Die Methoden und die Formen der Gestaltung des neuen Menschen in der sowjetischen Schule.

(Aus der Beratung der Pädagogen, Führer der atheistischen Arbeit, der Re­publik im März 1984 in Vilnius)

Der Lektor des ZK der KPL, J. Sakalauskas, durchleuchtete kurz für die Versammelten die Lage der Religion in Litauen und unterstrich dabei, daß die Religion in der heutigen Welt politisiert sei und daß die Politik sich mehr mit der Religion befasse. Die Kirche habe den Himmel aus dem Kosmos herausgenommen und in das Herz des Menschen versetzt. Sie habe ihre Tätigkeit aktiviert. Im Sommer 1983 begann der Vatikan, seine Sendungen in usbekischer, kirgisischer und tadschikischer Sprache zu senden. 1983 sind in das Priesterseminar zu Kaunas 4 junge Weißrussen und Ukrainer einge­treten. Aus Anlaß des hl. Casimir-Jubiläums am 4. März 1984 habe der Papst in seiner Begrüßung gesagt :»Ich begrüße alle hier Versammelten, ihre Familien, besonders aber jene, die für den Glauben in Litauen kämp­fen...« »Die einfachen Gläubigen begrüßte er nicht, sondern nur die Ex­tremisten, die Kämpfenden . . .«, sprach der Lektor J. Sakalauskas.

Der Lektor erinnerte sich auch an den Pfarrer von Adutiškis, B. Laurina­vičius. Uber ihn sagte er, daß dieser sich vergafft habe und unter ein Auto geraten sei und dadurch ein unnötiges Aufsehen verursachte, wo doch jeden Tag viele Menschen durch Autounfälle sterben, ohne daß sich jemand des­wegen Sorgen macht.

Weiter sagte der Lektor, daß 1983 alle Oberhäupter der Diözesen Litauens, die Häupter der orthodoxen Kirche Litauens, der Altgläubigen und der Lutheraner wie auch der Rektor des Priesterseminars zu Kaunas Priester V. Butkus, nach Vilnius zusammengerufen worden waren. Nach einem Vor­trag sind die Bischöfe aufgefordert worden, sich mit einem Schreiben an die Öffentlichkeit zu wenden, um sie zum Kampf für den Frieden zu ermuntern. Sie seien an das Jahr 1947 erinnert worden, als den Bischöfen Litauens befohlen wurde, sich mit einem Appell an die Öffentlichkeit zu wendet, damit die Banditen (Partisanen, Freiheitskämpfer — Bern. d. Red.) aus den Wäldern herauskommen; die Bischöfe hätten aber das Schreiben nicht ge­schrieben . . . Deswegen wurde 1983 den Bischöfen ein Entwurf gezeigt, in dem aufgefordert wurde, sich mit Arbeit und Gebet für den Frieden einzu­setzen. Den Satz: »und sich der Politik der Sowjetunion anzuschließen« ha­ben sie jedoch ausgestrichen.

J. Sakalauskas behauptete, daß der Priester Alf. Svarinskas, als er gefragt wurde, warum er die Reisen des Prof. V. Butkus zu den Friedenskonferenzen mißbillige, geantwortet habe: »Ein solcher Friede genügt den Gottlosen, aber nicht den Gläubigen.«

»Noch eine aktuelle Frage — die Predigten der Priester. In ganz Litauen hören die Mitglieder der Kontrollkommission die Predigten und geben sie an die Atheismusräte der Rayons oder der Städte weiter. In einem Städt­chen im Rayon von Tauragė beispielsweise erzählte ein Priester in seiner Predigt, daß ihn beim Militär niemand gefragt habe, ob er sich einen Riemen mit einem Stern auf der Schnalle wünsche. Vielleicht will er einen Riemen mit einem Kreuz auf der Schnalle. Das, Genossen, ist schon eine antisowjetische Predigt!«, erklärte der Lektor Sakalauskas.

»Heutzutage wird das Problem der Schülerorganisationen sehr aktuell«, fuhr der Lektor fort. »Zerrt Frömmlinge nicht mit Gewalt zu den Pionieren oder in die Kommunistische Jugend, sondern bemüht euch, ihre Anschau­ungen zu durchlöchern. Das alles hängt in erster Linie davon ab, ob alle Pädagogen eine feste materialistische Anschauung und philosophische Kultur besitzen. Als Beispiel: Zwei Lehrerinnen, die vor kurzem in Pension ge­gangen sind, leiten jetzt ein illegales Kloster, oder: Lehrer fahren in andere

Rayons, um dort an der Messe teilzunehmen. Ist es auch um unsere Welt­anschauung so bestellt?«, fragte der Redner die Versammelten.

»Wir wollen auch die Frage mit den Klöstern berühren. Es gibt zur Zeit in Litauen mehr Klöster als damals, als sie noch erlaubt waren. Warum ver­breiten sie sich? Zuerst, weil wir nicht in der Lage sind, die Krankenschwe­stern und die Erzieherinnen der Kindergärten mit Wohnungen zu versorgen, denn sie machen die Mehrheit der Ordensfrauen aus.«

»Wir schenken dem einsamen Menschen an seinem Arbeitsplatz und in den Organisationen zu wenig Aufmerksamkeit. War das Jahr 1982 zum Jahr der Güte ausgerufen, so hatte es zur Folge, daß die Kirche es im ganzen huma­nistischen Sinne genommen hat, wir aber sind noch weit davon entfernt...«

Der Oberlektor des Staatlichen Pädagogischen Instituts zu Vilnius, J. Stan­kaitis, sprach über die wirksame Methode der atheistischen Arbeit — die individuelle Arbeit mit den Schülern. Eine individuelle Arbeit — das ist eine differenzierte Arbeit, bei der man die Eigenschaften der Menschen und ihre Weltanschauungen kennt. An jeder Schule muß man ein aufeinander abge­stimmtes, differenziertes System der atheistischen Erziehung ausbauen. Dabei wies L. Stankaitis auf eventuelle Möglichkeiten der atheistischen Arbeit hin.

Die psychologische Schranke zwischen Lehrer und Schüler und auch zwischen Lehrer und Eltern muß durchbrochen werden. Der Lehrer muß den Gläu­bigen gegenüber freundlich sein und darf sie nicht verletzen.

Man muß den Schüler, seine Neigungen, sein Bestreben, was ihn begeistert, was ihn traurig stimmt und was ihn erfreut, gründlich erkennen.

Sehr wichtig ist die passive Beobachtungsmethode — eine diplomatische Aussprachemethode, bei der der Schüler die Provokation nicht spüren kann und sich so von selbst langsam öffnet. Man kann ganz unschuldige Fragen stellen: Welche Feierlichkeiten haben dir in der Schule meistens gefallen? Wozu wirst du von deiner Mutter, deinem Vater, deiner Großmutter am häufigsten angehalten? Gefällt es deiner Familie, wenn du über deine Tätig­keit in der Schule erzählst? Was macht ihr am Sonntag und in der Freizeit?

Eine andere Methode dieser Arbeit: Besuch der religiösen Familien. Während des Besuches muß man beobachten, ob in der Fastenzeit oder im Advent in den Familien Musik gehört wird, auf welches Familienmitglied man sich bei der atheistischen Erziehung der Kinder stützen kann (meistens auf den Vater oder älteren Bruder), ob es im Hause religiöse Literatur gibt, ob der Priester oft zu Besuch kommt, wer in der Familie am religiösesten ist usw.

Das Verlangen der Kinder nach Kultur, Sport, Kino, Theater usw. muß man hegen. Auch die Knaben sollen das Tanzen lernen und es soll darauf geachtet werden, daß sie regelmäßig an geselligen Veranstaltungen teil­nehmen.

Man muß erreichen, daß die Eltern in der Familie eine neutrale Einstellung einnehmen, daß sie wenigstens nicht die Sonn- und Feiertage heiligen und nicht die Kinder auffordern, in die Kirche zu gehen oder sich an religiösen Handlungen zu beteiligen, und so die Erziehung der Kinder der Schule an­vertrauen und überlassen.

Es ist ratsam, sich den Elternbeirat, den Ortsvorsitzenden, den Bevollmäch­tigten der Miliz oder auch jemand anderes zur Hilfe zu nehmen, damit die öffentliche Meinung die Fanatiker verurteilen kann. Außerdem können die Eltern auch bestraft werden, wenn sie keine atheistisch geprägte Schöpfer der Gesellschaft erziehen.

Bei der Vorbereitung von atheistischen Veranstaltungen sind so viele Schüler wie möglich einzuziehen.

Auch in den Mikrorayons, in denen man lebt, und in der ländlichen Ortschaft muß man die atheistische Arbeit organisieren. Es lohnt sich auch, einen Gläubigen, der im Kirchenchor singt, in den Chor des Kulturhauses aufzu­nehmen. Er kann ruhig einige Zeit auf zwei Stühlen sitzen bleiben, später vielleicht wird er keine Zeit mehr finden, in die Kirche zu gehen.

Die atheistischen Vorträge müssen in Zyklen organisiert werden, z. B. jener Zyklus von Vorträgen über die Christianisierung Litauens, der in den Jahren 1983/84 mit den Neuntkläßlern durchgeführt wurde. Bis sie die Mittelschule abgeschlossen haben, werden sie sich bereits feste ideologische Anschauungen erworben haben.

Bei der Organisation von Vorträgen ist es wichtig, interessierende Themen zu finden, die die Gläubigen nicht verscheuchen, sondern anziehen und ihr Interesse wecken«, erklärte der Führer der atheistischen Arbeit J. Stankaitis den Versammelten.

Vilnius

In der Besprechung über die Lage der Religion in Litauen, erklärte der be­vollmächtigte des RfR, P. Anilionis, »Man darf nicht in die Charakteristik der Schüler schreiben, ob er gläubig oder ungläubig ist, der Lehrer kann aber, klug überspielend Angaben über die Anschauungen der Schüler machen, weil die Schule (besonders die Hochschule) die Anschauungen des zukünfti­gen Studenten kennen muß.«

Molėtai

Die Schüler der Klasse 3a an der I. Mittelschule zu Molėtai, Gita Guobytė, Asta Stalnionytė, Vaiva Mildažytė, Alvydas Maigys, Vaidas Venclovas, Ri­mantas Paškevičius und Rimvydas Verikas waren am 19. November 1984 zum Direktor der Schule, Jakštas, vorgeladen. Im Arbeitszimmer wartete ein Milizmann auf sie. Es begann ein Verhör. Die Schüler wurden über die Erstkommunion dieses Jahres ausgefragt: Wer die Erstkommunion emp­fangen habe, wer die Kinder zur Erstkommunion vorbereitet und wer sie eingeteilt hatte und wo sie unterrichtet wurden. Nach dem Verhör mußten alle Kinder unterschreiben.

Alytus

Die Meisterin der 17. Gruppe für Produktionskunde an der Technischen Berufsschule der Stadt Alytus, Irea Griškevičienė, brachte am 24. Dezember 1984 eine Liste der Gruppe mit und verlangte, die Schüler sollten unter­schreiben, daß sie an Weihnachten, am 25. Dezember alle am Unterricht teilnehmen würden.

Padubysis (Rayon Kelmė)

Am 28. Dezember 1984 starb in Padubysis das kleine siebenjährige Töch­terchen Rasa-Genovaitė der Familie Pinkauskas, die in Padubysis lebt. Die Eltern beschlossen ihren Überzeugungen gemäß, ihre Tochter mit religiösen Zeremonien zu beerdigen. Als der Kolchosvorsitzende Kerbedis dies erfuhr, begann er die Familie Pinkauskas zu überreden, ihren Entschluß zu ändern und das Mädchen ohne Kirche zu beerdigen, sonst werde er den Schülern nicht erlauben, an der Beerdigung teilzunehmen.

Die Schüler versammelten sich im Hof des Einwohners Čekanavičius, von wo aus sie zur Ehrenwache am Sarg der verstorbenen Rselė gehen wollten. Der Kolchosvorsitzende Kerbedis, die Lehrerin der Mittelschule Varkalienė und noch zwei Lehrerinnen jagten die versammelten Schüler aber ausein­ander.