Vor kurzem erschien in den Buchhandlungen eine kleine Sammlung von Feuilletons, Schmähschriften »Dialogai« (Vilnius, Vaga, 1984), zusammen­gestellt von K. Bagdonavičius. Aus diesem Büchlein haben die Gläubigen Litauens erfahren, wie auf Grund eines Interviews des Rektors des Priester­seminars zu Kaunas in der Londoner Tageszeitung »Guardian« die Lage der Kirche in unserem Lande verdreht dargestellt wird (Seite 243).

Der Rektor Dr. Priester V. Butkus erzählt beispielsweise, daß im März 1982 eine neue Kirche für das Priesterseminar eingeweiht worden sei. Das ist nicht wahr: Diese Kirche ist nicht neu. 1982 wurde dem Priesterseminar die Kirche zur Hl. Dreifaltigkeit zurückgegeben, die ihm vor 20 Jahren weggenommen worden war. In den Jahren sind von der wunderbaren Kirche nur die Wände noch übriggeblieben: Die schönsten Altäre sind zerstört, kunstvolle Bilder und Statuen verröchlet worden. Die Kirche war als Bücherlager benützt worden. Man nimmt an, daß der verstorbene Kardinal Alfred Bengsch da-'.u beigetragen hat, daß diese Kirche zurückgegeben wurde, weil er sich während seines Besuchs in Litauen über das winzige Kapellchen des Priester­seminars wunderte, in dem es sowohl an Licht als auch an Luft und Platz mangelte.

Priester V. Butkus behauptet, daß in Litauen Gottesdienste für die Jugend ab­gehalten werden. In Wirklichkeit erlaubt die Regierung solche Gottesdienste nur für die Alumnen des Priesterseminars. Allen sind die Tatsachen bekannt, wie die Regierung auf die Exerzitien für die Jugend, auf die Weihnachts-baumveranstaltungen für die Kinder, auf das Gedenken des Schul Jahresbe­ginn oder auf die Feier der hl. Messe für die Jugend reagiert. Dies alles wird nicht nur als Verletzung des Statuts der religiösen Gemeinschaften, sondern sogar als antisowjetische Tätigkeit proklamiert. (So wurde auch der Priester Sigitas Tamkevičius vor Gericht beschuldigt). Der Rektor erzählt weiter:

»... den gläubigen Jugendlichen ist es erlaubt, am Altar zu ministrieren.« Das ist eine sehr tückische Aussage. Beachten Sie: Es wird nicht gesagt »den Kindern«, sondern »den Jugendlichen«. Das Statut der religiösen Gemein­schaften erlaubt dies nur den Jugendlichen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Wenn in Litauen die Kinder noch immer am Altar ministrieren, dann geschieht dies nur deswegen, weil es immer noch Priester gibt, die dieses Statut nicht beachten, sondern sich von den Worten Christi »Lasset die Kinder zu mir kommen« leiten lassen.

Man freut sich, weil die 22 Seminaristen, die 1982 in das Priesterseminar aufgenommen wurden, anscheinend eine riesige Zahl darstellen. Vor dem Kriege gab es in Litauen jedoch nicht nur ein einziges Priesterseminar, und in diese wurden bedeutend mehr Jugendliche aufgenommen. Außerdem muß sich erst noch zeigen, wieviele von diesen 22 Seminaristen die Priesterweihe erreichen werden. Höchstwahrscheinlich werden es wesentlich weniger sein als Priester im Jahr sterben. Ungeachtet der ganzen »Güte« der sowjetischen Regierung wiederholt sich diese Lage von Jahr zu Jahr. Sind das vielleicht normale Arbeitsbedingungen der Kirche?

Es wird in diesem Artikel eine Äußerung des Pfarrers der Pfarrei St. Rafael zu Vilnius, Antanas Dilys gegen die Katholische Kirche Polens abgedruckt.

Woher weiß nun aber der Priester A. Dilys, daß sich die Priester Polens mehr mit Nationalismus beschäftigen und weniger über Gott reden? Diese Anschuldigung hören wir auch in der Presse der Gottlosen, die gegen die eifrigsten Priester Litauens gerichtet sind.

Trotz aller Mißverständnisse der Vergangenheit schätzen die Gläubigen Li­tauens die Bemühungen der benachbarten Polen wohlwollend und inter­essieren sich dafür, wie sie ebenfalls unter schwierigen Bedinungen den Glau­ben in ihrem Volke erhalten.