Eltern machten usw. Als G. Striokaitė bat, schneller zur Sache zu kommen, weil die Kranken auf sie warteten, begann er sie zu fragen, wer sie beauftragt habe, die Unterschriften zu sammeln, woher sie den Text der Erklärung hätte; später begann er jeden Satz der Erklärung zu analy­sieren und sie zu fragen, woher sie die inhaftierten Priester kenne und woher sie wisse, daß sie die eifrigsten Priester Litauens sei usw. G. Striokaitė stellte klar, daß den Schurken keine Menschen nachlaufen, außerdem wüßten alle sehr gut, wie die Pfarreien ausgeschaut hatten, bevor diese Priester ge­kommen seien, zu arbeiten, und wie sie jetzt aussähen.

Der Tschekist versuchte Striokaitė zu überzeugen, daß die Leute wegen des Unterschriftensammelns verärgert seien. Schließlich erklärte er, daß man eine Sondererlaubnis haben müsse, um allgemein Unterschriften sammeln zu dürfen. Der Sicherheitsbeamte verlangte, daß G. Striokaitė an die Adresse des Vorstehers der Miliz eine Erklärung schreiben solle, in der sie erkläre, warum sie die öffentliche Ordnung verletzt und wer ihr befohlen habe, die Unterschriften zu sammeln; außerdem fragte er, ob sie mit dem Text der Erklärung völlig einverstanden sei und was sie zu tun gedenke, wenn sich wieder eine solche Gelegenheit biete. In der Erklärung wies G. Striokaitė. darauf hin, daß sie, als sie bei der Kathedrale Unterschriften sammelte, von drei Männern überfallen worden sei, die sie ohne Erklärung in die Miliz­abteilung geschleppt hätten. Die Anschuldigung der Verletzung der öffent­lichen Ordnung betrachte sie als ungerecht, mit dem Text der Erklärung sei sie einverstanden, und sie werde auch weiter, wenn es nötig sein sollte, die Priester verteidigen.

Am Ende des Verhörs gab sich der Tschekist als ein guter Mensch aus, der ihr helfen wollte, ja er getraute sich sogar, über Glaubensfreiheit zu reden. Als G. Striokaitė ihm erklärte, daß sie für solche Gespräche keine Zeit habe, weil auf sie die Kranken warteten, entließ sie der Sicherheitsbeamte mit Versprechen, sie wiederzusehen. Das Verhör dauerte etwa zwei Stunden. In den Räumen der Unfallstation der Stadt Kaunas, wo man über das Be­tragen von G. Striokaitė zu Gericht saß, versammelten sich am 20. Juni die Oberärztin Jarašienė, ihre Stellvertreterin Sasnauskienė, die Oberschwester Girdauskienė, die Ärztinnen Pokanskienė, Jurevičienė, Maskaiiowa. Die Oberärztin verwarnte G. Striokaitė, daß diese ihrer Arbeitsstelle Unannehm­lichkeiten durch ihr Betragen gemacht habe, und versuchte sie zu überzeugen, daß man sich in solche Sachen nicht einmischen solle. G. Striokaitė sagte, daß sie nicht verspreche, »sich zu bessern«, weil sie sich schon früher alles gründlich überlegt habe.

 

Adakavas (Rayon Tauragė)

Am 27. Mai 1983 war der Pfarrer der Pfarrei Adakavas, Priester Valentinas Šikšnys, zu Rayonstaatsanwalt Rimeika vorgeladen (im Arbeitszimmer be­fand sich auch der Vorsteher des Sicherheitsdienstes des Rayons Tauragė). Der Staatsanwalt Rimeika setzte den Priester V. Šikšnys mit einer schrift­lichen Verwarnung wegen des Religionsunterrichts für Minderjährige in Kenntnis. Priester V. Šikšnys wurde mit § 143 des StGB gedroht.